Der Herrgott hat gelacht - Sandesh Manuel - E-Book

Der Herrgott hat gelacht E-Book

Sandesh Manuel

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Beschreibung

»Der rappende Franziskaner«

Franziskanerkutte, Cap, Rap – Pater Sandesh Manuel bricht mit vielen Klischees und begeistert Menschen gerade auf diese unkonventionelle Art für den Glauben an Jesus Christus.

Sein Medium dafür ist YouTube, jeden Freitag geht ein neuer Song online. Als studierter Musiker begnügt er sich nicht damit, das Wort Gottes online zu predigen, sondern verpackt seine Botschaft in Raps.

Freude und Liebe weitergeben, das Besondere im Einfachen entdecken, den Menschen nahbar begegnen – diesen Prinzipien, denen sich auch schon Franz von Assisi verpflichtet fühlte, verleiht der junge Pater Ohrwurm-Qualität. Mit seinen Songs belehrt er nicht, sondern unterhält. Das Risiko, damit in konservativen Kirchenkreisen anzuecken, geht er bewusst ein. Für Pater Sandesh hat die Kirche nur dann Zukunft, wenn sie neue Wege findet, besonders auf junge Menschen zuzugehen. Das tut er mit großer Offenheit und viel Selbstironie.

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Seitenzahl: 199

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Das Buch

Mönchskutte, Pokémon-Cap, Rap – Pater Sandesh Manuel bricht mit vielen Klischees und begeistert Menschen gerade auf diese unkonventionelle Art für den Glauben an Jesus Christus.

Sein Medium dafür ist YouTube, jeden Freitag geht ein neuer Song online. Als studierter Musiker begnügt er sich nicht damit, das Wort Gottes online zu predigen, sondern verpackt seine Botschaft in Raps.

Freude und Liebe weitergeben, das Besondere im Einfachen entdecken, den Menschen nahbar begegnen – diesen Prinzipien, denen sich auch schon Franz von Assisi verpflichtet fühlte, verleiht der junge Pater Ohrwurm-Qualität. Mit seinen Songs belehrt er nicht, sondern unterhält. Das Risiko, damit in konservativen Kirchenkreisen anzuecken, geht er bewusst ein. Für Pater Sandesh hat die Kirche nur dann Zukunft, wenn sie neue Wege findet, besonders auf junge Menschen zuzugehen. Das tut er mit großer Offenheit und viel Selbstironie.

Der Autor

Sandesh Manuel, geb. 1980, trat mit 17 Jahren in den Franziskanerorden ein. Der Wunsch, im Kloster zu bleiben und Mönch zu werden, entwickelte sich bei ihm erst im Kloster.

Seit 2013 lebt Pater Sandesh Manuel in einem Franziskanerkloster in Wien und studiert dort Jazz und Pop. Um Kontakt zu seinen Freunden und Mitbrüdern in Indien zu halten, fing er an YouTube-Videos einzusingen. Seine Fan-Gemeinde wuchs dabei über seinen direkten Bekanntenkreis hinaus. Der Durchbruch gelang ihm mit seinem Lied über Kärnten. Mit diesem Lied ist er in Österreich zum absoluten YouTube-Star geworden.

Er selbst bezeichnet sich als Musiker, Maler und YouTuber, dessen größtes Glück es ist, Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Inzwischen hat Pater Manuel über 13.000 YouTube-Abonnenten.

Pater Sandesh Manuel OFM

Der Herrgott hat gelacht

Mein Leben mit Hip-Hop und Kloster

Zusammen mit Daniel Bachmann und P. Elias van Haaren OFM

Kösel

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit konnte eine gendergerechte Schreibweise nicht durchgängig eingehalten werden. Bei der Verwendung entsprechender geschlechtsspezifischer Begriffe sind im Sinne der Gleichbehandlung jedoch ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.

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Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: Stephan Schönlaub, FinePic®, München

Quellenangabe Kapitel »Bruder Sonne, Schwester Mond«: Die Blümlein des Heiligen Franziskus, Hrsg. v. Ramon de Luca, Wil 2013.

ISBN978-3-641-27990-5V001

www.koesel.de

Inhalt

Auftakt

Vom Baby zum jungen Mann

Wann wurdest du eigentlich getauft?

Ein kleiner Schritt mit großen Folgen. Mein Weg ins Kloster

Musik: Mein Leben bekommt eine Melodie

Wie ich wirklich nach Österreich kam

Aller Anfang ist schwer

Inspirieren? Ja! Beeinflussen? Nein!

YouTube: Meine Mission?

Menschen mit mir auf dem Weg

Meine Welt auf acht Quadratmetern

Man kann nicht nichts tun

Das Glück der kleinen und großen Dinge

Der »Billa-Song«

Der Herrgott hat gelacht und in Kärnten den Durchbruch gebracht

Bruder Sonne, Schwester Mond

Über die Kunst des Dranbleibens

Schlussakkord

Danksagung

Auftakt

»Wie bist du eigentlich nach Österreich gekommen?« Diese Frage stellen mir Menschen, wenn sie mir begegnen, normalerweise als Erstes. »Natürlich mit dem Flugzeug«, antworte ich dann scherzhaft. Wahrscheinlich haben Sie jetzt gelächelt und genau das wollte ich bewirken. Wenn Sie lachen, dann lacht der Herrgott auch. Das ist das Ziel meines Lebens und die Botschaft, die ich durch dieses Buch vermitteln möchte.

Meine Zuschauerinnen und Zuschauer in meinen Musikvideos begrüße ich meistens mit den Worten: »Hallo, liebe Leute!« oder »Hallo, beautiful Menschen!« Und so möchte ich auch dieses Buch beginnen: Hallo, liebe Leserinnen und Leser, all ihr wunderbaren Menschen, die ein bisschen mehr über mich und mein Leben erfahren wollen.

Bestimmt haben Sie das Buchcover gesehen, den Titel »Der Herrgott hat gelacht« gelesen und dann – was haben Sie gedacht? Was kam Ihnen als Erstes in den Sinn? Haben Sie einen Franziskaner gesehen mit Baseball-Kappe, der sich als Hip-Hopper bezeichnet und aus Indien kommt? Oh, mein Gott, so viele Klischees vereint: Allein schon Indien – woran denken Sie bei diesem Wort? An Bollywood Filme, Mahatma Gandhi, Mutter Teresa, an Slums oder die Paläste? An Menschen mit einem Punkt auf der Stirn und Frauen mit einem Sari, an Maharadschas, und natürlich überall heilige Kühe, Gurus und Sadhus, das Kastensystem, und natürlich den »Indian Head Shake«?

Franziskaner – genauso ein Klischee-Bild. Denken Sie bei Franziskanern an das Franziskaner Bier? Oder an dicke alte Männer mit Bärten, die das ganze Jahr über Sandalen tragen, an Franz von Assisi oder den Film »Der Name der Rose«? An ein Leben hinter Klostermauern, an jemanden, der dauernd betet und von der Welt überhaupt keine Ahnung hat? An jemanden, der die ganze Zeit fastet? An jemanden, der in einer Welt von vor 1000 Jahren lebt und so weiter und so fort? Haben Sie einige dieser Vorurteile im Kopf, vielleicht nicht absichtlich, aber doch unbewusst?

Hip-Hopper – was fällt Ihnen dazu ein? Jemand, der aus einem Getto kommt, der mindestens eine kleine Gangsterkarriere hinter sich hat, mal Drogen »vertickt« oder welche konsumiert hat, der irgendwie ordinär sprechen und protzig daherkommen muss, mit Sneakers, einer dicken Silberkette und einer fetten Uhr, der laut ist und provoziert? Ja, so muss doch ein Hip-Hopper sein oder?!

Keines dieser ganzen Klischees trifft auf mich und mein Leben zu, alles in meinem Leben ist irgendwie ganz anders, als man es sich vielleicht auf den ersten Blick vorstellen möchte. Aber das macht das Leben ja so interessant, auch mein Leben. Oder möchten Sie einfach in irgendwelche Klischees gepresst werden? Natürlich: Klischees sind deshalb Klischees, weil sie Wirklichkeit abbilden wollen, genau deshalb aber oft genug meilenweit an ihr vorbeigehen. Kategorien helfen uns im Leben, Dinge richtig einzuordnen, uns ein stimmiges Bild von der Welt zu machen. Aber wann immer Menschen in Kategorien oder Schubladen eingepasst werden sollen, funktioniert das nicht mehr. Menschen sind facettenreich, vielschichtig, handeln je nach Situation und manchmal auch irrational. Jede und jeder Einzelne von uns ist eine einzigartige Zusammenstellung aus Eigenschaften, Charakteristiken, Plänen, Einstellungen, Ansichten, Meinungen, Erlebnissen und Kenntnissen. Ein respektvoller Umgang miteinander berücksichtigt das. Und versucht, jenseits der Klischees zu denken.

Ich möchte in diesem Buch von meinem Leben erzählen, aber nicht, um mich selber darzustellen, sondern eigentlich, um meinem Namen treu zu bleiben: Sandesh bedeutet »gute Nachricht« oder »gute Botschaft« und davon will ich erzählen, ohne Klischees zu reproduzieren. Mein Leben ist kein bunter Bollywood Film und es ist auch nichts Lautes und Schrilles, was ich in die Welt posaunen möchte. Und schon gar nichts, das in mittelalterlichen, hinterwäldlerischen Traditionen verhaftet ist.

Mein Leben legt den Fokus aufs Einfache. Mir ist bewusst, dass ich nichts Bahnbrechendes oder gar Spektakuläres berichte. Ich bin kein Politiker, der Nationen versöhnt, Kriege abwendet, Wirtschaften zum Blühen bringt. Ich bin kein Mediziner, der durch seine Forschung Krankheiten heilt, kein Klimaforscher, der die Zukunft modelliert. Ich bin ich, Sandesh Manuel, und das, was ich bin – Sandesh, der für eine gute Botschaft steht – versucht dieses Buch verständlich zu machen. Meine Botschaft ist nicht kompliziert, nicht komplex. Jede und jeder kann diese Botschaft verstehen, weil sie schlicht ist. Weil sie versucht, mit einem unverstellten Blick auf die Welt zu schauen und Freude darin zu erkennen. Das ist die Suchbewegung meines Lebens: Freude und Fröhlichkeit finden – und zwar in den ganz einfachen Dingen. Wir können so viel Schönheit, so viel Anmut, so viel Größe in den ganz alltäglichen Gegebenheiten finden! Wenn wir nur wollen. Manchmal ist das eine Anstrengung, aber ich möchte mit diesem Buch auch versuchen, Ihnen diese Einstellung nahezubringen: Das Besondere liegt im Alltäglichen.

Aus dieser Haltung heraus spreche ich zu Ihnen und freue mich auf diesen gemeinsamen Weg. Begonnen hat er ganz weit weg in Indien und ist nun in Wien angekommen.

Im Januar 2022

Vom Baby zum jungen Mann

Mein Leben begann vor gut 40 Jahren, geboren wurde ich am 4. Januar 1980 in Bengaluru in Indien. Etwaige Klischees sind auch hier fehl am Platz: Wir waren keine zehnköpfige Großfamilie, in der meine Mutter den ganzen Tag am Herd stand und Chapati gebacken hat, um uns großzuziehen. Nein, ich komme aus einer ganz normalen Mittelstandsfamilie. Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater war Staatsbeamter, ich habe nur eine Schwester, so wie die meisten Familien in Europa. Wir haben auch nicht in einer Hütte gewohnt, sondern in einem ganz gewöhnlichen Haus.

Zu der Zeit, als ich Kind war, ging es noch etwas »indischer« zu als heute: Das Haus war europäisch eingerichtet, wir hatten viele Möbel und ich habe ganz normal in einem Bett geschlafen, nicht in einer Hängematte. Wir hatten zwar einen Tisch und Stühle, aber zum Essen haben wir uns trotzdem auf den Boden gesetzt. Mittlerweile ist das alles ein bisschen anders, meine Nichte und mein Neffe sitzen beim Essen am Tisch. Über meine Familie, meine Kindheit und Jugend erzähle ich gerne, denn diese Phasen prägen uns im Leben. Als ich geboren wurde, hat meine Mutter gesagt, dass ich ein süßes kleines, dickes Baby war, dass alle völlig vernarrt in mich waren. Sie hat mich besonders geliebt, weil ich ihr Wunschkind war und noch dazu ihr erstes Kind. Aber nicht nur sie, sondern auch alle ihre Freundinnen hatten total ihr Herz an mich verloren. Später forderte ich die Menschen meiner Umgebung dann ein bisschen heraus, denn dann war ich nicht mehr dick, süß, lieb und einfach nur zum Knuddeln, sondern etwas aufmüpfig. Aber die Liebe ist natürlich geblieben.

Eine besondere Beziehung hatte ich immer zu meiner Schwester Subha und zu meinem Großvater, der, wie man sagen würde, ein richtiges Original war. Darüber werde ich später noch erzählen. Auf jeden Fall hat mich alles, was ich als Kind erlebt habe, sehr geprägt. Ich bin sehr behütet aufgewachsen, meine Eltern wollten immer das Beste für mich, ich war sozusagen ihr kleiner Prinz, die Schuhe immer glänzend herausgeputzt, die Haare immer geschniegelt und gestriegelt, alles wurde für mich gemacht, ich musste und durfte mich um nichts kümmern. Das hatte später auch Folgen in meinem Leben, aber als Kind habe ich es genossen, der kleine Prinz zu sein. Wir hatten sogar ein Hausmädchen, es war nicht irgendein armes Mädchen aus den Slums, sondern eine entfernte Verwandte, die bei uns gearbeitet hat. Auch sie hat mich geprägt, wenn auch in negativer Art und Weise …

Wie gesagt, meine Kindheit war behütet, und auch geprägt von gewissen Ritualen: Entscheidend war zunächst, dass meine Eltern beruflich eigentlich den ganzen Tag unterwegs waren. Darum gab es zwei Fixpunkte im Tagesablauf bei uns, das Frühstück und das Abendessen. Es war meinen Eltern ganz wichtig, den Tag gemeinsam zu beginnen und ihn gemeinsam zu beenden. Meine Eltern wollten wenigstens zu diesen festen Terminen Zeit für uns haben, sie wollten, dass wir zusammen diese Zeit miteinander teilen. Uns Kindern hat das nicht immer so gut gefallen, denn wir hätten manchmal lieber Fernsehen geschaut, die Serien im Vorabendprogramm, die Kinder halt mögen, aber unser Leben war eben geprägt durch gewisse Rituale, und das, was die Eltern sagten, hat, zumindest als ich Kind war, auch noch gezählt.

Der Tag begann also mit dem Frühstück, das Frühstück schaut bei uns in Indien ein bisschen anders aus als hier in Wien: Keine Weißmehlsemmeln mit Butter, Honig und Marmelade oder ein gekochtes Ei. Bei uns wurde schon in der Früh richtig gekocht: verschiedene Gerichte aus Reis, Gemüse und Fleisch, dazu frisch gebackenes Brot – ein Geruch, der sich schon frühmorgens durchs ganze Haus ausbreitete. In der europäischen Küche kennt man das so nicht, zumindest nicht in Mitteleuropa, denn in keiner österreichischen, deutschen oder Schweizer Familie fängt ein Elternteil in der Früh an zu kochen. Bei uns in Indien ist das völlig normal, man isst dreimal am Tag warm.

Der zweite wichtige Fixpunkt unseres Alltags war das Abendessen, denn da kamen wir dann wieder zusammen. Am Ende des Tages, bevor wir gegessen haben, war es meinen Eltern immer ganz wichtig, dass wir miteinander beteten. Meine Eltern sind sehr religiös, natürlich bin ich auch gläubig, sonst wäre ich ja nicht Franziskaner geworden. Ich bin gläubig, aber meine Religiosität schaut schon ein bisschen anders aus als die meiner Eltern. Für sie war und ist zum Beispiel der Rosenkranz wichtig, meine Mutter ist die Präsidentin der »Legio Maria« in unserem Bundesstaat. Das ist eine internationale Gebetsbewegung, dazu kamen die Litaneien zur Mutter Gottes und den Heiligen, Novenen und viele andere Gebete. Mit denen kann ich persönlich nicht so viel anfangen und, wie gesagt, damals hätte ich sowieso lieber Fernsehen geschaut, aber wir haben halt mitgemacht. Und dabei auch eine gewisse Ordnung gelernt, die hat es bei uns schon gegeben und diese Ordnung hat dann auch mein späteres Leben geprägt und sie trägt mich bis heute. Ich lasse mich nicht gerne einsperren, aber das Leben braucht auch Strukturen, denn wenn es gar keine Struktur gibt oder die Eckpfeiler fehlen, dann fällt leicht alles auseinander. Es braucht einen gewissen Rahmen, der dem Bild des Lebens Halt gibt, aber dieser Rahmen soll nicht einengen, denn das Bild ist es, das den Rahmen füllt. So soll auch mein Leben nicht durch Strukturen eingeengt werden, sondern die Strukturen sollen mir helfen, mein Leben frei zu leben.

Wo ich also genau herkomme? Aus Bengaluru, das liegt in der Mitte des südlichen Teils Indiens, es ist die Hauptstadt des Bundesstaates Karnataka. Bengaluru ist eine Stadt, in der mehr Menschen leben als in ganz Österreich, 2020 zählte man 12,5 Millionen Einwohner, so viel wie der Großraum London oder die gesamte Metropolregion rund um Paris. Wien mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern kommt mir da doch sehr überschaubar vor. Natürlich gibt es in Städten wie Wien, Paris, London oder Berlin auch ärmere Viertel. Doch was man nicht finden wird, sind Slums, von denen es in Bengaluru über das ganze Stadtgebiet verteilt, trotz des Reichtums, über 400 gibt. Aber meine Heimat ist nicht zu vergleichen mit Städten wie Bombay oder Kalkutta, mit Slums, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Trotzdem liegen Armut und Reichtum, liegen Schönheit und manchmal auch Hässliches nah beieinander.

Die Kluft zwischen Reich und Arm macht mich traurig. Wenn ich einen Besuch in meiner Heimat mache, sehe ich die vielen Veränderungen, die es mittlerweile gibt, z. B. wie sehr auch die Verschmutzung zugenommen hat. Der Verkehr in den Straßen ist der helle Wahnsinn. Für eine Strecke von zehn Kilometern muss man drei Stunden Zeit einkalkulieren. Selbst in einem gemütlichen Wiener Fiaker ist man schneller unterwegs! Als ich ein Kind war, da wurde Bengaluru die »Garden City«, die »Gartenstadt« genannt, es gab wirklich viele Parks, manches verklärt man vielleicht im Nachhinein, aber meine Stadt war eine grüne Stadt. Leider hat sie heute einen anderen Namen bekommen, man nennt sie jetzt »Garbage City«, das bedeutet die Müllstadt, obwohl ich sagen muss, dass das auch ein wenig übertrieben ist, aber Menschen neigen halt mal zu Extremen. Bengaluru ist keine zugemüllte Stadt, nein, Bengaluru ist auch das neue »Silicon Valley« Indiens, es ist eine Stadt, in der viele Filme produziert werden, in der ganz viel im Bereich der Computerindustrie gearbeitet wird, Bengaluru ist eine aufstrebende Stadt mit einer Skyline! Bengaluru ist eine Stadt mit vielen Fachkräften und hoch ausgebildeten Menschen!

In der Stadt leben heute viele Ingenieure, Programmierer, und was diese Industrien noch alles an bestens ausgebildeten Mitarbeitern brauchen. Manche Firmen in Europa, auch aus Deutschland und Österreich, haben ihre komplette Buchhaltung und Finanzverwaltung nach Bengaluru verlegt. Meine Stadt ist auch ein Zentrum der Filmindustrie, in Europa sind »nur« die Bollywood Filme bekannt, jene Filme, die in Bombay (heute Mumbai) und Nordindien produziert werden. Es gibt aber auch andere Zentren, nach denen Filme benannt werden, »Tollywood«, »Mollywood«, »Kollywood«, die Filme aus meinem Staat heißen »Sandalwood«, da in unserem Bundesstaat viel Sandelholz angebaut wird.

Was noch sehr wichtig ist: Wir haben ein sehr mildes Klima und bleiben normalerweise im Vergleich zu anderen Gebieten in Indien vor den Folgen der Wetterextreme wie z. B. Überflutungen durch den Monsun oder extreme Hitze verschont. Bengaluru ist, wie schon erwähnt, die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Karnataka und – jetzt wird es ein bisschen lustig – in Karnataka sprechen wir Kannada. Ich spreche Kannada, das ist eine 2000 Jahre alte Sprache, aber natürlich komme ich nicht aus Kanada. Ich werde oft gebeten: »Bitte sing doch mal ein Lied auf Indisch.« Ich antworte dann: »Wenn du ein Lied auf Europäisch singst, dann singe ich auf Indisch.«

Indisch ist genauso wenig eine Sprache wie Europäisch. Jeder Bundesstaat bzw. jede Volksgruppe in Indien hat eigene Sprachen, meine ist eben Kannada. Es war für mich selber eine große Überraschung, als ich bei meinen Studien auf einen deutschen Namen stieß: Pastor Ferdinand Kittel ging in die Geschichte meines Bundeslandes Karnataka ein, weil er das erste Wörterbuch unserer Sprache Kannada verfasst hat. Er muss über eine enorme Sprachbegabung und dazu eine überaus große Portion Fleiß verfügt haben, um diese Arbeit zu bewältigen. Wenn es mir gelingt, Deutsch auch nur halb so gut zu beherrschen, wie Pastor Kittel Kannada beherrscht haben muss, darf ich damit zufrieden sein.

Karnataka, diesen Bundesstaat kennt eigentlich keiner. Kerala oder Goa kennt man vielleicht noch, denn dorthin zogen in den 1970er-Jahren viele europäische Hippies, und natürlich, weil ganz viele Priester und Ordensleute in Europa aus Kerala stammen. Aber Kerala ist eben nicht Indien, so wie auch Berlin nicht Deutschland, Zürich nicht die Schweiz und Wien nicht Österreich ist. Berlin ist anders, Wien ist anders, Zürich ist anders und Bengaluru ist eben auch anders. In meiner Stadt leben aber nicht nur Menschen, die aus Karnataka stammen, sondern auch aus vielen anderen Bundesstaaten, viele Sprachen werden gesprochen. Auch wenn Kannada die wichtigste Sprache ist, reden die Menschen Malayalam, die Sprache, die in Kerala gesprochen wird, oder Tamil, die Sprache, die in unserem Nachbarstaat Tamil Nadu gesprochen wird, und noch viele andere Sprachen. Manche von ihnen verstehe ich ein bisschen, andere gar nicht, denn auch die Schriftzeichen sind zum Teil ganz anders. Bei uns in Indien wird deswegen als Umgangssprache Englisch verwendet.

Wir sind ein so großes Land, das ja nicht umsonst auch als Subkontinent bezeichnet wird. So viele Völker, Nationen und Religionen sind auf engstem Raum vereint, so viele Sprachen und Dialekte werden gesprochen. Darum sind wir zumindest für ein Erbe der britischen Kolonialzeit dankbar, nämlich das Englisch – diese Sprache verbindet uns alle. So habe auch ich von Anfang an in der Schule Englisch gelernt, der Unterricht hat auf Englisch stattgefunden und ich habe auf Englisch studiert. Ich rede auch mit meinen Eltern einen Mischmasch aus Englisch und Kannada. Meine Mutter war übrigens Englischlehrerin und eine Mutter als Lehrerin zu haben und dann auch noch in ihre Schule zu gehen –, das war gar nicht immer so einfach. Natürlich wollen Mütter das Beste für ihre Söhne, das ist wohl überall auf der Welt so, aber Mütter wollen sich auch manchmal durch ihre Söhne profilieren, deswegen sollte ich immer so sein, wie sie mich »haben wollte«, aber das habe ich ja nun schon mehrfach angesprochen: Ich will nicht so sein, wie andere mich wollen, sondern so, wie ich bin. So, wie ich bin, bin ich aber nicht »einfach geworden«, ich habe mich entwickeln müssen und das war gut so.

Ich bin ein Mensch, der Harmonie sucht, das muss ich zugeben. Ich mag es nicht zu streiten. Konflikte bedrücken mich und machen mir Angst, vielleicht weil ich in einem sehr harmonischen Umfeld groß geworden bin. Meine Familie wollte ja immer nur das Beste für mich, wir waren eine kleine Zelle, die zueinander gestanden ist und zueinander gehalten hat. Meine Eltern waren für uns da und wir für sie, auch wenn es oft schwer war, dass sie den ganzen Tag bei der Arbeit waren. Häufig war ich darum alleine und musste lernen, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Deshalb habe ich schon als Kind angefangen zu malen und so meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Malen, das tue ich bis heute gerne, darum kann man mich nicht einfach nur auf die Musik reduzieren, auf den Hip-Hop oder auf YouTube oder auf irgendetwas anderes, es gibt viele Seiten, viele Facetten in mir. Malen ist eine davon. Bilder prägen sich ein, darum male ich gerne Bilder, Lebensbilder. Dieses Buch ist auch so ein Bild meines Lebens.

Aber ich malte nicht nur und war nicht nur für mich alleine, ich hatte auch Freunde und großen Spaß vor allem, wenn ich Fußball spielte – ich liebte Fußball! Und natürlich zog ich auch mit Freunden durch die Gegend. Erst später natürlich, als ich älter war, aber wenn ich dahin zurückblicke, war ich wohl ein ganz normaler Jugendlicher und natürlich auch verliebt, zweimal hat es mich richtig erwischt …

In meiner Kindheit waren vor allem zwei Menschen ganz besonders wichtig: Meine Schwester und mein Opa. Die Beziehung zu meiner Schwester habe ich schon erwähnt. Sie liegt mir besonders am Herzen, nicht nur, weil sie meine einzige Schwester ist, sondern weil es ein ganz prägendes Erlebnis mit ihr gab: Meine Schwester ist jünger und als wir noch klein waren, haben wir einmal mit unseren Eltern einen Ausflug gemacht. Wir sind zu einer Karmeliterkirche gepilgert, meine Eltern wollten dort beten, sie waren drinnen in der Kirche und wir haben draußen gespielt. Dabei bin ich in einen Fischteich gefallen, ich konnte nicht schwimmen und wäre fast ertrunken. Meine kleine Schwester ist in die Kirche gelaufen und hat immer wieder »Wasser, Wasser« geschrien. So haben meine Eltern gemerkt, dass etwas nicht stimmt, und sind aus der Kirche hinausgelaufen zu dem Teich, der sich im Park vor der Kirche befunden hat. Wie durch ein Wunder hatte ich es geschafft, irgendwie an die Wasseroberfläche zu kommen, obwohl ich Nichtschwimmer war. Es hat mich immer wieder hochgedrückt und ich konnte an der Wasseroberfläche verharren. Ein doppeltes Wunder, auch wenn ich nicht leichtfertig von Wundern rede! Ein Wunder Gottes, von dem ich glaube, dass er mich noch gebraucht hat. Und ein Wunder, wie meine kleine Schwester, die eigentlich aufgrund ihres Alters unfähig war, mir zu helfen, trotzdem alles darangesetzt hat, mein Leben zu retten.

So etwas verbindet, da hält und steht man einfach zusammen und geht durch Dick und Dünn. Darum habe ich immer zu meiner Schwester gehalten, auch in Zeiten, als es ihr nicht so gut ging.

Dieses Ereignis lehrte mich, dass man sich selbst aus den schlimmsten Situationen befreien kann, und dass man sogar gute Erinnerungen daran mitnehmen kann. Häufig bekommt unsere eigene Entwicklung auch den kräftigsten Schub, wenn wir ganz unten sind – wie damals, als ich mich mit meinen Beinen vom Grund des Teiches wegdrückte. Solche schwierigen Momente, wie ich sie auch später noch erleben musste, nenne ich oft meine S-Perioden, wobei das S für »Sorrow« steht, das englische Wort für seelisches Leid oder Kummer. Natürlich habe ich auch J-Perioden, und das J steht für »Joy«, die Freude. Vielleicht steht das alles im Zusammenhang mit einem Ereignis, das geschah, als ich noch ein sehr kleiner Junge gewesen bin.

Eine weitere wichtige Person war mein Großvater, ich habe ja schon erwähnt, dass er ein »Original« war. Er war früher Polizist. Als ich Kind war, war er schon in Pension und spielte als Laie in einer Theatergruppe. Er war dem Whisky nicht abgeneigt und darum immer ein bisschen beschwipst, aber nie aggressiv oder böse, sondern lustig und hat sich gerade in diesen Momenten Zeit für mich genommen. Er hat auch mein Talent zur Musik entdeckt und mir das erste Musikinstrument geschenkt: Es war ein altes Harmonium, eine alte kleine Orgel. Sie hat nicht richtig gut funktioniert, aber auf ihr habe ich entdeckt, Töne und damit Resonanz zu erzeugen, Töne die mein Leben prägten, Melodien, die mich bis heute begleiten, Melodien der Kindheit. Mein Opa hat auch dafür gesorgt, dass ich Unterricht bei einem Lehrer bekommen habe. Bei diesem habe ich nicht wirklich viel gelernt, aber meine Liebe zur Musik wurde wohl in diesem Moment geweckt.