Der Highlander und die Rebellin - Allegra Winter - E-Book
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Der Highlander und die Rebellin E-Book

Allegra Winter

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Beschreibung

Die Liebe enthüllt alle Geheimnisse: die historische Romanze „Der Highlander und die Rebellin“ von Allegra Winter jetzt als eBook bei dotbooks. Schottland im 12. Jahrhundert. Als Enid mit ihrer Cousine aus der Burg flüchtet, hat sie nur eins im Sinn: Mira vor der Verlobung mit dem mächtigen und brutalen Rufus Cannegh zu retten! Bei dem verzweifelten Versuch, dessen Verfolgung zu entgehen, landen die Frauen in den Armen des Wegelagerers Ewan, der ihnen Hilfe verspricht. Doch ist er der Mann, der er vorgibt zu sein? Er benimmt sich wie ein Schurke, spricht wie ein Highland-Lord … Enid ist verunsichert und fühlt sich doch zu dem attraktiven Fremden mit den blitzenden Augen und dem herben Lächeln hingezogen. Als Mira von Cannegh entführt wird, muss Enid eine Entscheidung treffen: Vertraut sie Ewan – und ihren eigenen Gefühlen? Ein neuer Stern am Himmel der historischen Liebesromane – perfektes Lesefutter für die Fans von Patricia Grasso und Joan Wolf! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Der Highlander und die Rebellin“ von der neuen Romance-Königin Allegra Winter. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 335

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Über dieses Buch:

Schottland im 12. Jahrhundert. Als Enid mit ihrer Cousine aus der Burg flüchtet, hat sie nur eins im Sinn: Mira vor der Verlobung mit dem mächtigen und brutalen Rufus Cannegh zu retten! Bei dem verzweifelten Versuch, dessen Verfolgung zu entgehen, landen die Frauen in den Armen des Wegelagerers Ewan, der ihnen Hilfe verspricht. Doch ist er der Mann, der er vorgibt zu sein? Er benimmt sich wie ein Schurke, spricht wie ein Highland-Lord … Enid ist verunsichert und fühlt sich doch zu dem attraktiven Fremden mit den blitzenden Augen und dem herben Lächeln hingezogen. Als Mira von Cannegh entführt wird, muss Enid eine Entscheidung treffen: Vertraut sie Ewan – und ihren eigenen Gefühlen?

Ein neuer Stern am Himmel der historischen Liebesromane – perfektes Lesefutter für die Fans von Patricia Grasso und Joan Wolf!

Über die Autorin:

Allegra Winter studierte Englische Literatur und Mittelaltergeschichte. Ausgedehnte Reisen führten sie rund um die Welt, ehe sie begann, sich ihrer großen Leidenschaft – dem Schreiben – zu widmen. Heute lebt sie mit ihrem Mann an der amerikanischen Pazifik- und der deutschen Ostseeküste, wo sie es liebt, herrliche Romanzen zu ersinnen, mit Freunden zu kochen und am Stand Muscheln zu sammeln.

Von Allegra Winter erscheint bei dotbooks auch:

»Das stolze Herz der Lady«

»Der Schwur des Highlanders«

»Der Krieger und die Lady«

***

eBook-Originalausgabe Juni 2017

Copyright © der Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Beate Darius

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/conrado, Targu Pleiades

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (sh)

ISBN 978-3-95824-971-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Allegra Winter

Der Highlander und die Rebellin

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

»Jeden anderen, aber nicht ihn!« Die Stimme, die aus den vielen Kissen vom Bett zu Enid herüberklang, war kaum mehr als ein Schluchzen.

Die junge Frau, die mit ihrer Stickarbeit auf der breiten Fensterbank saß, seufzte lautlos und sah hinaus. Unter ihr lag der Burghof, und wenn man über die Mauern weiter in die Ferne sah, konnte man an guten Tagen das Meer erahnen. Gerne würde sie jetzt über die Heide galoppieren und sich den salzigen Wind um die Nase wehen lassen. Sie würde reiten und reiten und reiten, bis sie wieder zu Hause wäre. Das Wetter war milde, und die Sonne schien, doch selbst im Sommer war es in den Gemäuern von Braneagh kühl und ein bisschen klamm. Nur ein kräftiges Feuer im Kamin konnte die Kälte der dicken Steine von innen vertreiben, aber nichts und niemand konnte in die Burg eindringen, nicht einmal die Sonne.

»Eher sterbe ich!«, erklang es jetzt tränenreich vom Bett, und Enid wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer jungen Cousine zu.

»Ach, Mira, das hilft doch auch nicht weiter.«

»Nichts kann mir mehr helfen.«

Enid wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Diese Wendung der Dinge hatte keiner voraussehen können. Es war alles ganz anders verlaufen, als sie es sich vorgestellt hatten, und nun sah die Zukunft nicht mehr rosig, sondern rabenschwarz aus. Vor wenigen Wochen waren sie nach Braneagh gekommen, damit Laird Alec für sein Mündel Mira einen Bräutigam finden würde. Denn ganz im Norden der Highlands, wo Mira bei Enids Familie aufgewachsen war, gab es einfach zu wenig geeignete Edelmänner, die in Betracht gekommen wären. Enid und Mira waren nur sehr entfernt verwandt, aber als Laird Alec Enids Vater gebeten hatte, sich des verwaisten Mädchens anzunehmen, hatte dieser selbstverständlich sofort zugestimmt. Und für Enid war es schön gewesen, Gesellschaft zu haben, und schon bald hatten sie einander lieb gewonnen wie Schwestern.

Voller Erwartung und Vorfreude waren sie in den Süden gereist, um eine neues Kapitel in Miras Leben aufzuschlagen. Sicher würde ihre kleine Cousine eine gute Partie machen, denn die junge Miss McKay war eine Schönheit, die ihresgleichen suchte. Sie war von zarter Gestalt, ihre Haut war sehr hell und makellos und bildete einen exquisiten Kontrast zu den glänzenden schwarzen Locken, die ein herzförmiges Gesicht umrahmten. Große dunkelbraune Augen sahen unschuldig und voller Vertrauen in die Welt, sodass sich sicher nicht nur ein Recke finden lassen würde, dem schönen Fräulein seine Hand anzutragen. Diese augenscheinlichen Qualitäten machten auch die Tatsache wett, dass Mira kaum eine Mitgift anzubieten hatte. Laird Alec hatte ein Fest veranstaltet, um sein Mündel in die Gesellschaft einzuführen, und das war, wie nicht anders zu erwarten, ein großer Erfolg gewesen. Der Burgherr hatte gleich mehrere Anträge auf die Hand seines schönen Mündels erhalten und hatte sogar Mira nach ihrer Meinung gefragt. Folgsam hatte sie geantwortet, dass sie sich selbstverständlich seiner Entscheidung fügen werde. Und tatsächlich hatte ihre Cousine keine ausgeprägte Vorliebe für den einen oder anderen Bewerber. Sie alle erschienen ihr ganz reizend und würden sicher gute Ehemänner abgeben.

Enid, von einer deutlich kritischeren Veranlagung, hatte versucht, dieses freundliche Gesamturteil zu hinterfragen. Aber wo der eine Kandidat 15 Krieger mehr sein Eigen nannte, hatte der andere die besseren Manieren und lispelte auch nicht. Ein besonders großer Grundbesitz wurde durch eine kleine Burg wettgemacht, und was waren schon 500 Schafe gegen elegante Tanzkünste? Und so war alles ganz wunderbar gewesen, bis vor drei Tagen, als ein neuer Gast auf Braneagh erschienen war. Sein Name war Rufus Cannegh, und er war ein mächtiger Mann vom benachbarten Clan. Er war gekommen, um einen Grenzstreit zu verhandeln. Enid hatte seine Ankunft im Hof aus ihrem Fenster beobachtet und sofort das unbestimmte Gefühl von Bedrohung verspürt. Es war nicht sein Aussehen, sondern die Art, wie er sich bewegte. Seine Gesten hatten etwas Herrisches, und sein Ton war fordernd und duldete keinen Widerspruch. Ihr Instinkt hatte Enid gesagt, sich von ihm fernzuhalten, und das hatte sie auch getan. Sie hatte auch Mira geraten, die Frauengemächer und den Rosengarten nicht zu verlassen, solange dieser Gast sich auf der Burg aufhielt. Doch dann hatte Laird Alec sie beide gestern zu einem Bankett gebeten, auf dem Mira dem Besucher vorgestellt worden war. Warum? Er war sicher kein geeigneter Bewerber, er hätte leicht Miras Vater sein können. Aber wie es schien, war die Kunde vom schönen Mündel des Burgherrn an Rufus Canneghs Ohr gedrungen, und er wollte sich selbst ein Bild machen. Und wie ein böser, gieriger Wolf hatte er Mira über den Tisch angestarrt. Es war geradezu unheimlich gewesen. Noch beunruhigender hatte Enid das unterwürfige Verhalten Laird Alecs gefunden. Es schien fast, als hätte er Angst vor seinem Gast. Voller schlimmer Vorahnungen war sie am gestrigen Abend zu Bett gegangen, und ihre Sorge hatte sich bewahrheitet.

Heute Morgen, kurz nach dem Frühstück, hatte Laird Alec sein Mündel darüber informiert, dass sie seinen Nachbarn und Verbündeten Rufus Cannegh heiraten würde. Mira hatte vor Schreck angefangen zu weinen und bisher nicht wieder aufgehört. Als Enid versucht hatte, Laird Alecs Gründe für diesen Sinneswandel zu erfragen, war er ihr sogleich ins Wort gefallen. Seine Entscheidung sei unumstößlich. Er kam Enid vor wie ein ängstlicher Hund in einer Ecke, der nach jedem schnappte, der näher kam. Er war keinem vernünftigen Wort zugänglich gewesen, und so hatte Enid die völlig aufgelöste Mira in ihre gemeinsamen Gemächer geleitet, ihr eine starke Tinktur aus Baldrian und Melisse verabreicht und sie zu Bett gebracht. Nun war ihre Cousine nach einem kurzen, unruhigen Schlummer wieder aufgewacht, aber Enid war immer noch genauso ratlos wie vorher und konnte ihr keinen Trost spenden. Eindeutig hatte Rufus Cannegh den freundlichen Laird Alec gezwungen, ihm sein Mündel zur Frau zu geben. Hatte er etwas gegen ihn in der Hand, oder hatte er einfach nur den stärkeren Willen?

»Ich wünschte, ich würde sterben.«

»Sag das nicht, Mira, es ist eine Sünde.«

»Aber ich habe Angst vor ihm!«

Enid erhob sich, und Miras tränenüberströmtes Gesicht erschien über den Kissen. Ihre schönen klaren Augen waren rot geweint. Sie sah wie ein Häufchen Elend aus, wie sie dort so verloren in dem großen Himmelbett saß.

»Wirst du noch einmal mit ihm sprechen?«, fragte sie hoffnungsvoll.

»Das hat im Moment, glaube ich, keinen Zweck. Aber ich werde mich einmal in der Kemenate umhören, vielleicht kann ich etwas in Erfahrung bringen.«

Mira schniefte zustimmend und verschwand wieder in den Kissen. Enid hatte nicht viel Hoffnung, etwas zu erkunden, was ihnen helfen könnte, aber herumzusitzen und gar nichts zu tun, war noch schlimmer.

Nachdenklich schritt sie den Gang hinunter, der in das beheizte Wohngemach führte. Hier hielten sich vornehmlich die edlen Frauen auf, und die Kunde von Laird Alecs Entscheidung hatte sicher schon die Runde gemacht. Enid passierte die Gemächer des Burgherrn und seiner Familie und die Kapelle. An den Wänden hingen schöne bunte Gobelins, für die Enid aber diesmal keine Augen hatte. Sie überquerte den gepflasterten Burghof und stieg dann die Treppe zur Kemenate hinauf, die sinnvollerweise über der Küche lag und so vom großen offenen Herd mitbeheizt wurde. Als Enid die Tür öffnete und eintrat, waren sogleich aller Augen auf sie gerichtet. Sie schloss die Tür hinter sich und wurde unverzüglich mit Fragen überfallen. Schließlich hob Lady Blaire die Hand und sorgte für Ruhe. Laird Alecs Frau war eine etwas farblose Person mit einer ebenso freundlichen Veranlagung wie ihr Mann und einer leisen Stimme. Sie sah Enid traurig an und winkte dann.

»Komm, setz dich zu mir. Wie geht es Mira?«, fragte sie, als Enid auf dem niedrigen gepolsterten Hocker neben ihrer Gastgeberin Platz nahm.

»Sie ist immer noch völlig aufgelöst.«

Lady Blaire schüttelte mutlos den Kopf.

»So ein Jammer.«

»Was heißt hier, so ein Jammer? Es ist ein Skandal!«, ließ sich Dame Rhona vom anderen Ende des Raumes vernehmen. »Der Mann ist ein Wolf! Und dass Alec ihm dieses zarte junge Ding zum Fraß vorwirft, ist unerhört.«

Niemand außer der steinalten Tante des Lairds hätte gewagt, dessen Entscheidungen so öffentlich zu kritisieren. Aber Dame Rhona war aus anderem Holz geschnitzt als der Rest ihrer Familie. In ihrer Jugend war sie eine große Schönheit gewesen, hatte aber nie geheiratet. Was der Grund dafür gewesen war, war ein Geheimnis, über das immer wieder gerne spekuliert wurde. Die Vermutungen reichten von einem gebrochenen Herzen bis zu der These, dass Dame Rhona einfach zu widerborstig war und es kein Mann mit ihr hatte aufnehmen können. Enid gefiel diese Begründung besonders gut.

»Aber es dient dem Frieden«, war Lady Blaire unvorsichtig genug, ihren Gatten zu verteidigen.

»Pah! Du bist genauso einfältig wie dein Mann. Dem Frieden dienen? Dass ich nicht lache. Was will Cannegh denn als Nächstes haben, wenn er das junge Ding, wie alle seine anderen Frauen, unter die Erde gebracht hat? Dann kommt er doch wieder!«

Dame Rhonas zittrige, klauenartige Hand griff nach ihrem Weinkelch. Mit einem langen Zug stürzte sie den Inhalt hinunter und schwenkte dann herrisch mit dem leeren Becher. Enid nutzte die Gelegenheit, der deprimierenden Gesellschaft Lady Blaires zu entkommen und sich der scheinbar einzig lohnenden Informantin zu nähern. Auch sie hatte, wie alle auf Braneagh, den größten Respekt vor Dame Rhona. Obwohl sie äußerlich schon fast einer Mumie glich, war sie noch immer hellwach und hatte eine schneidend scharfe Zunge. Enid schenkte der alten Dame nach und ließ sich dann auf dem freien Platz neben ihr nieder.

»Was meinst du mit ›alle seine anderen Frauen‹?«

Dame Rhona starrte Enid aus ihren scharfen Raubvogelaugen an.

»Er hat doch schon vier verschlissen.«

Enid schluckte.

»Er war schon viermal verheiratet?«

»Habe ich doch gesagt«, schnappte ihr Gegenüber. Dass Leute vor ihrer Zeit starben, war ja ganz normal, aber dass ein Mann gleich vier Ehefrauen überlebte, konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen.

»Hat er sie ermordet?«, kam Enid zum Kern der Andeutung.

»Wer weiß das schon.«

»Wie sind sie denn umgekommen?«

Dame Rhona starrte konzentriert in ihren Weinkelch.

»Die erste ist im Kindbett gestorben, das ist schon lange her. Die zweite ist gleich im zweiten Jahr von einer Krankheit dahingerafft worden, aber was kann man schon von einer Engländerin erwarten? Dann war da so ein junges Ding aus den Lowlands, die ist mitten in der Nacht allein hinaus ins Moor gelaufen und dort verschollen.« Der scharfe Vogelblick richtete sich wieder auf Enid. »Nicht, dass er groß nach ihr gesucht hätte, habe ich sagen hören.«

»Und die Letzte?«

»Die Letzte ist im Winter mit ihren Haaren ans Feuer gekommen und lichterloh verbrannt.«

Dame Rhonas Blick schweifte triumphierend über die entsetzten Gesichter in der totenstillen Kemenate.

»Aber wie konnte das denn passieren?«, fragte ein rundliches Edelfräulein am Fenster, dessen extravaganten französischen Namen Enid sich beim besten Willen nicht merken konnte.

»Es war ein tragischer Unfall«, stellte Lady Blaire mit allem Nachdruck, den ihre leise Stimme hergab, fest.

Dame Rhona rollte mit den Augen.

»Hat eine von uns schon einmal beim Haaretrocknen am Kamin Feuer gefangen?«

Die anwesenden Damen schwiegen.

»Na also. Und ist es nicht verwunderlich, dass er mit ihr im Raum war und sonst niemand?«

»Nun, als Ehegatten …«

»Ach, Unfug! Er hat sie hineingestoßen und vorher noch ihr Mädchen weggeschickt. Und dann hat er erst um Hilfe gerufen, als sie schon lichterloh brannte. Da kann mir doch keiner etwas von einem Unfall erzählen!«

Enid betrachtete die alte Dame neben sich. Hatte sie nur Freude daran, sie alle zu erschrecken, oder war ihre Geschichte wahr? Ihre Blicke trafen sich.

»Du glaubst mir nicht, wie?« Dame Rhonas Stimme war nun leiser.

»Kann ich es denn?«

Die klauenartige Hand packte Enids Arm und kniff schmerzhaft zu.

»Dein Mädchen ist verloren, wenn sie Rufus Cannegh heiratet!«, zischte Dame Rhona. »Sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, damit ließ sie Enids Arm wieder los, lehnte sich erschöpft in ihren Sessel zurück und schloss die Augen.

Enid brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. Die Damen um sie herum ergingen sich in Vermutungen und Spekulationen über die Todesursachen der verblichenen vier Ehefrauen von Rufus Cannegh, und Miras Schicksal erschien ihnen besiegelt.

Nein, das konnte Enid nicht hinnehmen! Seit sich die kleine Hand des Waisenmädchens vor gut zehn Jahren vertrauensvoll in die ihre gelegt hatte, hatte sie sich um ihre Cousine gekümmert und sich für deren Wohl verantwortlich gefühlt. Enid war nur fünf Jahre älter als Mira, doch sie war von stolzer, mutiger Veranlagung und scheute sich nicht, Entscheidungen zu fällen. Diese Eigenschaften wurden noch durch die Tatsache gefördert, dass sie das einzige Kind eines Paares war, das erst sehr spät mit diesem Glück beschenkt worden war. Nicht, dass Donald und Edna ihre Tochter über Gebühr verwöhnt hatten, aber in Ermangelung eines Sohnes hatte Enids Vater sie frühzeitig an der Bewirtschaftung des Besitzes teilhaben lassen. Inzwischen hatte Sir Donald das sechzigste Lebensjahr schon deutlich überschritten, und obwohl er noch immer erstaunlich rüstig war, war er inzwischen auf die Mitarbeit seiner Tochter angewiesen. Dass diese Tochter mit ihren 23 Jahren noch immer unverheiratet war, erfüllte ihre Eltern mit Sorge.

Diese Sorge wurde jedoch von Enid nicht geteilt. Ihr fehlte nichts. Die jungen Männer in ihrer Umgebung, die sich um sie und noch mehr um ihr Erbe bemühten, gefielen Enid nicht. Die wenigen Recken, die sie bei Gelegenheit einmal kennengelernt und die ihr gefallen hatten, hatten kein Interesse an ihr gehabt oder immerhin kein Interesse, ein kleines freies Gut im grauen windigen Norden der Highlands zu übernehmen. Denn von dort fortzugehen und ihre Eltern zurückzulassen, kam für Enid nicht in Frage. Und nun war sie schon fast vier Wochen auf Braneagh und hatte geglaubt, bald mit der frohen Kunde, dass Mira eine Braut sei, zurückkehren zu können. Doch diesen Bräutigam konnte Enid nicht akzeptieren. Auch wenn es nicht an ihr lag, die Entscheidung von Miras Vormund überhaupt in Frage zu stellen oder auch nur eine eigene Meinung darüber zu äußern, wusste Enid, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um ihrer Cousine diese Ehe zu ersparen. Doch wie sie das anstellen sollte, war ihr völlig unklar. Sie musste mit Laird Alec sprechen, ihn davon überzeugen, Mira einen anderen Bräutigam zu geben. Was konnte sie sonst schon tun? Entschlossen stand Enid auf und verließ die Kemenate.

Kapitel 2

Mitternacht war bestimmt schon vorbei, und Enid lag noch immer voller Sorge wach in dem großen Himmelbett, das sie sich mit ihrer Cousine teilte. Die kostbaren, bestickten Vorhänge, die um das Bett gezogen waren, um die kühle Nachtluft fernzuhalten, wurden durch die Fensteröffnung von einem großen runden Mond bestrahlt. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte Enid nun schon die dunklen Strukturen des Stoffes studiert. Neben sich hörte sie Miras vertraute ruhige Atemzüge. So sehr sie auch dagegen ankämpfte, Verzweiflung machte sich in ihrem Herzen breit. Sie hatte versucht, mit Laird Alec zu sprechen, aber sie war einfach nicht vorgelassen worden. Er hatte sich hinter seiner dicken polierten Eichentür verschanzt und wollte ihr nicht Rede und Antwort stehen. Und was hätte er auch schon sagen sollen? Dass er ein Hasenfuß war und lieber sein unschuldiges Mündel einem Wolf in den Rachen warf, als diesen abzuweisen? Aber was wusste sie schon von den tatsächlichen Gründen ihres Gastgebers. Vielleicht war es tatsächlich notwendig, dem Ungeheuer ein Menschenopfer darzubringen? Alles, was sie über Rufus Cannegh hatte in Erfahrung bringen können, war, dass er sehr mächtig war und unter dem Deckmäntelchen von Verhandlungen Laird Alec anscheinend zu immer neuen Zugeständnissen presste. Einer der Knechte hatte abschätzig gemeint, dass, wenn es so weiterginge, der Laird die Burg ganz einfach übergeben sollte, dann hätte wenigstens das Geschacher ein Ende. Nein, Laird Alec würde seine Entscheidung, wenn man sie denn überhaupt seine eigene nennen durfte, nicht rückgängig machen. Und ihre zarte kleine Mira würde an diesen Wolf verheiratet werden und ein elendes Leben führen müssen, wenn er sie nicht vielleicht auch in den Tod trieb oder gar selbst umbrachte.

Enid konnte sich nicht erklären, warum Rufus Cannegh sich seiner jeweiligen Gemahlinnen stets nach kurzer Zeit entledigte, aber es hatte tatsächlich den Anschein, dass dem so war. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Das war alles Hörensagen, und wenn jemand sowieso schon einen schlechten Ruf hatte, wurden ihm auch immer schnell noch weitere, schlimmere Dinge angedichtet. Trotzdem würde diese Ehe für Mira die Hölle auf Erden werden, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Das Gefühl der Machtlosigkeit fraß in Enids Innerem wie ein böses Tier. Selbst wenn sie ein Mann gewesen wäre, hätte die Entscheidung über Miras Bräutigam nicht bei ihr, sondern selbstverständlich bei deren Vormund gelegen. Aber vielleicht hätte man sie dann wenigstens angehört? Sie hätte Rufus Cannegh zu einem Zweikampf herausfordern und töten können. Oder sie wäre wenigstens bei dem Versuch, ihre Cousine zu retten, selbst umgekommen! Aber das hätte ihren Eltern das Herz gebrochen, rief sich Enid zur Ordnung, und überhaupt, sie war ja kein Mann, sondern nur eine Frau und hatte überhaupt gar nichts mitzubestimmen. Nach ein paar weiteren Minuten hielt sie es nicht länger aus. Vorsichtig schob Enid den Vorhang beiseite und schlüpfte aus dem Bett. Lautlos wickelte sie sich in ihren Wollumhang, zog ihre Schuhe an und verließ das Gemach.

Im Gang draußen war es kühler, und sie zog den Schal noch fester um sich. Alles war ganz still und dunkel. Welche Gnade, im Schlaf Vergessen finden zu können. Enid schlich durch die dunklen Gänge hinab in den Hof. Erst als sie im Freien war und in der mondhellen Nacht stand, entspannte sich ihr flacher Atem etwas. Auf der Zinne sah sie die Umrisse der Wache, die ihre Runde machte. Unter dem gleichen Himmel und dem gleichen Mond hatten sie noch vor wenigen Wochen zu Hause friedlich geschlafen, ohne jede Sorge. Enid verfluchte den Tag, als der Bote aus Braneagh zu ihnen gekommen war. Damals hatten sie sich noch gefreut und sogleich angefangen, Pläne zu schmieden. Doch all das war jetzt zunichte. Es würde keine fröhliche Hochzeit für Mira geben, von einem glücklichen Eheleben einmal ganz abgesehen.

Ein Geräusch riss Enid aus ihren Gedanken, und ehe sie sich noch schnell verstecken konnte, kam ein Mann über den Hof in Richtung Eingangshalle. Als sie ihn erkannte, blieb Enid vor Schreck fast das Herz stehen. Es war Rufus Cannegh. Er verlangsamte seinen Schritt nicht, als er an ihr vorbeiging, aber einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und Enid fröstelte unwillkürlich. Sein Blick war kalt und lauernd wie der einer Schlange. Wie gelähmt verharrte Enid, bis sich das Geräusch seiner Schritte im Inneren der Burg verlor. Eine neue Welle der Verzweiflung durchflutete sie, und lautlos flehte sie Gott um Hilfe an. Es musste doch eine Möglichkeit geben, Mira zu retten.

Plötzlich hörte sie das Plätschern von Wasser. Es kam aus dem Schatten, dort, wo die Pferdetränke stand. Dort, wo Rufus Cannegh unvermittelt im Hof erschienen war. Voller böser Ahnungen raffte Enid ihren Umhang und eilte geräuschlos über den Hof. Als sie um die Ecke bog, bot sich ihr ein erbarmungswürdiges Bild. Eines der Küchenmädchen stand mit beiden Füßen in der Tränke und wusch sich verzweifelt zwischen den Beinen. Ihre Haare waren zerzaust und ihr Gesicht tränenüberströmt. Als sie Enids gewahr wurde, hielt sie erschrocken inne.

»Oh, bitte, Miss, verraten Sie nichts. Es darf keiner wissen. Bitte, bitte, es darf keiner wissen.«

Sie kletterte aus der Tränke und schlang zitternd die Arme um ihren Körper.

»Es darf keiner wissen, dass er dir ein Leid angetan hat?«, fragte Enid aufgebracht zurück.

Das Mädchen begann verzweifelt, leise zu schluchzen, doch als Enid näher kam, wich es zurück.

»Bitte, Miss, es darf niemand erfahren«, bettelte sie erneut.

»Warum nicht?« Es wollte Enid nicht in den Kopf, dass dieses offensichtliche Unrecht nicht gesühnt werden sollte.

»Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht herkommen dürfen.«

»Du hast dich freiwillig mit diesem Wolf getroffen?«

»Er hat gesagt, wenn ich nicht käme, dann würde er dafür sorgen, dass Tom seine Stellung verliert. Aber wenn jetzt Tom doch davon erfährt, dann wird er mich nicht mehr heiraten wollen.«

Der Rest ging in einem erneuten Schluchzen unter. Enid ballte die Fäuste. Rufus Cannegh war ein Monstrum.

»Bitte, bitte, es darf keiner erfahren«, flehte das Mädchen erneut, das jetzt in seinem nassen Untergewand bejammernswert zitterte.

»Nein, ich werde keinem etwas sagen. Und nun lauf, sonst holst du dir hier noch den Tod.«

Das Mädchen hastete davon. Wut kochte in Enid hoch. Wie rechtlos die einfachen Leute waren. Sie starrte auf die Wasserflecke, die sich dunkel auf dem Pflaster des Hofes abzeichneten. Der Mond hüllte alles in ein unwirkliches, gespenstisches Licht. Unvermittelt erschien ihr eine der Pfützen wie der Umriss eines Menschen, einer Toten. Ein Schauer überlief Enid, und sie war sich mit einem Mal sicher, dass es Mira war, die dort lag. Die Ehe mit Rufus Cannegh würde ihren Tod bedeuten. Einen Moment lang stand Enid wie versteinert über dem dunklen Fleck zu ihren Füßen. Dann wusste sie, was sie zu tun hatte.

»Mira, wach auf.« Enid schüttelte ihre Cousine an der Schulter.

»Was ist denn?«

»Wir müssen von hier fort.«

Mira setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Einen kleinen Moment in seligem Vergessen des gestrigen Geschehens schaute sie Enid fragend an, dann wurde sie sich wieder der Wirklichkeit gewahr.

»Du meinst, wir müssen fliehen?«

»Nichts sonst kann dich retten.«

»Aber wie …?«

»Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass, wenn wir hierbleiben, es deinen Tod bedeuten wird.«

Mira starrte sie aus großen Augen erschrocken an, verließ dann aber fügsam das Bett und streifte sich eilig ihr Kleid über. Enids Gedanken arbeiteten fieberhaft. Was sie vorhatte, war Wahnsinn, aber sie konnten nicht einen Augenblick länger hierbleiben. Sie brauchten Proviant, schoss es ihr in den Sinn.

»Packe für jede von uns ein Bündel mit dem Notwendigsten. Nur das, was wir tragen können. Ich gehe in die Küche und besorge uns Proviant.«

Wieder schlüpfte sie aus dem Gemach. Eben war sie genauso leise in den Hof geschlichen, und ihre einzige Sorge war gewesen, sich im Dunkeln nicht die Zehen zu stoßen. Doch nun fühlte sie sich anders. In dem Bewusstsein, etwas Verbotenes zu tun, schlug ihr das Herz bis zum Halse, als Enid lautlos durch dieselben Gänge huschte. Während sie den Hof überquerte, hielt sie sich im Schatten, immer darauf bedacht, nicht von der Wache bemerkt zu werden. Schließlich erreichte Enid die Küche. Wie groß und dunkel sie jetzt in der Nacht wirkte. Tagsüber war das Gewölbe voller Menschen und Geräusche, angenehm warm und erfüllt von leckeren Düften. Doch jetzt wurde es nur schwach von der Glut in dem großen Kamin erhellt und wirkte fast abweisend. Eilig suchte Enid die offenen Schränke ab und fand in einem Weidenkorb frisch gebackene Brotlaibe. Auf der anderen Seite des Küchengewölbes, dort, wo es hinab in den Vorratskeller ging, fand sie Käse und ein Stück geräuchertes Fleisch. Wasser würden sie genug finden, denn es gab viele kleine Quellen in den Highlands. Kaum dass sie die Lebensmittel in einem Tuch zusammengeknotet hatte, hastete Enid schon zurück in ihr Schlafgemach. Mira saß mit den beiden Bündeln im Arm auf dem Bett und wartete auf sie. Sie sah sehr besorgt aus.

»Wir werden uns, wenn der Wachposten auf seiner Runde vorbei ist, durch die kleine Fußgängertür im Tor davonstehlen.«

»Aber wohin wollen wir denn?«

»Das weiß ich auch noch nicht.«

Miras Augen füllten sich mit Tränen.

»Aber im Wald gibt es wilde Tiere.«

»Wir müssen es versuchen. Mir fällt sicher etwas ein, ich habe nur jetzt nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Hauptsache, wir sind erst einmal entkommen.«

Ihre Cousine klammerte sich verzagt an die Bündel.

Enid seufzte und setzte sich neben sie auf das Bett.

»Mira, wenn wir jetzt nicht heimlich gehen, kann ich nichts tun, um deine Vermählung mit diesem Mann zu verhindern.«

»Gar nichts?«

»Nein, gar nichts.«

All die Jahre war Mira in jeder Klemme und bei jeder Schwierigkeit zu Enid gekommen. Sie hatte das felsenfeste Vertrauen, dass ihre ältere Cousine alles, was ihr je zustoßen könnte, wieder zu richten wissen würde. Und nun hatte sie ihrem Schützling nichts anderes anzubieten als eine völlig wahnwitzige Flucht hinaus in die Wälder, ohne Reittiere, ohne Schutz, ohne Ziel. Gequält schloss Enid einen Augenblick die Augen. Aber dann war es Mira, die schließlich vom Bett aufstand.

»Du hast recht. Wir müssen hier fort. Wir gehen, und dann sind wir in Gottes Hand.«

Enid erhob sich ebenfalls. Sie umarmten sich kurz, und dann verließen sie leise das Schlafgemach.

***

Aus der Burg hinauszugelangen war nicht schwierig gewesen, da man im Allgemeinen ja Leute am Eindringen und nicht am Verlassen einer Festung hinderte. Ungesehen waren sie durch die Fußgängertür geschlüpft. Als sich der Wachposten auf der rückwärtigen Seite des Wehrumlaufs befand, waren sie schnell den Weg vom Tor hinab zum Wald gelaufen und schon im Schutz der Bäume verschwunden. Jetzt hatten sie bis zum Morgen, ehe ihre Flucht bemerkt werden würde. Das waren etwa sechs Stunden. Ganz sicher würde Laird Alec und mehr noch Rufus Cannegh mit Hunden ihre Spur aufnehmen, und Enid mochte gar nicht daran denken, wie schnell ihre Flucht dann schon wieder zu Ende sein könnte. Vermutlich würden die Männer erwarten, dass sie sich in Richtung Norden halten würden, um wieder nach Hause zu gelangen.

Einem Impuls folgend, schlug Enid zunächst einen südlichen Kurs ein. Schweigend hasteten sie durch den nächtlichen Wald, der gottlob nicht sehr viel Unterholz hatte. Der Mond schien durch das Blätterdach und spendete fahles Licht. Doch die Schatten und Geräusche, die sie umgaben, zehrten selbst an Enids starken Nerven, Mira weinte lautlos vor Angst. Nach etwa einer halben Stunde erreichten sie einen kleinen Bach, der in Richtung Westen führte. Zum Meer! Vielleicht fänden sie dort ein Boot. Vielleicht könnten sie einen Fischer überzeugen, sie fortzubringen. Enid blieb stehen und zog ihre Schuhe aus.

»Machen wir schon eine Rast?«

»Nein, wir werden jetzt durch den Bach weiterwaten. Das wird es den Hunden unmöglich machen, unserer Fährte zu folgen, sollten sie die morgen früh aufnehmen.«

»Sie werden uns mit Hunden jagen?«

»Es lohnt nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was die Männer tun werden. Wir müssen jetzt sehen, dass wir weiterkommen.«

Mira blieb stumm und zog ebenfalls ihre Schuhe aus. Wenig später platschten sie so gut es ging durch das kühle Wasser des Bächleins, das glücklicherweise ein sandiges Bett hatte und nur wenig harte Steine. Auch wenn sie ihrer jungen Cousine geraten hatte, sich keine Gedanken darüber zu machen, was erst geschehen würde, wenn man am Morgen ihre Flucht bemerken würde, kreisten Enids Gedanken um nichts anderes. Es war töricht zu glauben, dass sie ihren Verfolgern zu Fuß würden entkommen können. Diese ganze Flucht war töricht, aber was hätte sie sonst tun sollen?

Nach einiger Zeit lichtete sich der Wald und wurde langsam von einer Heidelandschaft abgelöst. Solange sie es noch aushielten, liefen sie im Flussbett, aber es war anstrengend, und ihre Füße waren inzwischen so kalt, dass sie auch keinen sicheren Halt mehr fanden. Schließlich stieg Enid aus dem Wasser.

»Jetzt können wir wieder an Land gehen. Ich habe schon Schwimmhäute zwischen den Zehen.«

»Ich wünschte, ich hätte Flügel.«

»Du meinst, wir sollten uns in ein Paar Enten verwandeln?«

Mira kicherte.

»Schwäne wären hübscher.«

Hier auf der Heide war es nicht so unheimlich wie im Wald, und Enid bewunderte die Weite des großen Nachthimmels. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie die Enge und das Eingeschlossensein auf Burg Braneagh bedrückt hatten. Sie war es gewohnt, viel im Freien zu sein und den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren oder auch den Regen und im Winter den Schnee. Den ganzen Tag in der Kemenate zu sitzen und Wandteppiche zu sticken, war nicht ihre Welt.

»Was werden sie mit uns tun, wenn sie uns finden?«, erklang Miras Stimme nun wieder verzagt neben ihr.

»Sie werden uns nicht finden!«

»Aber wenn doch?«

»Das weiß ich nicht.«

»Sie werden uns bestrafen.«

Enid drehte zu Mira herum.

»Warum denkst du jetzt darüber nach und nicht darüber, wie du Cannegh entkommen kannst? Wir dürfen nicht kleinmütig werden, sonst ist alles schon verloren.«

Mira schwieg unglücklich.

»Wir haben einen guten Vorsprung, und wenn wir Glück haben, treffen wir auf jemanden, der uns helfen kann.«

»Und dann?«

»Dann werden wir sehen. So, und jetzt geht es weiter.« Enid streckte Mira auffordernd die Hand hin. Über die Heide kamen sie zügig voran, und es schien Enid, dass es in der Burg nachts kälter war als draußen im Freien. Eine Zeit lang wanderten sie so wohlgemut dahin, doch als sich am Horizont ein erstes Morgengrauen zeigte und sich noch immer keine mögliche Hilfe andeutete, fiel es Enid immer schwerer, hoffnungsvoll zu bleiben. Nach einer Weile, die ersten Vögel begannen schon zu singen, trafen sie auf eine Herde Schafe. Wo Schafe waren, musste es irgendwo einen Schäfer geben. Oder wenigstens einen Unterstand, in dem sie sich vielleicht verstecken könnten. Das Gelände war hügelig und sehr unübersichtlich. Wenn Gott ihre Gebete erhört hatte, waren sie jetzt ein gutes Stück von Braneagh entfernt, sodass der Radius, den die Männer absuchen müssten, schon recht groß geworden war. Zuversichtlich schritt Enid erneut zügig aus.

»Warte, ich kann nicht mehr so schnell.« Mira beeilte sich, hinterherzukommen. »Mein Schuh ist kaputt.«

Sie blieben stehen, um das Unglück zu begutachten.

»Ach herrje! Zeig mal.«

Mira zog ihren Schuh aus, und es war sofort erkennbar, dass die Sohle sich vom Rest gelöst hatte. Die Naht war gerissen.

»Haben wir Flicksachen mit?«

Mira schüttelte den Kopf.

»Mist!«

»Es tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht, etwas einzupacken.«

Ihre Cousine war den Tränen nahe. Sie war erschöpft und verängstigt, was sollte Enid da noch schelten.

»Das konntest du doch nicht wissen. Wer nimmt schon Stopfsachen mit auf eine Flucht.« Sie blickte in den Himmel, bald würde die Sonne aufgehen.

»Komm, wir schaffen es noch bis zu dieser Kuppe, da haben wir einen besseren Überblick. Und dann machen wir eine Pause.«

Mira schluckte tapfer und humpelte hinter Enid die Anhöhe hinauf. Etwas außer Atem blieben sie schließlich stehen und sahen sich um, aber es war noch zu dunkel und kaum etwas zu erkennen. Enids Herz sank. Auch sie war erschöpft und verängstigt, aber sie durfte es nicht zeigen. Ratlos starrte sie in das aufkommende Morgengrauen.

»Da unten hat sich etwas bewegt«, flüsterte Mira plötzlich.

Enids Blick folgte dem ausgestreckten Arm. Und tatsächlich, dort unten war ein Tier. Hoffentlich kein Wolf, schoss es durch Enids Kopf. Nein, ein Rudel Wölfe hätte sicher schon die Schafe aufgeschreckt. Der dunkle Schatten dort unten war außerdem größer. So groß wie ein Pferd, überlegte sie. Ja, das dort unten musste ein Pferd sein! Und wo ein Pferd war, gab es auch einen Reiter. Sie könnten den Reiter um Hilfe bitten. Aber dann kamen Enid Bedenken. Wer waren sie denn schließlich schon? Zwei Jungfern, die vor einer unliebsamen Verehelichung geflohen waren. Und zumindest über Mira konnte Laird Alec als Vormund vollends verfügen. Nein, das war keine Geschichte, in die sich ein Fremder gerne einmischen würde. Und wahrscheinlich wäre der Reiter sogar der Meinung, dass sie zu Unrecht geflohen seien, wie vermutlich der Rest der Welt auch. Möglicherweise würde er sie beide sogar noch zurückbringen wollen, um eine Belohnung zu bekommen. Je länger Enid darüber nachdachte, desto mehr verwarf sie den Gedanken, den Reiter, der vermutlich dort unten übernachtet hatte und hoffentlich noch schlief, um Hilfe zu bitten. Schließlich fasste sie einen Entschluss.

»Wir brauchen ein Reittier.«

»Wollen wir nicht nach Hilfe fragen?«

»Nein, das ist zu gefährlich. Und wir wissen auch gar nicht, was das für ein Mann dort unten ist.«

»Aber was machen wir dann?«

»Wir nehmen uns sein Pferd.«

»Was?«

»Es ist die einzige Möglichkeit, um weiterzukommen.«

Mira starrte Enid entsetzt an.

»Aber was wird aus dem Reiter?«

»Der muss dann zu Fuß gehen, das bringt ihn auch nicht um. Es ist ein Notfall!«

Entschlossen schlich Enid sich leise vorwärts, dicht gefolgt von der bangen Mira. Als sie näher kamen, konnten sie eine einfache Hütte erkennen. Vermutlich diente sie dem Schäfer zur Zeit des Lammens oder Scherens als Unterstand, aber jetzt beherbergte sie offenbar zwei Reisende, denn in der provisorischen Koppel standen zwei Pferde, die jetzt aufmerksam den Kopf hoben. Enid bedeutete Mira zurückzubleiben und kam behutsam näher. Sie war eine außerordentlich gute Reiterin und hatte viel Gespür für Tiere. Langsam kam sie näher und streckte den Pferden zunächst ihre Hände entgegen, damit sie daran schnuppern konnten. Dann streichelte Enid sie ein bisschen, während sie sich suchend umsah. Es waren keine Trensen oder Sättel zu sehen, die Tiere waren nur mit einem leichten Halfter versehen. Für sie selbst stellte das kein Problem dar, aber Mira war keine gute Reiterin. Trotzdem, dies war ihre einzige Chance, sich schnell weiter vor Laird Alec und Rufus Cannegh in Sicherheit zu bringen, und sie musste genutzt werden.

Enid stand ganz still und lauschte. Es war nichts zu hören, außer den Vögeln, die inzwischen einen ordentlichen Lärm veranstalteten. Das hieß, dass auch die Reisenden vermutlich bald aufwachen würden. Sie musste jetzt handeln. Vorsichtig löste sie das Seil der provisorischen Koppel und führte die beiden Pferde am Halfter zu Mira.

»Halte dich einfach an der Mähne fest, ich werde versuchen, dein Pferd zu führen.«

Mira sah sehr unglücklich aus, als Enid ihr auf eines der Reittiere half. Es war ein schönes Ross mit wachen, intelligenten Augen und einer offenbar sehr gelassenen Veranlagung, denn es machte keine Anstalten, die angespannte junge Frau auf seinem Rücken abzuwerfen. Als Mira saß, schwang sich Enid sehr undamenhaft auf das zweite Pferd. Doch kaum, dass sie saß, hörte sie ein Geräusch von der Hütte hinter sich.

»He!«

»Hüa!« Enid trieb ihrem Ross die Fersen in die Seiten, und es machte einen Satz nach vorn. Das zweite Pferd, unsanft am Halfter gezogen, setzte sich ebenfalls mit einem Sprung in Bewegung, der Mira fast zu Boden befördert hätte. Sie galoppierten voran, und Enid dachte, dass sie den Besitzern der Tiere glücklich entkommen seien, als sie plötzlich einen lauten Pfiff vernahm. Miras Ross wendete abrupt und trabte einfach zur Hütte zurück. Dieses unerwartete Verhalten hatte Enid überrascht, und das Halfter, das sie sowieso nur am langen Arm hatte fassen können, war ihr entglitten. Hilflos musste Enid mit ansehen, wie das Ross samt ihrer Cousine einfach zu seinem Besitzer zurückkehrte. Verzweifelt saß Enid auf ihrem Pferd und konnte im aufkommenden Tageslicht erkennen, wie zwei Männer Mira vom Pferd holten. Sie waren verloren! Die schlimmsten Schreckensszenarien durchzuckten Enids Gedanken. Was konnte sie nur tun?

Kapitel 3

»Wir haben dein Liebchen! Willst du es nicht wiederhaben?«, hörte sie einen der Männer jetzt rufen. Es war eine kultivierte Stimme mit klarer Aussprache. Wahrscheinlich war der Mann von edler Geburt. Aber was hieß das schon? Es gab viele einfache Leute, die sich ehrenhafter als die über ihnen Stehenden verhielten. Ein ängstlicher kleiner Schrei von Mira riss Enid aus ihrer Erstarrung. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste sich geschlagen geben. Langsam wendete sie ihr Pferd und ritt zurück. Je näher sie kam, desto mehr gewannen die Konturen der Männer an Schärfe, und Enid erkannte, dass es sich um einen jüngeren und einen älteren handelte. Vater und Sohn? Als sie schließlich die Hütte erreicht hatte, verwarf sie diesen Gedanken, der jüngere der Männer war ganz sicher ein Ritter und der ältere wahrscheinlich sein Knecht. Einen Augenblick betrachteten sie einander schweigend. Der Ritter mochte Ende 20 sein, er war hochgewachsen und blond. Wie er dort entspannt mit verschränkten Armen an seinem Ross lehnte, machte er einen sehr ungezwungenen Eindruck. Er schien sich zu amüsieren, und gegen ihren Willen gefiel er Enid sehr gut. Jetzt machte er eine nonchalante Verbeugung, seine Bewegungen waren fast einen Tick schlaksig, hatten aber nichts Kraftloses an sich.

»Noch eine Jungfer am frühen Morgen!«

Enid glitt vom Pferd und strich den Rock ihres Kleides glatt. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, aber anscheinend erwartete ihr Gegenüber eine Erklärung. Selbstverständlich erwartete er diese, und Enids Gedanken rasten. Wie sollte sie sich aus dieser peinlichen Lage herausreden?

»Es tut mir leid.«

»Das glaube ich dir gerne. Nicht davonzukommen, ist immer sehr misslich.«

»Ich meine, es tut mir leid, dass wir gezwungen waren, deine Tiere zu stehlen.« Sie verzichtete auf eine förmliche Anrede, da sich ihr Gegenüber um Konventionen nicht zu scheren schien.

»Es zu versuchen«, verbesserte er.

»Ist das nicht gleichgültig?«, erwiderte Enid irritiert. Jetzt machte er sich über sie lustig, aber wenigstens war er nicht zornig. Gleichwohl durften sie keine Zeit verlieren, denn Laird Alec und Rufus Cannegh waren ihnen auf den Fersen.

»Wir haben es sehr eilig. Können wir jetzt bitte gehen?«

Mira machte einen hoffnungsvollen Schritt nach vorn, wurde aber sogleich von dem älteren Knecht am Arm zurückgehalten.

»Nicht so schnell, nicht so schnell. Meines Wissens werden Pferdediebe aufgeknüpft, nicht wahr, Joe?«

»Das ist so üblich«, brummte der Knecht und ließ seinen zutiefst missbilligenden Blick über Enid schweifen.

»Das ist doch Unsinn!«

Mit einem Schritt war der Ritter bei ihr, packte sie mit einem überraschend starken Griff und sah Enid ins Gesicht.

»Das entscheide doch wohl noch ich, oder? Ich denke, ich habe Wiedergutmachung verdient.«

Und noch ehe Enid wusste, wie ihr geschah, hatte er sie in seine Arme gezogen und küsste sie ungestüm. Es ging alles so schnell, dass er sie schon wieder freigegeben hatte, ehe sie überhaupt auf den Gedanken einer Gegenwehr gekommen wäre. Völlig aus der Fassung gebracht, konnte sie ihn einen Augenblick lang nur empört anstarren.

»Können wir dann jetzt gehen?«, fragte sie schließlich, als sich ihr Atem etwas beruhigt hatte.

»Nein. Ihr kommt erst einmal mit hinein.«