Die Saga der vergessenen Stadt - Olaf Thumann - E-Book

Die Saga der vergessenen Stadt E-Book

Olaf Thumann

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Beschreibung

Etwa im Jahr 340 v. Chr. wird der Clan der Asen von einer verheerenden Naturkatastrophe heimgesucht, die sie zwingt, ihre Heimat im hohen Norden für immer hinter sich zu lassen. Ihre Reise führt sie durch fremde Länder, ungezähmte Wildnisse und die Schatten mächtiger Reiche ... stets auf der Suche nach einer neuen Heimat. Doch der Weg ist lang, voller Gefahren und Versuchungen, die nicht nur den Zusammenhalt des Clans auf die Probe stellen, sondern auch die Herzen der jungen Generation. Olov und Hela verbindet bereits seit ihrer frühesten Jugend eine tiefe Liebe. Doch auf einer Reise, die alles verändert, werden sie vor Entscheidungen und Situationen gestellt, die ihre Beziehung zu zerreißen drohen. Gerade für die Jungen Menschen verlocken fremde Kulturen, neue Situationen und Möglichkeiten sowie ein Leben jenseits aller gekannten Verpflichtungen und überlieferter Bräuche. Zweifel wachsen, Sehnsüchte keimen ... und nicht immer führt der geradeste Weg zueinander. Wird ihre Liebe die Stürme von Verlangen, Leidenschaft und Lust überstehen? Oder wird die Zeit sie auseinanderreißen, bevor sie ihre gemeinsame Zukunft finden können? Hinzu kommt, dass die beiden nicht alleine sind, auf der langen Reise. Die Probleme, die Olov und Hela haben, erleben und durchleben in ähnlicher Form auch andere, denen sie begegnen. Erlebe den Anfang einer Saga, aus einer Zeit, die schon lange im Nebel des Vergessens liegt.

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Seitenzahl: 350

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Gewidmet all jenen Menschen, die sich bisweilen fragen, ob es den Menschen in der Vergangenheit besser ging, als uns Heute. Es waren damals andere Zeiten, andere Umstände und grundsätzlich andere Ansichten und Lebensauffassungen … und je weiter man in der Geschichte zurück geht, desto verschiedener sind gewisse Probleme, während andere Dinge noch immer im Prinzip gleich geblieben sind.

Manches hat sich zum Vorteil verändert, andere Dinge jedoch betrachten viele Menschen heute leider vergessene Tugenden.

Jeder Mensch möge selbst urteilen, was er oder sie, als erstrebenswert ansehen mag.

Gleich geblieben seit Urzeiten sind jedoch vor allem die Prinzipien von Liebe, Lust und Leidenschaft!

Covergestaltung, Karten und Illustrationen: Olaf Thumann

Die Reiseroute des Clans

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Entscheidungen

2. Flucht in eine ungewisse Zukunft

3. Diener fremder Herren

4. Neue Länder, fremde Kulturen

5. Das Land der Pyramiden

6. Unbekanntes Land

7. Die lange Suche nach der neuen Heimat

8. Die neue Heimat

9. Die Geburt eines Königreichs

10. Die Reise in die Handelsstadt, Swenu

11. Fremde Menschen

Vorwort

Im eisigen Norden, wo die Winter lang und die Sommer kurz waren, lebten die frühen skandinavischen Clans in einer rauen, von Naturgewalten beherrschten Welt. Diese Clans formten eine enge, von alten Traditionen geprägte Gemeinschaft, die einem unverrückbaren sozialen Gefüge folgte. Um das Jahr 500 v. Chr. (in der Zeit, in der dieser Roman handelt) bestand die Gesellschaft im hohen Norden aus einer Vielzahl kleiner Sippen und Clans, die verstreut in den Tälern des Festlandes und entlang der Küsten lebten. Weit entfernt und zumeist auch abgeschieden von der Umwelt und von den Einflüssen der südlicheren, sesshaften Hochkulturen. Diese Menschen lebten von Jagd, Fischfang und dem begrenzten Ackerbau, den das kalte, unbarmherzige Klima zuließ. Die wenigen fruchtbaren Landstriche waren heilig und wurden wie ein Schatz gehütet, während das Land ringsherum aus Fels und Eis bestand. Eine für uns heutzutage unwirtliche Wildnis, die zwangsläufig die Stärke und Entschlossenheit ihrer Bewohner formte.

Das Leben in einem Clan bedeutete Sicherheit und Zugehörigkeit in einer Welt, die sowohl stark durch äußere Bedrohungen als auch durch innere Konflikte und Auseinandersetzungen geprägt war. Die Clans bestanden überwiegend aus engen Verwandtschaftsgruppen, die sich um einen Häuptling sammelten, der aufgrund seines Alters, seiner Stärke oder seiner Weisheit über die Gruppe herrschte. Dies war keine bloße Vererbung, sondern eine Rolle, die durch Mut und Geschick verdient werden musste. Der Häuptling, auch Gode genannt, war nicht nur ein Krieger und Führer, sondern oft auch ein Vermittler mit den Göttern und Geistern der Natur. Die Religion der Clans war tief in den uralten Mythen verwurzelt. Teils blutige Rituale und Opfergaben waren Bestandteil ihres täglichen Lebens.

Neben dem Häuptling hatte der Thulr eine bedeutende Rolle. Er war der Weise des Clans, der die Mythen und Gesetze kannte und überlieferte. Er hütete das Wissen der Ahnen, die Geschichten der Vergangenheit und die Gebote, die das Zusammenleben der Menschen regelten. So war der Clan wie ein kleines Reich, in dem sich alles um die Erhaltung und das Wohl der Gruppe drehte und letztlich das Überleben seiner Mitglieder sicherte. Jeder Einzelne kannte seinen Platz und seine Aufgabe. Die Krieger und Jäger stellten die Schutzmauer des Clans dar, während die Frauen oft das Wissen der Heilkunst und der Nahrungsvorräte hüteten und die nächste Generation auf die Rolle im Clan vorbereiteten. Es ist überliefert, dass auch die Frauen dem Waffenhandwerk nachgingen und in den grimmigen Schlachtreihen ihren Platz fanden.

Diese archaische Gesellschaft war jedoch nicht statisch. Der Mut und die Entschlossenheit eines Einzelnen konnten ihn zu einem Helden machen, der Ansehen und Macht errang. Die Clans führten regelmäßig Raubzüge gegen benachbarte Stämme und Clans, um den Wohlstand zu sichern und ihre Stärke zu demonstrieren. Ständige kleinere Kriege und Scharmützel waren üblich. Das Leben und der Reichtum waren flüchtig, und die knappen Ressourcen machten Überfälle zur Normalität. Dabei stand der Gedanke der Ehre im Mittelpunkt. Wer durch Mut und List Ruhm errang, der gewann den Respekt seiner Gemeinschaft und galt als Vorbild für die Nachkommenschaft. Zudem galten derartig herausragende Menschen als von den Göttern berührt und in deren Gunst stehend. Im Mittelpunkt dieser archaischen Gesellschaft standen die Götter, denen tiefe Verehrung entgegengebracht wurde. In dieser rauen und teils sogar brutalen Kriegergesellschaft waren begriffe wie Zusammenhalt, Mut, Ehre, Treue und Loyalität die Grundpfeiler, auf denen ihre Gesellschaft basierte.

Die frühen Nordmänner hatten nur sehr vage Vorstellungen bis gar keine Kenntnis, von den sagenhaften Reichen und Städten, die weiter im Süden existierten. Zumeist wurden derartige Geschichten als Aufschneiderei betrachtet und belächelt. Doch wie in den rauen Tälern und Siedlungen Skandinaviens so erzählte man sich auch in anderen Teilen der Welt von sagenhaften Städten und großen Reichen, die irgendwo in der weiten Ferne existierten. Afrika, der mystische Kontinent im Süden, beherbergte seine eigenen Geheimnisse und Zivilisationen, die Wissenschaftlern bis heute noch Rätsel aufgeben. Unter den Geschichten über die sagenhaften Reichtümer und untergegangenen Städte sind jene über das Reich von Ophir und die Minen von König Salomon wohl die bekanntesten.

In den Schriften, Überlieferungen und Erzählungen ist Ophir ein Land, das von unermesslichem Reichtum gesegnet war. Ein Ort, der Gold im Überfluss hatte und exotische Schätze beherbergte, die bis ins Heilige Land und zu König Salomon gebracht wurden. König Salomon, der weise Herrscher des biblischen Israels, soll Gold und edle Hölzer aus Ophir bezogen haben, und es wurde sogar gesagt, dass sein Tempel mit diesem kostbaren Meterial errichtet wurde. Diese Minen, ein Quell von Mythen und Spekulationen, liegen angeblich irgendwo in finstersten Teil von Afrika. Manche Historiker und Abenteurer vermuten, dass sie irgendwo im südöstlichen Teil Afrikas existierten. In Regionen, die heute in Zimbabwe liegen könnten, in der Nähe der großen Steinstrukturen von Groß-Simbabwe.

Doch das Reich von Ophir ist nur eines von vielen Mysterien. Manche Theorien deuten auf die Möglichkeit einer bisher unentdeckten Stadt tief im Dschungel des heutigen Kongo hin. Diese unzugängliche Region, geprägt von undurchdringlichem Wald, von gewaltigen Flüssen und dichten Baumriesen, könnte dereinst möglicherweise die Heimat einer verlorenen Zivilisation gewesen sein, deren Hinterlassenschaften einfach von heutigen forschern und Wissenschaftlern noch nicht entdeckt wurden. Der Kongo, ein Gebiet von unbeschreiblicher Wildheit und Isolation, hat bis heute seine Geheimnisse vor der Welt bewahrt. Seine dichten Urwälder, die kaum vom Menschen erschlossen sind, bergen die Erinnerung an uralte Stämme und vergessene Reiche. Vielleicht, so wird spekuliert, könnten hier in den Tiefen des Waldes Ruinen verborgen liegen. Überreste eines Reiches, das einst Handel trieb, Kriege führte und sich selbst als Mittelpunkt der Welt ansah … Oder aber von den umgebenden Stämmen und Völkern als solcher angesehen wurde.

Die Vorstellung einer Stadt inmitten des Kongo-Dschungels, die jetzt schon seit Jahrtausenden unter den dichten Baumwipfeln verborgen liegt, ist faszinierend. Solch ein Ort wäre unter anderem auch ein Zentrum des Handels gewesen, in dem Gold, Elfenbein und exotische Schätze ausgetauscht wurden. Vielleicht gab es prächtige Tempel und Paläste, die vielleicht mit den bunten Federn seltener Vögel und glänzenden Steinen geschmückt waren, während ihre Bewohner von den Ressourcen des Urwalds lebten und eine Kultur schufen, die so komplex und kunstvoll war, dass sie die Geschichtsbücher hätte füllen können.

Die meisten dieser Theorien sind natürlich reine Spekulation, doch es ist nicht auszuschließen, dass der dichte Wald des Kongos Spuren einer Zivilisation birgt, die einst blühte und später unterging, verschlungen von der unerbittlichen Natur oder zerstört durch Kriege mit den benachbarten Stämmen und Völkern. Es gibt Berichte und Legenden über Händler und Entdecker, die Hinweise auf eine verlorene Stadt gesehen haben wollen, von Eingeborenen geführt, die das Geheimnis ihrer Vorfahren hüteten. In diesen Geschichten erzählen die Alten stets von einem Ort, wo einst ein mächtiges Reich existierte, dessen Bewohner anders waren als die umgebenden Völker und sich zum Herrscher über Mensch und Natur aufgeschwungen hatten. Menschen, die über geheimes Wissen verfügt haben sollen und nicht aus Afrika stammten sondern aus weiter Ferne.

Selbst der Kongo-Fluss, der wie eine lebensspendende Schlange durch das Herz Afrikas fließt, könnte in dieser Erzählung eine Rolle spielen. Inmitten des dichten Waldes, wo die Flüsse stets als Lebensadern dienen, könnten Städte entstanden sein, deren Bewohner die Kraft der Ströme zu nutzen wussten und in friedlicher Koexistenz mit dem üppigen Grün lebten.

Doch wie bei vielen untergegangenen Zivilisationen stellt sich auch hier die Frage: Warum sind diese Städte irgendwann untergegangen und was hat sie letztlich in die totale Vergessenheit gerissen? War es der Einfluss äußerer Eroberer, waren es Naturkatastrophen, oder lag der Untergang in der Kultur selbst? Vielleicht lieferte sich die Stadt einen Kampf mit der unerbittlichen Natur und verlor diesen dann irgendwann gegen den unaufhaltsamen Vormarsch des Dschungels. Der Regen, der über die Jahrtausende hinweg das Land überschwemmte und fruchtbar machte, könnte zugleich die Mauern der Stadt geschliffen und die Zeichen der Zivilisation verwischt haben, bis nichts mehr als die Wurzeln und Stämme der Bäume übrig blieben.

Die Frage, ob diese Zivilisation jemals gefunden wird, bleibt eine der großen Geheimnisse der Geschichte. Doch solange die Dschungel des Kongos unberührt und unerkundet bleiben, bleibt die Hoffnung, dass eines Tages die Ruinen einer vergessenen Stadt ans Licht kommen, eine Stadt, die vielleicht auch über Jahrhunderte hinweg Handel mit dem sagenhaften Ophir trieb, die an die Minen von König Salomon reichte und die den goldenen Glanz Afrikas weit in die Welt hinaus trug.

In den Jahren zwischen 1000 v. Chr. und 500 n. Chr. entstand in Afrika eine Vielzahl hochentwickelter Kulturen und Städte, die heute oft nur als Ruinen oder durch historische Berichte existieren. Diese Zivilisationen prägten teils entscheidend die Geschichte Afrikas und entwickelten florierende Handelsnetze, beeindruckende Architektur und tiefgründige kulturelle Errungenschaften.

In Nubien, südlich von Ägypten, blühte das Königreich von Kusch, dessen Einfluss vom 10. Jahrhundert v. Chr. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. reichte. Die Hauptstadt Meroë, bekannt für ihre Pyramiden und Tempel, wurde damals ein bedeutendes Handelszentrum und erlebte eine eigene kulturelle Entwicklung, die sich von Ägypten unterschied. Die Kuschiten verehrten den Gott Amun und pflegten eine verblüffende Schriftkultur, die heute in Form von Inschriften überliefert ist. Sie kontrollierten den Handel entlang des Nils und verarbeiteten Eisen, was sie technologisch auf eine Stufe mit anderen Hochkulturen der damaligen Zeit stellte.

Karthago, an der Küste des heutigen Tunesiens gelegen, wurde um das 9. Jahrhundert v. Chr. von phönizischen Siedlern gegründet und entwickelte sich zu einer der mächtigsten Städte des Mittelmeerraums. Zwischen dem 6. und 3. Jahrhundert v. Chr. wurde Karthago zu einer Handelsmacht und rivalisierte schließlich erbittert mit Rom. Die Karthager kontrollierten Handelsrouten, die sich über das Mittelmeer bis an die Westküste Afrikas erstreckten und betrieben Handel mit Gold, Silber, Zinn und anderen wertvollen Ressourcen. Nach den Punischen Kriegen wurde Karthago 146 v. Chr. von den Römern völlig zerstört. Doch die Legende und der Einfluss der Stadt leben weiter. Die Ruinen von Karthago sind heute eine touristische Attraktion, die jedes Jahr von zehntausenden Menschen besucht werden

Im heutigen Äthiopien und Eritrea lag das Königreich Aksum, das vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. existierte und als eine der wichtigsten afrikanischen Zivilisationen gilt. Aksum wurde zu einem Zentrum des internationalen Handels, das mit Rom, Indien und sogar Persien in Verbindung stand. Die Monumente von Aksum, darunter die monolithischen Stelen und Grabstätten, sowie der Obelisk von Aksum, gehören noch heute zu den wohl beeindruckendsten archäologischen Zeugnissen dieser vergangenen Zeit. Aksum nahm das Christentum an und beeinflusste die spätere äthiopische Kultur erheblich. Noch heute ist der Einfluss dieser untergegangenen Hochkultur spürbar.

Im Herzen der Sahara, in der Region des heutigen Libyen, lebten die Garamanten, ein Volk, das etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. bekannt war und ihre Region dominierte. Sie entwickelten ein komplexes Bewässerungssystem, das ihnen ermöglichte, in der Wüste Landwirtschaft zu betreiben und Städte wie Garama zu errichten. Die Garamanten handelten umfangreich mit dem relativ nahen Mittelmeerraum und trieben Karawanenhandel durch die Sahara, was sie zu einer einflussreichen Kultur in dieser Region machte.

Obwohl es erst später, im 11. Jahrhundert n. Chr., aufblühte, verdient auch Groß-Zimbabwe Erwähnung. Die Ruinen dieser steinernen Stadt im heutigen Simbabwe bestehen aus massiven Mauern und Türmen und stellen ein architektonisches Meisterwerk dar, das für die nachfolgenden afrikanischen Zivilisationen von zentraler Bedeutung wurde. Forscher und Wissenschaftler sind noch heute begeistert, über Funde, de dort gemacht werden und uns einen tieferen Einblick in diese Kultur geben können.

Diese Zivilisationen und Städte waren und sind Zeugnisse von Afrikas Reichtum und Vielfalt und belegen den Einfluss, den der Kontinent über Handelsrouten und kulturellen Austausch hinaus auf die Weltgeschichte hatte. Jede dieser Städte und Kulturen erzählt von einem besonderen Umgang mit den natürlichen Herausforderungen und den Ressourcen, die in einer Zeit der Blüte führten und danach in die Vergessenheit gerieten.

Unsere Geschichte basiert auf der Spekulation, ein Volk aus einer fernen Region sei in das finstere Herz von Afrika eingewandert und habe sich dort eine neue Heimat erschaffen. Dies wird sicherlich nicht immer nur friedlich geschehen sein. Die Kernelemente der Menschheit selbst jedoch sind seit Urzeiten vorhanden und wir finden sie auch heute.

Liebe, Leidenschaft, Mut und Zusammenhalt.

Man sollte beim lesen dieses Romans jedoch nicht außer Acht lassen, dass zu den damaligen Zeiten völlig andere Vorstellungen von Moral existierten, als dies heute für uns geläufig ist. Ein Menschenleben war damals weniger Wert, in den Augen der Menschen.

Der nachfolgende Roman spielt in der Zeitepoche, kurz bevor Alexander der Große seinen Siegeszug gegen das Großreich der Perser begann und weite Teile der damals bekannten Welt eroberte. (Ab 334 v. Ch.)

Dies entspricht, in diesem Fall, der Zeitschreibung von etwa 340 v.Ch, in der dieser Roman angesiedelt ist, also kurze Zeit bevor Alexander der Große das damals existierende Weltbild grundlegend veränderte.

Taucht nun ein, in eine Welt aus Liebe, Lust und Leidenschaft … In der Zeit, als die Welt noch jung war.

1.

Entscheidungen

In den hohen, uralten Bergen des Nordens, wo das endlose Eis in scharfen Spitzen zum Himmel aufragt und der kalte Wind wie das Heulen verlorener Geister durch die Täler fährt, waren die Krieger des Clans in jener eisigen Dämmerung aufgebrochen, die das Ende des Winters einleitete. Es war eine Zeit, in der das Land, vom Griff des Winters langsam befreit, unter der noch zaghaft wärmenden Sonne wieder zu atmen begann. Schon bildeten sich Rinnsale auf den Hängen, und die stillen Wasser am Fuß der Berge begannen sich zu rühren. Doch auch wenn die Winde sanfter wurden und das Eis langsam schmolz, barg diese letzte Kälte eine trügerische Stille und Urgewalt. Eine Täuschung, die dem Clan zum Verhängnis werden sollte.

Die Krieger waren ausgezogen, um nach uraltem Brauch ihre Nachbarn anzugreifen. Die Stämme und Clans in dieser kargen Region lebten in einem unerschütterlichen Kreislauf von Angriff und Verteidigung, Raub, Kampf und Flucht. Die weiten Reisen durch das winterliche Ödland, durch knöcheltiefen Schnee und beißende Kälte, waren Mutproben für die jungen Männer und Krieger, die noch immer an den Legenden ihrer Ahnen gemessen wurden. Die Alten der Clans erzählten am lodernden Feuer von heldenhaften Beutezügen, von Siegen, die weit über das Land hinaus besungen wurden. Einmal mehr sollte sich die Stärke des Clans in der Kälte des Winters beweisen, während sie auf Beutezug waren.

Sie kehrten zurück, schwer beladen mit Beute und ihre Stimmen hallten über die Pässe, als sie sich ihrem Heimweg näherten. Doch dann, als sie durch ein enges, schmale Tal zogen, fiel eine tödliche Stille über die Männer. Der Schnee unter ihren Füßen, der zuvor nachgab und knirschte, schien nun fest, seltsam angespannt. Ein Zittern durchlief die Erde, ein dumpfes Beben, das die Luft erzittern ließ.

Dann geschah es. Ein Knirschen, so tief und so grollend wie das Brüllen eines Ungeheuers aus den uralten Tiefen der Erde. Der Schnee begann zu rutschen, erst leise und langsam, dann lauter und schneller, bis das Tal selbst zu beben schien. Die Schneewände der Berge, die sich hoch über ihren Köpfen erhoben, begannen zu brechen und dann, in einem einzigen gewaltigen Ruck, stürzte die Lawine. Mit unerbittlicher Wucht donnerte sie herab, eine weiße Flut aus Eis und Felsbrocken, die die Männer mit einem einzigen Schlag zum Schweigen brachte.

Das Tal

Nur fünf ältere und erfahrene Krieger, die als Vorhut vorausgeschickt waren, um einen Lagerplatz zu suchen, entgingen dem Tod. Sie sahen die Lawine kommen, sahen das tosende, wütende Weiß, das alles in sich verschlang, was sich ihm in den Weg stellte. Die Gewalt der Lawine war überwältigend, ein Chaos aus rasenden Schneemassen, scharfem Eis und zerschmetterndem Stein, das ihre Kameraden in Sekundenbruchteilen unter sich begrub.

Reglos standen die fünf Überlebenden, starrten in die Ferne, wo sich das Donnern langsam legte und jetzt nur eine unheimliche Stille zurückblieb. Die Welt, die eben noch von Rufen und Gelächter der Krieger erfüllt gewesen war, lag nun in einem unheilvollen Schweigen. Es war, als habe die Natur selbst den Atem angehalten. Der weiße Schleier der Lawine breitete sich über das Tal wie das Leichentuch eines gefallenen Riesen. Die Männer, die aufgebrochen waren, um Ruhm und Reichtum zu gewinnen, lagen nun stumm und kalt, tief unter der Schneedecke. Verschlungen vom Zorn der Berge.

Die fünf Überlebenden wagten sich näher an die Lawinenwand, die so plötzlich wie brutal das Leben ihrer Kameraden ausgelöscht hatte. Sie konnten nichts sehen, nichts hören. Nur die erdrückende Stille, die den letzten Atemzug ihrer Brüder verschlungen hatte. Eine dunkle Vorahnung lastete auf ihnen, das unbestimmte Wissen, dass sie Zeugen einer Prüfung geworden waren, die nicht für Menschen gedacht war. Der Berg hatte gesprochen, und seine Worte waren Zerstörung.

Mit schweren Herzen und bleichen Gesichtern kehrten sie der tödlichen Szenerie den Rücken zu. Sie wussten, dass die Menschen in der Siedlung auf sie warteten. Das Frauen, Alte und Kinder hoffnungsvoll auf die bevorstehende Rückkehr ihrer Männer und Söhne blickten. Die Fackeln würden entzündet, die Festmahle vorbereitet werden, denn jeder Raubzug, jedes Heimkehren ihres Clans, von einem Kriegszug, war ein Fest des Sieges. Doch in diesem Jahr würde kein Fest gefeiert werden.

Der Heimweg war eine düstere, lange Reise, die ihre Herzen noch mehr verhärtete. Der Schnee, der unter ihren schweren Schritten knirschte, wirkte nun wie das Flüstern der Toten. Jeder Schritt erinnerte sie an die Last, die sie nun zu tragen hatten. Stundenlang wanderten sie durch die Berge. Durch die Kälte und das finstere Zwielicht, bis sie endlich die heimatliche Siedlung erreichten. Ihre Gesichter waren gezeichnet von Trauer und Kälte, von der Last einer Botschaft, die kein Mensch und vor allem kein Krieger überbringen will.

Die Siedlung lag in ruhiger Erwartung. Rauch stieg aus den Dächern der Langhäuser auf, das Licht der Feuer flackerte durch die Kälte. Kinder rannten aufgeregt umher, ohne zu wissen, dass ihre Väter, ihre Brüder, ihre Helden nicht zurückkehren würden. Sie rannten den fünf Männern entgegen, hofften auf Erzählungen von Schlachten und Heldentaten. Doch als die Männer eintraten, schwiegen sie, und eine unheilvolle Stille legte sich über die Menge.

Langsam und bedrückt gingen die fünf Überlebenden zur großen Halle, dem Herzen der Siedlung, wo die Ältesten saßen und ihre weisen Ratschläge gaben. Die Wände waren geschmückt mit den Trophäen vergangener Kämpfe. Das Licht der Flammen warf Schatten, die wie Geister längst vergangener Krieger tanzten. Dort, in diesem weiten Raum, versammelte sich die ganze Siedlung, alle warteten auf das Wort der Heimkehrenden. Doch kein Jubel erhob sich, keine Siegesrufe erklangen. Das Schweigen der Überlebenden, ihre Gesichter und die Leere in ihren Augen waren Antwort genug.

Schließlich trat einer der Ältesten, ein Mann, der einst selbst mitgezogen war und die Macht der Berge und die Grausamkeit des Winters kannte, nach vorn und legte seine Hand auf die Schulter des Anführers der fünf Überlebenden. “Sprich, Sohn des Clans,“ sagte er mit rauer Stimme, die wie die Stimme der Erde selbst klang. “Berichte uns, was sich ereignet hat.“

Der alte Krieger, dessen Name für alle Ewigkeit mit dieser Tragödie verbunden sein würde, hob das Haupt und erzählte von der Lawine, von der Kraft des Todes, die herabgestürzt war und alles Leben ausgelöscht hatte. Seine Worte waren wenige, doch die Schwere in seinem Blick erzählte mehr, als Sprache es vermochte. Die Trauer und das Unheil in seinen Worten breiteten sich wie eine düstere Welle durch die Halle, und als seine Rede endete, senkte jeder der Versammelten den Kopf, gefangen in stummer Trauer. Nicht wie es Brauch war, tapfer im Kampf, waren die anderen gestorben, sondern von der unbezwingbaren Gewalt der Natur gemeuchelt worden, ohne Möglichkeit dem Tode stolz entgegen zu treten und ihm trotzen zu wollen.

Ein Klagegesang begann, ein uraltes Lied des Verlustes, das die Frauen anstimmten, ein Klagelied, das durch die Halle hallte und die Geister der Toten zu rufen schien. Jeder der fünf Überlebenden legte seine Waffen und seine Ausrüstung auf den Boden. Ein Zeichen des Respekts für die Gefallenen, die mit ihrem Leben für den Ruhm des Clans gezahlt hatten.

Die dämmernde Hütte war von einem bedrückenden Schweigen erfüllt, das nur vom Knarren des alten Holzes durchbrochen wurde, während sich der Clanführer und die Ältesten tief in ihre Besprechung versenkt hatten. Rau und abweisend war die eisige, windige Nacht über das Land hereingebrochen. Von den dicken Wänden der alten Versammlungshütte schien das Echo früherer Ratschläge und Entscheidungen herabzuhallen, als die Vorfahren selbst noch jung und kraftvoll gewesen waren. Die Stimmung war von einer lastenden Sorge geprägt, die schwer auf den Schultern aller lastete. Ein scharfer Luftzug fegte herein, als eines der schweren Tierfelle beiseitegeschoben wurde und sich die letzten beiden Ältesten durch die niedrige Tür schoben. Sie setzten sich ohne Worte im Kreis nieder, ihre Gesichter verhärmt und die Blicke voller Erwartungen auf den Clanführer gerichtet.

Baldur, der Clanführer, ein Mann mit einem Gesicht, das von den kalten Wintern und heißen Sommertagen des Nordens gezeichnet war, stand schweigend vor ihnen. Seine Schultern waren breit, seine Hände rau von einem Leben voller Arbeit und Kriege. Heute jedoch war es nicht die Stärke, die ihm Macht verlieh, sondern die Schwere der Verantwortung, die auf ihm lastete. Sein Blick wanderte über die anderen Ältesten. Männer und Frauen, die wie er ein Leben lang für den Clan gekämpft, gehütet und gesorgt hatten. Doch heute waren ihre Gesichter von tiefer Sorge überschattet, ein Ausdruck der Trauer und Hilflosigkeit, der das sonst so tapfere Feuer ihrer Augen beinahe ausgelöscht hatte.

“Meine Brüder und Schwestern,“ begann Baldur schließlich mit einer Stimme, die wie das Grollen ferner Donner klang, “die Nachricht, die uns heute erreicht hat, ist schlimmer als jedes andere Unglück, das unser Clan je erleiden musste. Unsere tapfersten Krieger, Männer und Jünglinge, die im Herzen des Clans gelebt haben, die unser Blut und unseren Stolz verteidigten … sie sind gefallen. Nur eine Handvoll von ihnen hat überlebt und nun sind wir verletzlich, so verletzlich wie nie zuvor.“

Er hielt verbittert inne und eine bedrückende Stille legte sich über die Anwesenden. Dann ergriff Thorald, der älteste der Ältesten, das Wort. “Das ist eine Tragödie, wie wir sie nicht kennen. Doch die Gefahr, die nun über uns schwebt, ist eine, die wir seit vielen Jahren gefürchtet haben. Wir haben die Küstenclans angegriffen, über Generationen hinweg ihre Dörfer und Höfe geplündert, ihre Vorräte und ihre Schätze genommen. Mit unseren Kriegern an unserer Seite hatten wir keinen Grund zur Sorge, doch nun ...“ Seine Stimme verlor sich in der Stille und die Bedeutung seiner Worte lastete auf den anderen.

“Sie werden kommen,“ murmelte eine der älteren Frauen, Siglind, die sich bisher im Schatten gehalten hatte, ihre Augen waren dunkel und voller Sorge. “Sie werden sich zusammenschließen und ihren Zorn auf uns lenken. Die Wut eines geschlagenen Feindes ist groß und jetzt, da wir geschwächt sind, könnten sie endlich wagen, was sie sich früher nie getraut haben … Sie werden jeden einzelnen von uns, Kind, Mann und Frau, umbringen. Dies ist die Zeit, wo sie ihre Rache an uns nehmen werden. Unser Clan wird ausgelöscht werden. In einer Generation wird sich niemand mehr an uns erinnern … Es gibt nur eine Möglichkeit dies zu verhindern. Wir müssen unsere Gefilde verlassen und uns dort niederlassen, wo sie uns nie zu finden vermögen. Dort wird unser Clan erneut mächtig werden.“

Ein unbehagliches Schweigen folgte ihren Worten, während Baldur in die Flammen blickte, die im Zentrum der Hütte loderten. Der Gedanke an eine Flucht, an das Aufgeben der Heimat, schien ihm unerträglich, und doch wusste er, dass die Weisheit der Worte der Ältesten ihn nicht belügen würde.

“Aber wohin sollen wir gehen?“ fragte Erik, ein jüngerer Mann, der neben den Ältesten saß und mit zornigem Ausdruck seine Fäuste ballte. “Hier sind wir zu Hause. Unsere Ahnen ruhen in diesem Boden und wir haben unsere Kinder hier großgezogen. Was bleibt uns, wenn wir all das aufgeben?“

“Unser Leben bleibt uns,“ entgegnete Thorald, und seine Stimme trug einen scharfen, mahnenden Unterton. “Unser Leben und die Möglichkeit den Clan wieder stark werden zu lassen. Würdest du die Kinder und die Alten hierlassen, um durch das Schwert zu sterben? Wir alle kennen die Grausamkeit der Küstenclans. Sie sind nicht anders als wir auch. Wenn sie uns hier überraschen, ohne den Schutz unserer Krieger, dann ist dem Clan der Untergang gewiss.“

Baldur nickte langsam, doch sein Gesicht war von einem inneren Kampf gezeichnet. Die Verantwortung, die ihm in jungen Jahren übertragen worden war, lastete nun schwerer als je zuvor auf ihm. “Wenn wir gehen, dann müssen wir bald gehen. Das Tauwetter setzt schon ein, und die Schneeschmelze öffnet uns die Wege in den Süden. Aber es wird eine Reise voller Gefahren sein. Wir haben viele Ältere und Kinder, die den langen Weg nur mit Mühe schaffen werden … und wir werden alle gehen. Niemand soll zurück bleiben, um von unseren Feinden gefoltert und letztendlich umgebracht zu werden. Sollen unsere Feinde sich ungewiss sein, wo wir sein mögen.“

Die Anwesenden tauschten ernste Blicke aus. Die Entscheidung war eine von Leben und Tod und sie verlangte den Mut und die Entschlossenheit aller. “Vielleicht“, sagte Siglind schließlich, “ist das Tauwetter und der kommende Frühling das einzige Geschenk, das uns in dieser Stunde der Dunkelheit geblieben ist. Es wird das Wasser rasch steigen lassen und die engen Täler teilweise fluten. Wir könnten diesen Moment nutzen, um uns weit zu entfernen, bevor die Küstenclans letztlich von unserer Schwäche erfahren.“

“Aber was, wenn sie uns folgen?“ warf Erik ein. “Ein Clan auf der Flucht ist verletzlich, ein leichtes Ziel. Noch nie zuvor ist ein ganzer Clan aus seiner Heimat aufgebrochen und geflohen. Wir werden verletzlich sein wie ein kranker Elch, den die Jäger eingekreist haben.“

“Wir werden uns durch List schützen,“ antwortete Thorald leise, mit leuchtenden Augen. “Wir können unsere Spuren verwischen und uns durch Täler schlagen, die von den Küsten aus kaum erreichbar sind. Wenn wir vorsichtig und wachsam sind, werden wir den Weg schaffen. Sind wir erst einmal einen Mond gewandert, dann werden sie uns nur noch sehr schwer finden.“

Baldur nickte und sah sich im Kreis seiner Vertrauten um. “Dann ist es beschlossen. Wir bereiten den Clan vor. Die Kinder werden nur das Nötigste tragen und die Alten stützen wir, wo wir können. Jedes Herz, jede Hand und jeder Schritt wird gebraucht, um unser Volk in Sicherheit zu führen.“ Baldur’s Stimme klang fest, entschlossen, doch in seinen Augen glomm ein Schmerz, der ihn innerlich zerriss. Die Heimat aufzugeben, in der sie seit unzähligen Generationen lebten, war wie ein Stich in sein Herz.

So löste sich die Versammlung auf, und jeder der Ältesten und Berater verließ die Hütte mit dem Bewusstsein, dass sie bald das Land, das sie geformt hatte, verlassen würden. In den kommenden Tagen wurde mit eiligem Fleiß gepackt und vorbereitet, Vorräte gesammelt und die Ängste der Kinder beruhigt. Die gewaltige Aufgabe, das eigene Volk in eine unbekannte Zukunft zu führen, lag nun schwer auf den Schultern jedes Einzelnen.

Olov erwachte früh an diesem Morgen, die Kälte des schwindenden Winters kroch noch immer in die Schlafstätten, obwohl das Tauwetter begonnen hatte und sich die Tage schon merklich länger anfühlten. Sein Großvater, das Oberhaupt des Clans, hatte ihm am Vorabend mit ernster Miene die Aufgabe übertragen, zusammen mit Skald die anderen Siedlungen zu benachrichtigen. Es war das erste Mal, dass Olov eine solche Verantwortung zuteil wurde. Eine Anerkennung seiner Reife und Stärke, und zugleich ein Zeichen dafür, dass er bald mehr sein würde als nur ein Junge.

Er fühlte die Kälte des Bodens unter seinen Füßen, als er sich ankleidete, Schichten von warmer Kleidung und ein dickes, grobes Fell überwarf, das seine Mutter für ihn sorgsam geflickt hatte. Im Halbdunkel des Hauses sammelte er seine Gedanken. Ihm war bewusst, dass diese Reise nicht nur eine Pflicht war, sondern ein wichtiger Schritt in sein eigenes Erwachsenwerden.

Bevor er aufbrach, suchte er nach Hela, die oft am Bach spielte oder mit anderen Mädchen beim Holzsammeln half. Er fand sie schließlich an ihrem vertrauten Platz nahe der alten Ulme, die sie beide so oft als ihren geheimen Treffpunkt genutzt hatten. Hela trug ein schlichtes, doch hübsch besticktes Gewand, das ihre Mutter ihr wohl für den Winter genäht hatte, und in ihrem Gesicht spiegelte sich eine leichte Traurigkeit, als sie Olov näherkommen sah.

“Du gehst also wirklich“, sagte sie, und ihre Augen, die das Blau eines klaren Winterhimmels hatten, blickten ernst zu ihm auf.

“Ja,“ antwortete Olov und versuchte zu lächeln, obwohl ihm plötzlich ein schwerer Kloß im Hals steckte. “Ich werde zusammen mit Skald die Nachricht überbringen, was der Rat entschieden hat. Es ist wichtig.“

Hela nickte langsam, und in ihren Augen blitzte ein Funken Stolz auf, gemischt mit einer kindlichen Sorge, die sie nicht ganz verbergen konnte. “Ich wusste, dass du bald aufbrechen würdest,“ murmelte sie leise. “Aber ich werde dich vermissen. Die Tage sind nicht dieselben ohne dich hier.“

Olov spürte einen warmen Stich in seiner Brust. Er und Hela waren unzertrennlich, seit sie sich als kleine Kinder zum ersten Mal begegnet waren und auch wenn sie nur wenige Tage getrennt sein würden, fühlte es sich an, als müsste er ein wichtiges Stück von sich selbst zurücklassen. Sie standen schweigend da, und dann griff er plötzlich nach ihrer Hand. Es war eine unbedachte Geste, eine, die von kindlicher Vertrautheit und doch einer erwachenden Zärtlichkeit getragen wurde. Ihre Finger waren klein und zart in seinen kräftigen Händen und für einen Moment schien alles um sie herum still zu stehen.

“Ich komme bald zurück,“ sagte er leise, “und dann, dann können wir wieder hier Angeln … Oder zumindest zusammen sein. Versprochen.“

Hela lächelte zaghaft und drückte seine Hand, bevor sie sich losmachte. Sie drehte sich um und lief zurück zu ihrer Mutter, die unweit stand und mit einem besorgten Blick auf die beiden Kinder schaute. Olov seufzte und beobachtete Hela, bis sie aus seinem Blickfeld verschwand. Er verspürte ein merkwürdiges Gefühl der Leere und eine flüchtige Ahnung davon, dass sich alles ändern würde, wenn er zurückkäme.

Sein einen Sommer jüngerer Bruder, Skald, wartete bereits ungeduldig am Rande des Dorfes. Seine ledernen Stiefel in den nassen Schnee gedrückt und als Olov sich ihm anschloss, begaben sich die beiden Brüder auf den Weg. Sie hatten die groben Bündel mit Essen und Wasser auf die Schultern geschultert, und jeder von ihnen trug einen einfachen Speer zur Verteidigung.

Der Weg zu den umliegenden Siedlungen und Höfen war lang und auch beschwerlich. Obwohl das Tauwetter eingesetzt hatte und die Flüsse zu schmelzen begannen, waren die Pfade noch von schneebedeckten Stellen durchsetzt, und an manchen Stellen mussten sie die eisigen, glitschigen Felsen umgehen, um nicht abzustürzen. Die Landschaft lag in einem strahlenden, fast unwirklichen Licht, das von der tief stehenden Sonne durch die Eisschichten gebrochen wurde und den Himmel in Rosa- und Orangetöne tauchte.

Olov marschierte voran, seine Schritte sicher und kräftig, während Skald ihm leichtfüßig folgte, manchmal mit einem lauten Lachen oder einem Ruf, wenn er etwas Interessantes im Schnee fand. Sie waren Brüder, und auch wenn sie oft stritten und ihre Rivalitäten ausfochten, verband sie doch eine tiefe Loyalität und Freundschaft, die in solchen Momenten deutlich spürbar war. Dreizehn Sommer war Olov alt. Sein nur einen Sommer jüngerer Bruder war so alt wie Hela. In einem Sommer würde Olov das Alter haben, um an der Seite der Krieger auszuziehen. Aber es gab jetzt kaum noch Krieger. Nur die wenigen Wachen, die nicht mitgezogen waren und die Hand voll überlebender Krieger standen jetzt noch zwischen ihren Feinden und dem Clan.

Die erste Siedlung, die sie erreichten, war nicht mehr als eine Ansammlung von wenigen Holzhütten, die auf einem windumtosten Hügel standen. Halb in den steinigen Boden gegraben, wie es die Bauart der hiesigen Behausungen war. Die Menschen dort waren von einem rauen, zurückgezogenen Schlag und lebten abgeschieden. Als Olov die Botschaft des Clans überbrachte, nahm der Älteste der Siedlung sie mit ernstem Nicken entgegen. Seine Augen wurden von einem Schatten der Besorgnis getrübt. “Es wird eine schwere Zeit werden,“ murmelte er mehr zu sich selbst als zu den Jungen, und seine Worte hallten noch in Olovs Gedanken nach, als sie die Siedlung verließen und weiter in das nächste Tal wanderten.

Die Reise ging weiter, und die Tage verstrichen. Jede Siedlung, die sie erreichten, empfing sie mit einem Mix aus Besorgnis und Respekt, als sie die Nachricht des Clanrats überbrachten. Manch ein älterer Mann oder eine Frau legte Olov die Hand auf die Schulter und sagte ihm, wie stolz sein Großvater auf ihn sein müsse. In solchen Momenten fühlte er eine ungeahnte Kraft in sich aufsteigen, die ihm half, die Strapazen der Reise zu ertragen.

In einer der letzten Siedlungen, tief im Tal zwischen schroffen Felsen und windgepeitschten Wäldern, wurde Olov von einem alten Krieger empfangen, der ihm seine eigene Kindheit in einem strengen Gesicht widerspiegelte. “Du bist der Enkel des Clanführers,“ sagte der Mann mit einem prüfenden Blick, “und ich sehe seine Stärke in dir. Du wirst ein großer Krieger werden, Olov. Mögen die Götter dir auch die Weisheit geben, die dein Großvater besitzt. Ich bin vor vielen Sommern zusammen mit ihm auf den Kriegszügen gewesen. Niemand ist tapferer und listiger als dein Großvater.“

Olov nickte, verlegen unter den Worten des Mannes, und verspürte zum ersten Mal in seinem Leben den Stolz, Teil des Clans der Asen zu sein. Auch Skald, der neben ihm stand, blickte mit neuem Respekt auf seinen älteren Bruder und schien zu ahnen, dass Olov in diesem Augenblick mehr geworden war als nur der ältere Bruder, mit dem er spielte und stritt. Er war der künftige Beschützer des Clans, ein Träger des Erbes, das der Großvater ihm unausgesprochen anvertraut hatte. Eigentlich wäre ihr Vater der Nachfolger gewesen. Ein wütender Bär bei einer Jagd vor zwei Sommern hatte dies jedoch jäh geändert.

Die letzten Etappen ihrer Reise führten die Brüder durch schneebedeckte Wälder, über zugefrorene Bäche und durch die steilen Anstiege der Berge. Die Nächte verbrachten sie eng zusammengerollt unter dicken Pelzen, und manchmal erzählte Olov seinem Bruder Geschichten, die er von seinem Großvater gehört hatte. Geschichten von den alten Göttern und den Kriegen der Vorfahren, die das Land der Asen geprägt hatten.

Als sie schließlich auf ihrem Rückweg ins Heimatdorf waren, spürte Olov eine tiefe Erschöpfung, aber auch eine Zufriedenheit in sich. Die Aufgabe war erfüllt, die Botschaft überbracht, und mit jedem Schritt wuchs in ihm das Gefühl, dass er für mehr bestimmt war, als er bisher ahnte.

In der letzten Nacht vor ihrem Aufbruch schritt Baldur durch das Lager und betrachtete die Zelte, die Feuerstellen, den Boden, den sie bald zurücklassen würden. Er spürte das Gewicht der Vergangenheit, das ihm auf den Schultern lastete. Doch auch die Hoffnung, dass ihr Clan jenseits dieser eisigen Berge einen Neuanfang finden würde.

Der Clan hatte sich versammelt und verbrachte diese letzte Nacht, bevor man aufbrechen würde, um das heimatliche Land zu verlassen. Die meisten schliefen bereits. Sobald das Morgengrauen über den Himmel zog würde der Clan aufbrechen. Tausendzweihundert Menschen. Frauen, Kinder, Alte und etwa dreißig Krieger. Die Mehrzahl der Clankrieger und die Jünglinge, zusammen etwa fünhundertfünfzig tapfere Seelen, waren vom Schnee der Berge gefressen worden.

2.

Flucht in eine ungewisse Zukunft

Der Clan der Asen war eine besondere Gemeinschaft, deren Mitglieder sich bereits auf den ersten Blick deutlich von den umliegenden Clans unterschieden. Ihre Körper waren imposant und eindrucksvoll, mit einer Durchschnittsgröße von beinahe sechs Fuß und zehn Daumen, was sie um eine Handbreit über die Männer und Frauen der Küstenvölker erhob. Sie wirkten wie aus dem Gestein ihrer Heimat gehauen, mit Schultern, die breit wie ein Mannesjoch waren und Armen, die von der harten Arbeit im Felde und den langen Stunden des Waffentrainings kraftvoll und sehnig geformt waren.

Die Asen zeichneten sich durch ihre hellen, beinahe leuchtenden Haare aus, die vom Licht der Sonne oft ins Goldene oder auch Weißblonde schimmerten. Ihre Haut war blass und sonnenempfindlich, ein Erbe des hohen Nordens und schien wie von der Kälte selbst gehärtet. In ihren Augen spiegelten sich die Farben des Himmels wider. Oft ein stechendes Blau, so klar und scharf wie das Eis auf den Bergen, manchmal aber auch in grünlichen oder grauen Tönen, die an die wilden Wälder oder das stürmische Meer erinnerten. Dieses Erscheinungsbild verlieh ihnen eine Aura der Fremdartigkeit und Überlegenheit. Wie von einer anderen Zeit oder einem fernen, unberührten Land kommend. Die alten Legenden besagten, die Asen wären die Nachkommen von wilden Kriegern, die von den Göttern selbst auf die Erde gesendet worden wären.

Ihre auffällige Physis war jedoch nicht nur ein Ergebnis von Vererbung. Die Asen lebten nach einer strengen Disziplin, die für ihre Stärke und ihre Gemeinschaft von zentraler Bedeutung war. Das tägliche Leben im Clan war hart und die Aufgaben wurden mit einem Ernst und einem Willen zur Vollkommenheit ausgeführt, den andere Clans kaum nachzuvollziehen vermochten. Die Männer wie die Frauen der Asen arbeiteten oft in den Feldern, bereiteten die schweren Äxte und Speere und verbrachten ihre Abende damit, die Kräfte und Fähigkeiten zu schärfen, die im Kampf über Leben und Tod entschieden. In den langen Winternächten, wenn die anderen Clans sich um das Herdfeuer scharten, übten die Asen das Bogenschießen und den Nahkampf. Die Waffenkunst war für sie nicht nur eine Notwendigkeit, sondern eine Ehre und ein Zeichen ihrer Eigenheit. Ein Grundsatz ihrer Kultur.

Die Mitglieder dieses Clans waren auch für ihre Disziplin und ihre Kälte bekannt, die sie in Zeiten der Not wie eine Rüstung umgab. Sie galten als unerschütterlich und mutig. Doch dies machte sie in den Augen ihrer Nachbarn auch unnahbar und sogar furchteinflößend. Es hieß, die Asen würden in mondlosen Nächten, mit den Göttern Zwiesprache halten und besonders in Verbindung zu alten, vergessenen Geistern stehen, die ihnen ihre Kraft und ihren überlegenen Körperbau schenkten.

Ihre Kultur und Rituale hatten etwas Erhabenes, beinahe Feierliches, das in ihrer tiefen Verbundenheit zur Natur und zu den Ahnen verwurzelt war. Ihre Götter verehrten sie in einer strengen, fast schweigenden Andacht, und ihre Zeremonien waren schlicht, aber voller Symbolik. Die Asen führten den Geist und die Weisheit ihrer Ahnen in sich und strebten danach, die Stärke der Alten in sich selbst lebendig zu halten. Sie nahmen ihre Geschichte und ihren Ursprung ernst und lehrten ihre Kinder mit derselben Strenge, in der Hoffnung, dass auch die später nach ihnen kommenden Generationen die Größe und die Würde ihres Clans wahren würden. Grundsätzlich jedoch waren die Asen ein Clan, der sich selbst als Kriegerkultur betrachtete. Ehre und persönlicher Mut waren dabei die Eckpfeiler ihrer Clankultur.

All dies machte die Asen zu einem Clan, der sich von den anderen unterschied. Sie waren nicht nur durch ihre äußere Erscheinung und ihre Stärke besonders, sondern auch durch eine innere Haltung, die sie mit Stolz erfüllte und sie wie einen einsamen Berg über die anderen Clans emporragen ließ. Die Asen sahen sich als etwas anderes, elitäres. Als etwas Erhabenes und dieser beinahe schon fanatische Stolz erfüllte jeden von ihnen, was sie Fremden gegenüber auch deutlich zeigten.

Unter den bleigrauen Wolken, die sich wie ein schweres Tuch über die zerklüfteten Berge des Nordens spannten, setzte sich der Clan der Asen in Bewegung. Die noch immer schneebedeckte Landschaft, die sie jetzt durchwanderten, war rau und unerbittlich, eine endlose Weite aus Fels, Wald, Schnee und Eis, die selbst die robustesten von ihnen an die Grenzen ihrer Kräfte brachte. Es galt jedoch, den Marsch jetzt anzutreten, um viel Raum zwischen den Clan und die benachbarten Clans und Stämme zu bringen.

Die Kälte biss scharf durch die Pelzmäntel, die sie trugen, drang in die Knochen und ließ das Atmen schmerzhaft und schwer werden. Dennoch hielten sie durch, weil sie dies mussten, um nicht elendig zu sterben. Jeder Schritt war ein Akt des Widerstands gegen die vor Kälte klirrende Wildnis, die sie stumm umgab. Vor ihnen lagen die endlosen Weiten des Nordens, ein Land, das sich in seiner unbarmherzigen Schönheit kaum zähmen ließ und jeden, der es zu durchqueren wagte, auf die härteste Probe stellte.

Angeführt von Baldur, dem zähen Clanoberhaupt und begleitet von den wenigen überlebenden Kriegern, bahnten sich die Männer, Frauen und Kinder ihren Weg durch das Land. Hinter ihnen lagen ihre verlassenen Häuser und das Land, das ihnen einst Sicherheit und Nahrung geboten hatte. Die Erinnerung an das Lawinenunglück lastete schwer auf ihnen. Die Schatten der verlorenen Krieger, die mit ihnen hätten kämpfen und die Clanehre verteidigen sollen, schienen die Lebenden nun bei deren Schritten zu verfolgen.

Es waren die Alten, die Frauen, die Jugendlichen und die Mütter, die sich um die Kleinsten kümmerten. Diese in Felle eingewickelt auf hölzernen Schlitten zogen oder wenn sie dafür noch zu klein waren auf dem Rücken trugen. Jeder Muskel, jede Sehne war angespannt, denn jeder Schritt bedeutete das Überwinden von Schnee und Eis, von unwegsamem Gelände, das ihre Fortschritte verlangsamte und immer wieder gefährliche Rutschbahnen oder eisige Gräben offenbarte. Die wenigen Kühe, über die der Clan verfügte waren mit Gepäck und Lebensmitteln beladen worden, um so viel wie nur möglich mitnehmen zu können. Die Lebensmittel würden das größte Problem werden, befürchtete der Clanführer, Baldur. Die Kühe und auch die nahezu fünfzig Schweine, die man mitführte würden irgendwann geschlachtet werden, wenn es nicht gelang beizeiten regelmäßig Nahrung durch die Jagd zu beschaffen.

Die gesamte Reise war kein entspannter Marsch, wie ein gemächliches Spazierengehen, sondern ein stetiges, unermüdliches Vorwärtskämpfen.