Wenn einer in die Wüste geht - Richard Voss - E-Book

Wenn einer in die Wüste geht E-Book

Richard Voß

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Beschreibung

Wenn einer in die Wüste geht ist ein Abenteuerkurzroman von Richard Voss. Auszug: Das von Assuan kommende Nilboot fuhr bei den Ruinen von Antinopolis auf eine Sandbank und mußte von den arabischen Schiffern flott gemacht werden. Da der Frühling bereits vorgerückt war, führte der Fluß wenig Wasser. Bei dem Staudamm am ersten Katarakt wurde mit diesem Lebenselixier Ägyptens Haus gehalten, als verschlösse ein Geizhals sein Gold. Erst, wenn die Nilflut noch tiefer sank, das Nilland noch mehr austrocknete, gab der Knauser dort oben von seinem Überfluß her. Er wurde dann freilich zum Verschwender, der seine feuchten Schätze krösusgleich austeilte, damit die überschwemmten Felder dreifache Frucht trügen ... Als das Schiff mit sanftem Ruck festsaß, versammelten sich die Passagiere auf dem zu einem offenen Salon eingerichteten Vorderdeck. Orientalische Teppiche bedeckten den Boden; ein buntes Zeltdach schützte vor Sonnenbrand, und ein Boskett hoher Blattpflanzen erinnerte angesichts der Goldgluten der Wüste an Gärten und frisches Grün.

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Wenn einer in die Wüste geht

1234567891011AnmerkungenImpressum

1

Das von Assuan kommende Nilboot fuhr bei den Ruinen von Antinopolis auf eine Sandbank und mußte von den arabischen Schiffern flott gemacht werden. Da der Frühling bereits vorgerückt war, führte der Fluß wenig Wasser. Bei dem Staudamm am ersten Katarakt wurde mit diesem Lebenselixier Ägyptens Haus gehalten, als verschlösse ein Geizhals sein Gold. Erst, wenn die Nilflut noch tiefer sank, das Nilland noch mehr austrocknete, gab der Knauser dort oben von seinem Überfluß her. Er wurde dann freilich zum Verschwender, der seine feuchten Schätze krösusgleich austeilte, damit die überschwemmten Felder dreifache Frucht trügen ...

Als das Schiff mit sanftem Ruck festsaß, versammelten sich die Passagiere auf dem zu einem offenen Salon eingerichteten Vorderdeck. Orientalische Teppiche bedeckten den Boden; ein buntes Zeltdach schützte vor Sonnenbrand, und ein Boskett hoher Blattpflanzen erinnerte angesichts der Goldgluten der Wüste an Gärten und frisches Grün.

Die Gäste des schönen Schiffes der Hamburg-Anglo-Amerika-Linie unterhielten sich während des unfreiwilligen Aufenthalts vortrefflich. Um das Boot von der Sandbank los zu bekommen, sprang ein Teil der braunen Mannschaft ins Wasser, während andre von Bord aus mittels langer Stangen versuchten, das schwere Fahrzeug aus seiner Fesselung zu befreien. Damit die mühsame Arbeit leichter von statten gehe, sangen die Leute beständig die nämliche kurze Strophe, die nämliche eintönige Melodie. Sie schwebte über den gelben Wassern feierlich wie ein Hymnus.

Nur ein einziger Passagier der ganzen Reisegesellschaft schien über die Verzögerung ungehalten zu sein. Er war eine auffallende Erscheinung, nicht mehr jung, sehr distinguiert, hoch und schlank gewachsen, das rasierte Gesicht farblos, mit einem energischen Ausdruck, den ein Leben voller Kampf und Drang darauf geschaffen hatte. Seiner Kleidung und Haltung nach konnte er ein Engländer der ersten Gesellschaftskreise sein. Er war jedoch ein Deutscher, der sich als ein Freiherr von so und so in die Passagierliste der ›Germania‹ eintrug. An der Nilfahrt beteiligte er sich seit Assuan; befand sich also bereits volle acht Tage auf dem Schiffe; hielt sich jedoch von der heiteren Gesellschaft, die als gute Bekannte miteinander verkehrten, vollkommen abgesondert; wurde daher auch von dieser unbeachtet gelassen und höchst unliebenswürdig, prätentiös und störend gefunden. So geschah es denn zum erstenmal, daß einer der Mitreisenden den unnahbaren Herrn ansprach. Es bedurfte einiger Kühnheit; aber der unerschrockene Tourist gehörte zu den durchaus Harmlosen und Gutmütigen. Als er die sichtliche Ungeduld des Freiherrn bemerkte, wollte er diesem ein beruhigendes Wort sagen.

»Sie werden in El-Wasta den Zug gewiß noch erreichen.«

»Woher wissen Sie, daß ich den Zug zu erreichen wünsche?«

Der Angeredete fragte mit der kühlen Höflichkeit des Weltmanns und erhielt von dem Harmlosen lächelnd erwidert: »Das wissen wir alle, da das Schiff eigens für Sie in El-Wasta anlegen soll.«

»Man ist so freundlich. Ich muß deshalb um Entschuldigung bitten – da durch das Anlegen in El-Wasta die Fahrt eine neue Verzögerung erleidet.«

»Es macht uns nichts. Ganz und gar nichts. Obgleich den meisten von uns Kairo tausendmal besser gefällt, als ewig dieses gelbe Wasser und ewig diese gelben Berge. Finden Sie nicht auch?«

»Gewiß.«

»Sie gehen ins Fayum?«

»An den Mörissee.«

»Liegt der nicht in der Wüste?«

»In der Wüste, mein Herr.«

»Schauderhaft. Gibt es dort wenigstens Hotels wie in Gizeh und Heluan? Oder neuerdings in Heliopolis? Kennen Sie das Hotel Heliopolis? Ein Zauberschloß, ein Feenpalast, ein Wüstenwunder sage ich Ihnen. Das Esplanadehotel in Berlin ist die reine Hütte dagegen. Zweihundert Kellner. Bitte, stellen Sie sich vor: zweihundert Kellner. Großartig! Nur, daß das Ding auch wieder in der Wüste liegt, wissen Sie.«

»Ich weiß.«

»Im Baedeker las ich soeben, an eben derselben Stelle, an der wir hier auffuhren, habe sich der berühmte Antinous – der Antinous vom Vatikan, Sie wissen doch? – in den Nil gestürzt, um durch seinen Selbstmord Seine Majestät den Kaiser Hadrian vor Unglück zu bewahren. Der junge Mann muß ein sonderbarer Schwärmer gewesen sein. Finden Sie nicht auch?«

»Gewiß.«

»So was geschieht heute nicht mehr. Für solche Dummheiten sind wir viel zu aufgeklärt. Und erst unsere Jugend von heute, wissen Sie.«

»Ich weiß.«

»Übrigens sollte einer von den Passagieren einmal versuchen, über Bord zu springen, um à la Antinous im Nil zu ersaufen. Nichts als Schlamm. Einfach scheußlich! Und darum reist ein gebildeter Mensch nach Ägypten. Ein Glück, daß es auch in Ägypten bayrisch Bier und nette Menschen gibt.«

»Verzeihen Sie.«

»Richtig. Da wären wir endlich losgekommen. Passen Sie auf! Jetzt gibt es gleich die alte Geschichte: gleich beginnt die Winselei um den Bakschisch. Erst festfahren, dann um Bakschisch betteln. Denn die Kerls lassen uns ja doch nur deshalb aufsitzen. Na, und wir sitzen ihnen denn auch auf. Gräßliche Bande!«

Seine letzte Rede mußte der gebildete Ägyptenreisende – er war nur ein Typus – an einen andern Mitreisenden richten, der sie mit begeisterter Zustimmung aufnahm: der »wirklich sehr unangenehme Mensch« hatte sich bereits entfernt, um von dem Dragoman zu erfahren, ob es noch möglich sein würde, rechtzeitig El-Wasta und den Zug zu erreichen?

Der Eilzug kam von Kairo und fuhr in die Oase von Fayum nach Medinet-Fayum.

Der Mann, der dorthin wollte, der in die Wüste ging, machte den Eindruck, als habe er ein Schicksal zu tragen.

2

Als die ›Germania‹ in möglichster Nähe der Bahnstation an dem wüsten Ufer des einen Passagieres willen anlegte, gab der neue kleine Zwischenfall der Reisegesellschaft eine neue kleine Unterhaltung: man wollte den »unangenehmen Menschen« an Land steigen sehen, froh, ihn losgeworden zu sein: er begann zu genieren und das allgemeine Behagen entschieden zu stören. Wie erstaunte man, als sich der steife Geselle noch im letzten Augenblick anständig benahm und vor der Gesellschaft, die seinetwillen den Aufenthalt erleiden mußte, mit vollendeter Höflichkeit den Hut zog und in bester Form sich verabschiedete. Schade, daß die Gentilezza zu spät kam. Es war schließlich eine interessante Persönlichkeit, die viel erlebt haben mußte. Was er nur am Mörissee wollte, wohin selten ein »gebildeter« Ägyptenreisender und Nilfahrer kam? Der Mörissee lag direkt in der Libyschen Wüste und sollte ein »Grandhotel« haben, dessen Gäste in Zelten wohnen mußten. Das war ja soweit recht romantisch; doch immerhin »Savoy« in Assuan, »Winter Palace« in Luxor, Hotel »Semiramis« in Kairo; vor allem das märchenhafte »Heliopolis« wären für solchen eleganten Herrn – elegant war er – denn doch etwas ganz anderes gewesen ...

Es war nicht leicht, bei El-Wasta an Land zu kommen. Das hohe Ufer fiel steil ab und der Ausgeschiffte mußte sich als gewandter Kletterer erweisen. Sein Gepäck blieb unten auf dem schmalen Streifen Flußsands verstreut liegen, wie es die Araber ausgebootet hatten. Dann setzte der Dampfer seine Fahrt fort.

Als sei der beliebteste Passagier der wackeren ›Germania‹ schiffbrüchig auf einer Klippe im Meer ausgesetzt worden, gab es an Bord ein Winken und Grüßen.

Alle beschäftigten sich nochmals mit dem einen: »Wie heißt er doch gleich?«

»Götz von Uslar.«

»Freiherr von Uslar!«

»Uslar klingt kolossal feudal.«

»Und Götz hieß schon der von Berlichingen.«

»Ich muß den Namen schon einmal irgendwie und wo gehört oder gelesen haben.«

»Bitte wie und wo?«