Der gebannte Wolf - B. H. Bartsch - E-Book

Der gebannte Wolf E-Book

B. H. Bartsch

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Beschreibung

Das ist der fünfte Teil rund um das Jasper-Rudel.
Ein neues Leben zu beginnen, ist oft mit Anstrengungen verbunden. Aber was ist, wenn es jemanden gibt, der dieses neue Leben sabotiert? Kirans Start in Calgary scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Nur langsam fasst er Vertrauen in seinen Gefährten und beginnt zu verstehen, dass das Rudel auch Familie ist.
Devon hat alle Hände voll zu tun, seinen jungen Gefährten vor einem Attentäter zu schützen. Doch wer ist die Person, die das Rudel in gefährliche Situationen bringt und scheinbar über Leichen geht? Der Feind agiert aus dem Verborgenen und scheint immer einen Schritt voraus zu sein.
Ist die Beziehung zwischen Kiran und Devon stark genug, um die Vergangenheit zu bewältigen?
Wird das Rudel es schaffen, den Gegner aufzuspüren? Und vor allem, wird der Täter seine gerechte Strafe bekommen?
 
Diese Geschichte ist ein homoerotischer Fantasy-Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt, hat ca. 71.000 Wörter und ist in sich abgeschlossen, jedoch empfiehlt es sich zum besseren Verständnis, die ersten vier Teile gelesen zu haben.
 
Teil 1 – Mein - Für immer
Teil 2 – Ein Vogel für den Puma
Teil 3 – Deine Worte im Herzen
Teil 4 – Des Alphas Gefährte
Teil 5 – Der gebannte Wolf

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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B. H. Bartsch

Der gebannte Wolf

Das Jasper-Rudel 5

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Titel

Gay Fantasy

 

 

 

Der gebannte Wolf

 

 

 

von

 

 

B. H. Bartsch 

 

 

 

 

 

 

Copyright © 2020 by B. H. Bartsch

All rights reserved.

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

 

Dieses Buch enthält explizite homosexuelle Handlungen und ist daher nur für volljährige Leser geeignet.

 

 

Sämtliche Personen und Handlungen sind fiktiv und frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Begebenheiten sind nicht beabsichtigt und daher nur zufällig.

 

 

Fiktive Personen können auf Kondome verzichten. Im wahren Leben gilt: Safer Sex

 

 

Coverdesign by Nele Betra

www.nelebetra.de

Lektorat Brigitte Özaslan / Anbi Öz

Korrektorat Bernd Frielingsdorf

 

 

 

 

 

 

 

Juni 2020

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

!!!DANKE!!!

 

 

 

An dieser Stelle großen Dank an Kristin, Nakia und Annika. Danke für eure Hilfe, für euer Feedback, eure Zeit und eure Gedanken. Ihr seid großartig!

 

Danke an Brigitte Özaslan (AnBi Öz), die akribisch meine kleinen Logik-Unfälle gefunden und mir gnadenlos aufgezeigt hat. Meine logische Instanz, ohne dich geht es nicht.

 

Danke auch an Bernd Frielingsdorf, der sich dem Kampf um meine Rechtschreibfehler gestellt hat.

Ohne euch alle würde es diese Geschichte so nicht geben!

Zum Inhalt

Zum Inhalt

 

Das ist der fünfte Teil rund um das Jasper-Rudel.

Ein neues Leben zu beginnen, ist oft mit Anstrengungen verbunden. Aber was ist, wenn es jemanden gibt, der dieses neue Leben sabotiert? Kirans Start in Calgary scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Nur langsam fasst er Vertrauen in seinen Gefährten und beginnt zu verstehen, dass das Rudel auch Familie ist.

Devon hat alle Hände voll zu tun, seinen jungen Gefährten vor einem Attentäter zu schützen. Doch wer ist die Person, die das Rudel in gefährliche Situationen bringt und scheinbar über Leichen geht? Der Feind agiert aus dem Verborgenen und scheint immer einen Schritt voraus zu sein.

Ist die Beziehung zwischen Kiran und Devon stark genug, um die Vergangenheit zu bewältigen?

Wird das Rudel es schaffen, den Gegner aufzuspüren? Und vor allem, wird der Täter seine gerechte Strafe bekommen?

 

Diese Geschichte ist ein homoerotischer Fantasy-Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt, hat ca. 71.000 Wörter und ist in sich abgeschlossen, jedoch empfiehlt es sich zum besseren Verständnis, die ersten vier Teile gelesen zu haben.

 

Teil 1 – Mein - Für immer

Teil 2 – Ein Vogel für den Puma

Teil 3 – Deine Worte im Herzen

Teil 4 – Des Alphas Gefährte

Teil 5 – Der gebannte Wolf

 

Kapitel 1 - Kiran

Kapitel 1 – Kiran

 

Sie sind uns auf den Fersen. Ich kann sie spüren und sie sind schon sehr nah. Mein Bein schmerzt und ich strenge mich an, nicht langsamer zu werden, aber ich komme an meine Grenzen. Breandan hat mir meinen Rucksack abgenommen, dennoch bremse ich ihn aus. Das wenige Essen, die körperlichen Misshandlungen fordern ihren Tribut. Ich bin einfach zu geschwächt. Ich wusste, dass ich es wahrscheinlich nicht schaffe, schon bevor wir weggelaufen sind. Aber er könnte es allein schaffen, ohne mich. Breandan und ich sind auf der Flucht vor Greta und Yuma. Sein Gefangener hat mich überredet, mit ihm zu kommen und ihn aus dem Zimmer zu befreien, in das Yuma, der kranke Bastard, ihn gesperrt hat, nachdem er ihn erst in Calgary entführt und dann nach Dillingham gebracht hat.

»Er kommt. Ich bin mir sicher, dass er bald hier sein wird. Ryan kommt und holt mich.« Ich drehe mich um und sehe Breandan an. Wie vom Blitz getroffen steht er da und scheint nach irgendetwas Ausschau zu halten.

»Du meinst, dein Gefährte kommt? Hierher? Das wäre ja großartig. Aber woher weißt du das?« Skeptisch schaue ich ihn an und versuche meinem Knie nicht so viel Beachtung zu schenken, da es gerade ziemlich schmerzt.

»Ich kann ihn spüren. Wir sind vorherbestimmte Gefährten, da ist die Beziehung eine andere. Sie geht tiefer und wir können einander spüren.«

»Yuma hat immer behauptet, dass es Unsinn sei. Er glaubt nicht an die Macht des Schicksals und alles, was damit zusammenhängt.«

»Glaubst du denn an das Schicksal?« Ich runzele die Stirn, blicke nach oben und überlege.

»Ich glaube an das, was ich sehe. Und viel habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Ich bin seit dem Tod meiner Mutter nicht mehr zur Schule gegangen, weil er es nicht wollte. Seitdem lese ich, was ich zwischen die Finger bekommen kann. Ich bin nie aus Dillingham rausgekommen und war in den letzten Jahren allein auf mich gestellt. Ich besitze kein Handy und das Internet ist für mich unerreichbar. Ich habe niemanden auf dieser Welt außer …« Ich breche ab und schaue jetzt auf meine Schuhe, die ich schon seit zwei Jahren trage. Sommer wie Winter.

»Außer wen?«, fragt er leise.

»Außer Yuma. Er hat mich in dem Haus weiter wohnen lassen, als er meine Mum … Na ja, vermutlich tut er es aus schlechtem Gewissen. Es wird behauptet, dass er mein Vater sei, aber wäre ich dann nicht auch so ein schlechter Mensch wie er? Würde ein Vater sein Kind nicht anders behandeln? Netter vielleicht? Meine Mum hat mich nie schlecht behandelt, aber sie hat mich vor ihm gewarnt und versteckt, wenn er kam. Die anderen Mitglieder im Rudel schauen mich immer mitleidig an. Im Diner bekomme ich oft die Reste eingepackt, wenn ich ihm was holen soll. Maria, die Chefin dort, sagt, dass ich es ihm nicht erzählen soll. Ab und zu hat sie eine Tasche mit Klamotten für mich. Im Winter sorge ich für freie Bürgersteige im Ort und im Sommer, dass der Rasen in den Gärten gemäht wird. Die Rudelmitglieder sorgen so dafür, dass ich was zu tun habe und ich bekomme dafür entweder Essen oder ein bisschen Geld. Reich wird man davon nicht, in Wirklichkeit reicht es nicht mal für das Nötigste. Die meisten haben wahrscheinlich einfach nur Mitleid mit mir. Der alte Harold hat mir eine Kiste mit Büchern geschenkt. Die hat er mir sogar vorbeigebracht. Es sind nicht alle so wie Yuma und Greta oder ihr doofer Freund Harris. Im Grunde sind die meisten sehr nett zu mir. Aber einsam bin ich dennoch. Das ist mein Leben, wie es das Schicksal dann wohl für mich bestimmt hat.« Leidvoll schaut er mich an und lässt die Worte sacken.

»Wir sollten weitergehen, sie werden bald merken, dass wir weg sind. Ich kenne im Hafen ein Boot, das repariert werden soll. Vielleicht können wir da unterschlüpfen, bis dein Gefährte hier ist«, spreche ich leise weiter. Ich will sein Mitleid nicht.

»Nun, das denke ich nicht, du kleiner undankbarer Bastard.« Ich schnelle herum und sehe Greta hinter einem Baum hervortreten. »Dad hätte dich schon als Welpe ersäufen sollen. Aber nein, er nimmt dich in sein Rudel auf und lässt dich mit deiner Schlampenmutter weiterhin auf Rudelgelände wohnen, und zum Dank verhilfst du der Schwuchtel auch noch zur Flucht. Weißt du, Kiran, wenn es nach mir ginge, wärst du schon längst Fischfutter und würdest auf dem Boden der Beringsee liegen und verrotten, aber jetzt hast du etwas gemacht, was du nie wiedergutmachen kannst. Und dafür wirst du bezahlen, du kleine Ratte.« Ihre Stimme löst in mir ein Schaudern aus. Ihren Hass bin ich gewöhnt, aber ihre Stimmlage macht etwas mit mir, das ich nicht gut verstecken kann. Ich schaudere und kann es nicht verbergen.

In ihrer Hand hält sie einen Revolver. Dass sie den benutzen würde, steht außer Frage.

»Lass uns gehen, Greta. Im Grunde bist du doch froh, wenn du uns los bist.« Breandans Worte werden sie nicht umstimmen. Sie zieht den Hahn vom Revolver und macht ihn damit noch unkontrollierbarer und somit noch gefährlicher, als er es vorher schon war.

»Guter Versuch, aber noch ist mein Vater hier der Alpha und da tut man, was er verlangt. Sein Wille ist hier Gesetz und er will, dass ihr beide zurückkommt. Also, worauf wartet ihr? Muss ich euch nachhelfen?« Sie fuchtelt mit der auf uns gerichteten Waffe, sodass wir uns ergeben und uns auf den Weg zurück machen. Breandan dreht sich zu mir um. Ich nicke ihm zu und deute mit meinem Kopf nach oben und dann auf meinen Rucksack, den er immer noch trägt. Ich komme hier bestimmt nicht lebend raus, aber vielleicht kann ich die beiden ablenken und Breandan hätte eine Chance zu fliehen. Oh alle Götter dieser Welt, hoffentlich hat sie Skrupel zu schießen und der dusselige Wolf, Harris, vermasselt es. Ohne nachzudenken drehe ich mich um und laufe in die andere Richtung davon, doch der Wolf setzt mir nach. Mein Herz überschlägt sich beinahe, Panik breitet sich in mir aus. Ein Schuss löst sich und dann reißt mich ein gewaltiger Schlag zu Boden. Der Schmerz in meinem Rücken ist unerträglich. Ich schlage auf dem Boden auf und alle Luft wird mir aus den Lungen gepresst. Ein siedend heißer Schmerz raubt mir den Atem. Sie hat tatsächlich, ohne mit der Wimper zu zucken, auf mich geschossen. Ich kann die Tränen vor Schmerz nicht zurückhalten.

Breandan stürzt sich neben mich auf den Boden und legt seine Hand auf meine Schulter. Entsetzt schaut er mich an und Tränen sammeln sich in seinen Augen.

»Oh, Kiran.« Seine Stimme klingt erstickt und er greift nach meiner Hand. Ein Schatten nähert sich uns. Greta!

»Aufstehen und die Hände an den Kopf legen. An deiner Stelle würde ich tun, was ich dir sage. Wie du siehst, hab ich keine Skrupel abzudrücken. Los, mach schon.« Er streicht mir ein letztes Mal über die Wange, bevor er sich erhebt, denn sie zwingt ihn aufzustehen. Ich sehe den Revolver auf seinen Nacken gerichtet. Er hat keine Wahl. Meine Ablenkung hat nicht funktioniert. War wahrscheinlich auch nicht besonders gut durchdacht. Unsere gemeinsame Flucht ist hier zu Ende. Ich spüre die Tränen von meinem Nasenrücken tropfen und warte, dass es endlich mit mir zu Ende geht. Der Schmerz in meinem Rücken brennt wie Feuer, wie ein glühendes Eisen, das man in die Haut drückt. Der Geruch von Blut und versengter Haut steigt mir in die Nase. Alles schon erlebt.

»Wir werden ihn hier liegen lassen. Die wilden Tiere werden sich seiner annehmen.« Kalt und emotionslos drängt sie Breandan zum Gehen. Ich erhasche noch seinen flehenden Blick, schließe dann die Augen und ergebe mich meinem Schicksal. Das Schicksal, das bestimmt hat, hier und heute zu sterben. Allein und einsam, so wie ich die letzten Jahre gelebt habe. Ich lausche ihren Schritten hinterher. Die Geräusche des Waldes sind verstummt. Eine absolute Stille ist eingekehrt. Die Schmerzen werden zur Nebensache, mein Geist möchte jetzt gehen, doch irgendwas hält mich hier. Ich spüre eine Präsenz, die sich neben mich setzt und mich hier zu halten versucht, doch zu verlieren habe ich nichts mehr. Ein Hase kommt aus seinem Bau und setzt sich neben mich, Vögel schweben zu mir herunter und leisten mir Gesellschaft. Piepsen leise und sagen, dass ich das alles nicht verdient habe. Ein Fuchs legt sich in mein Sichtfeld und schaut mich an, als würde er mich kennen und mich beschützen. Stimmen ertönen, Worte, die mich erreichen, die mir sagen, dass ich nicht aufgeben soll. Ich nicht sterben darf, weil ich den Menschen noch so viel zu sagen hätte. Aber ich will es nicht mehr. Will den Schmerz nicht mehr. Auch die Erniedrigungen und das Mitleid des Rudels, bei dem ich nie ein richtiges Mitglied war, weil mein Wolf sich nicht zeigt. Er kommt nicht heraus und hat mich wahrscheinlich schon verlassen, bevor ich überhaupt geboren wurde. Ich bin kein Mensch, aber auch kein Wolf. War ich noch nie. Wer hört mir schon zu? Wen interessiert, was ich zu sagen habe? Ich bin der, der den Rasen mäht oder den Schnee wegschaufelt. Wer unterhält sich schon mit dem Jungen, der allein im Wald lebt. Der, der kein Mensch und auch kein Wolf ist.

Immer mehr Tiere kommen und versammeln sich um mich. Sie sprechen zu mir, sagen, dass ich durchhalten soll, aber mir fehlt die Kraft und der Mut dazu. Es gibt niemanden, zu dem ich zurückkehren würde. Es gibt nur mich und meine Erinnerungen an schwere, aber dennoch bessere Zeiten. Zeiten, als Mum noch da war. Mum … meine Mum. Wie gern wäre ich jetzt bei ihr. Da ist so viel Trauer in mir. Ihren Tod sehe ich jeden Tag vor meinem geistigen Auge, wie Yuma uns auf unserer Flucht nach Anchorage eingeholt, verprügelt und uns für den Versuch, das Rudel zu verlassen, bestraft hat. Ich sehe seine Hände an ihrem Hals, wie er zudrückt und ihr das Leben nimmt. Wie ihre Augen panisch aufgerissen sind, sie an seinen Handgelenken zerrt. Nie werde ich vergessen, wie das Leben aus ihren Augen wich und sie leblos neben mir auf dem kalten Boden im Schnee lag. Kein körperlicher Schmerz ist vergleichbar mit dem, den ich empfand, als ich sie sterben sah.

Dunkelheit und Kälte zerrt an mir, aber irgendwas lässt mich nicht von hier gehen. Rehe, Bären und Füchse stehen um mich herum. Immer mehr Tiere versammeln sich um mich. Sie waren meine Freunde, die einzigen, die ich in den letzten fünf Jahren hatte.

Sie sagen: »Gib nicht auf« oder: »Halte durch, Hilfe ist unterwegs«, aber wer soll mir schon helfen? Vielleicht hat Breandan es ja doch geschafft, Greta zu entkommen?

Plötzlich werden die Tiere unruhig. Brandgeruch! Instinktiv weiß ich, dass es mein Zuhause ist, das den Flammen zum Opfer fällt. Er hat es mir ja oft genug angedroht, die Bruchhütte meiner Mum, wie er sie immer nannte, abzufackeln. Ein Häschen kommt dicht an mich heran und schnuppert an meiner Hand, die ich kaum imstande bin zu heben. Mit dem Zeigefinger streiche ich durch sein seidig weiches, warmes Fell.

»Du darfst nicht aufgeben, Kiran. Du bist unsere Hoffnung. Hilfe ist unterwegs. Bitte, bleib bei uns.« Selten waren die Worte der Tiere so deutlich wie heute. Es ist der Hase, der sich am mutigsten gibt und mich direkt anspricht. Dass ich sie verstehe und mit ihnen reden kann, weiß ich schon viele Jahre, doch erzählt habe ich es niemandem. Nur Mum wusste es und sie sagte mir, dass es eine seltene Gabe sei. Ich solle sie für mich behalten und es niemandem sagen, zumindest niemandem aus diesem Rudel hier.

»Ich danke euch, dass ihr da seid«, hauche ich und schließe die Augen. Der Schmerz in meinem Rücken kommt mit aller Macht zurück. Der kleine Hase krabbelt unter meine Hand und spendet mir Wärme, denn mir wird kalt. Es ist doch Ironie des Schicksals, dass ich beginne zu frieren, während ein Feuer mit großer Hitze mein Zuhause zerstört. Oh Götter, habt Gnade mit mir und beendet es. Ich kann nicht mehr. »Ich kann nicht mehr.«

 

Kapitel 2 - Devon

Kapitel 2 – Devon

 

Ich kann nicht glauben, was ich sehe. Ich bin innerlich total zerrissen, aufgewühlt und durcheinander.

Da liegt ein Mensch, der Unglaubliches durchmachen musste. Der einem Sadisten ausgeliefert war und dennoch überlebt hat. Diese vielen Verletzungen im Laufe der Jahre, die so offensichtlich von Schlägen und Tritten herrühren. Mal von der beinahe tödlichen Schusswunde in seinem Oberkörper abgesehen, ist es ein Wunder, dass er noch lebt. Mir zittern die Hände, und Wut auf das Schwein, das ihm all das angetan hat, kocht in mir wieder hoch. Und auf diese Frau, Greta, die einfach abgedrückt und seinen Tod gewollt hat. Bei allem, was mir heilig ist, ich werde sie zur Strecke bringen, sie dafür bezahlen lassen. Ich traue mich kaum, ihn zu berühren, aus Angst, es könnte ihm noch mehr Schmerz bereiten. Aber der Wolf in mir verlangt, dass ich meinen Gefährten in den Arm nehme, ihn markiere und alle Welt wissen lasse, dass dieser Mensch hier der Meine ist. Mein menschlicher Verstand sagt, alles zu seiner Zeit, doch mein Tier drängt und will sein Recht auf seinen Gefährten geltend machen. Rigoros dränge ich ihn zurück und verweise ihn auf eine Zeit, wo Kiran wieder bei besserer Gesundheit sein wird. Oh alle Götter, bitte lasst ihn wieder gesund werden.

Behutsam streichele ich über seinen Handrücken. Ich brauche es einfach, ihn zu berühren, ihm nah zu sein, denn sein Anblick treibt mir die Tränen in die Augen. Tiefe Augenringe konkurrieren mit einem lila schimmernden Bluterguss am Kiefer. Seine Wangen sind eingefallen und seine Haare sind strähnig, in einem hellen Braun. Die haben schon lange keine Schere mehr gesehen. Das stete Piepen der Herztonüberwachung ist neben dem sachten Heben und Senken seines Brustkorbes das einzige Zeichen, dass er noch am Leben ist.

Ich bin tief versunken in meinen Gedanken, als Breandan neben mich tritt und mir seine Hand auf die Schulter legt.

»Nur du kannst ihm helfen, die schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten, die er in seinem kurzen Leben schon machen musste. Er ist so ein lieber Kerl«, flüstert er leise und schaut traurig auf Kiran herab.

»Wenn ich es könnte, würde ich ihn die schlimmen Dinge einfach vergessen lassen. Nathan sagt, dass er so viele schlecht verheilte Verletzungen hat. Zu seinem schlimmen Knie jetzt noch die Schusswunde. Wenn er sich doch nur wandeln könnte, dann wäre die Heilung viel schneller abgeschlossen.«

»Kiran sagte mir, dass er sich nicht wandeln kann, dass er es noch nie getan hätte. Mein Dad hatte auch das Problem und Nivan konnte ihm damals helfen.« Breandan zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich zu uns.

»Er riecht wie ein Wolf, also muss da auch einer sein. Vielleicht ist er nur irgendwie gebannt oder so.«

»Ich denke, die Frage könnte Nivan beantworten. Aber ganz ehrlich? Diese Entscheidung, seinen Wolf an die Oberfläche zu locken, muss Kiran selbst treffen, denn es wird Zeit, dass der Mann endlich über sein Leben selbst bestimmen darf. Die vielen Jahre, die er unter der Knute von Yuma stand, müssen extrem schwer gewesen sein und deswegen hat er es verdient, frei zu sein und seine eigenen Entscheidungen zu treffen.«

Selbst mir fällt auf, dass ich kellertief seufze und meine Fäuste an meine Stirn presse.

»Was ist los?«, fragt er mich. Ich kann seinen stechenden Blick förmlich spüren.

»Er ist mein Gefährte. Ich weiß es, aber wird er es auch wissen? Ich meine, was ist, wenn er weggehen will? Wenn er mich nicht will und zurücklässt? Er war jahrelang … Ach, Scheiße.«

»Ich glaube, du machst dir zu viele Gedanken über was-wäre-wenn. Lass es auf dich zukommen. Selbst wenn er es nicht spürt, dass ihr zusammengehört, hast du immer noch die Chance, um ihn zu werben.«

»Du meinst, so richtig oldschool mit Kino, essen gehen und einem Spaziergang bei Vollmond?«

»Ja genau.« Er lacht leise und schaut mir dabei in die Augen. Dieser junge Mann ist das Beste, was meinem Alpha passieren konnte.

»Ich bin froh, dass du der Mann an Ryans Seite bist. Jetzt habt ihr endlich die Chance, euch richtig kennenzulernen. Happy Birthday zum achtzehnten Geburtstag, Breandan.«

»Danke, Devon. Ich wünsche euch beiden von Herzen nichts anderes als das, was ich auch gern hätte. Ihr schafft das schon. Er braucht jetzt Zeit und wenn er sich erholt hat, ist es an dir, ihm die schönen Seiten des Lebens zu zeigen.«

»Du hast gesprochen wie ein weiser Mann. Wie alt bist du noch mal geworden?« Ich lege ihm die Hand auf den Arm und übe einen leichten Druck aus.

»Wann wird deine Schulter in Ordnung gebracht?« Er verzieht das Gesicht und schaut wieder zu Kiran, der noch immer ohne Bewusstsein in diesem Bett liegt und sich von der schweren OP erholt, der er sich unterziehen musste. Seit Tagen warte ich darauf, dass er wieder richtig munter wird, aber Nathan meinte, dass sein Geist sich zurückgezogen hat. Er sich schützt und vielleicht ist es auch gut so, denn die Schmerzen, die er hätte, wenn er bei vollem Bewusstsein wäre, würden seinen Kreislauf noch mehr belasten.

»Morgen soll es losgehen. Nathan ist heute zu erschöpft und jetzt kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Kirans OP, die Rückreise, Daddys OP, das war schon ein harter Gang für ihn. Er braucht ’ne Pause. Ich bin nur froh, dass er meine Schulter in Narkose richten wird. Die Schmerzen waren schon heftig.« Er wird leise und ich merke, dass er mit seinen Gedanken bei dem Brand in Kirans Haus ist, wo er beinahe nicht mehr rauskam. Ich sehe vor meinem geistigen Auge meinen besten Freund, wie er außen auf der Leiter steht und an dem Gitter rüttelt, das den Fluchtweg versperrt, um seinen Gefährten aus der Flammenhölle zu befreien. Sie haben es buchstäblich auf die letzte Sekunde geschafft, das Gitter zu lösen, und Ryan konnte seinen Gefährten befreien. Mir will einfach nicht in den Kopf, wie man so grausam sein kann, jemanden in ein Zimmer zu sperren und das Haus anzuzünden. Oder kaltblütig auf einen Menschen zu schießen. Mein Herz schmerzt vor Trauer über die vielen Grausamkeiten, die Kiran durchmachen musste. Ich hoffe, dass der Schrecken für Kiran jetzt ein Ende findet. Er hat ein bisschen Glück in seinem Leben wirklich verdient.

»Würdest du mir mein Fehlen heute Abend auf deiner Geburtstagsfeier verzeihen? Ich möchte hier bei Kiran bleiben. Er war lang genug in seinem Leben allein.«

»Alles ist verziehen, wenn er nur wieder gesund wird. Er braucht dich dringender als ich. Wenn ich ganz ehrlich bin, ist mir nicht nach Feiern zumute. Die letzten Tage haben mir gezeigt, dass es wahrlich Wichtigeres im Leben gibt. Weißt du, in den letzten sechs Jahren konnte ich es nicht erwarten, endlich achtzehn zu werden. Aber jetzt mit dieser Entführung und dem Feuer, dem versuchten Mord an Kiran, den vielen Wahrheiten, die ans Tageslicht gekommen sind, sehe ich keinen guten Anlass zum Feiern. Ein sadistischer Alpha genügt, um ein ganzes Rudel zu zerstören. Weißt du, wir sind mit unseren Alphas sehr gesegnet, denn wir mussten das alles nicht mitmachen.«

»Bran, ich sehe das noch mal anders. Dieses Rudel hätte sich wehren müssen. Wenn sie alle zusammengehalten hätten, hätten sie ihn zum Teufel jagen können, aber sie haben sich wie ängstliche Kaninchen geduckt und die Ohren angelegt. Haben zugesehen, wie er diesen jungen Mann jahrelang kleingehalten hat. Sie wussten alle von dem Mord an Kirans Mutter und niemand kann mir erzählen, dass sie nichts von den mysteriösen Umständen vom Tod deines leiblichen Vaters wussten. Sie hatten Möglichkeiten, sich zu wehren, zum Beispiel den Rat um Hilfe zu bitten. Aber als Yuma Alpha wurde, wurde er noch bestärkt. Er wollte ein reines Wolfsrudel und das macht ihn für mich zu einem Rassisten. Er hat andere Wandler ausgeschlossen. Bären, Pumas, Füchse, sie alle haben ihr Zuhause verloren, weil er sie nicht mehr in seinem Rudel wollte. Sieh dir Akiak und Nanuk an, Billie und Robert, Nivan, sie alle mussten fliehen. Billie und Robert haben ihre Zieheltern verloren, du deine leiblichen Eltern. Dieser Mann hat so viel Leid gebracht, dass er hätte gestoppt werden müssen. Dieses Rudel hat in der Gänze versagt. Aus Angst und Feigheit. Ich sage nicht, dass es einfach geworden wäre, aber all das hätte nicht passieren dürfen.«

»Du hast recht, mein Freund, aber deine Wut wird die Vergangenheit nicht ändern.« Ryan kommt leise herein und stellt sich hinter seinen Gefährten und legt seine Hände sanft auf dessen Schultern. »Wie geht es ihm?«

»Unverändert. Sein Geist hat sich weit zurückgezogen. Wenn er das kann, sagt das eine Menge über das Leid aus, das er durchmachen musste, und da kann kommen was oder wer will, ich werde mit meiner Wut nicht hinter dem Berg halten, denn mein Gefährte ist so schwer verletzt worden, dass er beinahe gestorben wäre. In Anbetracht der Tatsache, dass ihm niemand geholfen hat, kann es mir ja wohl niemand verübeln, wenn ich den Finger in die Wunde lege und Unangenehmes anspreche. Es gibt Verantwortliche und die gilt es, zur Verantwortung zu ziehen.«

»Ich bin, was das betrifft, bei dir. Aber bevor du etwas in die Wege leitest, warte ab, bis Kiran wieder bei Bewusstsein ist. Entscheidet das gemeinsam. Er wurde so lange bevormundet.« Die tiefe Stimme meines Alphas klingt ungewohnt sanft, was mit Sicherheit an der Anwesenheit seines Gefährten liegt.

»Du hast ja recht, aber mein Wolf würde am liebsten losziehen und jeden herausfordern, der ihm nicht geholfen hat.«

»Das, mein Freund, kann ich gut nachvollziehen. Danke, dass du in den letzten Tagen meine kritische Instanz warst. Ohne dich hätte ich es rational nicht geschafft, bei Verstand zu bleiben. Du und Jim. Ich bin froh, dass ihr an meiner Seite wart. Danke für alles. Und Devon? Ich freue mich so sehr, dass du deinen Gefährten gefunden hast. Du wirst sehen, dieses Gefühl der Verbundenheit ist mit nichts auf der Welt zu vergleichen.« Er sagt diese Worte und schaut dabei Breandan tief in die Augen, der sich zu ihm umgedreht hat. Noch nie habe ich meinen besten Freund so verliebt aus der Wäsche schauen sehen.

»Ach, ihr zwei, vielleicht gönnt ihr euch noch ein paar Minuten allein, bevor nachher die große Feier beginnt?« Meine Belustigung, die ich innerlich spüre, kann ich nicht ganz aus meinem Ton heraushalten.

»Das ist eigentlich keine schlechte Idee.« Ryan tritt neben Bran und zieht ihn vom Stuhl in Richtung Tür und verharrt kurz.

»Jetzt bin ich an der Reihe, dir zu sagen, dass alles wieder gut wird. Ich bin für dich da. Du bist mein erster Beta, meine Vertretung, meine rechte Hand und zumeist auch mein gutes Gewissen. Nur weil wir unsere Gefährten an unserer Seite haben, wird sich an unserer Freundschaft nichts ändern. Ich bin froh, dass ich dich an meiner Seite habe. Das wollte ich dir nur noch mal sagen.« Ryans Worte sacken und er schließt die Tür hinter sich. Lässt uns allein und hat mich nur mit seinen Worten wieder auf Kurs gebracht. Meine Wut ist verraucht.

Als sich ein Schatten im Zimmer ausbreitet, sehe ich einen Falken außen auf dem Fenstersims sitzen. Er blickt herein und mir stockt der Atem. Das habe ich noch nie gesehen. Ein Raubvogel, der sich so nah herantraut und wie selbstverständlich wie eine Stadttaube durchs Fenster schaut. Er beobachtet uns eine Weile und lässt uns dann wieder allein. Mit Schwung stößt er sich ab und fliegt davon. Ich stehe auf, trete ans Fenster und schaue ihm nach, irritiert, weil ich so eine Situation noch nie hatte. Es ist beinahe so, als wolle er sich versichern, dass Kiran noch hier liegt. Eigenartig.

 

Ich habe es mir in dem Ohrensessel gemütlich gemacht und bin tatsächlich eingeschlafen. Die letzten Tage hatten es schon ziemlich in sich. Das Klopfen an der Tür lässt mich aufschrecken. Anna, Nathans Frau, kommt herein und stellt eine Tasse Kaffee neben mir auf den Tisch.

»Guten Abend, Devon.«

»n’Abend Anna, wie spät ist es?«

»Es ist kurz nach acht. Ich dachte mir, dass ich dir einen Kaffee bringe, wenn du schon nicht an Breandans großer Geburtstagsfeier teilnehmen kannst.«

»Das ist sehr aufmerksam von dir, vielen Dank.« In der Tat merke ich, dass mir der Magen in den Kniekehlen hängt. Sie bringt den Duft von gebratenem Steak, Kartoffelauflauf, Bohnengemüse und Tiramisu mit ins Zimmer. Das lässt meinen Geruchssinn mehrere Salti hintereinander schlagen. Sie geht zu Kiran, überprüft seine Zugänge und streicht ihm behutsam eine Strähne hinters Ohr. Ihr Blick ist sorgenvoll.

»Was ist los? Ist irgendwas mit ihm?« Sie schüttelt leicht den Kopf und streicht an seinem Oberarm entlang.

»Wenn er nicht bald zu uns zurückkommt, wird er nur noch ein Schatten seiner selbst sein. Er muss essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Was er wohl wiegt? Fünfzig Kilo vielleicht?«

»Wenn überhaupt, aber du hast recht. Mir wäre es auch lieb, wenn er eher heute als morgen in diese Welt zurückkehren würde.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er deine Anwesenheit spürt. Wenn du hier bei ihm bist, scheint er einen höheren Puls zu haben. Das sieht man an der Anzeige«, sagt sie und deutet auf den Monitor über seinem Bett. Sie beginnt die Decke zurechtzuziehen und die Vorhänge zu schließen, dabei hält sie allerdings inne und starrt nach draußen.

»Was ist?«

»Da steht ein Fuchs und schaut zu mir herauf. Ich habe hier noch nie so nah am Haus einen Fuchs gesehen.« Neugierig trete ich ebenfalls ans Fenster und schaue raus. Tatsächlich. Er sitzt dort und scheint sich dessen gar nicht bewusst, dass ihm jederzeit ein Wolf über den Weg laufen könnte. Es ist schon das zweite wilde Tier, das sich heute hierher verirrt.

»Vorhin saß hier außen auf dem Sims ein Falke. Er hat ebenfalls hier hereingesehen und ist dann nach ein paar Minuten wieder weggeflogen. Was hat das zu bedeuten?«

»Ein Falke? Es war aber kein Wandler, oder?«

»Nein. Er war eindeutig kein Wandler.«

»Merkwürdig ist das schon.«

»Allerdings.« Der Fuchs wendet sich ab und läuft in Richtung Baumgrenze. Ich schaue ihm nach, bis er zwischen den Tannen verschwunden ist.

»Das da schien auch keiner zu sein.«

»Ob sie wegen Kiran kommen?« Mein Blick schweift zu ihm rüber. Ich betrachte ihn von hier aus, doch plötzlich zuckt seine Hand. Mein Puls schnellt hoch und ich eile an seine Seite. Anna kommt dazu, schaut auf den Monitor und das Piepen geht eindeutig schneller als vorher.

»Ich hole Nathan. Bin gleich wieder da.« Sie stürmt zur Tür hinaus und ich greife sachte die Hand, die eben begonnen hat, zu zucken. Sie ist warm.

»Kiran, kannst du mich hören?« Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante und drücke seine Hand an meine Brust. Seine Augenlider flattern, die Atmung wird schneller, Muskelspannung kehrt in seinen Körper zurück, dann öffnet er seine Augen und ich kann in seine seelenvollen Augen blicken. Mein Herz macht einen Hüpfer und in diesem Augenblick gestatte ich mir einen Seufzer der Erleichterung, der meine Freude zum Ausdruck bringt. Haselnussbraune Augen schauen mich noch ein wenig unfokussiert an, eine Zunge, die versucht die Lippen zu befeuchten und ein schwerfälliges Schlucken sind Zeichen seiner langen geistigen Auszeit.

»Der Arzt ist gleich hier.« Ein leichtes Zittern überkommt ihn, dann verzieht er schmerzgepeinigt das Gesicht und schließt wieder die Augen. Oh nein. Bitte nicht.

»Kiran. Komm, bleib bei mir. Dir wird gleich geholfen, ich verspreche dir, dass gleich Hilfe kommt.« Langsam öffnet er wieder seine Augen und da spüre ich, dass er meine Hand festhält.

»Du bist nicht allein. Nie mehr. Versprochen. Du musst das nicht allein durchstehen. Ich werde an deiner Seite sein.« Die Tür geht auf und Nathan kommt herein.

»Na, dann wollen wir doch mal schauen, wie es unserem Patienten denn so geht. Devon, mach mal Platz. Du kannst hier gleich wieder hin.« Nur widerwillig lasse ich seine Hand los und trete beiseite, damit Nathan seinen Job machen kann.

 

Kapitel 3 - Kiran

Kapitel 3 – Kiran

 

Aua. Oh Götter dieser Erde. Mir tut alles weh und irgendwas piept hier echt nervig.

»Kiran, komm, bleib bei mir …«

Irgendjemand ruft mich. Ich soll bei ihm bleiben? Verstehe ich nicht. Mein Körper fühlt sich an, als ob Yuma wieder besonders schlechte Laune hatte. Kann es sein, dass er mich …? Oh, verdammt! Wo bin ich?

»Sscht, alles ist gut. Du bist in Sicherheit. Hier hast du einen Schluck Wasser. Danach wird sich dein Hals besser anfühlen und gegen die Schmerzen gebe ich dir auch etwas.« Ein Strohhalm berührt meine Lippen. Gierig schnappe ich danach und ziehe das kalte Nass hoch, bis es meinen Mund flutet. Wasser …

»Nicht so schnell. Dein Magen muss sich erst an die Flüssigkeit gewöhnen. Du hast ein paar Tage lang keine feste Nahrung zu dir genommen.«

»Geht’s ihm gut?« Eine andere Stimme dringt an mein Ohr. Eine angenehm tiefe und kraftvolle Stimme irgendwo hier im Zimmer. Die, die gesagt hat, dass ich bei ihm bleiben soll. Wer ist das?

»Das werden wir gleich sehen. Komm, lass mich mal schauen, ja? Kiran, ich möchte dir den Verband von deinem Rücken lösen und mir die Wunde anschauen, aber du musst ruhig bleiben. Keiner hier wird dir was Böses tun. Versprochen.« Eine Hand berührt mich am Arm. Meine Sicht wird langsam besser. Ein Mann mit grauen Haaren und freundlichen Augen beugt sich über mich. Auf der anderen Seite steht eine Frau, die das Glas mit dem Strohhalm festhält. Auch sie lächelt mich an.

»Hi, da bist du ja. Ich bin Dr. Nathan Phillips. Schön, dass du wieder bei uns bist. Kiran, kannst du dich an irgendetwas erinnern?« Seine Stimme ist leise und beruhigend. Erinnern? Oh Gott, ja!

»Greta. Sie hat Breandan. Ihr müsst ihn finden, bitte.« Ui. Meine Stimme klingt, als hätte ich mit Säure gegurgelt.

»Ssscht, alles gut. Er ist in Sicherheit. Breandan geht es gut. Er ist bei seinem Gefährten, da, wo er sein soll. Beruhige dich wieder.« Ich muss hier raus. Weg … weg von allen. Muss mich verstecken.

»Hey, hey, hey …« Er drückt mich zurück in die Matratze. Aua. Mein Rücken.

»Kiran, du bist sehr schwer verletzt worden, deswegen musste ich dich operieren. Woran erinnerst du dich denn noch, außer an Breandan?« Ein Knurren direkt neben meinem Bett ertönt. Oh Gott.

»Devon, du trägst nicht gerade dazu bei, dass er sich wieder beruhigt. Komm und nimm seine Hand, überzeug dich, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht und nimm um Himmels willen deinen Wolf an die Kandare.« Dr. Phillips Stimme wird zwar nicht lauter, aber dafür bestimmender. Ein großer Mann tritt in mein Sichtfeld und greift sanft nach meiner Hand. Warm. Sie ist ganz warm und ein Kribbeln beginnt dort, wo er mich berührt. Es wandert meinen Arm hinauf und breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Wer ist er? Wieso macht seine Berührung das mit mir? Er setzt sich auf einen Stuhl und endlich kann ich sein Gesicht besser erkennen. Stechend blaue Augen schauen mich an. Noch nie habe ich solche blauen Augen gesehen. Himmel noch mal. Ich werde auf die Seite gedreht und komme ihm damit ein wenig näher. Meine Haare fallen mir ins Gesicht und sofort fühle ich mich unzulänglich. Ich bin nicht hübsch und was der Mann von mir will, ist mir schleierhaft. Ich spüre, wie mir Hitze ins Gesicht steigt. Langsam streicht er mir die Haare aus dem Gesicht.

»So ist es besser, oder?«, raunt er und lächelt mich an. An meinem Rücken ziept es und was auch immer der Arzt dort macht, es tut weh. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Ist besser so. Ich drücke mein Gesicht ins Kissen, um es zu verbergen. Er soll nicht sehen, dass mir die Untersuchung wehtut. Ich halte die Luft an und hoffe einfach nur, dass Dr. Phillips bald fertig ist mit dem, was er dort tut. Meine Hand lässt er aber nicht los.

»Es hat sich eine leichte Entzündung rund um die Wunde gebildet. Ich werde dir ein paar Medikamente in den Zugang geben und auch was gegen die Schmerzen.« Ein Verband wird auf meine Wunde geklebt und dann dreht er mich ein wenig zurück. Ein längliches Kissen in meinem Rücken verhindert, dass ich ganz auf den Rücken zurückrolle. »So sollte es für dich angenehmer sein.« Dr. Philipps kommt herum und legt seine Hand auf die Schulter des Mannes, der mich nach wie vor anschaut. »Kiran, es wäre viel einfacher, wenn du dich wandeln könntest. Du würdest dann viel schneller heilen und die Wunde wäre in ein paar Tagen kein Thema mehr, aber Breandan erzählte uns, dass du damit deine Schwierigkeiten hast?« Na toll. Sie wissen um meine Unzulänglichkeiten, nennt man das so? Na, egal! Jedenfalls wissen sie, dass ich kein Mensch, aber auch kein Wolf bin. Ach Mann.

»Hey, Kleiner, schau mich an. Es gibt nichts, worüber du dich schämen müsstest, hast du verstanden? Du bist, wie du eben bist.« Die Worte von Mr. Unbekannt sind ja lieb gemeint, aber ich weiß es besser. Mein ganzes Leben habe ich zu spüren bekommen, dass ich anders bin.

»Wir könnten einen Schamanen bitten, mit dir zu arbeiten. Du bist nicht der erste Wolf, dessen Tier gebannt ist. Denk drüber nach und wenn du es versuchen willst, dann können wir Nivan bitten, dir zu helfen.« Ah, ja klar. Dieser Nivan bekommt das hin, dass mein Wolf sich plötzlich doch zu mir bekennt. Ganz sicher. Dr. Philipps meint es ja mit Sicherheit nur gut, aber ein Schamane? Ja ne, ist klar. Die glauben doch nicht wirklich an den Hokuspokus?

»Wieso werde ich den Eindruck nicht los, dass wir es hier mit einem kleinen Trotzkopf zu tun haben?« Ich schaue zu Mr. Blauauge auf und kneife die Augen zusammen. Ist das Warnung genug an ihn, sich nicht über mich lustig zu machen? Jetzt beginnt der auch noch zu lachen, genauso wie Dr. Philipps.

»Ja, mein Freund. Mit diesem jungen Mann wirst du noch deine helle Freude haben. Herzlichen Glückwunsch. Jeder bekommt, was er verdient.« Dr. Philipps klopft ihm auf die Schulter und lacht noch lauter. Ich verstehe gerade nicht, was jetzt so lustig ist.

»Kiran, ich schaue später noch mal nach dir. Wir lassen euch jetzt allein. Komm, Anna, ich glaube, die beiden haben eine Menge zu besprechen.« Sie lächelt gütig und verlässt mit dem Doktor das Zimmer, ohne ein Wort gesagt zu haben. Herzlichen Glückwunsch? Jeder bekommt, was er verdient? Hä? Was meint er denn nun wieder damit? Ich kriege es nicht zusammen.

»Ich schätze mal, dass du ein paar Fragen hast?« Das kannste wohl laut sagen.

»Wo bin ich und wann kann ich nach Hause?« Seine Schultern sacken ein wenig herab und irgendwie kann ich seinen Blick gerade nicht deuten. Irgendwie traurig.

»Als du mit Breandan weggelaufen bist, hat Greta euch eingeholt. Du wurdest von ihr angeschossen und zurückgelassen. Kiran, dein Zuhause gibt es nicht mehr. Es gab ein Feuer in deinem Haus.«

»Der Brandgeruch. Also doch.« Das, was meine Mum mir hinterlassen hat, war das Haus meiner Großeltern. Das einzige Zuhause, was ich je hatte. Die Erkenntnis, dass ich nicht zurückkann, tut gerade echt weh.

»Es war vielleicht kein Palast und ja, es war alt, aber ich hatte ein Dach überm Kopf und vor allem war es trocken und es gehörte mir. Jetzt haben sie mir den Rest auch noch genommen. Das Einzige, was ich jetzt noch besitze, ist mein Leben, aber wenn man Yumas Worten Glauben schenken darf, ist es keinen Pfifferling wert«, purzeln meine Gedanken als Worte heraus. Ein tiefes, grollendes Kurren dringt aus seiner Kehle und lässt meinen Puls nach oben schießen.