Der geklaute Heilige - Regula Venske - E-Book

Der geklaute Heilige E-Book

Regula Venske

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Beschreibung

Achtung – Diebe im Museum! Der spannende Kinderkrimi von Regula Venske: „Der geklaute Heilige“ jetzt als eBook bei dotbooks. Der 10-jährige Arne kann es nicht fassen: Ausgerechnet während seiner Geburtstagsparty im Museum stiehlt ein Dieb eine wertvolle Heiligenfigur. Der einzige Zeuge des Diebstahls? Arnes nerviger kleiner Bruder Rollo! Und der behauptet steif und fest, dass ein Monster die Statue gestohlen hat. So ein Quatsch! Aber wer kann eine so schwere und große Holzfigur einfach aus dem Museum tragen? Arne und seine Freunde beginnen zu ermitteln … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der spannende Kinderkrimi „Der geklaute Heilige“ von Regula Venske für Leser ab 8 Jahren Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 145

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Über dieses Buch:

Der 10-jährige Arne kann es nicht fassen: Ausgerechnet während seiner Geburtstagsparty im Museum stiehlt ein Dieb eine wertvolle Heiligenfigur. Der einzige Zeuge des Diebstahls? Arnes nerviger kleiner Bruder Rollo! Und der behauptet steif und fest, dass ein Monster die Statue gestohlen hat. So ein Quatsch! Aber wer kann eine so schwere und große Holzfigur einfach aus dem Museum tragen? Arne und seine Freunde beginnen zu ermitteln …

Über die Autorin:

Seit Mai 2013 ist Regula Venske Generalsekretärin des PEN-Zentrum Deutschland, einer Schriftstellervereinigung, die sich für die Freiheit des Wortes und Völkerverständigung einsetzt. Im Oktober 2015 wurde sie auch ins Präsidium des internationalen PEN gewählt (www.pen-international.org).

Die Website der Autorin: www.regulavenske.de

Bei dotbooks erscheint von der Autorin:

Als Papa den Mond abschoss Lale und der goldene Brief Ein Haus aus Reisen Der geklaute Heilige

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eBook-Neuausgabe Oktober 2016

Copyright © der Originalausgabe KeRLE im Verlag Herder Freiburg, Wien 1998

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-723-9

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Regula Venske

Der geklaute Heilige

Ein Detektiv-Roman

dotbooks.

Der Ritterschlag

Arne wartete ungeduldig. Was dauerte da nur so lange? Wann kamen sie endlich und holten ihn? Das war doch nicht etwa Absicht, dass man ihn hier so lange schmoren ließ? Er fühlte sich, als wäre er irgendwo ausgesetzt worden und ganz allein auf der Welt, wie er da so einsam auf den kalten roten Steinfliesen kniete und so tat, als bete er. Zum Glück hatte ihm sein Knappe wenigstens ein weiches Samtkissen für die Knie mitgegeben, aber es war trotzdem reichlich unbequem. Verdammt hart.

Im Mittelalter hatten die Ritter, vielmehr diejenigen jungen Männer, die erst noch zum Ritter geschlagen werden sollten, eine ganze Nacht lang in einer Kapelle gewacht, um sich innerlich auf das große Ereignis vorzubereiten. Er musste hier zwar nur eine Viertelstunde knien, dennoch, ihm reichte es jetzt. Die Madonna lächelte nachsichtig auf ihn herab, und selbst das Christuskind in ihrem Arm grinste ihm aufmunternd zu.

Was wohl die Leute dachten, die hier vorbeikamen? Gerade fiel ein dunkler Schatten auf ihn, bewegte sich über ihn hinweg wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms, nur schwarzgrau statt hell. Ein Museumsbesucher war lautlos vorbeigehuscht. Dem Schatten nach zu urteilen, musste es sich um einen Riesen handeln, einen sehr stillen Riesen allerdings. Arne hatte nicht das allergeringste Atemgeräusch, nicht einmal das leise Quietschen einer Sohle gehört.

Von nebenan drang unterdrücktes Kichern an sein Ohr. Vermutlich hatte Rollo gerade wieder einen seiner albernen Witze gemacht. Er benahm sich ja schon den ganzen Tag über so, als wäre er die Hauptperson und nicht Arne. Als hätte nicht Arne Geburtstag, sondern sein jüngerer Bruder Rollo, und als fände die Feier nur zu dessen Ehren statt. Aber diesmal würde es ihm nicht gelingen, sich in den Vordergrund zu spielen, heute war Arne der Star.

»Arne! Komm, es geht los!«

Es war so weit. Philipp, sein bester Freund, sein Knappe an diesem Tag, war gekommen, um ihn abzuholen.

Erst, als er aufstand, merkte Arne, dass ihm beim Knien auf dem Steinfußboden beide Beine eingeschlafen waren. Seine Rüstung drückte ihn schwer. Zehn Kilogramm sollte das Kettenhemd, das er untergezogen hatte, angeblich wiegen. Und doch war es nicht plump, im Gegenteil, geschmeidig passte es sich seinen Körperformen an. Es war erstaunlich, wie sehr das schwere Teil auch seine Haltung und seinen Gang veränderte. Arne merkte selbst, wie es ihn geradezu zwang, sich aufrecht und stolz zu halten und förmlich zu schreiten. Zum Drüberziehen hatte ihm die Museumsangestellte, die die Feier leitete, ein langes, schwarzrot gemustertes Seidenhemd gegeben, das er mit einem Gürtel um die Taille lose zusammengerafft trug. Auf der Brust war sein ritterliches Wappen aufgedruckt: drei schwarze Adler, die gierig ihre Schnäbel zu einer Seite öffneten, bereit, im nächsten Moment gefährlich loszuhacken.

Hoch aufgerichtet betrat Arne an der Seite seines treuen Knappen den Saal nebenan, in dem die hohe Festgesellschaft auf ihn wartete. Vor einem mittelalterlichen Altarbild, auf dem ebenfalls Maria und das Christuskind, flankiert von einigen Heiligen, abgebildet waren, standen König Joachim und Königin Pauline. Fast sah es aus, als gehörten die Heiligen auf dem Bild zum Hofstaat dazu. Feierlich und ernst ruhten ihre Blicke auf ihm. Aber auch Pauline und Joachim erwarteten ihn in würdevoller Haltung. Joachim wohnte in der Nachbarschaft. Er war ein Jahr älter als die anderen Jungen, deshalb durfte er heute den König spielen. Und Pauline – nun, Pauline war eben Pauline, mit niemandem sonst, mit keinem anderen Mädchen vergleichbar, Arnes langjährige Freundin, schon seit Kindergartenzeiten. Neben ihr, vor dem Seitenflügel des Altarbildes, auf dem die Anbetung der Heiligen Drei Könige gezeigt wurde, stand Papst Murat der Erste; ausgerechnet Murat, dessen Eltern aus der Türkei stammten und Muslime waren, hatte den Papst spielen wollen. Dick genug für die Rolle war er auf jeden Fall, und das prächtig verzierte, rot-goldene Gewand und die hohe Papstkrone standen ihm ausgezeichnet.

Ihnen gegenüber hatten sich die anderen Gäste feierlich gruppiert. Der Mundschenk und der Vorkoster mit ihren turbanähnlichen Mützen. Ein schüchternes Burgfräulein mit spitzem Hut, das mit zierlich gespreizten Händen am Türpfosten lehnte – in Wirklichkeit war Stefanie gar nicht so schüchtern, wie sie jetzt tat. Hinter ihr ruhte sich der Schleppenträger der Königin aus, Malte, der sich auf dem Weg durchs Museum darüber beschwert hatte, dass nur die langweiligste Rolle der Gesellschaft für ihn abgefallen war. Neben ihm lümmelten lässig Kai und Kim, zwei feine koreanische Prinzen. Und hinten im Raum, neben der Vitrine mit dem nackten Jesuskind, das eine bunte Weltkugel in der Hand hielt, wie einen Ball, den es gleich in die Luft werfen wollte, da lauerte Hofnarr Rollo auf seinen nächsten Einsatz. Wenn er doch wenigstens für fünf Minuten einmal die Klappe halten könnte!

»He! Ritter! Wie wär’s mit Ritter Sport?«, schrie der Hofnarr, als hätte er Arnes Gedanken erraten. Arne nahm keine Notiz von ihm, sondern kniete feierlich vor seinem König nieder. Wer an seinem zehnten Geburtstag zum Ritter geschlagen wird, achtet schließlich auf seine Würde.

Sein Knappe hielt schon das Schwert auf dem roten Seidenkissen parat, um es dem König zu reichen. Es war ein echtes mittelalterliches Schwert, hatte die Museumspädagogin erklärt. Wer weiß, was für Schlachten damit schon gekämpft wurden, wer damit schon alles geköpft worden war! König Joachim nahm es in die rechte Hand und legte es ihm vorschriftsmäßig mit der flachen Klinge auf Kopf und Schultern. Dann reichte er es ihm. Arne steckte das Schwert in die Hülle, die an seinem Gürtel hing. Er war jetzt Ritter Arne und dieses war das Singende Schwert, sein Schwert, mit dem er bald auf Aventiure, auf Abenteuerfahrt ausziehen würde. Und dann würde es heißen: »Ade, Rollo! Gnade dir Gott, Rollo!«

Und wenn der ihm weiterhin auf die Nerven ginge, würde er ihn vorher schon von seinem Hof verbannen, aber dann für mindestens sechsundsechzig Jahre!

In einer feierlichen Prozession, angeführt von Papst Murat dem Ersten, schritten jetzt alle durch das Museum, dessen Säle sich an diesem Nachmittag in die Schatzkammern eines Palastes verwandelt hatten, vorbei an Vitrinen, in denen silberne Pokale, Becher und Kannen glänzten und das Auge blendeten, vorbei an edelsteinbesetzten kleinen Statuen und wurmstichigen alten Truhen und Schränken, vorbei an Bildern und Vasen und weiteren Vitrinen, gefüllt mit funkelndem Schmuck. All dieser Reichtum gehörte ihm, dem edlen Ritter – so redete Arne es sich jedenfalls für den Augenblick ein.

Ritter Arne genoss es, im Gefolge seines Königs zu schreiten. Die Museumsangestellte hatte den Kindern vorgeschlagen, sich in einer strengen Reihenfolge aufzustellen, denn bestimmt waren die Menschen im Mittelalter nicht so ungeordnet durcheinander gewuselt wie sie. Der Papst als höchster Würdenträger zog voran, dann kamen König und Königin, dann Ritter, Edelfräulein und Prinzen und immer so weiter in genauer Rangfolge, je nach Wichtigkeit. Zwölf Personen waren es, die zum Hofstaat gehörten, und zählte man seine Mutter, die sich als Minnesängerin verkleidet hatte, und die Betreuerin vom Museum hinzu, noch zwei mehr. Und wo sie gingen und standen, hielten die Museumsbesucher inne und staunten den prächtigen Aufzug an. Sie bildeten das gemeine Volk, das »Bravo!« rufen durfte oder »Hoch!« oder auch nur tuschelnd stehen blieb, um sich zu fragen, was das Ganze wohl bedeuten sollte.

Was Arne aber nicht wusste und was nicht einmal seine Mutter und die Frau vom Museum merkten, war, dass es plötzlich fünfzehn Leute waren, die feierlich verkleidet durchs Museum zogen. Irgendwann, irgendwo war ein Schatten lautlos an ihre Seite getreten. Ein Bettelmönch hatte sich ihnen angeschlossen, ein Hüne von einem Mann, der von Kopf bis Fuß in einer weiten Kutte aus grauer, grober Wolle steckte. Seine Hände hielt er ganz in seinem Gewand verborgen und die Kapuze hatte er so tief über Augen und Nase gezogen, dass von seinem Gesicht nur mehr eine vage Dunkelheit zu ahnen gewesen wäre – wenn überhaupt jemand hingeguckt hätte. Der eine oder andere Museumsbesucher sah ihn vielleicht, aber die Erwachsenen hatten natürlich mehr Spaß daran, die farbenfroh gekleideten Kinder zu bewundern, die hübsche Königin, den stolzen Ritter und den lustigen Narr. Daher achteten sie nicht weiter auf die dunkle Gestalt am Ende der Gruppe. Wer den Bettelmönch sah, dachte sich nichts Böses dabei, sondern mochte ihn für den Vater eines der Kinder halten oder für den Mann der Minnesängerin vielleicht.

Und so gelangte der Bettelmönch im Schutze der Gruppe von einem Saal in den nächsten und erreichte schließlich unbemerkt die Kellerräume des Hauses.

Das Monster

Kurz bevor Arne sich seiner ersten Schlacht als Ritter stellte, der Kuchenschlacht nämlich, die gleich in einem eigens für seine Feier reservierten Raum im Keller des Museums steigen sollte, musste Hofnarr Rollo dringend aufs Klo. Den ganzen Tag hatte er sich schon, auf gut deutsch gesagt, überfressen. Seine Mutter war zum Glück der Meinung, dass es einem Siebeneinhalbjährigen noch nicht zuzumuten sei, mit leeren Händen und leerem Magen danebenzustehen, wenn der große Bruder Geburtstagsgeschenke auspackte; sie hatte auch ihren Jüngsten daher mit einem eigenen Vorrat an Negerküssen, Gummibärchen und Kaugummis versorgt. Außerdem hatte Rollo den Umstand, dass er früher aus der Schule heimgekommen war als Arne, noch genutzt und sich an dessen Naschteller vergriffen. Hier ein Stückchen Schokokonfekt, da eine Lakritzschnecke, das fiel doch gar nicht auf … dachte er.

Nun rächte sich – sehr zu Arnes Triumph – Rollos Gier: Er hatte Bauchschmerzen. Und die verstärkten sich noch rapide, als er merkte. dass ihn niemand begleiten wollte, weder Mama, die sonst immer so viel Verständnis für ihn hatte, noch sein großer Bruder. Mama füllte gerade Rhabarbersaft in große Steingutbecher und Arne packte die ersten Geschenke aus.

»Mensch Rollo, du nervst«, antwortete er nur auf Rollos Bitte, mit ihm die Toilette zu suchen. Dabei kannte er Rollos Angst vor fremden Türen und womöglich klemmenden Schlössern doch ganz genau. Vor einigen Jahren hatte sich Rollo auf der Toilette eines Restaurants so gründlich eingesperrt, dass er die Tür allein nicht mehr aufbekam. Damals musste sich Arne durch einen schmalen Lichtschacht zwängen und durch ein noch engeres Fensterchen zu Rollo hinabklettern, unter Mamas anfeuernden Rufen, die, so schlank sie auch sein mochte, leider doch zu groß und zu dick für solch eine Heldentat war. Arne war zu Rollo in das Kabäuschen gesprungen und hatte ein paar Mal kräftig an der Tür geruckelt, da hatte sie sich wundersamerweise wieder geöffnet. Seitdem bewunderte Rollo seinen großen Bruder noch abgöttischer, als er es schon vorher getan hatte.

Nun machte er sich missmutig allein auf den Weg. Zum Glück war das WC leicht zu finden. Rollo musste nur aufpassen, dass er nicht umgerannt wurde. In diesem Teil des Museums war gerade eine Menge los. Männer in abgewetzten Jeans und grobkarierten Hemden trugen große Kisten und sogar ganze Wände hin und her und riefen dem jungen zu, ihnen Platz zu machen. So drückte sich Rollo an die Wand und machte sich so dünn, wie er nur konnte, was nicht leicht war mit all den Süßigkeiten im Bauch!

Endlich hatten die Handwerker eine große Stellwand an ihm vorbeigewuchtet und Rollo schlüpfte in den Toilettenvorraum. Erschreckt prallte er jedoch gleich wieder zurück: Vor ihm stand – ein Monster, riesengroß und dunkel und über und über behaart! Das Monster schaute Rollo mit finsterem Blick direkt ins Gesicht. Vielleicht war es aber gar nicht dunkel, sondern im Gegenteil blond? Bedrohlich hob es eine Pranke und schien Rollo packen zu wollen. Der duckte sich instinktiv. Und dann spürte er, wie ihn etwas am Arm zerrte und mit grobem Schwung in die Kabine stieß. Rollo knallte gegen die Wand, berappelte sich aber schnell und sperrte geistesgegenwärtig die Tür hinter sich zu. Und wenn Arne ihn tausendmal als Angsthasen beschimpfte – Hasen waren immerhin schnell wie der Blitz.

Auf der anderen Seite der Kabinentür hörte er ein leises Knurren und Zischen. Das Monster schien zu fluchen, zwar in einer Sprache, die Rollo nicht verstand, aber es klang doch recht menschlich. Dann hörte er ein leises Rascheln und schließlich klappte die Tür vom Toilettenvorraum. Das Monster, der Riese, wer immer es war und was immer er wollte, war weg.

Vor Angst war Rollo derart schwindelig, dass es in ihm und um ihn herum gleichermaßen rauschte. War es die Klospülung oder war es sein Blut? Auch die Glöckchen an seiner Kappe bimmelten schrill. Seine Bauchschmerzen waren heftigem Herzklopfen gewichen.

Wieder einmal hockte er zitternd auf einer fremden Toilette und wartete darauf, dass seine Mutter oder Arne ihn holten. Denn keine zehn Pferde würden ihn dazu bringen, allein diesen schützenden kleinen Raum zu verlassen.

»Hilfe, Mami!«, flüsterte Rollo leise vor sich hin. Das Rauschen in seinem Kopf war so stark, dass er nicht einmal mehr seine eigene Stimme hörte. Aber es waren weder seine Mutter noch Arne, die ihn zwanzig Minuten später befreiten. Es war – die Polizei.

Der Diebstahl

Am Abend dieses denkwürdigen 12. Mai, seines zehnten Geburtstages, lag Sir Arne hellwach in seinem Bett. Es war schon spät, aber er konnte nicht einschlafen. Im Hochbett über ihm schlummerte Rollo und schnarchte dabei leise vor sich hin. Er schien so richtig den Schlaf der Gerechten zu träumen und allein das ärgerte Arne derart, dass es ihm das Einschlafen zusätzlich erschwerte.

Es war doch wirklich zu dumm, dass Rollo den Dieb gesehen hatte, und nicht er! Den Dieb, richtig gehört, den Dieb, den Rollo für ein Monster gehalten hatte. Das hätte einmal ihm, Arne, passieren sollen! Er hätte sich doch sicherlich das genaue Aussehen, Haarfarbe, Gesichtsform und besondere Kennzeichen gemerkt und der Polizei hilfreich zur Seite gestanden. Den Fall vielleicht auf der Stelle gelöst oder sogar verhindert, dass es überhaupt einen Fall gab! Aber er hatte mit den anderen Rosinenkuchen und Marzipanbrote geschmaust und sich ritterlich amüsiert.

Arne malte sich aus, wie es gewesen wäre, wenn er Rollo zur Toilette begleitet hätte und dem Dieb selbst begegnet wäre. Er hätte ihn doch sicher erwischt, mitsamt seiner Beute! Vielleicht hätte er ihm ein Bein stellen können und so seine Flucht verhindert? Zumindest hätte er eine genaue Beschreibung des Täters geliefert.

»Ein Monster! Dass ich nicht lache!«, seufzte Arne gequält in sein Kopfkissen hinein.

Warum war er nur bei seinen Kumpanen sitzen geblieben! Wild zugeprostet hatten sie sich und ihre Becher so hoch in die Luft geschwungen, dass der Saft nur so in die Gegend gespritzt war. Und derweil hatten sie das Entscheidende, das Spannendste, was an diesem Tag im MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE geschah, dummerweise verpasst.

Ein Verbrechen war geschehen, ein Diebstahl, und das am helllichten Tag! Während Arne zurr Ritter geschlagen wurde, hatte jemand in einem der angrenzenden Räume den Heiligen Georg geklaut, den kleinen Ritter aus Eichenholz, den die Museumsangestellte den Kindern auf dem Weg zur Zeremonie gezeigt hatte. Dazu hatte sie ihnen erklärt, dass diese Figur zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Norddeutschland geschnitzt worden war und wer der Heilige Georg überhaupt gewesen sei: ein Märtyrer, der im Jahr 303 starb und der auf vielen Darstellungen einen Drachen oder auch eine Schlange besiegte. Damit war das Böse, das es auf der Welt gab – sozusagen der Teufel – gemeint. Arne hatte genau aufgepasst, so ein echter Ritter interessierte ihn doch auch.

Und nur kurze Zeit später war der Heilige Georg geklaut und im Museum stand man buchstäblich Kopf. Zuerst hatte noch die Hoffnung bestanden, ein Kunstrestaurator hätte die Figur vielleicht nur für kurze Zeit ausgeliehen, um etwas daran auszubessern. Ein Kollege der Frau, die für ihre Feier zuständig war, war kurz zu ihnen ins Zimmer gekommen und hatte flüsternd in der Ecke mit ihr gestanden. Leider hatten sie sich so leise unterhalten, dass nichts zu verstehen gewesen war. Nur dass die Museumsangestellte plötzlich hochrot angelaufen war und mehrmals kopfschüttelnd: »Das ist doch nicht möglich!«, gesagt hatte, das war natürlich niemandem von ihnen entgangen. Und plötzlich stand jede Menge Polizei in der Tür. »Niemand verlässt den Raum!«, hatte einer der Beamten, halb im Scherz, halb im Ernst, laut gebrüllt. Hinter ihm hatte Rollos blonder Haarschopf geleuchtet. Und dann war Mama mit ihm und dem Einsatzleiter in einen Nebenraum gegangen und Arne und seine Feier waren ziemlich vergessen gewesen. Nur Rollo, ausgerechnet er, der jüngste von allen, hatte dort sein dürfen, wo das Abenteuer geschah! Vor Wut und Neid musste Arne fast in sein Kopfkissen beißen.