Der gute Fra Checco - Richard Voss - E-Book

Der gute Fra Checco E-Book

Richard Voß

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Beschreibung

Der gute Fra Checco ist eine Erzählung von Richard Voss. Auszug: Er war wirklich gut! Alle Welt sagte es. In ganz Italien gab es keinen besseren Kapuzinerfrater als ihn, den »guten Fra Checco«. Man nannte ihn so hinter seinem Rücken und ihm ins Gesicht hinein, darin jede Miene sagte: »Seht mich an, ihr lieben Leute. Seht mich recht genau an. Ich bitte euch herzlich. Ihr müßt mir's ja doch vom Gesicht ablesen, wie gut ich bin. Keinem Würmlein am Wege könnte ich ein Leides zufügen. Wahr und wahrhaftig nicht! Für diese sündige Welt bin ich ein viel zu guter Mensch. Ihr dürft mir's glauben.« Als wir ihn kennen lernten, war der gute Fra Checco überdies noch ein recht stattlicher Mann. Die dunkelbraune Kutte des großen Heiligen von Assisi kleidete den wackeren Bruder vortrefflich. Er hielt sein grobes Gewand der Demut äußerst reinlich, ängstlich darauf achtend, daß sein äußerer Mensch dem inneren gleichkam. Seine Sorgfalt dehnte sich sogar auf den Strick aus, womit er sein braunes Kleid gürtete: niemals zu hoch! Der Strick war stets von tadelloser Weiße und geradezu mit Grazie geknotet. Selbstredend steckten seine nackten wohlgeformten Füße - sie leuchteten in schönster Bronzefarbe - in den saubersten Sandalen. Diese bestanden freilich aus harter Rindshaut und waren von dem guten Bruder selbst verfertigt. Trotzdem mußten sie für wahre Wunder von Mönchsschuhen gelten, und so zierlich, als sollten sie die Füßlein einer reizenden jungen Dame bekleiden.

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Der gute Fra Checco

Der gute Fra CheccoAnmerkungenImpressum

Der gute Fra Checco

Erstes Kapitel

Er war wirklich gut! Alle Welt sagte es. In ganz Italien gab es keinen besseren Kapuzinerfrater als ihn, den »guten Fra Checco«. Man nannte ihn so hinter seinem Rücken und ihm ins Gesicht hinein, darin jede Miene sagte: »Seht mich an, ihr lieben Leute. Seht mich recht genau an. Ich bitte euch herzlich. Ihr müßt mir's ja doch vom Gesicht ablesen, wie gut ich bin. Keinem Würmlein am Wege könnte ich ein Leides zufügen. Wahr und wahrhaftig nicht! Für diese sündige Welt bin ich ein viel zu guter Mensch. Ihr dürft mir's glauben.«

Als wir ihn kennen lernten, war der gute Fra Checco überdies noch ein recht stattlicher Mann. Die dunkelbraune Kutte des großen Heiligen von Assisi kleidete den wackeren Bruder vortrefflich. Er hielt sein grobes Gewand der Demut äußerst reinlich, ängstlich darauf achtend, daß sein äußerer Mensch dem inneren gleichkam. Seine Sorgfalt dehnte sich sogar auf den Strick aus, womit er sein braunes Kleid gürtete: niemals zu hoch! Der Strick war stets von tadelloser Weiße und geradezu mit Grazie geknotet. Selbstredend steckten seine nackten wohlgeformten Füße – sie leuchteten in schönster Bronzefarbe – in den saubersten Sandalen. Diese bestanden freilich aus harter Rindshaut und waren von dem guten Bruder selbst verfertigt. Trotzdem mußten sie für wahre Wunder von Mönchsschuhen gelten, und so zierlich, als sollten sie die Füßlein einer reizenden jungen Dame bekleiden.

Als wir den Würdigen kennen lernten, stand er gerade im besten Mannesalter. Sein dichter, kohlschwarzer Bart umrahmte ein hübsches braunes Gesicht, das, trotz der Armut seines Bergklösterleins, recht wohl genährt war, und darin die dunklen südlichen Augen je nach Bedarf bald reinste Nächstenliebe, höchste Gottesfurcht und tiefste Demut, bald lustige Laune oder ehrenfeste Biedermännigkeit ausdrückten.

Der gute Fra Checco sammelte jahraus jahrein für sein Kloster Almosen ein. Weniger infolge dieses Gott wohlgefälligen Amtes, als vielmehr seiner menschenfreundlichen, achtbaren und herzgewinnenden Persönlichkeit willen war er weit und breit bekannt. Er besaß zur Popularität ein Genie, um das ihn ein Monarch von Gottes- und ein Reichstagsabgeordneter durch Volkesgnaden beneiden konnte. Dabei stand er so himmelhoch über allen Parteien, von denen sein schönes Vaterland, das einige Italien, zerrissen wird, daß sein reines Gemüt den liberalsten, also gottlosesten katholischen Christen mit derselben Nächstenliebe umfaßte, wie das gläubigste Mitglied seiner großen Gemeinde. Er heischte demnach sein Scherflein ebensogut von der frommsten Witib, wie von dem fanatisiertesten Antiklerikalen – und von beiden ward ihm gegeben! Von dem einen allerdings häufig unter greulichen Gotteslästerungen; aber gegeben ward ihm, und er, der wahrhaft Gute, steckte die Verwünschungen und wütenden Ausfälle gegen sein Kleid und seinen Gott mit derselben echt christlichen Demut und Bonhomie ein, wie die Soldi.

Jeden frühen Morgen, den Gott schuf, besuchte Fra Checco, nachdem er mit größter Inbrunst der ersten Messe beigewohnt hatte, die große Klosterküche – darin leider gar selten etwas Gutes gebraten oder gebacken ward, holte sich daselbst die von ganz Frascati gekannte dickbauchige, glänzende Blechkapsel, begab sich damit in den »Orto«, den klösterlichen Gemüsegarten, und ließ sich vom Bruder Gärtner sein umfangreiches Gefäß bis zum Rand mit Salat füllen; denn er, Fra Checco, nahm kein christliches Almosen umsonst.

Dieser Salat, den Fra Checco an alle, die ihm gaben, mit vollen Händen austeilte, war so berühmt, so populär, wie er selbst. Es war aber auch ein Salätlein! Auf Gottes weiter, schöner Welt konnte nur Klostersalat so zart, so aromatisch, mit einem Wort, so köstlich sein! Aus neunerlei Kräutern war er gemischt, in einer Zusammenstellung, einer Komposition der verschiedensten Qualitäten, die einem Lucius Lucullus Ehre gemacht hätte.

Seinen kühlen schimmernden Behälter wohlgefüllt, sein fleckenloses geistliches Gewand wohlgeschürzt, sein hübsches würdiges Antlitz förmlich leuchtend vor Gottesfurcht und Menschenliebe, wandelte Fra Checco gelassenen Schrittes, fromm-vergnügt durch den frühen Morgen den hohen Berg hinab, auf dessen Gipfel sein liebes Kloster inmitten ausgedehnter prächtiger Oelwälder thronte. Es mochte ein strahlender Tag sein, oder der Regen in Strömen fließen, mochte Frühlingsluft wehen, oder die Tramontana heulen, sengender Sommerbrand oder eisige Winterkälte sein – jeden frühen Morgen wandelte der Gute den Berg hinab; denn der Klostergarten gedieh zu jedweder Jahreszeit. Er kam, und wo die schokoladenfarbene Kutte erschien, das Blechgefäß leuchtete, das Antlitz des Würdigen sich zeigte – überall hieß es freudig: »Der gute Fra Checco ist da!«

Aber er gab nicht allein von seinem wundersamen Salat, sammelte nicht allein christliche Spenden – die er nur in bar annahm, er erteilte auch in allen weltlichen und geistlichen Angelegenheiten dieser Erde klug-frommen Rat. Mit besonders inniger Vorliebe und besonders starkem Erfolg übte er seine geistliche Thätigkeit auf irdischem Gebiet aus. Er versöhnte hadernde Ehegatten und schmollende Liebesleute; er vereinte streitende Parteien, ganz gleich welcher Richtung; er vermittelte Käufe von Wein, Oel und allen sonstigen Dingen, die überhaupt zu kaufen und zu verkaufen waren; er deutete Träume, prophezeite das Wetter, sagte Zahlen aus, die im Lotto und bei der Tombola unfehlbar gewinnen mußten – wenn die Seelen der Spielenden frei von jeglicher Schuld und Sünde waren. Er wußte alles, wußte, was niemand sonst wußte. Er kannte tausend Mittel und Mittelchen, erzählte die rührendsten heiligen Legenden, die schaurigsten Geistergeschichten, die lustigsten Schwänke und wurde dafür geliebt, verehrt, überall mit lautem Jubel willkommen geheißen, erhielt dafür Almosen, wie weit und breit kein andrer Kapuziner, der seinen Beruf auf Erden doch auch recht wacker erfüllte.

Jeden Sonnabendvormittag erschien er bei uns in der Villa Falconieri, und jeden Sonnabend freuten wir uns auf seine Ankunft. Brachte er uns doch nicht allein den köstlichsten aller Salate, der in einem römischen Klostergarten gediehen war, sondern zugleich mit den würzigen Kräutern seine ganze prächtige Person, die in unserm Hause längst eine zu diesem gehörende Gestalt geworden war.

Häufig stand ich, ihn erwartend, am Fenster meines Arbeitszimmers; denn es gewährte mir immer großes Vergnügen, den stattlichen Mönch aus den strahlenden Lichtfluten des freien Vorhofs durch das hohe Portal in die tiefen Schatten der Steineichen treten und die breite Allee langsam dahinwandeln zu sehen, von den Weibern und Kindern der in der Villa beschäftigten Arbeiter und unsern Dienstleuten mit Fanatismus begrüßt.

Da ich mich gern mit ihm unterhielt, so mußte er mir stets gemeldet und – hatte ich nicht gerade ungewöhnlich viel zu thun, zu mir geführt werden. Es hieß dann jedesmal: »Ecco Fra Checco!« Und ich setzte jedesmal ergänzend hinzu: »Il buono Fra Checco!« Denn – man kann mir aufs Wort glauben, es gab keinen Besseren!

Wenn ich den Guten sprechen konnte, so kam er in mein Arbeitszimmer, nahm behaglich Platz, schlürfte gemütlich ein Glas besten Frascataners – er liebte nur süßen Wein, und schmauchte dazu schmunzelnd eine »Cavour«. Dann plauderten wir gar gemütlich.

Was erfuhr ich nicht alles von ihm! Ganze Novellenbände, die für mich nur den einen Fehler besaßen, daß es ihrer zu viele waren, um sie samt und sonders aufschreiben zu können. Da jedoch die ungeschriebenen Gedichte die schönsten sein sollen, so sind meine ungeschriebenen »römischen Dorfgeschichten« sicher meine besten.

Und wie