Blut und Eisen - Olaf Thumann - E-Book

Blut und Eisen E-Book

Olaf Thumann

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Beschreibung

MäcBee ist wieder da ... Schulter an Schulter mit grimmigen Kriegern kämpft der Paladin für die Zukunft seiner Heimat. Von einem machthungrigen Fürsten in einen Krieg getrieben, ringen die Staaten der Grenzregion um ihre Freiheit. Die Welt erbebt erneut unter den Schritten der eisernen Legionen Tuscelans, der einzigen Hoffnung dieser kleinen Grenzreiche. Der listenreiche Gegner jedoch ist nahezu übermächtig und lässt kein Mittel aus, um sein ziel zu erreichen. Mit Blut und Eisen wird ein neues Kapitel in den Chroniken einer längst vergangenen Welt geschrieben, in der das Schwert regiert. Ein neues Zeitalter bricht an, in dem mächtige Imperien sich aus den lodernden Trümmern einer untergehenden Epoche erheben.

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Dieses Buch ist meinem Bruder gewidmet.

Vergesse niemals Deine Träume. Sie sind das, was einen Menschen ausmacht

Covergestaltung, Karten und Illustrationen: Olaf Thumann

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

1.

Im hohen Norden Skandinaviens werden in einem uralten Hügelgrab geheimnisvolle Gegenstände gefunden. Einige Würfel aus Kristall, die sich unter den Funden befinden, erweisen sich, nach jahrzehnte langen Untersuchungen, als uralte aber erstaunlich fortschrittliche Datenträger einer fremden Zivilisation. Nachdem es endlich gelingt die Daten lesbar zu machen wartet eine weitere Überraschung auf die Forscher. Diese Kristallwürfel beinhalten die Chroniken einer fernen Welt. Vor Äonen gestorbene und längst zu Staub zerfallene Gelehrte hinterließen hier ein Vermächtnis, für die nachkommenden Generationen. Die Geschichte ihrer Heimat, des Reiches von Tuscelan. Die Tusculum-Chroniken, wie diese aufregenden Geschichten aus einer fremden, längst vergangenen Welt genannt werden, erzählen uns die uralte Geschichte einer fernen Welt, aus einer Zeit in der das Schwert regierte...

( Auszug aus dem Vorwort des ersten Kristallwürfels )

Mein Name ist Apis. Scriptor Magister des Königshauses von Tuscelan. Diese wahrheitsgetreuen Berichte, Aufzeichnungen und Bilder sollen späteren Generationen die Geschichte von Tuscelan erzählen. Gelegen im Herzen eines riesenhaften, urtümlichen Inselkontinents, umgeben vom ewigen, unendlichen Meer. Ich will euch berichten von Tuscelan, meiner geliebten Heimat. Gelegen inmitten wunderschöner Landschaften, voller Wunder, vielen uralten Geheimnissen, magischen Wesen, Zauberei und fast unglaublichen Heldentaten, die dieses heroische Zeitalter kennzeichnen, in dem Tuscelan und die anderen Reiche, Fürstentümer und Stadtstaaten dieser Welt und dieser Epoche ihren Stempel aufprägten.

Diese Zeilen sollen berichten von MäcBee. Heerführer im Dienste des Fürstentums Tuscelan, treuer Paladin der Königin, ergebener Held der Krone, Wissenssuchender und Abenteurer in einer Zeit, in der das Schwert regiert.

Der Autor wird sein Möglichstes tun, um der Nachwelt neutral und wahrheitsgemäß von den vielen Begebenheiten und Geschehnissen zu berichten, die sich zugetragen haben.

Lasset mich euch nun berichten von Kriegern und Königen, von Zauberern und finsterer Magie, von strahlenden Stadtstaaten und längst untergegangenen Reichen, von Prinzen, Fürsten, Herrschern und Räubern, von Helden und Monstern, von Heldentaten, Liebe und schrecklichem Verrat. Lasset mich euch berichten von meiner Welt. Lasset mich berichten von einem Helden. Lasset mich euch nun berichten von MäcBee …

Die Tusculum Chroniken

Der junge MäcBee wird unerwartet in den Dienst der Krone von Tuscelan einberufen. Die Ausbildung zum “Paladin und Held der Krone” ist hart. Körperlich anstrengend und auch geistig fordernd. Diese Ausbildung treibt den jungen Mann bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Bei seiner ersten Paladin-Mission gerät er in einen Wirbelwind von Verrat, Kampf und Hinterlist. Zufällig rettet er, auf seiner Mission, eine junge Frau vor einem grausamen Schicksal und verliebt sich in sie. Unter dem Kommando ihres Vaters, des fast legendären Feldherrn der Tuscelanischen Legionen nimmt er an gefährlichen Missionen teil und wandelt sich dabei immer mehr von einem Jüngling zu einem kampferprobten Mann. An der Seite grimmiger Krieger schreitet der junge Held durch eine urtümliche Welt, wo brutale, übermächtige Gegner darauf lauern, seine Heimat zu vernichten und vom Antlitz der Welt zu tilgen.

Ein verzweifelter Kampf bricht aus, bei dem es um mehr als nur einen Sieg geht. Sollte Tuscelan diesen Krieg verlieren, so wird sich das Gesicht dieser Welt auf ewig wandeln. MäcBee ist an der Seite des Feldherrn Hagrim, als die Tuscelanischen Soldaten, in der nördlichen Wildnis, eine gegnerische Festung erobern. Mit der Eroberung dieser Festung fällt den Tuscelanern ein unerwarteter Schatz in die Hände. Unweit dieser Festung befindet sich ein sagenumwobenes Erzvorkommen. Hagrim beschließt, hier in der Wildnis, eine neue Provinz für das Königreich von Tuscelan zu gründen. Befreite Gefangene werden auf die Krone von Tuscelan eingeschworen und bilden so den loyal ergebenen Kern einer zukünftigen Bevölkerung. Mit Schweiß und Blut wird förmlich aus dem Nichts heraus eine Siedlung erbaut, die als zukünftiges Zentrum der neuen Provinz dienen soll. Unermüdlich arbeiten die Menschen um die neue Siedlung vor Einbruch des Winters erbauen zu können, die ihnen ein neues Heim und dem Reich von Tuscelan einen starken Außenposten bieten soll.

Tuscelan ist einer dieser typischen Stadtstaaten, die ihr sicherlich alle zur Genüge kennt. Das Reich von Tuscelan liegt im mittleren Bereich der “Großen Insel”, wie der Kontinent Tusculum auch genannt wird. Dort unweit des nordwestlichen Zipfels des großen Binnenmeeres, dort wo der Waldgürtel und die wilden Highlands aufeinander treffen, befindet sich Tuscelan. Die meiste Zeit des 728 Tage andauernden Jahres ist das Wetter in Tuscelan warm oder zumindest mild. Lediglich in zweien von zwölf Monaten im Jahr wird es auch hier unangenehm kalt. Dann fallen die Temperaturen fast schlagartig ab und Eis und Schnee herrschen dann rund 120 Tage lang über den sonst so sonnenverwöhnten, großen Kontinent. Das Königreich von Tuscelan ist einer dieser vielen kleinen, stark befestigten Stadtstaaten, die sich überall auf dem Kontinent finden. In einem kleineren oder etwas größeren Umkreis um eine zentrale Ansiedlung befinden sich diverse weitere Niederlassungen, die dann ein Fürstentum oder aber einen Kleinstaat, mit unterschiedlicher Regierungsvariante bilden. Tuscelan ist das führende Mitglied im “Stahlpakt”, einer Allianz von einigen kleinen aber doch sehr wehrhaften Stadtstaaten und Fürstentümern.

Das ruhmreiche und gepriesene Herrscherhaus der Bebees hat diesen Stadtstaat seinerzeit, im Jahre 2008 gegründet und aus einem kleinen, nur schwach befestigtem Zufluchtsort im Laufe der Zeit eine weithin bekannte, angesehene und respektierte Festungsstadt geformt, die sich zum kulturellen, wirtschaftlichen und militärischen Mittelpunkt des Reiches entwickelt hat. Viele kluge und starke Herrscher haben seitdem über das Schicksal des Königreiches gewacht und den Ruhm und den Reichtum von Tuscelan vermehrt. Tuscelans derzeitige Herrscherin ist die liebreizende und von allen verehrte Königin Lea. Oft besungen und gerühmt ist ihre Schönheit, ihre Eleganz, ihre Weisheit, ihr Witz und ihre Güte. Diese erlauchte, von allen Untertanen geliebte Königin stammt in direkter Linie vom Gründervater Tuscelans, dem großen Antree Bebee ab. Dieser sagenumwobene Held soll ein wahrer Riese von Gestalt gewesen sein. Tuscelan verdankt einen großen Teil seines Reichtums dem Handel mit dem geschätzten Tuscelaner Honig. Nirgendwo sonst gibt es Imker die einen derart köstlichen Honig gewinnen können. Wen wundert es da, dass dieses flüssige Gold der Bienen von allen Bewohnern des Stadtstaates hoch geschätzt wird und in selbst der ärmsten Unterkunft als wichtiges Grundnahrungsmittel gilt. Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit dem Tuscelaner Met, welcher unvergleichlich köstlich und unerreicht im Geschmack ist. Undenkbar, eine Mahlzeit in dieser Stadt bei der Honig oder Met fehlen würde.

Die Bewohner und Bürger Tuscelans sind fast alle von hohem Wuchs, oft blonden Haaren und blauer oder grauer Augenfarbe. Dies lässt darauf schließen, dass die Vorfahren dieses Volkes ursprünglich aus dem rauen Norden des Kontinents stammten. Weit über die Grenzen des Reiches von Tuscelan hinaus sind der Mut, die Todesverachtung und das Können der heroischen Krieger Tuscelans bekannt und gefürchtet. Wenn sich die fest gefügten Tore der Festungsstadt öffnen und die, schon fast legendären, Tuscelanischen Legionen in dichtgeschlossenen, geordneten Reihen unter ihren prächtigen Schlachtenbannern ausrücken, dann zittert die Welt vor dem dunkel hallenden Gleichschritt der marschierenden, heroischen Soldaten. Glücklicherweise müssen die Truppen nicht allzu oft ausziehen.

In den vergangenen Jahrzehnten meinte das Schicksal es recht gut mit Tuscelan und den umliegenden Stadtstaaten. Lediglich einige kleinere, teilweise jedoch recht blutige, Scharmützel waren zu verzeichnen. Bei diesen Kämpfen waren die Gegner ausnahmslos kleinere Kriegshorden der barbarischen Orks, die immer wieder aus dem legendenumwobenen Süden des großen Kontinents in den nördlichen Bereich vordringen, der von Menschen besiedelt und bewohnt ist. Der Süden, oder besser ausgedrückt, der Südwesten des Kontinents, der die Heimat der Orks ist wird von einem nahezu unüberwindlichen Gebirgszug vom Rest des Kontinents getrennt, der nur an wenigen Stellen zu überwinden ist. Meist jedoch war es friedlich und die Bevölkerung von Tuscelan konnte sich dem Handel, der Kunst und der Kultur widmen. Es ist nicht selten, dass einer der Bewohner die beachtliche Lebenserwartung von etwa 100 Jahren erreicht. Glücklicherweise gibt es auch in solchen Zeiten stets genügend Aufgaben für einen tapferen Helden wie MäcBee, sodass in den Häusern, Hütten und Tavernen Tuscelans ständig neue Geschichten die Runde machten und für Unterhaltung sorgten. Während in dieser unruhigen Zeit voller Gefahren die neue Provinz, im Nordwesten Tuscelans, von den fleißigen Menschen unter Hagrims Kommando kontinuierlich ausgebaut wird, spitzt sich die Lage im Süden und Osten der Festungsstadt schlagartig zu und entwickelt sich zu einer tödlichen Gefahr für das Königreich Tuscelan und die gesamte Grenzregion.

2.

Langsam stieg die Sonne am Horizont empor und kündete den neuen Tag an. Die neue Provinz des Königreiches von Tuscelan, ein gutes Stück nordwestlich des Tuscelanischen Kernlandes, erstarkte zusehens. Die fleißigen Menschen, die sich hier eine neue Heimat aufbauten, hatten aus dem Nichts der unberührten Natur eine gut organisierte, ansehnliche Siedlung erbaut. Nicht zuletzt war das auch der Verdienst von Männern wie dem Feldherrn Hagrim, dem neuen Provinzgouverneur Thorak oder dem Gelehrten Weland. Diese drei Männer arbeiteten von früh bis spät daran, die Siedlung wachsen und gedeihen zu lassen. Der Erfolg, den sie mit ihrer Arbeit erzielten, war für jedermann deutlich sichtbar und trug dazu bei, dass die Siedler und die Soldaten schufteten wie die Besessenen, um so viel wie irgend möglich vollbracht und erbaut zu haben, bevor neue Marschbefehle aus der Festungsstadt eintrafen. Der Umstand, dass man in der Lage war eine ansehnliche Anzahl von Kriegsgefangenen zur Arbeit heranzuziehen tat sein übriges. Mit Hilfe der Gefangenen, die unter strenger Bewachung in einem Lager untergebracht waren, gelang es die Siedlung in erstaunlich kurzer Zeit aufzubauen.

Von den Tuscelanischen Wachen war nur sehr wenig Rücksichtnahme auf das Wohl der Kriegsgefangenen zu erwarten. Wer von den Gefangenen nicht arbeiteten wollte, der wurde dafür hart bestraft. Es war unter anderem die Tatsache, das ein nicht geringer Teil der Siedler ehemalige Sklaven waren, die man befreit hatte. Diese Leute waren nun stolze Bürger Tuscelans geworden. Verständlicher Weise empfanden auch sie nur sehr wenig Mitgefühl für ihre ehemaligen Wachen, die seinerzeit brutal gegen ihre Gefangenen vorgegangen waren. Man ging, in der neuen Provinz, allgemein davon aus, dass die Gefangenen zumindest ebenso viel Arbeitseinsatz zeigen sollten, wie die Siedler auch.

MäcBee schaute auf, als der Soldat näher trat. Der Soldat nahm Haltung an. “Seid gegrüßt Lord Paladin ... Feldherr Hagrim erwartet euch in seinem Arbeitszimmer. Er lässt ausrichten, dass ihr euch beeilen sollt.” Der Paladin, der gerade sein Frühstück zu sich nahm, nickte dem Soldaten bestätigend zu. MäcBee stellte den Becher mit

Tee ab und folgte dem Soldaten, der ihm die Nachricht überbracht hatte. Wie gewöhnlich hatte der Paladin im Kantinengebäude der Festung gegessen. Jetzt hatte das für ihn den Vorteil, das er in recht kurzer Zeit bei Hagrim sein würde. Er musste sich lediglich in den Bergfried der Festung begeben, wo der Feldherr sein Quartier und das Arbeitszimmer eingerichtet hatte. Als MäcBee das Arbeitszimmer des Feldherrn betrat, sah er, dass auch Thorfin und O’Hara anwesend waren. Alle drei Männer machten ein missmutiges Gesicht. Der Feldherr blickte beim Eintreten des Paladins auf und winkte ihn heran.

Als der junge Paladin an den großen Arbeitstisch in der Raummitte herangetreten war und die übrigen mit einem Kopfnicken begrüßt hatte, begann Hagrim, mit leiser Stimme, zu sprechen. “Wir hatten heute Nacht einen Ausbruch, im Gefangenenlager ... Einer der Gefangenen hat sich aus geflochtenem Gras ein Seil gemacht und ist damit in der vergangenen Nacht erfolgreich aus dem Lager entkommen ... Jedoch haben unsere Wachen die Flucht schon kurz danach bemerkt und zügig die Verfolgung aufgenommen ... Unsere Wachen haben den Flüchtling nach kurzer Verfolgung eingeholt ... Man könnte auch sagen, sie haben das eingeholt, was von dem Flüchtling noch übrig war.”

Hagrim räusperte sich leise, bevor er weitersprach. “Der Flüchtling ist nicht einmal eine Meile weit gekommen, als ihn irgend etwas angegriffen hat. Die Wachen, die den toten Körper gefunden haben, sind allesamt erfahrene Scouts. Laut Aussage der Wachen scheint es sich bei dem Angreifer um ein Tier gehandelt zu haben. Den Spuren nach kann es sich nicht um Wölfe gehandelt haben, sondern wahrscheinlich um einen enorm großen Bären. Da das Gelände, in dem der Flüchtling angegriffen wurde, sehr felsig ist, konnten bedauerlicherweise keine Fußspuren des Tieres gefunden werden. Der Angriff muss sehr rasch erfolgt sein und war scheinbar sofort tödlich für den Flüchtling. Wenn man bedenkt, das es sich bei dem getöteten um einen ausgebildeten Krieger gehandelt hat, der noch nicht einmal die Möglichkeit hatte sich zu wehren oder zu schreien, bevor er gestorben ist, so lässt das gewisse Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit des Angreifers zu ... Da ich ein derart gefährliches Raubtier nicht in der Nähe unserer Siedlung, den umliegenden Gehöften und unserer Tierherden dulden will, soll das Tier zur Strecke gebracht werden ... Ihr drei werdet, zusammen mit einigen Soldaten, aufbrechen und dieses Tier zur Strecke bringen. Ich möchte, dass ihr noch in der kommenden Stunde aufbrecht, um diesen Auftrag auszuführen.”

Thorfin, O’Hara und der Paladin nickten bestätigend und verließen zusammen das Arbeitszimmer, in dem Hagrim schon wieder mit seiner täglichen Arbeit beschäftigt war. Der Feldherr war förmlich besessen davon, die endgültige Planung für die Siedlung zu vollenden, bevor er neue Marschbefehle aus der Festungsstadt erhielt. Da der Feldherr bei seinen Planungen, von dem zukünftigen Provinzgouverneur Thorak und von dem alten Gelehrten Weland, tatkräftig unterstützt wurde, schien es durchaus so, als wenn Hagrim sein selbst gestecktes Ziel erreichen würde.

Während Thorfin und O’Hara in die Kantine gingen, um dort zu frühstücken und Wegzehrung für den Tag zu besorgen, begab sich MäcBee in sein Zimmer. Dort legte er sein leichtes Kettenhemd an und packte seinen Rucksack. Der Paladin schnallte sich seinen Waffengurt mit dem breiten Kampfmesser und dem Schwert um. Dann setzte sich seinen Helm auf. Zum Schluss hängte er sich den gut gefüllten Pfeilköcher um und griff sich seinen Bogen. In Gedanken vertieft machte der Paladin sich auf den Weg zum Kantinengebäude der Festung, wo er mit den übrigen Mitgliedern des Jagdkommandos zusammentreffen würde.

Kurze Zeit später schlenderte der Paladin gelassen zu den Männern des Jagdkommandos, das sich vor dem breiten Kantinengebäude der Festung sammelte. Neben Thorfin und O’Hara waren noch zwölf weitere Soldaten anwesend. Soeben trat der dicke Kantinenfeldwebel aus dem Gebäude und verteilte abgepackte Feldrationen an die Männer. Auch der Paladin erhielt seine, in einen Stoffbeutel verpackte, Feldration. Die gut gefüllten Feldflaschen hatte jeder der anwesenden Männer schon in ihren Rucksäcken verpackt, da dies schon seit vielen Jahrhunderten zu den ehernen Grundsätzen der Militärdoktrin, der königlich Tuscelanischen Truppen gehörte. Die Feldflaschen wurden prinzipiell immer mitgeführt und entweder in einer Seitentasche des Rucksacks oder aber am Waffengürtel getragen.

Die Männer machten sich schweigend marschbereit und verließen dann die Festung, um das unbekannte Raubtier zur Strecke zu bringen. Hagrims Entscheidung, das Tier zu erlegen, war richtig und notwendig. Das wilde Tier konnte möglicherweise eines oder sogar mehrere der Nutztiere reißen, die auf den Höfen, rund um die Siedlung gehalten wurden. Diese Nutztiere waren aber überaus wichtig für das zukünftige Überleben und Wachstum der Siedlung. Ein Verlust von mehreren dieser Tiere konnte fatale Folgen haben. Auch die Tatsache, dass der Flüchtling in einer derartigen Nähe der Siedlung angegriffen und getötet worden war, ließ darauf schließen, das dieses Raubtier die Menschen nicht fürchtete. Um zukünftige Angriffe, auf einzelne Menschen oder kleine Gruppen von Leuten, zu vermeiden war es also unumgänglich, dieses Raubtier zu erlegen. Dies musste schnell geschehen, bevor das Tier möglicherweise gezielt Jagd auf Menschen machte.

Es war, in der Vergangenheit, schon mehrfach vorgekommen, das ein Bär gezielt Menschen gejagt hatte, weil er die Menschen in sein Beuteschema übernommen hatte. Meistens war eine Verwundung durch einen Jäger der Ausschlag für dieses Verhalten. In den vergangenen Jahrhunderten hatte es einige Dutzend derartiger Fälle in der Grenzregion des Waldgürtels gegeben.

Die Männer des Jagdkommandos marschierten durch die Straßen der Siedlung, verließen diese auf der gepflasterten Straße und folgten dieser, bis zum Gefangenenlager, das sich zwischen der Erzmine und den Klärteichen befand. Überall waren hart arbeitende Menschen zu sehen, die sich abmühten, die Siedlung zu erbauen und sich hier eine Zukunft aufzubauen.

Das bewachte Gefangenenlager befand sich ein Stück westlich, zwischen der Erzmine und den Klärteichen. Eine Fläche von etwa zweihundert Schritten rund um das Lager herum war von Bäumen und Sträuchern befreit worden. Das Lager selbst war quadratisch angelegt worden. Es hatte eine Seitenlänge von etwa zweihundert mal zweihundert Schritt. Das Gefangenenlager war von einer dichten Palisadenmauer umgeben, die sich zehn Schritte hoch empor streckte. Außerhalb der Palisadenwand befanden sich an jeder Ecke des Lagers jeweils ein hölzerner Wachturm, auf dem ständig zwei Soldaten Wache hielten. Das einzige Tor des Lagers befand sich in der östlichen Palisadenmauer. Das fest gefügte Tor des Lagers war nur von außen zu öffnen. Im Innern des Lagers befanden sich zwanzig einstöckige, roh gezimmerte Blockhütten, in denen die Gefangenen einquartiert waren.

Als das Jagdkommando das Gefangenenlager erreichte, wurden sie bereits von den acht Soldaten erwartet, die in der Nacht Wache gehalten hatten. Der Feldwebel der, in der vergangenen Nacht, das Kommando über das Wachkommando hatte sollte dem Paladin nun Bericht erstatten. Der Mann war sichtlich zerknirscht, das er die Flucht, des getöteten Gefangenen, nicht hatte verhindern können. Allerdings machte der Mann, auf den Paladin, den Eindruck eines Soldaten, den so schnell nichts erschüttern konnte und der äußerst kompetent war.

Der Feldwebel, ein kleingewachsener, altgedienter Veteran, mit vernarbtem Gesicht, erstattete jetzt mit ruhiger, klarer Stimme Bericht. “Mein Name ist Bjarne ... Ich bin der dienstälteste Feldwebel, der Aufklärungstruppen des Regiments. Die Männer hinter mir waren, zusammen mit mir, in der vergangenen Nacht als Wachen, für das Gefangenenlager, eingeteilt. Ich war in der vergangenen Nacht der Führer des Wachkommandos ... Wir haben bereits mehrfach Wachdienst, für das Gefangenenlager geleistet und kennen sowohl das Lager, als auch die Umgebung ... Etwa in der Mitte der Nacht kam dieser Kerl plötzlich aus einem der äußeren Blockhäuser gelaufen und warf ein Seil mit einer Schlinge über die Palisadenmauer ... Der Mann kletterte wie ein Eichhörnchen daran hoch und sprang dann herunter. Bevor wir ihn mit einem Pfeil treffen konnten, war er schon auf und davon. Der Kerl war ein außerordentlich schneller Läufer und rannte so schnell, wie ich es selten zuvor gesehen habe. Er lief nicht geradeaus, sondern schlug dabei kleine Haken, sodass die ihm nachgesandten Pfeile ihn allesamt verfehlten. Als er den Waldrand erreicht hatte und zwischen den Bäumen verschwand, nahmen wir, innerhalb kürzester Zeit, mit vier Soldaten die Verfolgung auf, während die noch verbleibenden vier Soldaten die Wachtürme bemannten und das Lager weiterhin scharf bewachten. Der Flüchtling hatte sich, bei der Flucht, nicht die geringste Mühe gemacht, seine Spuren irgendwie zu verschleiern. Wir konnten also der Spur leicht folgen und waren uns sicher ihn innerhalb kurzer Zeit fangen zu können.”

Der Feldwebel runzelte nachdenklich die Stirn, bevor er weiter Bericht erstattete. “Wir brauchten die Spur nicht weit verfolgen. Als wir etwas mehr als eine halbe Meile in den Wald eingedrungen waren, fanden wir den leblosen Körper des Flüchtlings ... Ich könnte auch sagen, wir fanden das, was von dem Körper noch übrig war. Die Leiche lag auf einer freien Fläche mit steinigem Boden, zwischen einigen Felsen. Augenscheinlich war der Flüchtige von einem Tier getötet worden. Ich ließ drei Soldaten, als Wachen, bei der Leiche und kehrte sofort zum Gefangenenlager zurück. Dort angekommen schickte ich sofort einen Meldeläufer in die Siedlung, um dort der Bereitschaftstruppe von dem Vorfall Meldung zu machen. Schon eine kurze Weile später trafen zwanzig Soldaten des Bereitschaftstrupps hier ein. Zehn Soldaten führte ich zu der Stelle, an der die Leiche des Flüchtlings liegt. Diese zehn Soldaten befinden sich auch jetzt immer noch dort und bewachen den toten Körper, damit das unbekannte Raubtier nicht die Möglichkeit hat den getöteten Flüchtling endgültig zu fressen. Die drei Soldaten des Wachkommandos, die dort vorher Wache gehalten hatten, sind mit mir wieder hierher zurück gekehrt. Aufgrund der Verletzungen gehe ich davon aus, dass es sich bei dem Angreifer um einen riesenhaften Bären handeln muss. Der Angriff muss außerordentlich schnell stattgefunden haben und von tödlicher Effizienz gewesen sein. Wir fanden keinerlei Kampfspuren und haben, trotz unserer relativen Nähe, keine Geräusche des Kampfes vernommen. Der Mann hat noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt zu schreien, als das Tier ihn tötete. Es muss also sehr schnell gegangen sein. Bedingt durch die schlechten Sichtverhältnisse, in der vergangenen Nacht und wegen des steinigen Geländes, am Fundort der Leiche, war es nicht möglich Spuren des Raubtieres zu finden. Ich bin mir jedoch sicher, das wir die Fährte, jetzt bei Tageslicht, aufnehmen können.”

MäcBee blickte Thorfin und O’Hara an, die neben ihm standen. Die beiden Männer zeigten keinerlei Gefühlsregung. Lediglich ihre Augen funkelten amüsiert. Jedoch wusste der Paladin nicht, was die beiden Männer so erheiterte.

Der Paladin wandte seinen Blick wieder Feldwebel Bjarne zu und lächelte. “Dann würde ich vorschlagen, dass ihr vorausgeht und uns den Weg zeigt. Ich habe von unserem Feldherrn den Auftrag erhalten das Tier zu jagen und zu töten. Wir sollten sofort aufbrechen, da ich dem Feldherrn zügig vom Erfolg dieser Mission berichten möchte. Hagrim gab mir zu verstehen, dass er einen schnellen Erfolg wünscht ...”

Bjarne nickte knapp. Diese kurze Kopfbewegung wirkte beinahe wie abgehackt. Dann drehte sich der Feldwebel wortlos um und begann in Richtung des Waldrandes zu marschieren. Das Jagdkommando folgte dem Feldwebel im Abstand von etwas mehr als einem Dutzend Schritten. MäcBee blickte O’Hara fragend an und erntete ein breites Grinsen.

Schließlich räusperte sich Thorfin und klärte den Paladin, in leisem Tonfall auf. “O’Hara und ich kennen Feldwebel Bjarne schon seit etlichen Jahren. Wir haben schon zusammen, unter Hagrims Kommando gedient und sind befreundet. Der Feldwebel ist ein geradezu fanatischer Loyalist. Er ist ein sehr mutiger und hervorragender Soldat, der über große Fachkompetenz verfügt. Die Tatsache, das sich dieser Vorfall in seiner Wachschicht zugetragen hat, ist für ihn so etwas wie eine persönliche Beleidigung. Bjarne wird nicht eher ruhen, als bis er das Tier gefunden hat. Es gibt wohl kaum einen Fährtenleser, der es mit dem Können des Feldwebels aufnehmen kann.”

Das Jagdkommando drang in den Wald ein und bewegte sich wachsam zwischen den knorrigen Bäumen hindurch. Es dauerte nicht sehr lange und sie erreichten eine kleine Lichtung, die einen überwiegend felsigen Boden besaß. Mehrere mannshohe Felsblöcke waren über die Lichtung verteilt. Einige Sträucher säumten den Rand des umliegenden Waldes. Das Wachkommando hatte ihr Eintreffen bemerkt und erwartete sie bereits in der Mitte der felsigen Lichtung.

Schweigend machten die Wachsoldaten Platz, um den Paladin, Thorfin, O’Hara und Bjarne, zum Leichnam durchzulassen. Als der Paladin die verstümmelte Leiche des, in der vergangenen Nacht, geflüchteten Gefangenen erblickte, verstand er auch, warum Bjarne vermutete, dass der Flüchtling von einem großen Bären angefallen worden sein musste.

Der Tote war zu Lebzeiten ein außerordentlich muskulöser Mann gewesen. Die vielen alten Narben deuteten darauf hin, das er über viel Kampferfahrung verfügt haben musste. Die Tatsache, das er ohne eine Chance auf Gegenwehr und ohne noch Schreien zu können, von dem Tier getötet worden war, ließ den Paladin nachdenklich werden. Der Körper des Toten wirkte beinahe, als wenn ein Mann eine Spielzeugpuppe in einem Wutanfall zerfetzt hätte. Der größte Teil des Fleisches fehlte. Es sah beinahe aus, als wenn das Tier, mit einer enormen Kraft und Wut über den Flüchtling hergefallen wäre. Der Angriff musste zweifellos ohne Vorwarnung gekommen sein.

Thorfin, O’Hara und Bjarne suchten den Körper nach Bissspuren oder Verletzungen von Krallen ab, um das Raubtier zu identifizieren. Nach einer Weile schüttelte Thorfin den Kopf.

Er schaute den Paladin an und sein Blick war ratlos. “Ich kann nicht sagen, von was für einem Tier dieser Mann angegriffen worden ist. Das Tier muss sehr groß gewesen sein und über enorme Kraft verfügen. Das einzige, was mir da einfallen würde wäre ein riesenhafter Bär oder einer der Schneetiger, die es in meiner Alten Heimat, weit im Norden gibt. Jedoch habe ich noch nie davon gehört, das einer der seltenen Schneetiger sich so weit in den Süden begeben hat. Selbst wenn es sich um einen Schneetiger gehandelt haben sollte, dann müsste es ein geradezu riesenhaftes Tier handeln. Eine solche Größe würde allem widersprechen, was ich bisher über Schneetiger gehört habe. Deshalb denke ich, wir haben es mit einem riesigen Bären zu tun. Es kommt manchmal vor, das ein Bär größer wird als seine Artgenossen. Um solch einen Bären muss es sich hier handeln. Wenn wir das Tier gestellt haben, dann wird es wohl zu einem harten Kampf kommen. Den Spuren nach muss das Tier über geradezu unglaubliche Kräfte verfügen. Wenn man bedenkt, das der Flüchtling keine Möglichkeit zur Gegenwehr hatte und nicht einmal schreien konnte, dann können wir davon ausgehen, das sich das Tier sehr schnell bewegt hat. Wir werden also sehr vorsichtig sein ...” Kurze Zeit später verfolgte das schwer bewaffnete Jagdkommando die undeutliche Fährte des Tieres. Die Soldaten, die zuvor den toten Körper bewacht hatten, trugen jetzt den übel zugerichteten Leichnam des Flüchtlings zum Gefangenenlager zurück. Der Tote würde, im Laufe des Tages, außerhalb des Gefangenenlagers, vor den hölzernen Palisadenmauern, begraben werden. Es war wichtig, den übrigen Gefangenen deutlich zu machen, dass eine Flucht aus der Gefangenschaft hoffnungslos war.

Die Tuscelaner beeilten sich bei der Verfolgung der Fährte. Trotzdem waren die Männer sehr vorsichtig. Alle hatten sie schon Geschichten von Bären gehört, die auf den Jäger zum Gejagten gemacht hatten und sich neben ihrer eigenen Fährte auf die Lauer gelegt hatten, um den ahnungslosen Jägern aufzulauern. Die Fährte zog sich in nahezu gerader Linie nach Westen, war jedoch oft kaum wahrzunehmen. Nur die geübten Augen von Bjarne fanden immer wieder Anzeichen dafür, das sie auf der richtigen Fährte waren. Es schien beinahe so, als wenn das Raubtier eine gewisse Intelligenz besitzen würde und bemüht wäre, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen. Die Verfolgung zog sich nun schon bis beinahe zur Tagesmitte hin. Plötzlich bemerkte der Paladin, das sie die Richtung änderten. Die Fährte machte nun einen weitläufigen Bogen und verlief dann nach Osten. Sie bewegten sich jetzt parallel zur bereits verfolgten Fährte und hielten dabei einen Abstand von etwa 800 Schritten. Bjarne hielt an und kniete sich hin.

MäcBee, Thorfin und O’Hara traten näher, während die übrigen Soldaten des Jagdkommandos wachsam die Umgebung beobachteten. Vor den Männern zeichnete sich, auf einem sandigen Stück Boden die erste, einigermaßen deutliche Fußspur ab, die sie seit beginn der Verfolgung, entdecken konnten. Der Paladin war erstaunt, über die Größe des Abdruckes. Thorfin fluchte leise.

Er schaute den Paladin an und musterte dann mit gerunzelter Stirn die Umgebung, ehe er mit gedämpfter Stimme zu sprechen begann. “So wie es aussieht verfolgen wir wohl doch einen Schneetiger. Ich kann mich vage erinnern, solche Spuren in meiner Kindheit schon einmal gesehen zu haben, als ich noch im fernen Norden des Kontinents gelebt habe ... Es ist allerdings schon sehr lange her. Trotzdem denke ich, das wir es hier mit einem Schneetiger zu tun haben. Die Ähnlichkeit mit den Pfotenabdrücken einer Hauskatze ist nicht zu übersehen ...”

Thorfin musterte den Prankenabdruck, der sich deutlich in die Sandfläche gegraben hatte. Dann blickte er nachdenklich in den umliegenden, dichten Wald, bevor er mit leiser Stimme weitersprach. “Allerdings scheint dieser Schneetiger wirklich außergewöhnlich groß zu sein ...” Die Männer blickten sich schweigend an und begannen dann zu grinsen. Im wilden Grenzland war die Jagd seit Jahrhunderten so etwas wie ein Sport. Dabei war es prinzipiell egal, ob man ein Kaninchen jagte, einen Elch oder einen Bären. Der Gedanke der Jagd an sich war es der die Leute, in der urtümlichen Grenzregion des Waldgürtels, mit Begeisterung erfüllte. Jetzt einen Schneetiger zu jagen, ein Tier welches hier normalerweise nicht anzutreffen war, war beinahe so etwas wie ein Geschenk.

Allerdings war dieses Tier, das sie nun jagten, nicht wehrlos und würde die Jagd sicherlich sehr aufregend gestalten. Auf jeden Fall war dies eine Jagd, von der jeder Mann des Jagdkommandos noch lange erzählen konnte. Schweigend setzten sich die Männer wieder in Bewegung und folgten der Fährte weiter. Die Nachricht, das es sich bei dem Tier wahrscheinlich um einen Schneetiger handelte, rief bei den Soldaten wildes Grinsen und erwartungsvoll leuchtende Augen hervor. Es war nicht einer unter diesen harten, kampferprobten Soldaten, der sich nicht für eine gute Jagd begeistern konnte. Kurz nach Erreichen der Mittagszeit hielten sie einen Moment an, um eine kurze Pause zu machen und etwas zu essen. Während die Männer an ihren Rationen kauten, beobachteten sie wachsamen den sie umgebenden Wald.

Bjarne ließ sich neben dem Paladin auf den Boden sinken und kaute gedankenverloren an einem kleinen Stück Dörrfleisch herum. Schließlich blickte der Feldwebel den Paladin an. Er räusperte sich, bevor er im Flüsterton zu sprechen begann. “Ich bin etwas ratlos, was dieses Tier betrifft. Es scheint seine Spuren vor uns bewusst verbergen zu wollen ... Was mich aber wirklich ein wenig beunruhigt, ist die Tatsache, dass wir uns genau auf die Siedlung zu bewegen. Wir werden nicht mehr lange marschieren brauchen und wären dann wieder an der Stelle, wo das Tier heute Nacht den ausgebrochenen Gefangenen getötet hat. Von dort aus ist es nur eine sehr kurze Strecke bis zur Siedlung und den umliegenden Gehöften sowie der Erzmine und den Holzfällerlagern, die verteilt um das Tal im Wald liegen ... Ich habe noch niemals etwas ähnliches auf einer Jagd erlebt. Es macht ja schon fast den Anschein, als wenn dieses Tier mit uns spielt und keine echte Furcht vor uns empfindet. Ich gestehe, dass ich ein wenig beunruhigt bin ...”

Schweigend machte sich das Jagdkommando wieder abmarschbereit und setzte die Verfolgung der Fährte fort. Es bestand nun für die Tuscelaner keinerlei Zweifel mehr, dass sie von dem Tier von der Siedlung fortgelockt worden waren. Die Männer sahen die Jagd nun als eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Raubtier an. Einige der Männer hatten die Lippen grimmig zusammengepresst während sie, mit Jagdfreude in den Augen, den Wald beobachteten, der sie umgab.

Der Wald bot dem gejagten Raubtier hier mehr als reichlich Möglichkeiten sich zu verstecken. Hier gab es überall kleinere und größere Farnbüschel, Sträucher, Büsche oder Felsen, die Deckung bieten konnten. Uralte Eichen und mächtige Kiefern reckten sich hier in die Höhe. Das dichte Blätterdach des Waldes ließ nur vereinzelt Sonnenstrahlen durchkommen, die dann, gleich einem Lichtspeer, auf den mit Gras und Moos bewachsenen Waldboden trafen. Scharf hielten die Männer Ausschau, nach Anzeichen auf das Tier. Jeder von ihnen traute es dem Raubtier zu, dass es ihnen eine Falle stellen könnte und hier irgendwo auf die Jäger lauern könnte. Schließlich passierten sie, in kurzem Abstand, den Schauplatz des nächtlichen Angriffs auf den Flüchtigen Gefangenen. Immer weiter näherten sie sich dem Waldrand. Etwa 100 Schritte vor Erreichen des Waldrandes bog die Fährte nach Süden ab. In gleichbleibender Entfernung zum Waldrand näherte die Fährte sich nun der Erzmine, bei der viele Menschen arbeiteten.

MäcBee wurde langsam nervös und biss wütend die Zähne zusammen. Die Möglichkeit, dass einer oder mehrere der Arbeiter von dem Raubtier angegriffen werden konnte, stieg stetig an. Wenn so etwas nun geschehen würde, wäre Hagrim sicherlich mehr als ungehalten darüber. Darüber hinaus empfand MäcBee es als persönliche Schmach, von dem Tier derart überlistet worden zu sein. Ein kurzer Blick, zu Thorfin und O’Hara, die neben ihm gingen, zeigte dem Paladin, dass die beiden Männer wohl gerade ähnliche Gedanken hatten.

Als das Jagdkommando noch etwas weniger als eine halbe Meile von der Erzmine entfernt war, erhöhte Bjarne das Tempo. Anscheinend hatte der Feldwebel die selben Gedanken wie der Paladin und wollte das Raubtier nun endlich stellen, bevor noch andere Menschen zu Schaden kommen konnten. Immer weiter näherten sie sich der Erzmine und konnten nun schon die Felsformationen erkennen, von denen der große Hügel mit der Erzmine umgeben war.

Die Männer des Jagdkommandos bewegten sich nun nicht mehr im schnellen Schritt sondern im Dauerlauf. Bei der Erzmine wurden nun die ersten Leute auf das sich nähernde Jagdkommando aufmerksam. Verwundert schauten die Arbeiter in den Wald, von wo sich die bewaffneten Jäger näherten. Thorfin stieß einige Befehle aus und das Jagdkommando teilte sich.

Während Bjarne, der Paladin und sechs Soldaten weiter auf der Fährte des Tieres blieben, die nun einen leichten Bogen um die Erzmine beschrieb, eilte der Rest des Trupps zu den erstaunten Arbeitern, um diese vor einem möglichen Angriff des Raubtieres zu schützen. Der Paladin und die ihn begleitenden Soldaten hatten den Hügel der Erzmine schon beinahe umrundet, als Bjarne anhielt und die Hand hob. Während die Männer, die den Paladin begleiteten misstrauisch die Umgebung musterten, trat MäcBee neben den Feldwebel, der sich auf den Boden gekniet hatte und dort scheinbar eine Spur untersuchte. Bjarne schaute den Paladin an und deutete zum Hügel der Erzmine. “Die Spur ist ganz frisch. Das Tier muss dort auf dem Hügel sein ...”

MäcBee blinzelte zur Hügelkuppe empor. Auf den Hängen des Hügels und auf dessen Kuppe standen einige uralte Eichen, mit weit ausladenden Ästen. Dazwischen trat oft blanker Fels zu Tage und an mehreren Stellen ragten Felsblöcke bis zu zwanzig Schritt in die Höhe. Farnbüschel erschwerten die Sicht. Der Paladin schluckte. Sein Mund war trocken und seine Zunge fühlte sich an wie ein Stück altes Leder. MäcBee zog sein Schwert und sein Messer. Bjarne und die übrigen sechs Soldaten hielten ihre Speere mit den breiten, messerscharfen Klingen kampfbereit. Nebeneinander, mit einigen Schritten Abstand von einander schlichen sich die Männer den Hang des Hügels empor. Wachsam blickten sie umher. Irgendwo hier musste das Tier sein, das sie nun schon seit dem Morgen jagten. Der Paladin umfasste seine Waffen fester, als sie sich nun immer mehr der Kuppe des Hügels näherten. So weit er sich erinnerte hatten Schneetiger ein strahlend weißes Fell. Es sollte dem Tier also recht schwer fallen, sich völlig zu verbergen. Die Augen des Paladins huschten umher. Nur noch wenige Schritte, dann würden sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht haben, der von einigen großen, zerklüfteten Felsblöcken gekrönt wurde. Noch immer war das Tier nicht zu sehen. Die Männer überschritten nun die Kuppe des Hügels und konnten ihre Kameraden sehen die, zusammen mit einem Dutzend Arbeitern, am Fuße des Hügels standen und wachsam die Umgebung beobachteten.

Plötzlich hörte der Paladin, der dicht neben einem der großen Felsen stand, ein leises Geräusch. Dann fiel ihm ein Steinchen auf die Schulter. Mit einem großen Sprung entfernte sich der Paladin von dem Felsen, der fast zwanzig Fuß hoch emporragte. MäcBee wirbelte herum und erstarrte. Auf der Spitze des Felsens waren zwei funkelnde Augen zu sehen, die ihn anstarrten. Dann ertönte ein tiefes Grollen, das dann in ein ohrenbetäubendes Brüllen überging. Das Tier richtete sich auf und zeigte sich nun in seiner vollen Größe. Der junge Paladin hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Kurz verspürte er den Wunsch, zu diesem Zeitpunkt irgendwo anders zu sein. Das Tier, von dem man dachte es würde ein Schneetiger sein, erwies sich als etwas viel gefährlicheres und größeres. Auf der Spitze des Felsens hatte sich ein Säbelzahntiger erhoben. Solche Tiere waren im Grenzgebiet schon seit vielen Jahrhunderten nicht mehr gesehen worden. Legenden nach sollte es angeblich noch einige vereinzelte Exemplare auf den weiten Ebenen des Südens geben, wo die Orks hausten. Woher dieses urzeitliche Raubtier gekommen war, würde wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Der Säbelzahntiger machte einen mächtigen Satz und landete zwei Dutzend Schritte vom Paladin entfernt, auf dem felsigen Boden der Hügelkuppe.

Wieder brüllte das Tier ohrenbetäubend und wandte seinen Kopf dann langsam dem Paladin zu. Das Raubtier hatte eine Körperlänge von etwa fünfzehn Fuß. Die Schulterhöhe des Tieres betrug etwa sechs Fuß und die langen Reißzähne im Oberkiefer des riesigen Raubtieres hatten die Länge von MäcBees Unterarm. Gewaltige Muskeln spielten, deutlich sichtbar, unter dem sandfarbenem, kurzen Fell der Urzeitlichen Raubkatze. Die mehr als fingerlangen Krallen des Säbelzahntigers kratzten, leise scharrend, über den felsigen Boden. Der Säbelzahntiger duckte sich ein wenig und machte einen langen Schritt auf den Paladin zu. Die Raubkatze öffnete ihr Maul und fauchte grollend. Die bernsteingelben Augen funkelten bösartig und zeigten dabei eine erschreckende Intelligenz.

Ohne jede Vorwarnung machte das gigantische Raubtier plötzlich einen Satz. MäcBee gelang es im allerletzten Moment, sich zur Seite zu drehen. Dabei stieß der Paladin mit seinem scharf geschliffenem Kampfmesser zu und fügte dem Raubtier eine kleine Wunde am linken Hinterbein zu. Die Raubkatze drehte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit und schlug mit einer seiner fürchterlichen Pranken nach dem Paladin. MäcBee warf sich nach hinten, konnte jedoch nicht vermeiden, dass die scharfen Krallen mit grausamer Wucht sein Kettenhemd zerfetzten, den Waffengürtel zerrissen und den Gürtel mitsamt Messerscheide und Schwertscheide davon wirbeln ließen. Die schiere Wucht des Prankenhiebes warf den Paladin rückwärts an den Felsbrocken, wo er scheppernd auftraf. Vor Schmerz keuchend taumelte der Paladin, richtete sich jedoch sofort wieder auf und nahm wieder Kampfhaltung an. Derartige Kräfte hatte er noch nie zuvor erlebt. Die Raubkatze machte einen seitlichen Schritt und schien beinahe zu grinsen, als sie den Kopf etwas schief legte und den Paladin anstarrte. Erneut schien eine unnatürliche Intelligenz aus den leuchtenden Augen des Raubtiers zu sprechen. Es kam dem Paladin beinahe so vor, als wenn die riesige Raubkatze den Kampf genießen würde.

Mit einem Kampfschrei auf den Lippen und verzerrtem Gesicht stürmte Bjarne heran. Der kampferfahrene Feldwebel hielt seinen Speer fest umklammert und stürmte mit seiner Waffe auf das Tier zu. Der Säbelzahntiger stellte sich, fast wie ein Bär es tun würde, auf die Hinterbeine. Dann schlug die Raubkatze blitzschnell mit ihren beiden Vorderpranken zu. Dem Feldwebel wurde der Speer aus den Händen gerissen und er selber flog zwanzig Schritte durch die Luft, ehe er mit einem dumpfen Laut auf dem Boden aufschlug und den Hügel hinunter rutschte. Der knorrige Stamm einer Kiefer bremste den Feldwebel schließlich, der verkrümmt am Boden liegen blieb und sich nicht mehr rührte.

MäcBee sprang auf die stehende Raubkatze zu und schwang sein Schwert. Er verletzte das Raubtier an der linken Flanke. Die Wunde war nicht tief, verärgerte das große Tier jedoch sichtlich. Erneut schlugen die Pranken mit den langen Krallen nach dem jungen Paladin. Dieses mal jedoch duckte sich MäcBee unter den sausenden Hieben weg und schlug noch einmal mit dem Schwert zu. Der Schwerthieb traf das Tier am Bauch und verletzte er das Tier erheblich. Der Säbelzahntiger machte einen Satz zur Seite und starrte den Paladin für die Dauer eines Herzschlages wütend und hasserfüllt an. Dann sprang das urzeitliche Raubtier auf den jungen Paladin zu, um ihn zu Fall zu bringen. Im letzten Moment gelang es dem Paladin sich zur Seite zu drehen und dabei mit seinem Schwert zuzustoßen. Das Schwert drang bis zum Heft in den Körper der Raubkatze ein und blieb zwischen den Rippen stecken. Dabei wurde die Waffe dem Paladin aus der Hand gerissen und er selber zur Seite geschleudert. Scheppernd schlug MäcBee mit seinem Helm auf dem Boden auf. Für einen winzigen Moment sah der junge Mann nur Dunkelheit, die von zerplatzenden, feurigen Sternen durchzogen wurde. MäcBees Körper überschlug sich mehrfach, ehe er liegen blieb. Dann klärte sich der Blick des Paladins wieder. Sein Helm, der nun verbeult über den Hügelboden kullerte, hatte ihn davor bewahrt sich den Schädel aufzuschlagen. Keuchend spuckte der Paladin Blut aus. Er hatte sich bei dem Sturz auf die Zunge gebissen, die nun stark blutete. Hinter dem verletzten Raubtier stürmten nun zwei Soldaten des Jagdkommandos herbei. Sie hielten ihre Speere gesenkt und versuchten sie dem Tier in den Leib zu stoßen. Jedoch wirbelte die Raubkatze herum wie ein Tänzer und empfing die beiden Soldaten mit zwei blitzschnellen Prankenhieben. Die Soldaten wurden umher geschleudert wie die Spielzeugpuppen eines kleinen Kindes. Einzig ihre Rüstungen rettete ihnen das Leben. Sonst wären die Körper der beiden mutigen Soldaten von den grausamen Prankenhieben wohl in Stücke gerissen worden.

Die Körper der Soldaten waren noch nicht auf dem Boden aufgeprallt, als die wütende Raubkatze schon wieder herumwirbelte um sich dem Paladin zu widmen. Mit schleichenden Schritten näherte sich das Tier dem jungen Mann, der nun versuchte sich wieder aufzurappeln. Hass und pure Mordlust sprachen aus den Augen des Säbelzahntigers, als er sich dem Paladin beständig weiter näherte. Ein dünner Blutfaden lief dem Tier aus dem aufgerissenen Maul. Als das verletzte Raubtier zum Sprung auf ihn ansetzte fanden die tastenden Finger des Paladins den Speer, der dem Feldwebel aus den Händen gerissen worden war.

Mit einem grollenden Gebrüll, das aus den Tiefen der Unterwelt zu kommen schien legte das mörderische Raubtier die letzten zehn Schritte mit einem Sprung zurück. MäcBee versuchte den Speer emporzuheben, jedoch hatte sich das Schaftende der Waffe unter einer Baumwurzel verfangen. So gelang es dem Jungen Mann nun lediglich den Speer schräg aufrecht auf das angreifende Raubtier zu richten. Dann prallte der schwere Körper des urzeitlichen Räubers auf den Paladin. Vor den Augen des jungen Mannes zerplatzten feurige Sterne und er verlor das Bewusstsein.

Das nächste, was MäcBee bewusst erlebte, war das Geschrei der Soldaten und die aufgeregten Rufe von Thorfin, der ihm einige recht kräftige Ohrfeigen verpasste, um ihn wieder zu sich zu bringen. Als der Paladin stöhnte und den Kopf wegdrehte packten ihm mehrere kräftige Fäuste an den Schultern und zogen ihn unter einer Last hervor, die schwer wie ein Berg auf ihm lastete. Die roten Nebel die vor den Augen des Paladins waberten lichteten sich langsam. Ein schmerzhaftes Husten erschütterte seinen Körper. Blut lief ihm aus einer Platzwunde am Haaransatz über das Gesicht. Der Paladin krümmte sich und spuckte Blut aus, das aus der Bisswunde in seiner Zunge stammte. Stöhnend versuchte MäcBee sich aufzurichten. Die starken Hände von Thorfin halfen ihm dabei und hielten ihn dann fest, sonst wäre der taumelnde MäcBee wohl mit großer Sicherheit wieder umgekippt. Dicht neben ihm, auf dem blutbefleckten Boden, lag der leblose Körper des Raubtieres. Der Säbelzahntiger war unzweifelhaft tot. Die blutige Spitze des Speeres, mit dem sich der Paladin verzweifelt gewehrt hatte, ragte ihm fast zwei Fuß weit aus dem muskulösen Nacken. Der Säbelzahntiger war nicht mehr in der Lage gewesen, der Waffe auszuweichen und hatte sich, durch den Schwung seines Angriffes, selbst aufgespießt. Der Speer mit seiner breiten, scharfen Klinge war dem angreifenden Tier in den weit aufgerissenen Rachen eingedrungen, hatte sich durch den Hals gebohrt, dann das Genick durchtrennt und war danach im Nacken des mächtigen Raubtieres wieder ausgetreten. Die Verletzung war für das Tier sofort tödlich gewesen. Die Wucht und das Gewicht des aufprallenden Tieres hatte den Paladin zu Boden geschmettert und bewusstlos werden lassen. Mit einem Schaudern blickte der junge Paladin auf die urzeitliche, riesenhafte Raubkatze herab, die ihn soeben fast umgebracht hatte. Das innere Feuer, das eben noch in den bernsteingelben Augen des riesigen Tieres gebrannt hatte und den Anschein von unnatürlicher Intelligenz und abgrundtiefem Hass verströmte, war nun für immer erloschen.

MäcBee stützte sich auf die Schulter von Thorfin und versuchte das Schwindelgefühl los zu werden, das ihn überfiel. Mit zitternden Knien blickte er über die Hügelkuppe, die eben noch der Ort eines gnadenlosen Kampfes gewesen war.

Ein kleines Stück den Hang des Hügels abwärts kümmerte sich O’Hara gerade um Feldwebel Bjarne. Anscheinend hatte sich der tapfere Feldwebel bei dem Sturz die rechte Schulter ausgerenkt. Vier Arbeiter aus der Erzmine hielten Bjarne fest, während O’Hara sich nun daran machte das Schultergelenk des wieder einzurenken. Der Paladin verzog mitfühlend das Gesicht, als er hörte wie Bjarne bei dieser Prozedur vor Schmerzen brüllte. Die beiden Soldaten, die dem Paladin bei dem Kampf zur Hilfe geeilt waren, saßen noch benommen auf dem Boden und wurden von ihren Kameraden versorgt. Ihnen war, bis auf einige Hautabschürfungen und blaue Flecken, nichts ernsthaftes geschehen.

Der Kampf hatte, obwohl er dem Paladin sehr viel länger vorgekommen war, nur einige Momente gedauert. Langsam humpelte der Paladin, dem jeder Knochen und Muskel im Körper schmerzte, den Hügel hinab. Er war dankbar, das er sich dabei auf Thorfin stützen konnte.

Einige Zeit später herrschte reges Leben, in der wohlgeplanten, kleinen Minenanlage. Ein robuster Ochsenkarren, mit dem sonst die Erzbarren in die Siedlung gebracht wurden, war nun dazu genutzt worden, den Körper des toten Säbelzahntigers zu transportieren. Zwanzig Männer waren nötig gewesen, um den riesenhaften Körper des erlegten Raubtieres auf den Ochsenkarren zu heben.

Die kleine Minenanlage mit angeschlossener Schmelzhütte für das hochreine Erz bestand aus drei Gebäuden. Zwei der Gebäude waren aus den Stämmen der hiesigen Bäume erbaut worden, während das dritte Haus, welches den kleinen Schmelzofen beherbergte, aus sorgsam gemauerten Steinen errichtet worden war. Die Kunde vom Erfolg der Jagd hatte sich schnell bis zur Siedlung herum gesprochen und dort für Begeisterung bei den Menschen gesorgt. Hagrim, Thorak und auch Weland waren zur Erzmine gekommen, um sich vor Ort über das Geschehen zu informieren.

Das erlegte Tier beeindruckte jeden. Es war kaum auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Säbelzahntiger über die ahnungslosen Minenarbeiter hergefallen wäre. Sicherlich hätte es eine erhebliche Anzahl von Toten und schwer Verletzten gegeben. Daher war es nur verständlich, das die fleißigen Arbeiter der kleinen Minenanlage ausgesprochen erleichtert und dankbar über den Erfolg der Jagd waren.

Das erlegte Raubtier wurde in die Siedlung gebracht und dort, auf dem Marktplatz vor der Festung, zur Schau gestellt. Die Menschen der Siedlung waren tief beeindruckt von der Größe des Tieres.

Obwohl der Säbelzahntiger nun tot war, ging eine fast greifbare Bedrohung von der erlegten urzeitlichen Raubkatze aus. Besonders die langen, messerscharfen Krallen und vor allem die fast unglaublichen Reißzähne riefen bei den Menschen der Siedlung große Aufregung hervor.

Den Rest des Tages verbrachte der Paladin auf der Krankenstation der Festung. Der junge Paladin wurde gründlich untersucht, während seine oberflächlichen Verletzungen versorgt wurden. Gegen Abend erklärte der dortige Apothecarius ihm, dass er unbesorgt gehen könnte. Als der Paladin im Bergfried eintraf und sich bei Hagrim zurückmeldete, wurde er von begeisterten Männern empfangen. Nahezu jeder der dort Anwesenden schien ihm zum Erfolg der Jagd gratulieren zu wollen. Es dauerte eine ganze Weile, bis in Hagrims Arbeitszimmer wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt war.

Hagim saß bequem auf seinem gut gepolsterten Sessel und hörte dem Paladin aufmerksam zu, der nun einen ausführlichen Bericht über die Jagd gab. Rechts neben dem Feldherrn hatten Thorak und Weland, auf zwei hölzernen Schemeln, Platz genommen und lauschten dem Paladin. Thorfin und O’Hara standen, breit grinsend, einige Schritte hinter MäcBee und hörten zu, wie der Paladin die Jagd schilderte. Die übrigen anwesenden Offiziere der Tuscelanischen Truppen hatten sich an der Längswand des Raumes versammelt und hörten ebenfalls wortlos zu.

Als MäcBee seinen Bericht beendet hatte nickte Hagrim zufrieden. “Ich stelle fest, dass ich die richtige Entscheidung fällte, als ich dich mit der Jagd auf das Tier betraute. Ich bin außerordentlich zufrieden mit dem Resultat ... Davon abgesehen tut es der Moral unserer Leute gut, wenn sie sehen, dass kein noch so mächtiges Raubtier gegen uns bestehen kann und dass unsere Truppen alles nur mögliche tun, um ihnen Schutz zu geben ...”

Hagrim grinste fröhlich, ehe er mit gesenkter Stimme weitersprach. “Man sollte nebenbei erwähnen, das derartige Geschehnisse immer gut sind für spannende Geschichten am Lagerfeuer oder am Kamin ... Und natürlich auch, um zu später Stunde in den Tavernen erzählt zu werden. Also genau das Richtige, für die bald kommenden Winterabende.”

Der Feldherr kicherte leise, ehe er weitersprach. “Derartige Geschichten sind aber auch wie geschaffen, um dein Image als Paladin und Held der Krone aufzupolieren ... In einigen Jahren wirst du feststellen, dass der Ruf, der einem vorauseilt manchmal schon genügt, um eine Entscheidung herbeizuführen und es überhaupt keiner Aktion außer lediglich dem Erscheinen vor Ort bedarf. Wenn du mir nicht glaubst, dann denke einmal an die Angehörigen der Inquisition. Oft genügt schon ihre Anwesenheit, um jeden Missetäter zum Sprechen zu bringen ... Mit dem legendären Ruf unserer Truppen verhält sich das ähnlich. Bei vielen Völkern im hohen Norden oder aber im entfernten Osten und Südosten des Kontinents, haben unsere Legionen den Ruf der Unbesiegbarkeit ... Sogar die barbarischen Orks, aus dem Süden des Kontinentes, haben Respekt vor unseren Truppen ... Das hat bisweilen gewisse Vorteile ... Wenn der Gegner Angst hat, so ist das häufig schon der halbe Sieg. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Einzelkampf oder eine Schlacht handelt.”

In der gesamten Siedlung herrschte an diesem Abend Heiterkeit. Viele Siedler saßen bis spät in die Nacht auf den hölzernen Bänken vor den Gasthäusern der Siedlung. Überall diskutierte man über die Zukunft, die sich derzeit recht vorteilhaft entwickelte. Auch im Bergfried der Festung saß man an diesem Abend länger zusammen als gewöhnlich.

Während in der großen Halle des Gebäudes die Tuscelanischen Offiziere zusammensaßen, miteinander speisten und ausgelassen scherzten, ging es in Hagrims Arbeitszimmer etwas ruhiger zu. Der Feldherr saß zusammen mit Weland, Thorak und dem Paladin an seinem großen Arbeitstisch. Karten, Listen und Zeichnungen bedeckten die Tischplatte, während die vier Männer die Pläne für die Zukunft der neuesten Tuscelanischen Provinz diskutierten. Der Mond stand schon hoch am Himmel, als Hagrim schließlich gähnend die gesellige Runde auflöste. Als sich der greise Weland für diese Nacht von MäcBee verabschiedete, glitt sein Blick nachdenklich über das Kettenhemd des Paladins.

Weland legte seinen Kopf schräg und blickte dem Paladin in die Augen. “Ich werde euch Morgen, in der Frühe, einen meiner Gehilfen schicken, der das Kettenhemd abholt, das der Säbelzahntiger heute so fürchterlich zugerichtet hat. Mit einem Kettenhemd, dass derart beschädigt ist, könnt ihr nicht in den Kampf ziehen...”

MäcBee nickte dem greisen Gelehrten dankend zu und zog sich dann ebenfalls zurück um sich zur Ruhe zu begeben. Der Tag war anstrengend und aufregend gewesen. Nun, als das Adrenalin zur Gänze verflogen war, machte sich die Erschöpfung bemerkbar. Als der Paladin kurze Zeit später in seinem Bett lag und aus dem Fenster blickte, dachte er an Chaya. Er seufzte, als er darüber nachdachte, wie sehr ihm die junge Frau fehlte. Als am Morgen die strahlend aufgehende Sonne von den laut krähenden Hähnen der Siedlung und der umliegenden Gehöfte begrüßt wurde, kam es dem Paladin vor, als wenn er sich erst eben zu Bett gelegt hatte. Ein neuer Tag brach an, an dem wieder reichlich Arbeit auf alle Menschen in der neuen Provinz wartete.

Die neue Siedlung musste bis zum Einbruch des Winters fertig gestellt sein. Bis es so weit war erforderte es noch eine geraume Menge an harter Arbeit. Ohne den unfreiwilligen Einsatz der Gefangenen würde das Pensum nicht zu vollbringen sein, das nach Hagrims Willen geschafft werden musste. Die grimmigen und unnachgiebigen Wachsoldaten der tuscelanischen Truppen sorgten jedoch dafür, das die Gefangenen den notwendigen Teil dazu beitrugen, um das vorhaben zeitgerecht abzuschließen.

3.

Mehrere Tagesmärsche von der Festungsstadt Tuscelan entfernt, waren zu diesem Zeitpunkt vier Kampfstarke Aufklärungstrupps unterwegs, um den Pass von Kothor abzuriegeln. Ursprünglich war jeder der jeweils 25 Soldaten umfassenden Trupps selbstständig auf der jeweiligen Missionen unterwegs gewesen. Die Tuscelanischen Soldaten hatten den Auftrag gehabt, die Gebiete südlich und südöstlich von Tuscelans Grenzen zu kontrollieren. Dabei hatte sie zahlreiche Spuren gefunden, die auf Gruppen fremder Krieger hindeuteten. Die Trupps waren den Spuren gefolgt, die sie gefunden hatten und so aufeinander getroffen. Drei der Trupps wurden von Offizieren der Armee geführt, während der vierte Trupp von Inquisitor Volkenvind geführt wurde. Alle waren sich sicher, dass die Spuren von Aufklärungseinheiten der Maddinheimer stammten, die ausgesandt worden waren, um das Gelände zu erkunden.

Der erfahrene Inquisitor hatte nicht gezögert, die Trupps unter seiner Führung zu vereinigen, um die kleinen Einheiten zu einer stärkeren Truppe zu vereinen und war dann den Spuren weiter gefolgt, die sich zum Pass von Kothor hinzogen. Der Inquisitor rechnete damit, das es zu einem heftigen Kampf kommen würde. Die Truppe der Tuscelaner, unter seinem Kommando, setzte sich zu fast 80% aus Wehrpflichtigen der Heimatmiliz zusammen. Diese jungen Männer waren zwar noch keine kampferfahrenen Soldaten aber sie waren allesamt hochmotiviert, gut ausgerüstet, sehr gut ausgebildet und hervorragend geführt. Einer der jungen Männer, die ihre Wehrpflicht in der Heimatmiliz ableisteten und sich nun an der östlichen Grenzregion des Tuscelanischen Reiches wiederfanden, war Padel.

MäcBee’s jüngerer Bruder war mitsamt den Kameraden seiner Milizeinheit vor einigen Tagen aus der Festungsstadt ausgerückt, um nun im östlichen Grenzgebiet des Reiches einige Aufklärungseinsätze zu absolvieren. Man wollte versuchen zu verhindern, das Truppen der Maddinheimer in die westlich der Drakenberge gelegenen Gebiete vordringen konnten, ohne bemerkt zu werden. Gleichzeitig wollte man versuchen, kleinere Trupps des Gegners abzufangen und sie auszuschalten, bevor diese ihre Einsatzbefehle ausführen konnten, die gegen das Tuscelanische Reich und dessen Nachbarn gerichtet waren.

Die Truppen des Inquisitors hatten einen Flüchtling aus Torgo abgefangen, der ihnen davon berichtete, das in Torgo Truppen unbekannter Herkunft eingefallen sein sollten. Der Flüchtling, ein älterer Mann namens Dukatis, der als Kaufmann in Torgo ansässig gewesen war, berichtete davon, das ein schon lange schwelender Bürgerkrieg in Torgo ausgebrochen war, als das Volk gegen die fortwährenden Grausamkeiten ihres Herrschers aufstand.

Seit Jahrhunderten wurde das kleine Fürstentum von Torgo sowohl von der Fürstenfamilie Torgos alsauch von einem Senat regiert. Senat und Herrscher bildeten zusammen die Regierung dieses Fürstentums. Der Senat setzte sich aus Angehörigen der adeligen Oberschicht zusammen. Allerdings hatte der Vater des jetzigen Herrschers den korrupten Senat faktisch entmachtet. Seit nun rund 65 Jahren lag die einzige echte Regierungsgewalt bei dem Herrscher Torgos. Der Senat hatte kein echtes Mitspracherecht mehr und bestand seit Jahrzehnten nur noch aus Günstlingen des ungeliebten Herrschers. Der Großteil des dortigen Beamtenapparates war korrupt bis ins Mark und presste die Bevölkerung Torgos nach besten Kräften aus, um sich selber zu bereichern. Herrscher und Senat tolerierten dieses Handeln nicht nur, sondern erhielten ihren Anteil an den erpressten Geldern. Kein Wunder also, dass die einfache Bevölkerung, die ohnehin schon lange unter der enormen Steuerlast stöhnte nun wutentbrannt zu den Waffen griff und sich gegen die Obrigkeit auflehnte.

Zu Anfang verliefen die Kämpfe noch relativ unblutig, bis der Herrscher dazu überging, jeden gefangen genommenen Aufständischen einfach am nächsten Baum aufzuhängen oder ihn köpfen zu lassen. Dies war der Zeitpunkt, an dem die Kämpfe eskalierten und von allen beteiligten Parteien mit verbissener Härte geführt wurden. Zu diesem Zeitpunkt tauchten plötzlich unbekannte Truppen auf und griffen in die Kämpfe ein. Diese unbekannten Truppen kämpften gegen die Bevölkerung und auch gegen die regulären Einheiten des Herrschers von Torgo. Die Invasoren, die anscheinend von einigen, wenigen Adeligen aus Torgo unterstützt wurden, waren zum Zeitpunkt von Dukatis Flucht schon fast siegreich. Die Vermutung, das es sich bei diesen Invasionstruppen um Einheiten der Maddinheimer handelte, war naheliegend.

Inquisitor Volkenvind hatte den Flüchtling, zusammen mit zwei zuverlässigen Milizsoldaten, in die Festungsstadt geschickt, um den Generalsstab über die neuesten Erkenntnisse zu informieren. Dann war der Inquisitor mit seinen Truppen aufgebrochen, um den Pass von Kothor für alle Maddinheimer Truppen zu sperren.

Der Inquisitor beabsichtigte, unter anderem, so den Nachrichtenfluss nach Maddinheim zu unterbinden und das Einsickern von weiteren Truppen der Maddinheimer, in die westlichen Gegenden, zu unterbinden. Volkenvind war sich bewusst, das sein Vorhaben sehr riskant war. Sein Vorhaben war im Grunde genommen sogar eine Verzweiflungstat. Der erfahrene und stets zuversichtlich wirkende Inquisitor sah jedoch keine andere, sinnvolle Möglichkeit die Nachschubwege der Maddinheimer effektiv zu unterbrechen, um dadurch deren Pläne zu erschweren.

Volkenvind war sich allerdings auch darüber klar, dass irgendwann vor dem Einbruch des kommenden Winters der Großteil der Maddinheimer Invasionsarmee den Pass durchqueren würde, um die Pläne von Kaiser Micha voranzutreiben. So weit die Tuscelaner informiert waren, befand sich derzeit erst etwa ein Viertel der Truppen, die dem hinterlistigen Kaiser der Maddinheimer zur Verfügung standen, westlich der schroffen Felsgipfel der Drakenbergkette. Inquisitor Volkenvind verspürte Unbehagen, wenn er daran dachte, wie viele Truppen dem neuen Kaiserreich der Maddinheimer zur Verfügung standen. Zwar waren die mutigen Soldaten Tuscelans zweifellos besser ausgerüstet, besser ausgebildet und auch besser geführt aber die schiere Überzahl der Gegner war nicht dazu angetan den Inquisitor allzu zuversichtlich zu stimmen.

Volkenvind hatte lange überlegt, bevor er sich schließlich zu diesem Vorgehen entschlossen hatte. Er hatte sein Vorhaben zusammen mit den bisherigen Erkenntnissen in einem Bericht niedergeschrieben, den er den beiden Milizsoldaten mitgegeben hatte, die er zusammen mit Dukatis, zurück in die Festungsstadt, geschickt hatte. Der Inquisitor hatte in seinem Bericht auch um Unterstützungstruppen gebeten und seiner Befürchtung Ausdruck gegeben, das er bei seinem Vorhaben möglicherweise scheitern könnte.

Nach der Planung der Armeeführung sollte die Sperrung des Passes von Kothor erst erfolgen, sobald die Maddinheimer Bedrohung westlich der Drakenbergkette beseitigt war. Allerdings schien es nun so, als wenn die Maddinheimer ihren eigenen Zeitplan straffen würden und die Eroberung der westlichen Gebiete beschleunigen wollten. Wie so häufig stellte es sich wieder einmal heraus, dass kaum ein Schlachtplan den Anfang des Gefechtes ohne Änderungen überstand. Es kam nun darauf an, die Initiative zu erlangen und zu agieren, anstatt zu reagieren. Hinzu kam, dass die Militärdoktrin Tuscelans seit jeher eher offensiv als defensiv ausgerichtet war und ein starres Verweilen in Verteidigungspositionen zudem nicht unbedingt dem Naturell des Inquisitors entsprach.

In Torgo waren die Maddinheimer deutlich vor ihrem eigenen Zeitplan aktiv geworden. Zwar war das kleine, nur schwer zugängliche Bergfürstentum noch nicht gefallen aber es war, nach den Aussagen von Dukatis, lediglich eine Frage von einigen wenigen Tagen, bis dies geschehen würde. Inquisitor Volkenvind hatte seine Truppe zu großer Eile angetrieben und den Pass von Kothor nun beinahe erreicht. Die zerklüfteten Gipfel der Berge waren schon deutlich erkennbar. Es würde nur noch wenige Stunden dauern, bis man am Ausgang des Passes angelangte, wo der Inquisitor das Lager aufschlagen wollte. Dort, im Pass von Kothor, zwischen steilen, dicht bewaldeten Hängen, die dann in steile Felswände übergingen, beabsichtigte Volkenvind seine Gegner zu bekämpfen. Der Pass war an dieser Stelle zwar flach aber nur etwa 300 Schritte breit. Ungefähr in der Mitte des Passes gab es hier einen großen Felsen, der beinahe wie ein kleines Hochplateau beschaffen war und nur vom Westen her zu erklimmen war. Dieser schroffe und kahle Felsen, der den uralten Namen Ravensteyn trug, war etwa 80 Schritte breit und nahezu 200 Schritte lang. In der Vergangenheit, vor etwa dreitausend Jahren, hatte sich hier einmal eine Verteidigungsanlage auf dem steilen Felsen befunden, der sich gut zehn Mannslängen in die Höhe streckte. Dies war die Stellung gewesen an der, bereits lange vor Beginn der Geschichtsschreibung, die ersten Armeen der Menschen den barbarischen Horden der blutgierigen Orks getrotzt hatten und deren Vormarsch nach Osten verhindert hatten. Heute nun sollte dieser Ort, den Tuscelanischen Soldaten, dazu dienen eine Invasion aus dem Osten abzuwehren.

Von den ehemaligen Verteidigungsanlagen, Mauern und Türmen existierten heute nur noch verwitterte Steinhügel und einige kleinere Mauerreste. Trotzdem waren die alten Grundmauern der damaligen Wallanlagen und Gebäude, auch heute noch, noch gut zu erkennen. Die alten Baumeister hatten damals grob behauene Felsblöcke genutzt, um die Festung zu erbauen. An einigen Stellen waren die alten Wallanlagen noch nahezu mannshoch vorhanden. Etwa eine Meile entfernt, nahe des Passeinganges lag in der nördlichen Flanke der steilen Berghänge, die den Pass bildeten, ein weitflächiger Einschnitt. Hier, wo heute oft Reisende rasteten, wurden damals die Felsblöcke geschlagen, die zum Bau der Festung genutzt worden waren. Heute war dieser ehemalige Steinbruch nur noch ein verwitterter Einschnitt in die nördliche Flanke des Passes, wo auf einer Fläche von nahezu 300 Schritt Breite und einer ähnlich weiten Länge, einige dünne Kiefern zwischen Heidekraut und kargen Büschen wuchsen. Der Boden des alten Steinbruches wurde nur teilweise von Erdreich bedeckt. Zumeist bestand der Boden hier aus blankem Fels. Die damalige Festung existierte heute nicht mehr. Trotzdem war dieser Felsen ein natürliches Bollwerk, das nicht ohne weiteres passiert werden konnte. Der Pass an beiden Seiten des Felsen war nur jeweils 100 bis 120 Schritte breit und die steilen Berghänge waren nicht dazu geeignet um einer Kolonne von Soldaten den Vorbeimarsch an diesem uralten Bollwerk zu erleichtern. Die steilen Berghänge, des engen Bergpasses, waren überwiegend mit dünnen Birken und Tannen bewachsen. Zudem waren die, mit Felsen und Felsbrocken dicht übersäten, Hänge nur bis zu einer Höhe von etwa 20 Mannslängen zu erklimmen. Danach gingen die Hänge in steile Felswände über, die nicht ohne weiteres zu bezwingen waren. Die dunklen Felsen hatten etwas düsteres, beinahe bedrückendes an sich. Die uralten Ruinen der damaligen Festung wurden heute von den Menschen gemieden. Der Ort hatte für die Leute, die in den Grenzreichen lebten, einen nahezu Ehrfurcht gebietenden Charakter. Gelehrte sprachen bisweilen sogar von einem heiligen Ort, wenn sie über den Ravensteyn-Felsen redeten. Ein entschlossenes und umsichtig geführtes Kontingent, von tapferen Soldaten, konnte von diesem Felsen aus den Pass für andere Truppen sperren oder es dem jeweiligen Gegner zumindest sehr teuer kommen lassen, den legendären Felsen zu passieren.

Der Ravenstein-Felsen hatte in der Vergangenheit bereits zahllose, blutige Schlachten und Scharmützel gesehen. Es schien nun so, als wenn wieder einmal die Zeit gekommen war, wo die Götter des Krieges auf den schroffen Felsen herab blickten. Nur der enge Pass bot die Möglichkeit, die schroffen Berge zu durchqueren, die sich weithin sichtbar aus den dichte Wäldern des Gürtels erhoben und deren himmelhoch aufragende Gipfel oft von tiefhängenden Wolken umringt waren.