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Wismar im Jahr 1760. In Europa tobt der Krieg zwischen den Großmächten. Mecklenburg ist von Truppen aus Preußen besetzt. Kapitän Lars Schneider verfällt der Idee, sich dem König, Friedrich II. als Kaperkapitän anzubieten. Der König ist zuerst skeptisch, willigt dann jedoch in dieses Experiment ein. Kapitän Schneider bricht von Wismar aus auf, um die Wellen von Ostsee und Nordsee unsicher zu machen. Sein Weg führt ihn schließlich sogar bis in die Karibik. Innerlich zerrissen zwischen seinen Pflichten gegenüber dem König und den Gefühlen zu der Freifrau, Johanna von Ziesewitz beschreitet er einen Weg, den er sich zuvor nicht hätte vorstellen können. Doch überall auf seinen Reisen lauern Gefahren und die Glücksgöttin kann ein launisches Wesen sein.
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Seitenzahl: 391
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Gewidmet all jenen, die irgendwann in ihrem Leben am Strand standen und die Wellen des Meeres beobachtet haben. Diejenigen, die den Traum von der Seefahrt träumten und in Gedanken in fernen Ländern waren … Zu einer Zeit, als das Wort eines Mannes noch Wert hatte.
Covergestaltung, Karten und Illustrationen: Olaf Thumann
1. Neue Optionen, Wismar im Herbst 1760
2. Vorbereitungen, Wismar im Winter 1761
3. Auf Kaperfahrt, Ostsee im Winter 1761
4. Neue Voraussetzungen, Wismar Jahresanfang 1761
5. Ein verwegener Plan, Nordsee im Winter 1761
6. Abenteuer in weiter Ferne, Frühjahr 1761
7. Kaperfahrt in der Karibik, Frühjahr und Sommer 1761
8. Heimreise nach Wismar, Sommer und Herbst 1761
9. Zurück in die Karibik, Herbst - Winter 1761
10. Missionen und Kämpfe, Frühjahr 1762
11. Heimreise nach Wismar, Sommer - Herbst 1762
Karte, Nordeuropa mit Ostsee und Nordsee
Karte der Karibik
König Friedrich der II. von Preußen
Möchte man den Hintergrund der Romanhandlung verstehen, so empfiehlt es sich, die damaligen Gegebenheiten zu betrachten.
Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges, 1756, befand sich das Königreich Preußen in einer spannungsgeladenen und auch gefährlichen Lage. Die politische Lage in Europa war von komplexen Allianzen und einer tiefen Feindschaft zwischen verschiedenen Mächten geprägt. Friedrich II., später als Friedrich der Große bekannt, hatte in den Jahren zuvor bereits durch den Erwerb Schlesiens gegen das Habsburgerreich Aufmerksamkeit und Feindschaft auf sich gezogen. Der daraus entstandene Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) führte zwar zu einem preußischen Erfolg und der Anerkennung Schlesiens als preußisches Territorium, doch die Friedensregelungen waren nur oberflächlich. Der habsburgische Adel, insbesondere Kaiserin Maria Theresia von Österreich, betrachtete Preußen weiterhin als ernsthafte Bedrohung und war entschlossen, Schlesien zurückzuerobern.
Diese Feindschaft führte zur sogenannten “Umkehrung der Allianzen“ (Diplomatische Revolution) im Jahr 1756. Österreich verbündete sich mit seinem ehemaligen Rivalen, Frankreich, sowie mit Russland und Schweden, um gemeinsam gegen Preußen vorzugehen. Diese Allianz verfolgte das Ziel, Preußen zu schwächen und vor allem Schlesien zurückzugewinnen. Diese Koalition setzte Friedrich II. unter enormen Druck, da er nun von drei mächtigen Nachbarn umgeben war, die ihn militärisch überwältigen könnten.
Die einzige Unterstützung für Preußen kam aus Großbritannien. Das Vereinigte Königreich war zunehmend besorgt über die wachsende französische Macht und deren Einfluss in den Kolonien welche sich auf dem amerikanischen Kontinent befanden. Durch das Westminster- Abkommen von 1756 sicherte sich Friedrich II. daher die britische Unterstützung gegen Frankreich. Doch diese Allianz war in erster Linie finanzieller und diplomatischer Natur, da die britischen Truppen hauptsächlich in den Kolonien kämpften und Friedrich II. auf dem Kontinent weitgehend alleine kämpfen musste.
Vor diesem Hintergrund entschied sich König Friedrich II. für einen Präventivschlag. Mit einem Angriff auf das benachbarte Sachsen begann er im August 1756 den Krieg. Friedrich wusste, dass er militärisch und strategisch im Nachteil war, aber seine aggressive Taktik zielte darauf ab, die Allianz gegen ihn zu destabilisieren und seine Feinde in Einzelkämpfe zu verwickeln. Sachsen, strategisch wichtig als Zugang zu Österreich, wurde schnell besetzt. Friedrich versuchte, die sächsischen Truppen in die preußische Armee zu integrieren, um seine eigenen Reihen zu stärken, doch das führte zu Widerstand und politischen Spannungen.
Die Mobilisierung Preußens war beeindruckend. Friedrichs Armee galt als eine der besten in Europa. Disziplin, Training und eine starke Führung waren die Eckpfeiler der preußischen Militärstärke. Dennoch war Friedrichs Position riskant: Er musste militärische Überlegenheit gegen zahlenmäßig größere Armeen beweisen, was seinen strategischen und taktischen Fähigkeiten höchste Anforderungen abverlangte. In Preußen selbst war die Bevölkerung durch die anhaltenden Kriege und die hohen militärischen Anforderungen belastet. Der Konflikt forderte sowohl wirtschaftliche als auch menschliche Ressourcen, und die Abgabenlast für den Krieg erhöhte sich beträchtlich.
Der Beginn des Siebenjährigen Krieges markierte für Preußen eine Phase von enormen Herausforderungen und Wagnissen. Friedrich der Große, durch seine Vision eines starken und unabhängigen Preußens motiviert, trat in einen Krieg ein, dessen Ausgang keinesfalls gewiss war. Die kommenden Jahre würden jedoch zeigen, dass Preußen durch seine Hartnäckigkeit, seine militärische Organisation und König Friedrichs strategisches Geschick zu einer europäischen Großmacht aufsteigen sollte.
König Friedrich II. widmete sich dem Landkrieg. Die Marine hingegen war ihm fremd und interessierte ihn nicht. Demzufolge verfügte Preußen in dieser Zeit über keine Marine, welche den Namen verdient hätte.
Es gab jedoch Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit der Seefahrt bestritten und das eine oder andere völlig anders bewerteten, als der König … Darauf basiert dieser Roman.
Der Beginn des Siebenjährigen Krieges markierte für Preußen eine abwechslungsreiche Zeit, die jedoch auch von Erfolgen gezeichnet wurde. Es war auch eine Zeit, in der die Herrschaft über weite Gebiete an der Ostseeküste und in Nordeuropa neu geordnet wurden. Im Jahre 1757 wurde Wismar durch preußische Truppen von den Schweden erobert. Nachdem die mecklenburgischen Herzöge sich im Jahre 1755, nach zähen Verhandlungen, auf einen internen Erbvergleich einigten und sich Friedrich von Mecklenburg-Schwerin auf die Seite Österreichs stellte, somit also zum Gegner der Preußen wurde, besetzte Preußen dessen Herzogtum mit Truppen, was nicht immer ohne Blutvergießen ablief.
In der Folgezeit wurden mehrfach Zwangsrekrutierungen und massive Aushebungen befohlen, um die Heeresmacht des preußischen Königs wieder aufzustocken. Die immer größer werdenden Verluste der blutigen Gefechte mussten irgendwie ausgeglichen werden und wie stets in der Geschichtsschreibung litt vor allem das einfache Volk darunter, das dazu gezwungen wurde, die preußischen Regimenter wieder aufzufüllen. Das einfache Volk dieser Gebiete und auch ein beträchtlicher Teil des niederen Landadels jedoch schaute bewundernd zu dem König der Preußen auf und sah in ihm einen Führer, den sie selber nicht besaßen. Der König, Friedrich II. von Preußen, war ein Vertreter des sogenannten, aufgeklärten Absolutismus und bezeichnete sich selbst als “ersten Diener des Staates“. Er schaffte beispielsweise die Folter ab, verminderte die Zensur und legte auch den Grundstein für das Allgemeine preußische Landrecht. Mit der gewährung völliger Glaubensfreiheit holte er weitere Exilanten in sein Reich und trieb den Landausbau und die Besiedelung der damals karg besiedelten Gebiete wie beispielsweise den Oderbruch und den Netzebruch voran. Wen wundert es, dass er beim Volk beliebt war. Im Jahre 1762 verließen die preußischen Besatzungstruppen die Region wieder, was jedoch erst geschah, nachdem das besetzte Herzogtum der Zahlung von hohen Summen als Kontributionsgeld erfolgte.
Man sieht also, dass Wismar eine bewegte Geschichte besitzt. In diesem Roman ist Wismar der Ausgangspunkt und Mittelpunkt des Romans, der sich um den Kapitän Lars Schneider dreht. Der Kapitän selbst ist keine historische Figur, sondern lediglich eine Fiktion, die für diesen Roman erfunden wurde.
Kapitän Lars Schneider saß tief in Gedanken versunken in seiner Ecke der Taverne “Zum Anker“ und blickte auf das schäumende Bier in seinem Krug. Seine Augen folgten den sich brechenden Blasen auf der Oberfläche, doch seine Gedanken schweiften zu der rauen See zurück, die er erst kürzlich nur mit Glück und Geschick überlebt hatte. Der Krieg, das wusste er, war etwas, das sein Leben unwiderruflich verändert hatte. Die Welt der friedlichen Handelsfahrten, die er so lange gekannt hatte, schien ihm mit jeder neuen Begegnung mit feindlichen Schiffen ferner.
Als junger Mann hatte er die See mit Hoffnungen betreten, wie sie wohl jeder Matrose bei seiner ersten Überfahrt verspürt: die Hoffnung auf ein Abenteuer, auf Ruhm und vielleicht auch darauf, etwas von dem zu gewinnen, was man Wohlstand nannte. Und über die Jahre hinweg hatte er sich durch Geschick und unermüdliche Arbeit eine eigene Stellung aufgebaut. Die “Sturmvogel“ war das Ergebnis seiner Mühen, ein solides Schiff, das ihm und seiner Mannschaft Brot und Sicherheit bot. Doch in letzter Zeit waren Sicherheit und Einkommen schwindende Güter. Die Ostsee war nicht mehr das ruhige Handelsrevier, in dem er sich frei bewegen konnte. Die französischen Freibeuter, im Namen ihres Königs auf Kaperfahrt, sowie die regulären Kriegsschiffe der französischen Marine, waren zu einer Plage geworden. Zwar waren deren Schiffe selten in den Gewässern der Ostsee anzutreffen aber sie beherrschten unbestritten das hiesige Meer. Zweimal hatten sie ihn fast aufgebracht, und in beiden Fällen hatte er nur durch die Schnelligkeit der “Sturmvogel“ und den heldenhaften Mut seiner Mannschaft das Schlimmste verhindern können.
Lars wusste, dass er in den kommenden Jahren nicht mehr viel Spielraum hatte. Mit seinen fünfzig Jahren spürte er das Alter in den Knochen, die Seeluft hatte ihm die Haut gegerbt und die Glieder schwer gemacht. Jüngere Männer mochten ein Leben als Fischer oder Bootsbauer erwägen, doch er? Er war seit Jahrzehnten Kapitän, und in dieser Rolle würde er sich auch die nächsten Jahre noch sehen. Doch wie sollte das gehen, ohne einen verlässlichen Verdienst? Seine Überfahrten waren unsicher geworden, und mit jeder Ladung, die er transportierte, wuchs das Risiko, sie an die französischen Kaperfahrer zu verlieren oder kurzerhand von einem regulären Kriegsschiff der Franzosen versenkt zu werden. Wäre es das wert, seine “Sturmvogel“ ein drittes Mal dieser Gefahr auszusetzen, und das womöglich, ohne dass überhaupt jemand für die Schäden aufkäme?
Ein Funken entschlossener Wut durchzuckte ihn, und er hob den Blick, seine Augen blitzten kalt. Warum sollte er, ein Mann, der sein ganzes Leben dem Meer gegeben hatte, nun in ständiger Angst leben? Warum sollte er nicht selbst das tun, was die Franzosen zu ihrem Vorteil nutzten? Wenn sie Kaperfahrer auf die Jagd nach preußischen und englischen Handelsschiffen schickten, warum sollte Preußen nicht dasselbe tun und warum sollte nicht er, Kapitän Lars Schneider, der Mann sein, der diesen Dienst für sein Land übernahm?
Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, und er stellte sich die Begegnung mit dem preußischen König Friedrich vor. Zwar war es unwahrscheinlich, dass der König ihm persönlich eine Kaperlizenz ausstellte, doch mit etwas Glück und den richtigen Kontakten könnte er das offizielle Recht erwerben, französische Schiffe zu kapern und deren Ladung für Preußen zu beanspruchen. Mit einer Kaperlizenz hätte er plötzlich die Möglichkeit, sich nicht nur gegen die feindlichen Freibeuter zu verteidigen, sondern auch noch eine Beute mit nach Hause zu bringen, die ihm und seiner Mannschaft ein sicheres Auskommen bescheren könnte.
Natürlich bedeutete es auch, dass er sich direkt in den Krieg einmischen würde. Er war kein Freund der Gewalt, und als Kaufmann und Kapitän hatte er immer versucht, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Doch in diesen Tagen schienen die alten Regeln nicht mehr zu gelten. Die großen Mächte Europas bekriegten sich, und Preußen brauchte dringend jeden Vorteil, den es bekommen konnte. Und da es ihm ohnehin an Optionen fehlte, konnte dies seine letzte und beste Chance sein, sich nicht nur finanziell abzusichern, sondern auch einen Beitrag zum Sieg seines Landes zu leisten.
Schneider betrachtete nachdenklich das Gesicht eines alten Freundes, der ihm gegenüber saß und mit dem er leise über seinen Plan sprach. “Das klingt nach Wahnsinn, Lars,“ sagte der Mann kopfschüttelnd und trank einen tiefen Schluck. “Freibeuter für Preußen? Du bist ein Kaufmann, kein Soldat, Söldner oder Pirat.“
Schneider lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. “Und was bleibt mir?“, entgegnete er scharf. “Soll ich warten, bis sie mich beim nächsten Mal versenken? Soll ich meine Crew und mein Schiff jedes Mal riskieren, nur um einen kläglichen Gewinn zu machen, der kaum die Reparaturen deckt? Nein, wenn die Franzosen das Spiel ändern, dann werde ich es ihnen gleichtun. Ich werde kämpfen, und wenn ich dabei noch Gewinn machen kann, umso besser.“
Sein Gegenüber schwieg eine Weile, das Stirnrunzeln vertiefte sich. Lars wusste, dass die Worte ihn selbst überraschten. Vor Monaten hätte er es nicht für möglich gehalten, eine solch gefährliche Rolle anzunehmen, doch die vergangenen Wochen hatten ihn verändert. Die Aussicht, sich vor den Feinden seines Landes zu beugen und ein Schicksal zu erleiden, das er nicht kontrollieren konnte, war unerträglich geworden.
Die Tür der Taverne öffnete sich, und ein kalter Luftzug zog durch den Raum. Zwei Männer traten ein, dick eingehüllt in Mäntel, die vom Regen durchnässt waren. Ihre Blicke streiften kurz durch die Menge, bevor sie zum Tresen gingen. Lars’ Aufmerksamkeit kehrte zu seinem Freund zurück, der ihn nun mit einem prüfenden Blick betrachtete. “Nun gut, Lars,“ murmelte er schließlich. “Aber das bedeutet nicht nur neue Feinde, sondern auch einen neuen Lebensstil. Du wirst nicht nur Kaufmann, sondern Krieger sein.“
“Vielleicht,“ erwiderte Schneider, “aber ist das nicht genau das, was die Zeit verlangt? Die alten Wege sind vorbei, und wer nicht bereit ist, sich zu ändern, wird untergehen.“
So einfach war der Entschluss für Lars jedoch nicht. Während er in der Taverne saß und über seinen Plan sprach, spürte er immer wieder Zweifel in sich aufkommen. Er kannte die Gefahr, wusste, dass der Schritt, den er plante, kein einfacher sein würde. Doch gerade diese Gedanken verstärkten seinen Entschluss nur weiter. Ein letzter großer Versuch, bevor das Alter seine letzten Spuren hinterließ. Vielleicht konnte er sogar ein Erbe schaffen, etwas, das seinen Namen weiterleben lassen würde. Als Kapitän Lars Schneider, der Mann, der für Preußen das Meer gegen seine Feinde verteidigte. Es war jedoch ungewiss, wie König Friedrich II. darüber denken mochte. Der König war ein brillanter Stratege und Taktiker. Jedoch führte der König den Krieg nur auf dem Lande und hatte wenig Interesse an der Seefahrt … das war bekannt.
Der Hafen von Wismar
Nachdem Kapitän Lars Schneider seinen Entschluss gefasst hatte, wusste er, dass der schwierigste Teil noch bevorstand: Er musste den König selbst von seinem Vorhaben überzeugen. Friedrich II., wie bekannt war, hatte nur wenig Interesse an der Seefahrt. Der preußische König galt als ein Mann des Landes, nicht der See. Doch Schneider sah keinen anderen Weg, als nach Berlin zu reisen und das Gespräch zu suchen. Nur der König konnte ihm die Kaperlizenz erteilen, die er brauchte, um als offizieller Freibeuter im Namen Preußens gegen die französischen Kaperfahrer vorzugehen.
Am nächsten Morgen brach Schneider frühzeitig auf, seine wenigen Habseligkeiten auf dem Rücken und einen schweren Mantel gegen die Oktoberkälte über den Schultern. Die Straßen in Wismar waren noch ruhig und lagen unter einer dünnen Nebeldecke. Ein paar Fischer machten sich an den Docks bereit, während in den Gassen Katzen zwischen den Häusern schlichen. Er war sich der skeptischen Blicke seiner Offiziere und der Mannschaft bewusst gewesen, als er die Reisepläne am Vorabend verkündet hatte. Einige hielten seinen Plan für gefährlich, andere für schlicht verrückt. Einige jedoch hatten zustimmend genickt. Besser das Glück auf See versuchen, als früher oder später von den Presskommandos in die Armee geholt zu werden. Keiner von ihnen verspürte das Bedürfnis, sich auf offenen Felde gegen heran preschende Kavallerie zu stellen oder in langen Linien nebeneinander zu stehen und sich zusammenschießen zu lassen, während man noch seine Muskete lud.
Prinzipiell barg auch dieser verzweifelte Plan Risiken. Das ganze war ein Wagnis und das war Kapitän Lars Schneider bewusst. Doch in ihm brannte der Gedanke an diese letzte große Aufgabe, die ihn vom Dasein eines gewöhnlichen Kaufmanns befreien könnte.
Schneider hatte sich einer kleinen Reisegesellschaft angeschlossen, die an jenem Morgen ebenfalls nach Berlin aufbrechen wollte. Es war eine Mischung aus Kaufleuten, Reisenden und Boten, und er war froh, Gesellschaft zu haben, die die sonst so beschwerliche Reise etwas angenehmer machen könnte. Die Kutsche war eng und unbequem, doch Schneider war Schlimmeres gewohnt, und er machte es sich zwischen den Holzbänken so bequem wie möglich. Der Fahrer rief die Abfahrtszeit, und bald darauf setzte sich die kleine Reisegesellschaft in Bewegung.
Die Straßen waren hart und uneben, der Wagen ruckelte und schwankte bei jeder Gelegenheit. Die herbstlichen Blätter wirbelten vom Wind getrieben über die holprigen Wege, und Schneider lehnte sich zurück, während die Landschaft gemächlich vorbeizog. Die Reise schien endlos, die wenigen Dörfer und kleinen Städte schienen im immer gleichen Rhythmus an ihnen vorbeizuziehen. Hin und wieder sprach einer der Kaufleute ein paar Worte über das Geschäft, beklagte sich über die steigenden Preise und die Unsicherheit der Handelsrouten. Die Gespräche gingen an Schneider vorbei, seine Gedanken kreisten allein um das bevorstehende Treffen mit dem König.
Was könnte er dem König sagen, um ihn zu überzeugen? Friedrich II. galt als Mann mit wachem Verstand und knappen Worten, ein Herrscher, der wenig Zeit für unbedeutende Angelegenheiten übrig hatte. Dass er nicht viel Interesse an der Seefahrt hatte, war bekannt; seine Gedanken galten dem Landheer und den Feldzügen gegen Österreich und Russland. Schneider musste seinen Plan so formulieren, dass Friedrich den Nutzen sofort erkennen würde. Es ging um den Schutz preußischer Interessen, um die Sicherung der Ostsee als wichtigen Handelsweg und um den wirtschaftlichen Gewinn, den Beutezüge in französischen Gewässern bringen konnten.
Nach mehreren Tagen, in denen die Reisegruppe Wind und Wetter trotzte, erreichten sie schließlich die preußische Hauptstadt. Berlin zeigte sich von einer geschäftigen, lebhaften Seite. Die Straßen waren voller Menschen, Händler und Soldaten, und die Geräusche des Lebens in der Stadt hallten wider. Schneider beobachtete die Architektur, die sich deutlich von der Küstenstadt Wismar unterschied. Die hohen Gebäude und die prächtigen Fassaden beeindruckten ihn, doch er blieb nicht lange bei diesen Gedanken. Er wusste, dass der schwierigste Teil erst noch vor ihm lag ... Der direkte Zugang zum König selbst. Eine Audienz zu erhalten dürfte nicht einfach werden.
Dank eines alten Bekannten, einem preußischen Offizier, der ebenfalls aus Wismar stammte, hatte er die Möglichkeit, vor Friedrich vorsprechen zu dürfen. Der Offizier, ein gewisser Leutnant Franz von Schönau, war Schneider noch aus früheren Handelsfahrten bekannt, als Preußen ab und zu seine Dienste für den Transport von Truppen und Waren beansprucht hatte. Schönau begrüßte ihn mit einem kräftigen Handschlag und einem grimmigen Lächeln.
“Lars Schneider, Sie alter Haudegen! Ich hätte nicht gedacht, Sie jemals hier in Berlin zu sehen,“ sagte der Offizier mit einem zwinkernden Blick.
“Mir blieb kaum eine Wahl, Leutnant von Schönau,“ erwiderte Schneider mit einem Grinsen. “Die Franzosen machen mir das Leben schwer, und wenn ich es nicht mehr in Frieden führen kann, dann will ich wenigstens meine Beute davontragen.“
“Nun, dann wollen wir hoffen, dass unser gnädiger König es genauso sieht.“ Der etwas beleibte und alternde Leutnant begleitete Schneider zu einem Nebengebäude des Stadtschlosses, wo die Versammlungen der Offiziere und Berater stattfanden. Die prächtige Eingangshalle mit ihren Marmorsäulen und großen Gemälden ließ Schneider kurz innehalten, bevor er der Aufforderung des Offiziers folgte. Sie wurden zu einem Warteraum geführt, und Schönau entschuldigte sich für einen Moment, um das Treffen anzumelden. Nie hätte Kapitän Schneider erwartet, derart schnell die Möglichkeit zu erhalten, mit dem König direkt zu sprechen. Das Glück schien auf seiner Seite zu sein, bei diesem Plan … Zumindest bisher.
Das Warten zog sich in die Länge. Schneider blickte auf die dunklen Holztäfelungen der Wände und die prächtigen Teppiche unter seinen Füßen. Es war eine Welt, die ihm fremd war, und er spürte, wie die Anspannung in ihm wuchs. Dann, nach scheinbar endlosen Minuten, kehrte der Offizier zurück und winkte ihm zu. Es war soweit.
Schneider trat durch die große Tür und fand sich in einem kleinen Saal wieder, in dem nur wenige Männer anwesend waren. Friedrich II. saß auf einem erhöhten Stuhl, umgeben von einem Dutzend Beratern, die allesamt schweigend auf den Ankömmling blickten. Der König selbst musterte ihn mit einem forschenden Blick. Seine blauen Augen schienen tief in Schneiders Seele zu blicken, und der Kapitän spürte den Respekt und die Ehrfurcht, die dieser Mann in ihm hervorrief.
Schneider räusperte sich und begann mit festem Ton: “Eure Majestät, ich bin Lars Schneider, Kapitän der Brigg “Sturmvogel“ und seit Jahrzehnten auf den Handelswegen der Ostsee unterwegs. Doch in letzter Zeit sind diese Gewässer gefährlich geworden, und feindliche Kriegsschiffe sowie auch Kaperfahrer bedrängen uns Kaufleute. Sie kontrollieren die Ostsee. Täglich wird es schwerer, für uns friedliche Kaufleute, unsere Schiffe unversehrt in die Zielhäfen zu steuern. Ich bin hier, um Eure Majestät um eine Kaperlizenz zu ersuchen, damit ich im Namen Preußens gegen die französischen Freibeuter kämpfen kann und auch mit etwas Glück das eine oder andere kleinere reguläre Kriegsschiff der Franzosen vernichten könnte.“
Der König ließ ihn ausreden, nickte dann knapp und sprach mit kühler Stimme. “Das Königreich von Preußen ist kein Seefahrerstaat, Kapitän Schneider. Wir investieren in unsere Armee, nicht in die Marine. Weshalb sollte ich also einem Kaufmann erlauben, sich jetzt in diese Belange einzumischen?“
Schneider atmete tief ein. “Eure Majestät, der Krieg gegen Frankreich betrifft nicht nur die Armee, sondern auch den Handel. Die Franzosen erbeuten täglich Ladungen, die für preußische Häfen bestimmt sind. Mit einem kleinen Schlag gegen ihre Schiffe könnte ich Schaden anrichten, wo sie es am wenigsten erwarten ... und die Ostsee für Eure Interessen sichern.“
Friedrichs Blick wurde nachdenklicher. “Ein kleiner Schlag, sagen Sie? Ein einzelnes Schiff gegen die französische Marine? Sie sagten soeben selbst, die feindlichen Schiffe würden die Wellen beherrschen und nach Gutdünken agieren.“
Schneider schmunzelte listig. “Eure Majestät, ich habe mein Leben auf der Ostsee verbracht. Ich kenne diese Gewässer wie meine Westentasche und weiß, wie man im richtigen Moment zuschlägt. Es braucht keine große Flotte, nur ein wenig List und Schnelligkeit … Und natürlich eine gewisse Portion Glück.“
Die Berater flüsterten untereinander, doch der König hob eine Hand und brachte sie zum Schweigen. Er lehnte sich zurück und musterte Kapitän Lars Schneider mit einem forschenden Blick. Dann sprach er langsam und bedächtig: “Und wenn ich Ihnen diese Lizenz wirklich erteile ... was versprechen Sie mir?“
Kapitän Schneider senkte ehrfurchtsvoll seinen Kopf, als er antwortete. “Erfolgreiche Beutezüge, die dann eroberte Schiffe und Handelswaren in die preußischen Häfen bringen. Außerdem die Möglichkeit, Eure Feinde auf den Gewässern zu stören. Ich kann den Franzosen Verluste zufügen, die ihrer Kampfmoral schaden werden. Das schwächt sie auch an Land, Eure Majestät.“
Nachdenklich blickte der König auf den ergrauten Kapitän, der noch immer mit gesenktem Kopf vor ihm stand. Das Schweigen zog sich hin, als der König sorgsam nachdachte. Der Plan dieses Kapitäns war möglicherweise gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mochte.
In einer feierlichen Stille und spürbaren Spannung stand Kapitän Lars Schneider vor Friedrich II., dem König von Preußen. Die kühle, disziplinierte Aura des Monarchen ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, auf klare Fakten und Vorteile für Preußen zu bestehen. Schneiders bisherige Erklärungen über die Risiken und die Möglichkeit, die französischen Kaperfahrer zurückzudrängen, hatten bereits Friedrichs Aufmerksamkeit geweckt, doch es war offensichtlich, dass der König noch nicht überzeugt war. Schneider wusste, dass er jetzt noch deutlicher werden musste, wenn er eine Chance wollte, die Kaperlizenz zu erhalten.
Schneider nahm einen tiefen Atemzug und fuhr in bedächtigem Ton fort, wobei er darauf achtete, seine Worte gezielt zu wählen, um die Bedeutung seines Anliegens zu vermitteln. “Eure Majestät, erlauben Sie mir, die finanziellen Vorteile zu erläutern, die solch ein Vorhaben für Preußen mit sich bringen könnte. In Zeiten wie diesen, da die Kriegsanstrengungen die Staatskassen belasten, ist jede Möglichkeit von Einnahmen wertvoll. Die französischen Kaperfahrer, die sich derzeit in der Ostsee aufhalten, berauben nicht nur meine Schiffsrouten, sondern greifen auf lange Sicht auch Eure Einnahmen an. Ich schlage vor, das Prinzip zu unserem Vorteil zu wenden.“
Friedrichs kühle Miene blieb unbewegt, aber seine Augen verengten sich leicht, als ob er aufmerksamer lauschte. Dies bestärkte Schneider, sich weiter zu bemühen.
“Betrachten wir die Handelsgüter, die derzeit zwischen Preußen und anderen Ostseeregionen zirkulieren ... Getreide, Holz, Salz, Fisch und Tuch, Eure Majestät. Durch jeden dieser Warentransporte fließen Steuern in die Kassen der Städte und letztlich in die königliche Schatzkammer. Diese Einnahmen zu sichern und, mehr noch, zu steigern, kann durch eine gezielte Kontrolle der Handelswege erreicht werden. Mit einer Kaperlizenz wäre ich berechtigt, feindliche französische Schiffe aufzubringen, ihre Ladungen zu beschlagnahmen und unter dem Banner Preußens direkt in Eure Häfen zu bringen. Diese Güter könnten versteigert oder für eigene Zwecke genutzt werden. Der Erlös wäre sofort spürbar … Obendrein garantiert die allgemein, auch von England oder Frankreich, gehandhabte Kaperordnung, der jeweiligen Krone einen Anteil von zwanzig Prozent der Gewinnsumme.“
Der König schwieg noch immer, seine Stirn jedoch wies ein kaum merkliches Stirnrunzeln auf. Schneider nahm dies als Zeichen, dass er einen Nerv getroffen hatte. Die Berater des Königs, die zur Seite standen, schienen ebenfalls interessiert zu lauschen. Zusätzliches Geld für den Staat war etwas, wobei der König sofort aufmerksam wurde. Die Finanzen von Preußen waren alles andere als rosig.
“Nun“, begann der König nach einer Weile mit bedächtiger Stimme, “ich verstehe den Nutzen, den diese Gelder uns bringen könnten. Doch stellt sich mir eine Frage, Kapitän Schneider: Inwiefern gefährden die französischen Kaperfahrer tatsächlich unsere Handelsrouten? Es ist doch allgemein bekannt, dass Preußen eher auf seine Landmacht vertraut, weniger auf seine Flotte. Wäre dies ein Problem, das wir in unseren bestehenden Armeen lösen können?“
Schneider nickte, wie er es oft in Diskussionen tat, um Zeit zu gewinnen und seine Gedanken zu ordnen. “Eure Majestät, genau darin liegt der Kern meines Anliegens. Während Preußen auf seine mächtige Landarmee setzt, sind die Handelsrouten der Ostsee nicht minder wertvoll. Diese Kaperfahrer bedrohen nicht nur den Transport preußischer Waren, sondern destabilisieren unsere Verbindungen zu den Seehäfen und gefährden Einnahmen und Versorgung. Wenn wir diesen Kaperfahrern freie Hand lassen, Eure Majestät, werden sie die Schwäche in unseren Meeresgewässern voll ausnutzen, um noch mehr Schiffe zu kapern. Das allein stellt ein wirtschaftliches Risiko dar, das auf lange Sicht die Stabilität des Handels beeinträchtigen wird.“
Er machte eine Pause, um die Worte sacken zu lassen, dann fuhr er fort. “Eure Majestät, erlaubt mir, auf das wirtschaftliche Prinzip einzugehen, das hinter dem maritimen Handel steht. Für jede Handelsroute, die wir sichern, gibt es nicht nur die Zölle und Steuern der transportierten Waren. Es gibt die auch gesamten Wirtschaftsstrukturen an den Küstenstädten, die davon abhängen. Der Wohlstand von Städten wie Königsberg, Danzig und Stettin basiert auf einem stabilen Austausch von Waren über das Meer. Die Aufrechterhaltung dieser Wirtschaftszweige ist eng verknüpft mit der Sicherheit der Seewege. Somit ist Preußen abhängig von den Waren, die wir über die Seewege erhalten … Nicht nur von den Waren selbst sondern auch von den Staatseinnahmen die dann durch diesen Warenverkehr generiert werden.“
König Friedrich schwieg, und die Stille wurde schwer. Schließlich nickte er knapp. “Gut, Kapitän Schneider. Ich habe mich entschieden. Ich werde Ihre Dienste für eine begrenzte Zeit in Anspruch nehmen. Aber bedenken Sie ... wenn Sie versagen, wird dies das erste und letzte Mal sein, dass Preußen sich in das Geschäft der Kaperfahrt einmischt.“
Schneider spürte, wie ein Strom der Erleichterung durch ihn floss. Er verbeugte sich tief, vor seinem Monarchen. Da erklang die Stimme des Königs erneut. “Wie sieht es denn überhaupt mit der notwendigen Mannschaft und vor allem mit der Bewaffnung ihres Schiffes aus? Ist das Schiff seetüchtig“
Kapitän Schneider blickte seinem König direkt in die Augen, als er mit fester Stimme antwortete. “Die “Sturmvogel“ hat eine Besatzung von achtzehn Seeleuten. Ich werde in Wismar weitere Männer anwerben und das Schiff dann umrüsten lassen. Das kann auf der dortigen Werft geschehen und wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich werde versuchen, von einem neutralen Handelskapitän vier bis acht Kanonen zu erwerben und mein Schiff damit bestücken. Meine Männer sind voller Tatendrang und sollten schnell den Umgang mit den Kanonen erlernen, zumal der eine oder andere bereits auf Schiffen gedient hat, die auch über Geschütze verfügten. Ich sehe da eigentlich keine echten Probleme und bin zuversichtlich, in spätestens drei Monaten in See stechen zu können.“
König Friedrich schmunzelte erheitert und blickte kurz, belustigt seine Ratgeber an, bevor er antwortete. “Das werden wir anders machen, verehrter Kapitän … Ich lasse Ihnen ein Schreiben mitgeben, welches Ihnen einige Garnisonssoldaten aus Wismar unterstellt. Auch werde ich veranlassen, dass man Ihnen einige Geschütze aus dem dortigen Depot übergibt ... Zusammen mit der notwendigen Munition und genug Schießpulver für ein ausgedehntes Gefecht. Dafür erwarte ich dann aber auch etwas … Erfolg bei Ihrem ungewöhnlichen aber mutigen Plan und die Krone erhält fünfundzwanzig Prozent von allen erbeuteten Werten. Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen einen Zahlmeister zuweist, der darüber wacht, dass alles in meinem Sinne abgerechnet wird. Sie werden in Zukunft mit dem Stadtkommandanten von Wismar alle weiteren Details klären … Enttäuschen sie mich nicht, Kapitän. Haben wir uns verstanden, Kapitän Schneider?“
Kapitän Schneider spürte den fordernden Blick seines Monarchen und nickte hastig. Er verbeugte sich tief und verließ den Raum, das Gewicht seiner Entscheidung auf den Schultern. Es war ihm gelungen, den König zu überzeugen und dieser war ihm sogar noch behilflich. Mehr hätte Lars Schneider sich nicht wünschen können. Nun lag es an ihm, zu beweisen, dass er der Herausforderung gewachsen war. Schneider seufzte leise. Er wusste, das es nicht einfach werden würde.
Das Wetter war rau und feindlich, der Himmel tief grau und voller bedrohlicher Wolken, die ihre Last unermüdlich auf die Erde niederließen. Kapitän Lars Schneider saß im Inneren einer klapprigen Kutsche, die durch den unaufhörlichen Regen von Berlin aus gen Norden rumpelte. Die Straßen waren matschig, voller Pfützen und mit Wasser durchtränkt, das bei jedem Schlagloch in Spritzern an die Wagenfenster prallte. Der Kutscher oben auf dem Bock fluchte immer wieder leise, doch Schneider, in eine schwere Decke gehüllt, ignorierte das Wetter so gut er konnte.
In seiner ledernen Tasche, geschützt unter mehreren Lagen Stoff, trug er die sorgsam versiegelten Briefe des Königs. Dokumente von äußerster Wichtigkeit, wie ihm aufgetragen worden war und die er dem Stadtkommandanten von Wismar übergeben sollte … Oberst Hanno Roggenfeldt, der ein alter Freund war. Er fragte sich, was genau die Papiere enthielten, aber dies waren Gedanken, die er lieber verdrängte. Die Pflicht rief, und die Reise zu seinem alten Freund und Kameraden, Oberst Roggenfeldt in Wismar, hielt ihn wach und konzentriert. Der Wind heulte um die Kutsche und ließ die Bäume entlang der Straße wild tanzen, während Regentropfen unablässig, wie winzige Peitschen gegen das Kutschenholz trommelten.
Nach mehreren Tagen beschwerlicher Fahrt rollte die Kutsche endlich in Wismar ein. Der Regen hatte sich kaum gelegt, und der Geruch von nassem Kopfsteinpflaster lag schwer in der Luft. Schneider streckte müde die Glieder, als er ausstieg, nickte dem Kutscher einen kurzen Dank zu und zog sich seinen Mantel über die Schultern. Sein Blick glitt über die alten Stadtmauern und den grauen Himmel, der ihm wie ein Vorzeichen für das bevorstehende Abenteuer erschien. Ein Bote eilte ihm entgegen, von Oberst Roggenfeldt geschickt, und führte ihn rasch in das Hauptquartier, wo der Oberst bereits auf ihn wartete.
Oberst Roggenfeldt, ein kräftig gebauter Mann mit ergrautem Haar und scharfem Blick, stand am Fenster seines Büros, als Schneider eintrat. Seine Stirn war in Falten gelegt, doch bei dem Anblick seines Freundes hellte sich sein Gesicht auf, und er trat mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
“Lars, alter Freund!“ rief Roggenfeldt und klopfte Schneider kräftig auf die Schulter. “Komm, setz dich. Du siehst aus, als hättest du die Hölle selbst durchquert.“
Schneider lachte trocken. “Fast, Hanno. Aber der Regen ist noch keine Hölle, nur eine schlechte Laune der Natur.“ Er nahm auf einem schweren Holzstuhl Platz und zog die versiegelten Schreiben des Königs hervor, die Roggenfeldt mit ernstem Blick entgegennahm.
Der Oberst brach die Siegel und las die Briefe mit Bedacht, während Schneider geduldig wartete. Roggenfeldt nickte gelegentlich und murmelte ein paar Worte für sich selbst, bevor er die Papiere schließlich beiseitelegte und sich Schneider erneut zuwandte.
“Diese Aufträge, Lars, könnten entscheidend sein“, begann der Oberst, “und ich werde dafür sorgen, dass du die besten Männer hast, die mir zur Verfügung stehen. Einer von ihnen wird dir als Kanonenmeister dienen, ein Feldwebel namens Hajo Peterson, ein Veteran, der mehr über den Umgang mit Geschützen weiß, als man in einem Leben lernen könnte. Er war lange Jahre als Geschützführer bei der Artillerie. Dann wurde er zu den hiesigen Garnisonstruppen versetzt und tut jetzt hier Dienst bei den Musketieren. Er ist ein guter Mann, dem man Vertrauen schenken darf. Der Feldwebel hat mich noch nie enttäuscht. Sein Geschick im drillen von Rekruten ist verblüffend, wie ich gestehen muss … Der andere Mann ist jünger.“
Schneider nickte zufrieden. “Das klingt doch sehr vielversprechend. Und der zweite? So wie ich dich allmählich kenne, dürfte das möglicherweise ein Problemfall werden.“
Roggenfeldt grinste leicht, ein Lächeln, das er kaum verbergen konnte. “Nun, der andere... ist eine besondere Herausforderung. Ein junger Fähnrich, Kornelius von Morgentau. Er wird dir als Zahlmeister dienen, aber ich sage dir, er ist eher ein Denker als ein Kämpfer. Seine Familie hat eine lange Tradition im Militär, und sein Vater bestand darauf, dass der Junge sich bewährt.“ Er senkte die Stimme. “Ganz zu schweigen davon, dass er hier in Wismar in ein ... delikates Verhältnis zu einer jungen Dame geraten ist, der Tochter eines Ratsmitglieds. Der Vater der Dame möchte ihn aus der Stadt haben und macht mächtig Wirbel.“
Schneider hob misstrauisch eine Augenbraue. “Und dafür werde ich nun als Ersatzvater verpflichtet? Hanno, du kennst mich. Ich bin ungeeignet als Schulmeister von verwöhnten Bengeln … Ist er denn überhaupt so ein Mann, der auf die See passt? Ich fürchte, damit bin ich überfordert.“
“Nicht ganz“, sagte Roggenfeldt schmunzelnd. “Aber als seine von mir hiermit beauftragte Aufsichtsperson bist du jetzt gewissermaßen schon verantwortlich für ihn ... Ich mag den Bengel und denke, es steckt einiges Potential in ihm. Du wirst sehen, er ist ein guter Junge, nur noch nicht ganz gefestigt.“
Roggenfeldt nickte einem Adjutanten zu, und kurz darauf traten zwei Männer ein. Hajo Peterson war ein breitschultriger, älterer Mann mit tiefen Furchen im Gesicht und einem wachsamen Blick, der auch die dunkelsten Ecken eines Schlachtfeldes durchdringen konnte. Seine Hand zitterte leicht ... eine Spur vergangener Schlachten ... doch seine Haltung verriet Entschlossenheit. “Herr Kapitän, Feldwebel Peterson zu Ihren Diensten.“
Schneider stand auf und erwiderte den Gruß. “Willkommen, Feldwebel. Ich bin erfreut, Sie bei mir zu wissen. Der Oberst hat sehr gut von Ihnen gesprochen und ich vertraue auf seine Urteilskraft. Ihre Erfahrung wird uns von großem Wert sein.“
Hinter Peterson stand Fähnrich Kornelius von Morgentau, ein schmaler, blasser junger Mann, der kaum die Mitte seiner Zwanziger erreicht haben mochte. Er sah aus, als gehöre er eher in die staubigen Hallen einer Bibliothek als auf ein Schiff. Nervös zupfte er an seiner Uniform und sah sich unsicher im Raum um. Als seine Augen Schneider trafen, straffte er sich und salutierte, wenn auch etwas zögerlich. “Fähnrich von Morgentau meldet sich zum Dienst, Herr Kapitän.“
Schneider musterte ihn mit einem scharfen Blick. Die Unsicherheit des Jungen war offensichtlich, ebenso wie die leichten Ringe unter den Augen, die von langen Nächten, vielleicht auch von Sorgen, zeugten. “Fähnrich, willkommen. Dies wird eine harte Fahrt, und die Aufgaben an Bord sind nicht leicht. Ist dir das bewusst? Zudem hat der König in eigener Person bestimmt, dass man mir einen Zahlmeister zuweisen soll, der sich um die Belange der Krone zu kümmern hat. Das ist eine große Verantwortung und ich würde es nur ungern sehen, wenn seine Majestät enttäuscht wird.“
Kornelius schluckte krampfhaft und nickte. “Jawohl, Herr Kapitän. Es ist mir eine Ehre.“
Schneider hob die Augenbraue, sah kurz zu Roggenfeldt und dann wieder zum Fähnrich. “Eine Ehre, sagst du? Dann werden wir dafür sorgen, dass du sie dir auch ohne Zweifel verdienst.“ Ein Hauch eines Schmunzelns huschte über Schneiders Gesicht, und Kornelius schien ein wenig zu entspannen, obwohl sein Gesicht immer noch blass war.
Als der formale Teil beendet war, führte Roggenfeldt Schneider, Peterson und Kornelius in eine kleinere Stube, wo sie kurz die weiteren Pläne besprachen. Peterson, stets pragmatisch und klar, ging die Waffenlisten durch, die er von Roggenfeldt erhalten hatte, und nickte zufrieden. “Die Kanonen sind in gutem Zustand, Herr Kapitän. Ich habe sie vor einigen Tagen routinemäßig überprüft. Ich werde dafür sorgen, dass die Crew schnell lernt, damit umzugehen.“
Schneider nickte und wandte sich an Kornelius. “Und du, Fähnrich? Bist du vertraut mit den Aufgaben eines Zahlmeisters? Das ist ein wichtiger Posten und der König erwartet, das absolut sorgsam gearbeitet wird. Ich will tunlichst vermeiden, das Missfallen seiner Majestät zu erregen. Es liegt also an dir, einen guten Eindruck für dieses Unterfangen zu erzeugen. Haben wir uns verstanden, junger Mann?“
Kornelius räusperte sich und nickte. “Ich habe die Theorien gelernt und die Listen bereits oberflächlich durchgesehen, Herr Kapitän. Ich werde mich schnell vollends in meinen neuen Aufgabenbereich einarbeiten. Hier in der Garnison habe ich bereits Erfahrungen als Zahlmeistergehilfe erworben. Ich werde sie sicherlich nicht enttäuschen, Herr Kapitän.“
Peterson, der die Nervosität des jungen Fähnrichs bemerkt hatte, grinste breit und legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter. “Mach dir keine Sorgen, Junge. Die Theorie mag dir helfen, aber auf See zählt, was du hier und jetzt leisten kannst.“ Er klopfte ihm mit einer Mischung aus Trost und Herausforderung auf den Rücken. “Bald wirst du dich fühlen wie ein echter Seemann und weniger wie ein Gelehrter.“
Der junge Fähnrich, Kornelius Morgentau, lächelte zaghaft, während er sich bemühte, den Respekt vor Peterson und dem rauen Leben, das vor ihm lag, in sich aufzunehmen. Man sah ihm an, dass er zutiefst unsicher in dieser unbekannten und für ihn neuen Situation war.
Oberst Roggenfeldt zwinkerte Schneider nun unauffällig zu. Der junge Fähnrich schien dem Kapitän zwar schüchtern zu sein, doch er vertraute darauf, dass Roggenfeldt ihm niemanden unterjubeln würde, der gänzlich ungeeignet für diese Mission wäre. Für Schneider hing viel vom Gelingen ab. Er plante seine gesamten Ersparnisse in diesen Plan zu stecken, von dem er sich so viel versprach. Entweder rentierte es sich oder aber er selbst fand im schlimmsten Fall den Tot bei dem Versuch den Plan umzusetzen.
Schneider seufzte leise. Es würde sich sicherlich beizeiten erweisen, wie die Glücksgöttin den Vorgang bewertete. Nachdenklich blickte er dem Feldwebel und dem Fähnrich nach, die nun die Schreibstube des Oberst verließen. Bei Feldwebel Peterson hatte er ein gutes Gefühl. Der Mann hatte bereits gekämpft und war seit vielen Jahren Soldat. Was mit dem Fähnrich sein würde, sollte sich schon bald zeigen, dachte Schneider.
Der Regen trommelte noch immer unaufhörlich gegen die Fenster des Hauptquartiers, als Oberst Roggenfeldt die versiegelten Schreiben auf dem schweren Holztisch vor ihm sorgfältig öffnete und nochmals studierte. Die Schriftstücke des Königs enthielten klare, wenn auch fordernde Anweisungen. Die Sturmvogel sollte weit mehr als nur ein gewöhnliches Handelsschiff sein ... sie sollte als kampffähiges Schiff und potenzielles Prunkstück für Preußens Interessen auf See dienen. Die Wismarer Garnison und das städtische Zeughaus boten die benötigten Mittel um dies zu ermöglichen. Jetzt war es also an Oberst Hanno Roggenfeldt, die Umsetzung zu planen. Es war für den Oberst nicht nur eine Frage der Ehre, dies Mission zu unterstützen, er tat es auch gerne, da er seit jahren mit dem oft wortkargen Kapitän Schneider befreundet war.
Roggenfeldt strich sich nachdenklich über das Kinn, als ihm ein Gedanke kam. “Kapitän Schneider, um das Schiff entsprechend der königlichen Befehle auszustatten, wird es nicht nur an Waffen, sondern auch an Männern bedürfen. Ich werde dafür sorgen, dass du bestens ausgestattet wirst. Es stehen Kanonen bereit ... vierzehn bis sechzehn 24-Pfünder mit Bronzerohren, dazu Munition, die seit Jahren im städtischen Zeughaus liegt. Mit der richtigen Besatzung und Bedienungsmannschaft wirst du sie gut zur Geltung bringen können. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein anderes Schiff vermuten würde, du wärest derart stark bewaffnet.“
Kapitän Lars Schneider, dessen Augen jetzt vor Interesse blitzten, nickte zufrieden. “Hervorragend, Hanno. Gute Kanonen und ein starke Besatzung ... das wird uns die Schlagkraft geben, die wir brauchen, um dem König in dieser Sache gut zu dienen.“
Roggenfeldt rief seinen Adjutanten herbei, der stramm salutierte. “Geh zur Garnison und stelle zwanzig Männer zusammen, die morgen auf die Sturmvogel verlegt werden. Sie sollen als Marinesoldaten unter Kapitän Schneiders Kommando dienen. Feldwebel Peterson wird sie anleiten.“
Der Adjutant verschwand, umgehend und Roggenfeldt wandte sich erneut an Schneider. “Diese Männer werden eine intensive Ausbildung brauchen, besonders in den Aufgaben, die auf See nötig sind. Peterson wird ihnen helfen, aber sie müssen sich an die Bedingungen an Bord gewöhnen … ein Leben, das härter sein kann als jeder Dienst an Land.“
Schneider nickte mit einem leichten Schmunzeln. “Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich dafür den richtigen Zuchtmeister bekommen habe. Ich denke, ich vertraue auf Feldwebel Peterson. Er wird aus diesen Männern die Seesoldaten machen, die wir brauchen werden. Fraglos wird er sich bei der Ausbildung keine Freunde machen.“
Am nächsten Morgen war der Himmel noch immer von dichten Wolken bedeckt, aber der Regen hatte nachgelassen. Feldwebel Peterson trat auf den Exerzierplatz der Garnison, wo die zwanzig Männer in lockerer Formation warteten. Die meisten von ihnen waren recht junge Soldaten, kräftig gebaut, aber mit dem festverwurzelten Drill des Landdienstes, der kaum die Härte und Unberechenbarkeit eines Lebens auf See vorbereitet hatte. Peterson musterte sie scharf und ließ seinen strengen Blick über die Reihen gleiten.
“Männer!“ donnerte seine tief dröhnende Stimme, als sei der weite, leere Exerzierplatz sein ureigenes Territorium. “Ihr wurdet für einen wichtigen und besonderen Auftrag ausgewählt. Ab heute seid ihr Teil der Mannschaft der Sturmvogel, einem Schiff, das nicht nur Wismar, sondern ganz Preußen ehren wird. Euer Auftrag ist einfach ... Leben und Dienst an Bord meistern, Disziplin wahren und lernen, wie man eine Kanone bedient, als hinge euer Leben davon ab.“ Einige Männer sahen sich kurz an, unsicher, was auf sie zukam. Peterson kniff die Augen zusammen und nickte dann. “Folgt mir!“
Er führte sie aus der Garnison und durch die Stadt zum Hafen, wo die Sturmvogel mit ihrer wettergegerbten Mannschaft auf sie wartete. Das Schiff lag schwer in den Wellen, ein massiver Rumpf, von Wind und Wetter gegerbt, der dennoch entschlossen und stabil wirkte.
Während Peterson die Männer an Bord brachte, besuchte Roggenfeldt das Zeughaus der Stadt, um sich persönlich von der Verfügbarkeit der Kanonen zu überzeugen. In der kühlen, dunklen Halle, die die schweren Waffen bewahrte, standen die 24-Pfünder in ordentlichen Reihen. Die Bronzerohre glänzten matt im schwachen Licht, als würden sie nur darauf warten, endlich wieder in den Dienst genommen zu werden.
Oberst Roggenfeldt ließ seine Hand sanft über eines der Rohre gleiten, das Kälte abstrahlte. Ein Waffenmeister trat neben ihn, salutierte kurz und erklärte: “Die Kanonen sind in gutem Zustand, Herr Oberst. Seit Jahren nicht benutzt, aber regelmäßig geprüft. Munition haben wir ebenfalls ... etwa fünfhundertfünfzig Kugelgeschosse, vielleicht nicht genug für eine längere Kampagne, aber ausreichend, um ein Schiff zu verteidigen und sich Respekt zu verschaffen.“
Der Oberst nickte zufrieden. “Gut. Die Sturmvogel wird sechzehn davon mitführen. Lass die Männer sie heute noch bereitmachen und für den Transport zum Hafen vorbereiten. Die sechzehn Geschütze sollen nach Möglichkeit noch heute an Bord gebracht werden. Die Munition ebenfalls. Erledige das und vergesst nicht, auch ausreichend Schießpulver auf das Schiff bringen zu lassen“
Feldwebel Peterson stand in den frühen Morgenstunden auf dem Deck der Sturmvogel und musterte die zwanzig frisch zugewiesenen Soldaten, die ihm in zwei ordentlichen Reihen gegenüberstanden. Der Wind wehte über das Deck und zog an ihren Uniformen, die Beine einiger Männer standen unsicher auf dem wankenden Untergrund. Die Seemänner der Sturmvogel waren daran gewöhnt, sich auf dem schwankenden Deck zu bewegen, doch für die neuen Soldaten war es ein ungewohnter Balanceakt. Peterson warf ihnen einen prüfenden Blick zu, dann begann er zu sprechen.
“Ihr seid es gewohnt, auf festem Boden zu stehen und unter den Regeln des Landdienstes zu kämpfen. Doch auf einem Schiff gelten andere Gesetze.“ Seine Stimme war ruhig, aber schneidend wie das rauhe Wetter um sie herum. “An Bord der Sturmvogel müsst ihr nicht nur gegen den Feind kämpfen, sondern auch gegen das Meer. Jede eurer Bewegungen muss sitzen, denn ein Fehler kann uns alle den Kopf kosten. Ihr werdet hier auf engem Raum arbeiten, wo Präzision und Zusammenarbeit über euer Überleben entscheiden. Mehr noch als an Land, wo ihr eurem Nachbarn in der Kampflinie tiefes vertrauen schenken müsst, ist es hier erforderlich, dass ihr alle füreinander da seid. Wenn hier, auf dem Schiff, die Dinge ungünstig werden, dann könnt ihr nicht weglaufen. Auf dem Meer gibt es kein Versteck und ihr müsst euren Mann stehen. Ihr könnt euch sicher sein, dass ich immer an eurer Seite kämpfen werde und euch nie im Stich lasse. Zudem haben wir einen guten Kapitän. Ihr alle habt bereits von ihm gehört und wisst, was für ein Mann er ist.“
Peterson ließ seinen Blick erneut über die Reihen schweifen und sah den Ausdruck von Spannung und Unsicherheit in den Gesichtern. Einige Soldaten nickten, während andere die Zähne zusammenbissen, um ihre Unsicherheit zu verbergen. Peterson wandte sich der ersten Kanone zu, einem beeindruckenden 24-Pfünder mit bronzenem Rohr, der von einem leichten Glanz überzogen war, der das jahrzehntelange Ruhen im Zeughaus widerspiegelte.
“Diese Kanonen werden eure Waffen sein,“ erklärte Peterson und wies auf das schwere Geschütz. “Eine einzelne Kanone wiegt fast drei Tonnen. Ihr müsst sie bändigen wie ein wildes Tier, und ihr müsst dabei als ein Körper agieren ... ein Fehler eines Einzelnen kann uns allen das Leben kosten. Ab heute habt jeder von euch eine feste Rolle, und ihr werdet jede Bewegung so oft wiederholen, dass sie für euch zur zweiten Natur wird. Wenn ihr alles zu meiner Zufriedenheit gelernt habt, dann gebt ihr eure Kenntnisse an die Matrosen weiter, die noch angeheuert werden. Eure Aufgabe ist die des Lehrmeisters … und später dann die des Seesoldaten, der feindliche Schiffe entert und dabei Ruhm und Beute bekommt.“
Er befahl die erste Gruppe nach vorne. “Ladeknechte! Ihr seid die ersten. Eure Aufgabe ist es, das Kanonenrohr nach jedem Schuss zu reinigen, um sicherzustellen, dass keinesfalls noch Reste vom Pulver oder Schmutz zurückbleiben. Ein falsch gereinigtes Rohr kann explodieren, wenn ihr es erneut ladet ... ein Fehler, den ihr euch nicht leisten könnt. Denkt immer daran.“
Peterson nahm einen Wischer, einen langen Holzstab mit einem dichten Tuch am Ende, und führte die Bewegung demonstrativ vor. “Ihr führt diesen Stab in das Kanonenrohr ein und säubert es dann von allen Rückständen. Die Bewegung muss fest und gründlich sein, damit es sauber für die nächste Ladung ist. Seht zu!“ Er wischte das Rohr mit präzisen, festen Zügen, dann übergab er den Wischer an den ersten Ladeknecht, der ihn mit leicht zitternden Händen ergriff. Peterson sah ihn scharf an und sagte: “Feste Hand, Kamerad. Wiederhol es.“ Der Ladeknecht folgte der Anweisung, und Peterson ließ ihn die Bewegung ein ums andere Mal ausführen, bis der Soldat die Unsicherheit aus seinen Bewegungen verloren hatte.
Schiffsgeschütz auf dem Kanonendeck
Als nächstes wandte sich Peterson den Läufern zu, die sich etwas abseits hielten und jetzt die schweren Munitionstaschen und Pulverbehälter betrachteten. “Ihr seid die Läufer. Eure Aufgabe ist es, die Munition und das Pulver heranzuschaffen ... schnell und sicher, auch bei rauer See. Wenn ihr ausrutscht, verschüttet ihr Pulver oder verliert die Ladung, dann riskiert ihr nicht nur den nächsten Schuss, sondern auch euer eigenes Leben.“ Peterson zeigte ihnen die Pulversäcke und ließ sie diese einige Male heben und über das Deck tragen, um sich an das Gewicht zu gewöhnen.
Er ließ sie immer wieder an verschiedenen Stellen antreten und die Munition holen, während er die Balance der Männer auf dem unruhigen Deck prüfte. “Ihr habt keine Zeit zu verlieren,“ rief er ihnen zu, “beim Schießen zählt jede Sekunde. Bewegt euch schneller!“ Nach und nach begannen die Läufer, sich sicherer zu bewegen, und Peterson ließ sie sich schließlich zu den Schussmeistern gesellen.