Der grüne Stern - Heiner Rank - E-Book

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Heiner Rank

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Beschreibung

Es geht um Rauschgift, um Rauschgiftschmuggel. 2 unerbittliche Gegner stehen sich gegenüber: auf der einen Seite das ägyptische Frontier-Corps, eine Spezialtruppe, die den Rauschgiftschmuggel bekämpfen soll. Auf der anderen Seite die Rauschgiftschmuggler. Ihr Anführer ist Achmed: Es ist Nacht. Kamele klettern in langer Reihe einen steinigen Pfad hinauf. Fast lautlos, wie große dunkle Schatten gleiten sie dahin, nur das leise Klirren des Zaumzeugs und das Knarren der ledernen Gepäckgurte dringt durch die Stille. An der Spitze der Karawane reitet Achmed. Etwa vierzigjährig ist er, groß und hager. Die schwarzen Augen im braunen Gesicht blicken kalt. Um den Mund spielt ein dünnes, verächtliches Lächeln. Am blauschwarzen Himmel glitzern unnatürlich hell die Sterne. Der Weg, der sich zwischen Felsbrocken hindurchwindet, liegt in tiefem Dunkel. Doch Achmed findet ihn mit Sicherheit. Er kennt das felsige Hochplateau zwischen dem Roten Meer und dem Niltal so genau wie die verwinkelten Gässchen seines Heimatdorfes. Und je dunkler die Nacht, um so lieber ist es ihm und seiner Truppe. So sehr sich die Schmuggler auch mühen, die geübten Männer vom Frontier-Corps haben Spuren entdeckt und die Verfolgung aufgenommen. Bis jetzt aber konnten Achmed und seine Leute ihre Verfolger immer wieder abschütteln. Dann kommt es zum Kampf. Die Schmuggler können aber noch einmal entkommen. Leutnant Haschaba bricht die Verfolgung ab. Aber wieso wurde die erste grüne Leuchtkugel zu früh abgefeuert? l Es bleibt, wie man es auch wendet, nur der ungeheuerliche Gedanke, dass einer seiner Soldaten mit den Schmugglern im Bunde ist. Im Allgemeinen sind die Männer vom Frontierkorps treue, zuverlässige Soldaten und meist sehr stolz darauf, dieser Elitetruppe anzugehören. Der Leutnant weiß keine andere Möglichkeit, als alle Einzelheiten des Vorfalls seinen Vorgesetzten im Kairoer Hauptquartier zu melden. Aus ziemlich demselben Grunde hat auch Achmed ein Problem, als er seinem Auftraggeber berichten muss, dass bei dem Feuerüberfall in der Nacht ausgerechnet ihr Vertrauensmann im Frontierkorps vom Abschnitt Beni Suef verwundet wurde. Man habe ihn in das Kairoer Militärhospital auf der Nilinsel Geziret el Roda überführt. Und Achmed entwickelt einen riskanten Plan, um ihn dort rauszuholen, da er opiumsüchtig ist und zum Verräter werden könnte. Aber auch die andere Seite entwickelt einen listigen Plan. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein sehr wertvolles Feuerzeug, das Achmed im Gefecht verloren hat.

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Impressum

Heiner Rank

Der grüne Stern

Eine Kriminalerzählung aus dem Orient

ISBN 978-3-95655-392-9 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien unter dem Pseudonym Heiner Heindorf erstmals 1960 im Verlag Kultur und Fortschritt Berlin (Kleine Jugendreihe, 11. Jahrgang, 2. Augustheft).

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2015 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

1. Kapitel

Es ist Nacht. Kamele klettern in langer Reihe einen steinigen Pfad hinauf. Fast lautlos, wie große dunkle Schatten gleiten sie dahin, nur das leise Klirren des Zaumzeugs und das Knarren der ledernen Gepäckgurte dringt durch die Stille. An der Spitze der Karawane reitet Achmed. Etwa vierzigjährig ist er, groß und hager. Die schwarzen Augen im braunen Gesicht blicken kalt. Um den Mund spielt ein dünnes, verächtliches Lächeln. Am blauschwarzen Himmel glitzern unnatürlich hell die Sterne. Der Weg, der sich zwischen Felsbrocken hindurchwindet, liegt in tiefem Dunkel. Doch Achmed findet ihn mit Sicherheit. Er kennt das felsige Hochplateau zwischen dem Roten Meer und dem Niltal so genau wie die verwinkelten Gässchen seines Heimatdorfes. Und je dunkler die Nacht, um so lieber ist es ihm und seiner Truppe. Denn nicht zum ersten Mal sind sie auf diesen wenig bekannten Schleichwegen unterwegs, und oft schon hingen Leben, Erfolg und gute Belohnung nur von der tiefen Dunkelheit der Nacht, von Achmeds zuverlässiger Ortskenntnis und seinem hervorragenden Orientierungssinn ab. Scharfäugig mustert er die Felsen, deren schwarze Silhouette sich deutlich gegen den sternenübersäten Himmel abzeichnet. Seine Nasenflügel blähen sich — sogar den Geruch der Luft und der kümmerlichen, halbverdorrten Sträucher, die einigen weit verstreuten Schafherden karge Nahrung geben, scheint er zu prüfen und für die Bestimmung seines Standortes auszunutzen. Dann nickt er vor sich hin, und das verächtliche Lächeln wird für einen Augenblick selbstzufrieden .Er weiß jetzt, dass sie nur noch knappe fünfzig Kilometer von ihrem Reiseziel entfernt sind.

Am Golf von Akaba, an der Ostküste der Halbinsel Sinai, hat Achmed die Karawane übernommen und sie auf verschlungenen Wegen quer durch das felsige Hochland der Halbinsel zur Küste des Golfes von Suez geführt. Dort wurden sie bereits von Booten erwartet. In einer stürmischen Nacht wagten sie den Sprung von Asien nach Afrika. Die kleinen, wendigen Boote brauchten nur ein paar Stunden, den sechzig Kilometer breiten Golf zu überqueren.

Doch erst dann, am Ufer des afrikanischen Festlandes, begann der schwierigste Teil des Unternehmens. Es galt, in höchster Eile die Spuren zu verwischen, welche die dreißig Männer und die neunzig Kamele bei der Landung im weichen Ufersand hinterlassen hatten. Bevor die berittene Streife des ägyptischen Frontierkorps (ägyptische Spezialtruppe zur Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels) in Sicht kam, mussten sie hinter der ersten Bergkette des Festlandes verschwunden sein. Aber selbst nach vielen Stunden, wenn das Wasser und der schneidende Küstenwind für ein gewöhnliches Auge die Spuren völlig eingeebnet haben, können die tüchtigen, aus Oberägypten stammenden Kamelreiter des Frontierkorps an einer kleinen Vertiefung, an der unnatürlichen Lage einer winzigen Muschel, an einem Stückchen Seetang, das von einem Kamelhuf über den Bereich der an den Strand rollenden Wogen hinausgetragen wurde, erkennen, dass hier eine Schmugglerkarawane gelandet ist.

Auch die Spuren von Achmeds Kamelen sind ihren geübten Blicken nicht entgangen. Sofort setzte ein gewaltiges, sich über Hunderte von Quadratkilometern erstreckendes Kesseltreiben gegen die Schmuggler ein. Aber Achmed konnte seinen Verfolgern ein Schnippchen nach dem anderen schlagen und schüttelte sie schließlich ab. In der glühenden Hitze des Tages pflegte die Karawane, gut versteckt vor möglicherweise auftauchenden Suchflugzeugen, zu rasten. Erst in den kühlen Abendstunden ergänzte sie aus geheim gehaltenen Brunnen ihren Wasservorrat und zog dann bei Nacht weiter! Zweihundert Kilometer hatte sie auf diese Weise von der Küste aus zurückgelegt.

Achmed ist mit seiner Leistung zufrieden. Er schiebt die englische Maschinenpistole, die am Knauf seines Sattels baumelt, weiter nach vorn, schlägt seinen aus kostbarer Seide gearbeiteten Kaftan zurück und holt aus der Tasche seiner Galabieh (Talarähnliches Obergewand) ein goldenes edelsteinverziertes Feuerzeug hervor. In seinem Mundwinkel klebt bereits die Zigarette. Im selben Augenblick, da er sie anzünden will, steigt zischend, wie durch den Funken des Feuerzeugs ausgelöst, von der mit Felsgeröll übersäten Seitenwand des Tales, einen gleißenden Schweif hinter sich herziehend, eine smaragdgrüne Leuchtkugel in die Luft. Sekundenlang steht sie als grüner Stern über der leblosen Felsenlandschaft und füllt mit ihrem grellen Licht jeden Winkel und jede Spalte der Talsohle. Für einen Augenblick stehen Mensch und Tier in der unerbittlichen Helle wie versteinert da. Doch als dann an den steil abfallenden Talhängen Gewehrfeuer aufblitzt und das Echo der Schüsse donnernd durch die Schlucht rollt, kommt urplötzlich Bewegung in die Überraschten. Sie reißen ihre automatischen Waffen von den Sätteln, suchen, so gut es geht, Deckung hinter ihren Reittieren oder hinter Steinbrocken und erwidern das Feuer.

Ein echter Beduine ergibt sich nicht. Er ist an ein hartes Leben voller Entbehrungen und Kämpfe gewohnt. Seit eh und je durchstreift er ungebunden das Land und ist stets bereit, seine persönliche Freiheit bis zur letzten Patrone zu verteidigen. Der mohammedanische Glaube hat ihn gelehrt, dass Tod und Leben in Allahs Hand liegen, dass Gott das Schicksal jedes einzelnen vorausbestimmt hat. Darum wäre es ganz sinnlos zu lamentieren; wenn es Allahs Wille ist, bleibt eben nichts weiter übrig, als in Ehren zu sterben.

Achmed hat sich hingeworfen. Seine scharfen Augen spähen umher. Alles hängt jetzt davon ab, wie seine Todfeinde vom Frontierkorps ihre Stellung gewählt haben. Im letzten Licht der sinkenden Leuchtkugel richtet er sich halb auf und schreit durch den Kampflärm und das schrille Blöken eines tödlich getroffenen Kamels seine Befehle. Triumph und Zuversicht klingen aus seiner Stimme, denn er hat eine Möglichkeit zur Rettung entdeckt.

Als die zweite Leuchtkugel aufsteigt, ziehen sich die Schmuggler bereits zurück. Zwei von ihnen haben ein leichtes Maschinengewehr in Stellung gebracht und decken mit langen Feuerstößen die Flucht der Karawane. Die Soldaten des Frontierkorps pressen sich an den felsigen Boden, um den prasselnden Garben und schwirrenden Querschlägern zu entgehen. Nach wenigen Minuten ist die Karawane in einem Seitental verschwunden. Achmed schiebt sich neben das Maschinengewehr. Es ist abermals dunkel im Tal. Das Huftrappeln und die aufgeregten Schreie der Kamele hallen von den Steinwänden wider; aus der Nähe dringt das Stöhnen Verwundeter. Jeden Augenblick kann eine neue Leuchtkugel das Tal erhellen. Er gibt seinen Männern Anweisung zu feuern, solange etwas zu sehen ist, und dann zurückzulaufen. Da ist auch schon die Leuchtkugel. Zischend fährt sie in die Höhe und füllt den Himmel mit gespenstischem grünem Licht. Das Maschinengewehr beginnt zu bellen.

Aber auch die Soldaten haben die Dunkelheit genutzt und sich von zwei Seiten näher an den Gegner herangearbeitet. Die Kugeln ihrer Schnellfeuergewehre prallen dicht neben den Köpfen der Schmuggler gegen die Felsen; Funken und Steinsplitter spritzen umher. Achmed hat seine Maschinenpistole in Anschlag gebracht. Er zielt sorgfältig, dann zieht sein Finger den Abzug durch. Mit hellem Pfeifen jagen die Geschosse aus dem Lauf. Sie gelten jedoch nicht den Soldaten des Frontierkorps. Sie treffen die verwundeten Schmuggler, die nicht lebend in die Hände des Feindes fallen dürfen; zu viele Geheimnisse könnten sie verraten. Achmed legt ein neues Magazin ein. Seine Aufgabe ist erledigt. Inzwischen haben sich die Soldaten herangearbeitet. Eine Handgranate wirbelt durch die Luft, explodiert mit trockenem Knall. Die Stellung ist nicht länger zu halten, das Maschinengewehr muss aufgegeben werden. Achmed huscht davon, die beiden Beduinen folgen ihm. Da erlischt plötzlich die Leuchtkugel. Einer der beiden Beduinen schreit fast im selben Moment auf und bricht in die Knie. Achmed wendet sich um und reißt die Maschinenpistole hoch, aber er kann den Getroffenen in der Dunkelheit nicht entdecken. Rings um ihn prallen die Kugeln der Verfolger gegen das Gestein. Wenn ihm sein Leben lieb ist, muss er unverzüglich weiter. Mit einem Fluch auf den Lippen stürzt er davon.

Eine Viertelstunde später lässt Leutnant Haschaba die Verfolgung abbrechen. Die Karawane ist entkommen, obwohl die Falle geschickt und mit äußerster Sorgfalt vorbereitet war. Während einige Soldaten von den jenseits der Bergkette versteckten Reitkamelen Fackeln holen, um den Kampfplatz nach Toten und Verletzten abzusuchen, setzt sich Haschaba auf einen Steinbrocken und denkt darüber nach, wer von seinen Männern wohl den verfrühten Angriff ausgelöst und damit den Schmugglern zur Flucht verholten hat. Als Zeichen des Beginns war eine grüne Leuchtkugel ausgemacht worden, die er abfeuern wollte, wenn sich die Karawane genau in der Mitte des Talkessels befand und seine Soldaten den Ein- und Ausgang abgeriegelt hatten. Was aber war geschehen? Kaum war die Vorhut der Schmuggler in das Tal eingerückt, als auch schon die grüne Kugel in den Himmel stieg. Haschaba jedoch hatte seine Pistole nicht abgefeuert. Es bleibt, wie man es auch wendet, nur der ungeheuerliche Gedanke, dass einer seiner Soldaten mit den Schmugglern im Bunde ist. Im Allgemeinen sind die Männer vom Frontierkorps treue, zuverlässige Soldaten und meist sehr stolz darauf, dieser Elitetruppe anzugehören. Der Leutnant weiß keine andere Möglichkeit, als alle Einzelheiten des Vorfalls seinen Vorgesetzten im Kairoer Hauptquartier zu melden.

Unterdessen sind die Soldaten mit lodernden Pechfackeln zurückgekehrt. Auf Haschabas Befehl beginnt eine gründliche Suche. Zwei tote Schmuggler werden gefunden, ein Stück entfernt noch ein Verwundeter, mit einem Steckschuss im Oberschenkel. Alle drei gehören einem Beduinenstamm aus dem Aschabab an, einem ausgedehnten Gebiet im Südteil der Arabischem Wüste zwischen Nil und Rotem Meer. Die Stammeszeichen, die man ihnen schon als Kinder ins Gesicht geschnitten hat, sind unverkennbar.

Auch unter den Soldaten des Frontierkorps sind zwei Leichtverwundete. Sie werden notdürftig verbunden und nach Beni Suef geschickt, von wo sie dann mit dem Zug in wenigen Stunden nach Kairo ins Militärhospital befördert werden können. Der verwundete Schmuggler wird gleichfalls dorthin transportiert. Er soll unter strenger Bewachung in das Kairoer Hauptquartier überführt werden.