Der Schwur des Highlanders - Allegra Winter - E-Book
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Der Schwur des Highlanders E-Book

Allegra Winter

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Beschreibung

Er schwört Rache – und findet die große Liebe: die historische Romanze „Der Schwur des Highlanders“ von Allegra Winter jetzt als eBook bei venusbooks. Schottland im 12. Jahrhundert. Es ist der schwerste Gang ihres Lebens: Ausgerechnet die junge Estelle Veringer wird in das Lager des Feindes geschickt, um die Belagerung der väterlichen Burg zu beenden. Doch als sie dem mächtigen Krieger Adair gegenübersteht, ist ihre Furcht sofort vergessen, so tief ist sein Blick, so begehrenswert sind seine Lippen. Zwischen ihnen entbrennt eine Leidenschaft, die nicht sein darf, denn Estelle muss das Leben ihrer Familie retten – vor Adair. Noch dazu ist sie einem anderen versprochen, doch der wird ihr Herz niemals so in Flammen setzen wie der fremde Krieger … Ein neuer Stern am Himmel der historischen Liebesromane – perfektes Lesefutter für die Fans von Patricia Grasso und Joan Wolf! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Der Schwur des Highlanders“ von der neuen Romance-Königin Allegra Winter. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 393

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Über dieses Buch:

Schottland im 12. Jahrhundert. Es ist der schwerste Gang ihres Lebens: Ausgerechnet die junge Estelle Veringer wird in das Lager des Feindes geschickt, um die Belagerung der väterlichen Burg zu beenden. Doch als sie dem mächtigen Krieger Adair gegenübersteht, ist ihre Furcht sofort vergessen, so tief ist sein Blick, so begehrenswert sind seine Lippen. Zwischen ihnen entbrennt eine Leidenschaft, die nicht sein darf, denn Estelle muss das Leben ihrer Familie retten – vor Adair. Noch dazu ist sie einem anderen versprochen, doch der wird ihr Herz niemals so in Flammen setzen wie der fremde Krieger …

Ein neuer Stern am Himmel der historischen Liebesromane – perfektes Lesefutter für die Fans von Patricia Grasso und Joan Wolf!

Über die Autorin:

Allegra Winter studierte Englische Literatur und Mittelaltergeschichte. Ausgedehnte Reisen führten sie rund um die Welt, ehe sie begann, sich ihrer großen Leidenschaft – dem Schreiben – zu widmen. Heute lebt sie mit ihrem Mann an der amerikanischen Pazifik- und der deutschen Ostseeküste, wo sie es liebt, herrliche Romanzen zu ersinnen, mit Freunden zu kochen und am Stand Muscheln zu sammeln.

Von Allegra Winter erscheinen auch:

Das stolze Herz der Lady

In den starken Armen des Lords

***

eBook-Neuausgabe Februar 2017

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2016 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Beate Darius

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/sakkmesterke, Stephen McCluskey

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95885-484-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

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***

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Allegra Winter

Der Schwur des Highlanders

Roman

venusbooks

Teil 1: Die Belagerung

Kapitel 1

Die Holzscheite knackten im Feuer, und draußen brauste der Highlandwind heulend um die steinernen Türme. Sonst war es in der dunklen Kemenate ganz still. Die junge Frau am Feuer bewegte mit anmutiger Regelmäßigkeit ihre Spindel. Das Zucken der Flammen im offenen Kamin ließ ihren Schatten jedoch unruhig an der Wand flackern. Es war, als wollten sie die wirkliche Gemütslage des Fräuleins am Spinnrad gegen deren Willen offenbaren. Nur hier in der Dunkelheit fand Estelle die Ruhe, ungestört ihren Gedanken nachzugehen.

Im letzten Sommer war Estelles Mutter anlässlich der Geburt ihres fünften Enkelkindes zu ihrer Tochter Wynda weit in den Süden ins englische Reich gereist und hatte überraschend beschlossen, dortzubleiben. Sie war einfach nicht zurückgekommen. Zwar war die Abneigung zwischen Chieftain Murdock und seiner Gemahlin weithin bekannt, doch die schlimmen, lautstarken Auseinandersetzungen wie zu Estelles Kindertagen waren über die Jahre zu einem eisigen Schweigen geworden. Es schien, als hätten sich die Eheleute arrangiert. Doch nun hatte Lady Edmonda einfach ihren Dienst quittiert. Als sie nicht einmal bereit gewesen war, zur geplanten Hochzeit ihres Erben in das schottische Hochland zu reisen, war allen klar, dass sie die Burgherrin nie wiedersehen würden. Trotz dieser unerhörten Pflichtvergessenheit gegenüber ihrer Familie war es sicher eine kluge Entscheidung gewesen, denn Murdock hätte seine Gemahlin gewiss nicht wieder gehen lassen. So hatten sich Estelle und ihre Tante Coira die Aufgaben der Haushaltsführung geteilt. Besonders die Planung der bevorstehenden Vermählung hatte ihnen viel Arbeit bereitet. Zwar war Rorys Verlobte Joan bereits vor etwa drei Monaten eingetroffen, aber das Hochzeitsfest hatte verschoben werden müssen, da der Brautvater von seinem Chief zu einem Waffengang angefordert worden war. Er war noch nicht wieder zurück.

Die zukünftige Herrin von Louthgow verspürte in der Zwischenzeit jedoch nicht den Wunsch, die Hauswirtschaft der Burg kennenzulernen. Alle Arbeit lastete weiterhin auf Estelles Schultern, und sie fürchtete, dass ihr die Nachfolge ihrer Tante Coira zugedacht war. Die unverheiratete Schwester ihres Vaters hatte still im Hintergrund gewirkt und sich um den Haushalt und die Erziehung ihrer Nichten und Neffen gekümmert. Jetzt lag diese treue Seele danieder, und keiner glaubte, dass sie den Winter überleben würde.

Estelle nahm einen neuen Bausch Wolle auf. Nachdenklich betrachtete sie den Faden, der völlig gleichmäßig durch ihre Finger glitt. Es hatte zwei Anwärter auf Estelles Hand gegeben, aber ihr Vater hatte die Bewerber abgewiesen. Er hatte ihr keinen Grund dafür genannt. Es gab auch keinen. Außer dem, dass Murdock McKerringer seine jüngste Tochter einfach nicht leiden konnte. Vielleicht lag es daran, dass sie, obwohl sie auch zu Lady Edmonda kein inniges Verhältnis hatte, ihrer Mutter doch so ähnlich sah? Estelle wusste es nicht. Gleichgültig, wie sehr sie sich anstrengte, sie konnte die Zuneigung oder auch nur Anerkennung ihres Vaters nicht gewinnen. Da der Chieftain ein unberechenbares Temperament hatte, war Estelle stets bemüht gewesen, in der Gegenwart ihres Vaters so unsichtbar wie möglich zu bleiben. Doch die Zeiten des Wegduckens waren vorbei. Ihr oblag die Haushaltsführung, und nun konnte sie nicht einmal mehr Tante Coira vorschicken.

Die Ankunft ihrer zukünftigen Schwägerin im Sommer war eine weitere Herausforderung gewesen und leider auch geblieben. Die Vermählung des Erben der Familie McKerringer sollte selbstverständlich gebührend und mit aller Pracht gefeiert werden. Fast dreihundert Gäste waren erwartet worden. Alles war vorbereitet gewesen. Da war es ein schwerer Schlag, als das Fest hatte abgesagt werden müssen. Chieftain Murdock hatte allein für die geplante Bewirtung der Gäste bereits eine große Summe ausgegeben. Vieles davon war nicht einzulagern gewesen und hatte als Almosen verschenkt werden müssen.

Sie würde beim nächsten Mal weniger Mittel zur Verfügung haben, aber die Erwartungen würden dieselben sein, dachte Estelle besorgt. Es war jetzt bereits Anfang November, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater die Hochzeit für den Winter ansetzen wollte, wenn die Straßen unpassierbar waren und man Gäste nicht bequem in Zelten unterbringen konnte. Doch die Vermählung ihres älteren Bruders war jetzt nicht die größte Sorge. Es gab zunächst einmal ganz andere Dinge, die bewältigt werden wollten. Zahlreiche Gäste befanden sich auf der Burg, auch wenn der Anlass ein weniger erfreulicher war. Übermorgen würde Rory mit seinen Männern ausziehen, um einen unbekannten Feind an der südlichen Grenze zu stellen.

Genau am Tage des heiligen Wilfrid war Laird Angus, ein Verwandter Murdocks, völlig überraschend mit seiner gesamten Familie und einem Teil seines Gesindes bei ihnen eingetroffen. Er hatte von einem Fremden berichtet, der mit einem riesigen Heer über das Meer gekommen war und über Burg Graigskellie hergefallen war. Der Fremde sehe wie der Teufel selbst aus. Er sei ein schreckliches Monstrum und habe alles kurz und klein geschlagen. Sehr wahrscheinlich würden diese furchtbaren Eindringlinge sogar Kinder zu ihrem Hexensabbat opfern. Nachdem sich die anfängliche Panik etwas gelegt hatte und Estelles Vater Erkundigungen eingeholt hatte, konnte zumindest dieser letzte Teil des Berichtes als Hirngespinst abgetan werden. Was sich jedoch bestätigt hatte, war, dass sich tatsächlich ein Fremder mit einer Söldnertruppe auf Graigskellie eingerichtet hatte. Die Anzahl seiner Kämpfer war jedoch erheblich geringer als zunächst angenommen, und was er dort wollte, blieb ebenfalls ein Rätsel. Es gab immer einmal wieder Wikingerüberfälle, aber diese Eindringlinge waren keine Nordmänner.

Wer war der Mann, und warum besetzte der Fremde ausgerechnet diesen Teil ihres Besitzes, wo es nur kargen Boden und nicht einmal Wald gab? Estelle hatte versucht, ihren jüngeren Bruder Randal auszufragen. Aber obwohl er bei den meisten Besprechungen ihres Vaters mit Rory und seinen Ratgebern dabei war, war aus ihrem zweiten Bruder nichts Gescheites herauszubekommen. Es hatte ihn nicht interessiert, und die Hälfte hatte er schon wieder vergessen. Nur die kleine Falte zwischen ihren elegant geschwungenen Brauen verriet Estelles Unruhe, während ihre Finger die feine Wolle zu einem hauchzarten, gleichmäßigen Faden spannen.

Übermorgen also würde Rory mit seinen Kämpfern hinaus in die Schlacht ziehen und sicherlich nach kurzer Zeit siegreich zurückkehren. Es war beileibe nicht der erste Feldzug, den ihr Bruder unternahm, und bisher war er immer wieder heil nach Hause zurückgekehrt. Murdock hatte seinen Erben für dieses Unternehmen neu ausgestattet, sogar ein neues Streitross hatte Rory bekommen. Estelle machte die ungewöhnliche Großzügigkeit ihres Vaters argwöhnisch. Immerhin hatte ihr Bruder schon für die Hochzeit neue Pferde, Waffen und Kleider bekommen. Auch dass er Rory mehr Kämpfer mitgeben wollte, als dieser für nötig befand, war erstaunlich. Zwar war auch die Späternte schon vollständig eingebracht, aber die Männer wurden weiterhin auf den Feldern gebraucht, um das Land für den nahen Winter vorzubereiten.

Schon der Anlass dieses Feldzuges war seltsam. Wer war dieser fremde Feind? War er zufällig an ihrer Küste gelandet oder verfolgte er einen Plan?

Unvermittelt riss der Faden, und die Spindel fiel mit einem lauten Knall zu Boden. Sie rollte in die entfernteste Ecke des Raumes und wurde vom Schwarz der Nacht verschluckt. Estelle hielt inne, den Arm noch ausgestreckt, und starrte der Spindel hinterher. Das Feuer war heruntergebrannt, und die Kemenate wurde nur noch ganz schwach von der roten Glut beleuchtet. Estelle fröstelte. Warum war ihr Herz nur so voller Sorge?

»Ich hoffe, Rory trägt den Kopf dieses Ungeheuers auf einer Lanze vor sich her, wenn er zurückkommt.«

Estelle blickte von ihrem Teller auf. Maryanne biss herzhaft in ihr Brot und blickte auffordernd in die Runde.

»Das ist ja widerwärtig«, bemerkte Joan und warf dem Gast einen kalten Blick zu. Ausnahmsweise musste Estelle ihrer zukünftigen Schwägerin recht geben.

»Aber verdient hätte er es.«

»Maryanne, bitte mäßige dich«, flüsterte ihre Mutter. Laird Angus’ Gattin war eine kleine, rundliche Frau von sanftem Wesen. Maryanne war die älteste Tochter und schlug auch äußerlich mehr ihrem Vater nach. Hochgewachsen und von kräftigem Körperbau, mit einer noch kräftigeren Stimme. Oft mangelte es ihr an Feingefühl, manchmal war sie geradezu schockierend taktlos. Was Maryanne in den Sinn kam, sprach sie sofort aus, ganz anders als Joan, die jedes Wort genau abmaß und auch dann nicht sagte, was sie wirklich dachte.

Sie saßen in der großen Halle beim Festmahl. Estelle hatte einen arbeitsreichen Tag hinter sich, und ihr war nicht wirklich zum Feiern zumute. Doch morgen früh zogen die Ritter in den Kampf, und das musste am Abend vorher angemessen gefeiert werden. Einige der Männer, die Murdock zu diesem Waffengang angefordert hatten, hatten ihre Familien mitgebracht, aber die meisten waren nur mit einigen ihrer Kämpfer gekommen. Bei der deutlichen Überzahl an Herren war kein Tanz geplant, und die wenigen Damen würden sich sicher im Laufe des Abends zurückziehen, wenn die Stimmung übermütiger werden sollte. Und davon konnte man ausgehen, denn die Männer brannten förmlich darauf, die Eindringlinge, die über das Meer gekommen waren, für ihre Taten zu bestrafen. Wieder wunderte sich Estelle über diese Eroberung von Graigskellie. Es gab so viel lohnendere Ziele für eine Beutefahrt, wenn es denn überhaupt eine solche war. Aber was konnte es sonst sein?

Die Halle war mit den Wappen und Farben der Anwesenden geschmückt, die in ihren besten Kleidern an den langen Tischen saßen. Es war ein farbenfrohes Bild, zwei Spielleute machten Musik, und die Pagen eilten zwischen den Tischen hin und her, um Speise oder Trank zu reichen. Estelle trug ihr feinstes Gewand. Sie hatte es eigentlich für die Hochzeit gemacht. Es war aus dunkelroter Wolle, und sie hatte es in mühevoller Arbeit mit kleinen Glasperlen bestickt. Darüber kam eine Art Mantel aus Seide in einem Cremeton, dessen Säume sie mit Pelz verziert hatte. Die Glasperlen und Pelzstreifen hatte sie in einer Truhe ihrer Mutter gefunden, ebenso den Seidenstoff. Auch die anderen Damen, die mit ihr an der Frauentafel saßen, hatten sich herausgeputzt. Maryanne, obwohl sie auf ihrer Flucht nicht viel hatte mitnehmen können, sah in einem hellblauen Gewand mit goldenem Muster sehr lieblich aus. Ihre rosigen Wangen strahlten Gesundheit und Kraft aus, alles, was sich ein Mann für seine Braut und zukünftige Mutter seiner Kinder wünschen würde. Estelle beobachtete die interessierten Blicke, die Maryanne von der anderen Seite des Saales zugeworfen wurden. Joan hingegen war klein und zierlich. Doch die Zartheit ihrer Gestalt spiegelte sich nicht in ihrem Gesicht wider. Joans strenge Züge ließen ihre ganze Erscheinung hager und hart wirken. Sie trug eine elegante Robe aus silberfarbigem Seidendamast und eine edle Pelzstola. Aber schöne Gewänder machten die Trägerin auch nicht schöner, und fast tat sie Estelle ein bisschen leid, weil sie so einfach von einer Landpomeranze wie Maryanne ausgestochen wurde. Kein Wunder, dass sie sie nicht leiden konnte. Aber Joan schien überhaupt keinen zu mögen.

Die Pagen trugen gerade den zweiten Gang aus gebratenen Tauben in Stachelbeersauce auf, als Estelle hinter sich ein Hüsteln vernahm.

»Herrin, Ihr werdet dringend in der Küche gebraucht.«

Estelle entschuldigte sich bei Dame Wilma und Joan, zwischen denen sie gesessen hatte, und stand auf, um dem Jungen zu folgen. Sie fing den ungehaltenen Blick ihres Vaters auf, wie um ihr ungehöriges Benehmen zu rügen. Hoffentlich war es wirklich ein Notfall, sonst würde sie es später schwer haben, ihm Rede und Antwort zu stehen. Als sie jedoch die Treppe in das Gewölbe mit dem riesigen gemauerten Herd hinabeilte, wurde das ganze Ausmaß dieses Notfalles deutlich. In der Küche herrschte ein großes Durcheinander, Töpfe, Pfannen und Speisen lagen verstreut auf dem Fußboden, einige Tische waren umgeworfen worden. Der Koch und seine Gehilfen hatten sich entweder hinter den umgestürzten Möbeln verschanzt oder pressten sich ängstlich an die Wände. In der Mitte stand ein Recke mit gezücktem Schwert und hieb damit bald in diese, bald in die andere Richtung.

»Randal, mein Lieber! Hat dich etwas verärgert?«, fragte Estelle mit ruhiger Stimme und trat in die Küche. Ihr Bruder kam mit ausgestrecktem Schwert auf sie zu. Die Anwesenden zogen hörbar die Luft ein, und einen kurzen Moment lang befürchtete Estelle, dass Randal sie nicht erkannt hatte. Doch dann senkte er das Schwert und lachte plötzlich:

»Der elendige Koch wollte mir nichts von dem Pudding geben. Da habe ich ihnen allen einmal einen schönen Schrecken eingejagt!« Er kicherte einfältig und schwang zum Spaß sein Schwert hin und her.

Estelle seufzte.

»Nun ist es aber gut, und du hast genug Unordnung geschaffen. Stecke bitte dein Schwert wieder in die Scheide. Ich hole dir jetzt etwas von dem Pudding«, sagte Estelle und ging an ihrem Bruder vorbei zum Koch, der hinter dem umgeworfenen Tisch aus seiner Deckung hervorgekommen war.

»Herrin, er wollte den ganzen Nachtisch auf einmal, und ich muss doch den Pudding im Saal auftischen«, flüsterte er verzweifelt.

»Es ist gut, Ben, gib mir einfach etwas davon.«

Eilig wurde Estelle eine Schüssel mit Mandelcreme gefüllt.

»Siehst du, Randal, hier ist dein Pudding.«

Erfreut streckte er die Hände danach aus, doch Estelle gab ihm nur den Löffel und trug die Schüssel aus der Küche.

»Lass uns in das grüne Gemach gehen, da ist es ruhig und ordentlich«, sagte sie über die Schulter und stieg die Treppe hinauf. Ihr Bruder folgte ihr anstandslos, sein Jähzorn war verraucht, und er sah besorgt hinter sich auf das Durcheinander in der Küche.

»Vater wird ungehalten sein«, stellte Randal fast, als er schließlich vor der Kohlenschale saß und den Pudding löffelte. Estelle nickte, sagte aber nichts. Es waren genau jene unberechenbaren Wutanfälle, die Randal zum Schrecken der Burgbewohner werden ließen. Er hatte Murdocks hitziges Temperament geerbt, doch diese Temperamentsausbrüche schienen bei ihm auch den Verstand zu übermannen. Es gab Tage, an denen Randal verständiger war, geistig nicht wirklich voll auf der Höhe, aber zurechnungsfähig. Und an manchen Tagen verhielt er sich kaum anders als ein zorniges kleines Kind. Ein zorniges kleines Kind in der Gestalt eines kräftigen jungen Mannes mit einem scharfen Schwert. Dies war jedoch eine Angelegenheit, die sie ihrem Vater gegenüber nicht erwähnen durfte. Der Chieftain weigerte sich stur, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, nämlich, dass sein jüngerer Sohn nicht ganz bei Trost war. Er begründete alles mit einem ungezügelten Temperament, was dazu führte, dass er Randal immer wieder in Situationen brachte, die ihn überforderten. Randal hatte Angst vor seinem Vater, auch Rorys Willen fügte er sich. Doch seitdem Tante Coira ans Bett gefesselt war, schien Estelle die Einzige zu sein, die sonst noch beruhigend auf ihn einwirken konnte.

»Wo bleibst du denn, verdammt noch mal?«, fuhr ihr älterer Bruder Estelle an, als sie mit der Schüssel wieder in die Küche kam.

»Ich musste mich um Randal kümmern«, verteidigte sich Estelle.

Der Koch hatte Rory bereits vom Betragen seines Bruders berichtet.

»Und wo ist er jetzt?«

»Ich glaube, im Stall.«

Rory rollte ungeduldig mit den Augen. »Vater will, dass er am Festessen teilnimmt.« Er schwieg einen Moment. »Was meinst du?«, fragte er dann.

Estelle schüttelte bloß den Kopf.

»Dann tu wenigstens du deine Pflicht«, sagte er und schob Estelle unwirsch in Richtung Halle. Rory, ebenfalls mit dem hitzigen Temperament der McKerringers bedacht, war aber, wo sein Vater oft starrsinnig und ungerecht war, einem vernünftigen Wort durchaus zugänglich.

Als Estelle wieder zwischen Dame Wilma und Joan Platz genommen hatte, sah sie, wie Rory kurz mit dem Chieftain sprach. Murdock sah sehr ungehalten aus, und die Hand, mit der er das Messer hielt, zitterte unkontrolliert über seinem Teller. Dieses seltsame Zittern, das die Glieder ihres Vaters überkam, hatte er früher nicht gehabt. Manchmal erreichte es auch seinen Kopf oder seine Beine, sodass er nur sehr langsam vorwärtskam. Diese Krankheit, oder was auch immer es sein mochte, war ebenfalls etwas, über das nicht gesprochen werden durfte. Es gab so viele Dinge in ihrer Familie, über die geschwiegen wurde.

Wie Estelle erwartet hatte, wurde die Stimmung im Laufe des Abends immer ausgelassener, die Reden wurden kühner und die angekündigten Heldentaten großartiger. Die beiden Spielleute mussten für allerhand derbe und bisweilen gefährliche Späße herhalten, bis schließlich einer der älteren Herren dem Treiben der jungen Recken ein Ende bereitete. Estelle war erleichtert und gleichzeitig enttäuscht, dass dieses Eingreifen zum Schutze der wehrlosen Opfer nicht von ihrem Vater oder Bruder gekommen war, wie es sich eigentlich gehört hätte. Nach dem Mahl hatte sich die strenge Sitzordnung aufgelöst, und die Gäste standen in kleinen Gruppen beieinander und unterhielten sich. Estelle beaufsichtigte weiter das Auftragen von Süßigkeiten und die Versorgung mit Getränken. Ihr Blick fiel auf Rory, der sich mit Maryanne unterhielt. Den Reizen dieser fröhlichen Schönheit war er scheinbar mehr zugetan als denen seiner Braut. Und obwohl Dame Wilma anstandshalber neben ihrer Tochter stand, konnte sich Estelle des Gefühls nicht erwehren, dass dieses Gespräch unziemlich war. Ihr Blick suchte nach Joan, doch ihre zukünftige Schwägerin schien das Fest bereits verlassen zu haben.

Die Luft in der großen Halle war durch den Kaminrauch, die vielen Leute, den Alkohol und die Essensdüfte schwer und verbraucht. Ein junger Recke trat auf sie zu.

»Holde Maid! Wollen Sie mir die Gunst erweisen, Ihr Zeichen in den Kampf zu tragen?«

Estelle, überrascht von der Unverfrorenheit des Mannes, sie so direkt anzusprechen, überlegte, wie viel er wohl getrunken hatte. Der prächtig in ein grünes, mit roten Biesen verziertes Hemd gekleidete Recke verbeugte sich nun vor ihr, wobei er fast das Gleichgewicht verlor.

»Darf ich für Sie dem Tod trotzen, meine Dame?«, fragte er mit etwas schleppender Stimme.

»Nein danke«, antwortete Estelle und ließ ihn stehen.

»Herrin, der Mundschenk lässt fragen, wie viele Fässer Bier er noch anstechen soll.«

Estelle wandte sich zu dem Pagen um. Warum konnte der Mundschenk das nicht selbst entscheiden, dafür war er schließlich zuständig! Aber der Mann wollte nicht das Risiko eingehen, mit einer falschen Entscheidung seinen Herrn zu erzürnen. Fast schien es Estelle, als wenn sich inzwischen der gesamte Haushalt hinter ihr verschanzte. Sie sah den Pagen stirnrunzelnd an.

»Verzeihung«, sagte dieser sofort, aus Sorge, sie verärgert zu haben. Estelle lächelte schnell. Das Gesinde konnte schließlich auch nichts für das völlig unberechenbare Temperament ihres Vaters. Sie warf einen Blick auf die Gäste und sagte dann:

»Es ist spät, wir werden wohl nur noch eines brauchen.«

Sie sah dem Pagen nach, als er in den Keller lief, um ihre Nachricht auszurichten. Der Abend war tatsächlich schon sehr weit fortgeschritten, und Estelle war müde. Sie beschloss, ins Bett zu gehen. Auch Maryanne und ihre Mutter schienen sich zurückgezogen zu haben. Von Rory war ebenfalls nichts zu sehen. Eine kleine Sorgenfalte erschien zwischen Estelles Brauen. Sie konnte nur hoffen, dass Dame Wilma gut auf ihre Tochter aufpasste.

Estelle bahnte sich ihren Weg durch die Gäste, als sie im Vorübergehen hörte:

»Feinde hat er sich ja genug gemacht.«

»Das ist schon so viele Jahre her. Du glaubst doch nicht, dass da einer aus dem Grab zurückkehrt«, antwortete eine andere Stimme, deren Besitzer schnaubend lachte, um sich gleichzeitig zu bekreuzigen.

Estelle war stehen geblieben, aber die Männer am Tisch schenkten ihr keine Beachtung. Beide waren erfahrene Kämpfer, die schon lange im Dienste ihres Vaters standen. Sie trugen leichte, aber pelzverbrämte Umhänge, die sie auf die Schultern zurückgeworfen hatten und die im Vergleich mit den Kleidern der jüngeren Recken etwas altmodisch aussahen.

»Ich hoffe, das hier ist schnell beendet, der Winter ist nahe, und ich habe noch viel zu tun.«

»Das hoffe ich auch. Ellis steht kurz vor der Niederkunft, und ich erwarte, dass sie meinem Sohn diesmal endlich einen Erben gebiert.«

»Wie viele Mädchen hat er schon?«

»Drei! Kannst du das glauben? Drei nichtsnutzige Mädchen und noch nicht einen Knaben.«

Sir Brent schüttelte mitfühlend den Kopf und sagte dann zuversichtlich: »Ich denke, wir werden keine allzu großen Schwierigkeiten haben. Es ist nichts als ein kleiner Haufen Gesetzloser.« Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, was sie da wollen, vielleicht ja nur überwintern?«

»Angus hat die Angreifer ganz anders geschildert.«

»Pah! Das hätte ich an seiner Stelle auch getan. Wie ein Hase hat er Fersengeld gegeben. Da würde ich auch nicht sagen, dass ich in meiner bequemen Arglosigkeit ein paar harmlosen Strolchen in die Hände gefallen bin.« Er schüttelte so vehement den Kopf, dass sein ganzer Körper wackelte.

»Nein, glaub mir, es wird nicht lange dauern, bis wir sie ausgeräuchert haben.«

Sir Brent warf einen Blick hinüber zum Chieftain, der auf seinem erhöhten Sessel saß und vorgebeugt und wild gestikulierend an der Unterhaltung um ihn herum teilnahm.

»Feurig wie eh und je«, stellte er fest. Auch Estelle war seinem Blick gefolgt. Es stimmte, wie er sich dort ein heftiges Wortgefecht lieferte, den Kopf hochrot, mit blitzenden Augen, wirkte ihr Vater noch sehr forsch für seine gut sechzig Lebensjahre.

»Nun denn, so Gott will, werden wir alle das Weihnachtsfest in unseren eigenen Mauern feiern können.«

Das Weihnachtsfest, schoss es Estelle durch den Kopf, das musste sie ja auch noch bedenken! Sie setzte ihren Weg fort und verließ die Halle. Die frische, kalte Nachtluft ließ sie frösteln, und sie beeilte sich, den Hof zu überqueren. Als sie den Treppenaufgang zum Wohntrakt erreicht hatte, stieß sie fast mit dem jungen Mann zusammen, der sie vorhin um ihre Gunst gebeten hatte.

»Oh, Miss! Da komme ich ja doch noch zum Zuge.« Er packte die völlig überraschte Estelle und drückte sie an die gemauerte Wand des Ganges. Ehe sie noch wusste, wie ihr geschah, pressten sich seine feuchten Lippen auf ihren Mund. Sein Atem roch nach Alkohol, und seine Hände glitten gierig über ihren Körper. Ruckartig drehte sie den Kopf zur Seite und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien.

»Lassen Sie mich sofort los«, keuchte Estelle.

»Nun hab dich doch nicht so, meine holde Maid«, nuschelte er, während seine Hände Estelles Brüste drückten und er seine erregte Männlichkeit an ihrem Bein rieb. Er musste von Sinnen sein! Estelle bekam es mit der Angst zu tun und kämpfte mit aller Kraft gegen den jedoch deutlich stärkeren Mann. Als sie sich nicht befreien konnte, stieg Panik in ihr auf.

»Hilfe!«

Er packte ihr Gesicht mit beiden Händen und drückte seinen Mund wieder auf den ihren. Estelle presste die Lippen zusammen. Im Saal war es laut, und die Küche mit den Bediensteten lag auf der anderen Seite. Hier kam keiner so schnell vorbei. Wieder versuchte sie mit aller Kraft, sich zu befreien, aber es war zwecklos.

Doch da wurde mit einem plötzlichen Ruck ihr Angreifer von ihr gerissen und zu Boden gestoßen. Er musste mit dem Kopf gegen etwas Hartes gestoßen sein, denn er blieb benommen liegen.

»Lady Estelle?«

Estelle erkannte einen der Gefolgsleute ihres Vaters.

»Sir Clive! Sie haben mich gerettet. Oh, wie bin ich Ihnen dankbar.«

Der Ritter stieß mit dem Fuß gegen den jungen Mann am Boden.

»Eine Schade für seine Familie!« Er wandte sich wieder Estelle zu. »Und eine Schande, dass Sie in Ihrem eigenen Heim nicht sicher sind.«

»Ich glaube nicht, dass er wusste, wer ich bin.«

»Das ändert nichts.«

Estelle strich ihr Kleid glatt.

»Ihr Vater wird diesem Nichtsnutz die Leviten lesen. Soll ich es ihm berichten?«

Estelle wollte auf gar keinen Fall, dass dieser Zwischenfall ihrem Vater zu Ohren käme. Der Chieftain würde über jede Art von Skandal ungehalten sein. Vermutlich würde er sogar noch ihr die Schuld geben, dass sie dem Betrunkenen nicht aus dem Weg gegangen war.

»Danke, aber das werde ich selbst tun.«

Der Edelmann verneigte sich kurz. Sir Clive war vielleicht so alt wie Rory. Er war von angenehmem Äußeren, mit einer soliden Statur und freundlichen Umgangsformen. Er war vor zwei Tagen eingetroffen. Estelle hatte ihn im letzten Jahr schon einmal auf der Burg gesehen.

»Ich danke Ihnen für die Rettung, mein Herr.«

»Es war mir eine Ehre, Lady Estelle.«

Sie wünschte ihm eine gute Nacht und eilte die steinernen Treppen hinauf. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, überkam Estelle abermals ein Gefühl von Ekel, das die ungewollte Nähe zu dem betrunkenen Ritter in ihr ausgelöst hatte. Schnell wusch sie sich Hände und Gesicht in dem eiskalten Wasser in ihrer Waschschüssel. Nein, sie würde ihrem Vater nichts davon erzählen. Welch eine glückliche Fügung, dass Sir Clive sie aus der misslichen Lage befreit hatte. Er war sehr freundlich zu ihr gewesen, hatte sogar ihren Namen gewusst! Estelle lächelte. Doch dann kam ihr wieder zu Bewusstsein, dass ihr Vater bisher allen Bewerbern um seine Tochter eine Absage erteilt hatte. Sie hatte Rory gefragt, aber auch er kannte die Beweggründe seines Vaters nicht, und es hatte ihn auch wenig interessiert nachzuforschen.

Sie würde nie ihren eigenen Haushalt führen und Kinder haben, dachte Estelle bekümmert. Das hieß, sie würde niemals die bedrückenden Mauern Louthgows verlassen. Estelle kam ihre Mutter in den Sinn. Nein, Lady Edmondas Abwesenheit schmerzte sie nicht allzu sehr, da stand Tante Coira ihr viel näher. Aber sie beneidete ihre Mutter um ihre Freiheit, und außerdem hätte Estelle gerne bei einigen Haushaltsentscheidungen ihren Rat eingeholt.

Als Estelle am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war es noch sehr früh, kurz vor Tagesanbruch. Sie war während der Nacht nicht aufgewacht, aber es war ein unruhiger Schlaf mit bedrohlichen Träumen gewesen. Sorgen plagten Estelle, und sie wusste nicht recht, warum. Entschlossen schlug sie die Wolldecke und das darübergebreitete Fell zurück und entzündete die kleine Öllampe auf dem Tischchen neben ihrem Bett. Das Gemach füllte sich mit einem tröstlichen schwachen Lichtschein.

Heute war ein großer Tag, und es gab viel zu tun. Eilig streifte sie ihr Gewand über und zog die Schuhe an. Es war bitterkalt. Estelle schob den schweren Vorhang vor der offenen Fensteröffnung ein wenig zur Seite und sah hinaus. Es hatte über Nacht wieder gefroren. Alles war mit silbernem Raureif bedeckt, der in der Dunkelheit gespenstisch grau leuchtete. Der Schein der Lampe ließ jedoch die Zweige der Rose, die sich bis zum Fenster emporreckten, golden in ihrem Überzug aus Eis glitzern. Es sah sehr hübsch aus und zauberte ein kurzes Lächeln auf Estelles Gesicht. Gott schenkte einem immer etwas, worüber man sich freuen konnte. Gerade dann, wenn das Leben besonders trostlos schien. Auf dem Krug neben der Waschschüssel beim Fenster hatte sich eine zarte Eisschicht gebildet, und Estelle beschloss, sich in der Küche zu waschen.

Dort erwartete sie schon rege Betriebsamkeit. In der Küche wurde in großen Töpfen Grütze gekocht, die wahlweise mit Apfel- oder Beerenmus gereicht wurde. Das Frühstück der Herren fiel selbstverständlich abwechslungsreicher und reichhaltiger aus. Zwar würde sich der Auszug Rorys und seiner Männer nach dem gestrigen Fest etwas verzögern, aber das einfache Volk stand früh auf und wollte auch ein warmes Frühstück haben, ehe man sich an die Arbeit machte. Graigskellie war knapp zwei Tagesritte von Louthgow entfernt, und für die zu erwartende Belagerung war eine Menge Ausrüstung und Gerät zu packen. Hoffentlich hielt sich das Wetter und der erste Schnee ließ noch auf sich warten. Der letzte Winter war sehr mild gewesen, aber dieses Jahr hatten sie schon ein paarmal Frost gehabt.

Die ersten Stunden des Tages vergingen wie im Flug. Die Sonne stand bereits hoch am strahlend blauen Himmel, und es wehte ein kräftiger Wind, als sich die Krieger im großen Hof versammelten. Der Zug, an dessen Spitze Rory hinausritt, um den Feind auf Graigskellie zu stellen, sah sehr farbenfroh und prächtig aus. Das neue Streitross ihres Bruders trug eine Decke mit dem Wappen der McKerringer. Die Ritter trugen Mäntel in leuchtenden Farben, die sich auf ihren Schilden wiederfanden. Die Wimpel flatterten ungestüm im Wind, so als ob sie es gar nicht mehr erwarten könnten, endlich in den Kampf zu ziehen. Nach der gebührenden Verabschiedung ritten die Krieger endlich unter dem Jubel der Burgbewohner durch das Tor hinaus. Die Damen standen auf der Zinne und winkten.

Estelle sah Maryanne, die sich mit ihrem Taschentuch weit über die Brüstung lehnte und winkte und winkte, bis die Spitze des Trosses hinter den Bäumen der ersten Biegung verschwunden war. Danach betupfte sie mit dem Tuch ihre Augen und schnäuzte sich die Nase. Estelle war sich nicht sicher, ob der Wind ihr die Tränen in die Augen getrieben hatte oder ob es Abschiedsschmerz war. Noch immer rumpelten Wagen mit Gepäck aus dem Hof. Chieftain Murdock überließ bei diesem Feldzug wirklich nichts dem Zufall, obwohl doch alle der Meinung zu sein schienen, dass es sich um keine große Sache handelte.

»Vater hat mich nicht einmal gefragt, ob ich mitreiten wollte«, hörte Estelle plötzlich Randal neben sich sagen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er zu ihrem bevorzugten Aussichtspunkt hinaufgestiegen war.

»Er braucht dich doch hier, wenn Rory nicht da ist.«

Randal sah dem Tross hinterher und schüttelte den Kopf.

»Er traut mir nichts zu, Estelle«, sagte er bitter.

In Momenten wie diesen, in denen ihr Bruder sich seiner eigenen Beschränkungen bewusst war, blutete ihr Herz für ihn. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, denn er hatte die Wahrheit gesagt. Sie drückte seinen Arm und lächelte ihn warm an. Er erwiderte ihr Lächeln und stieg die schmale Wendeltreppe wieder hinunter.

Estelle sah zurück auf die Straße, die sich von Burg Louthgow in die Niederung hinabschlängelte. Soeben verschwand der letzte Fußkämpfer hinter der von Bäumen gesäumten Zuwegung. Sie stand noch einen Moment da und genoss die Einsamkeit auf dem alten Wachturm, der ihre Zufluchtsstätte geworden war. Unter ihr erstreckte sich das Land, das jetzt, fest im Griff des Frostes, hart und abweisend wirkte. Und da kam Estelle zum ersten Mal der Gedanke, was, wenn Rory nicht wiederkäme?

Kapitel 2

Hoch oben auf der Zinne des Wehrturms brüllte der Wind ohrenbetäubend, und der Regen peitschte Adair ins Gesicht. Unter ihnen schlug das graue Wasser wütend an die Felsen. Die Burg war gefallen. Sie standen zwischen Toten. Lady Idith war auf die Zinne gestiegen. Der Sturm zerrte an ihrem aufgelösten Zopf und dem zerrissenen Gewand.

»Es ist vorbei, Lady Idith. Sie wissen, was dem Sieger zusteht. Heute Nacht werden Sie mein Bett teilen!«

Der Wind machte eine Atempause, und dann plötzlich entspannte sich ihr Gesicht. Ihre schönen, vollen Lippen formten eine Antwort.

»Niemals«, und sie tat einen Schritt zurück ins Nichts.

Mit einem schmerzhaft tiefen Atemzug fuhr Adair aus dem Schlaf auf. Er keuchte, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Mit der Hand strich er sich über die Augen und das vernarbte Gesicht, bemüht, die Bilder seines Traumes fortzuwischen. Im dunklen Schlafgemach war es still, und die nächtliche Brise bewegte die Matte aus geflochtenem Stroh vor der Fensteröffnung. Adair stand etwas mühsam auf und rieb sich sein lahmes Bein. Das feuchtkalte Wetter Schottlands tat seinen Knochen nicht gut. Aber er war nicht zurückgekommen, um sich gut zu fühlen. Er war zurückgekommen, um eine Rechnung zu begleichen. Mit einer ungeduldigen Bewegung riss er die Matte vom Fenster. Nicht einmal richtige Vorhänge konnten sie sich in diesem erbärmlichen Loch von einer Burg leisten! Er sog die salzige Küstenluft tief in seine Lungen ein und sah hinaus auf die dunkle Landschaft. Zwanzig Jahre war er fort gewesen, fast ein halbes Menschenleben lang. Er hatte länger in der Fremde gelebt als in seiner Heimat. Wieder tat Adair einen tiefen Atemzug. Es lag etwas Vertrautes in diesem Geruch von Meer und Sand, ein Hauch einer vergangenen Zeit. Er bemerkte, wie er traurig wurde, und drehte sich abrupt um.

Nachdem er sich angekleidet hatte, warf Adair sich seinen Umhang über die Schultern und verließ das Gemach. Die Sohlen seiner Stiefel machten kaum Geräusche in den stillen Gängen der schlafenden Burg. Er überquerte den Hof und begann sich gerade zu fragen, wie es um die Aufmerksamkeit seiner Wachen bestellt war, als ihm der Weg versperrt wurde.

»He! Was machst du hier?«

Die Wache hielt mit einer Hand eine Laterne hoch, die andere lag am Griff eines Schwertes. Der Mann erkannte Adair und trat respektvoll einen Schritt zurück.

»Es ist alles ruhig heute Nacht, Sir.«

Adair nickte. »Sie ist bald vorbei.«

Im Osten kündigte ein erstes zartes Rosa den neuen Tag an.

»Aye, Sir.«

Die Wache setzte ihren Rundgang fort. Adair stand eine lange Zeit allein auf dem Wehrumlauf und sah nach Osten. Das Morgenrot breitete sich langsam in einer ungeheuren Pracht über den ganzen Himmel aus. Blutrot! Wenn Gott ihm gnädig war, würde dieser Tag im Blut seiner Feinde enden.

»Murdock wird nicht mehr lange auf sich warten lassen«, bemerkte Fabien und kratzte sich am Kinn.

»Ich schätze, er wird gegen Mittag hier sein. Habib hat seine Männer bereits am Fluss gesichtet.«

Fabien trat zu Adair an den Tisch und betrachtete die darauf ausgebreitete Karte.

»Er wird denken, dass wir uns in der Burg verschanzt haben.«

Adair nickte. Fabien deutete mit einem dicken, mit einem großen Smaragdring verzierten Finger auf die Karte. »Er kommt über die Straße, muss also zwischen diesen beiden Hügeln durch. Wir könnten sie in die Zange nehmen und sie niedermähen, noch ehe sie wissen, wie ihnen geschieht.«

»Ja, das können wir tun. Das werden wir aber nicht tun.«

»Warum nicht?«

»Weil ich eine ordentliche Feldschlacht will.«

»Warum willst du den Vorteil der Überraschung nicht nutzen und Murdock stattdessen Gelegenheit geben, sich zu wappnen?«

»Weil ich es nicht eilig habe.«

»Du hast es nicht eilig, ihn niederzumetzeln?«

»Richtig. Ich will jeden Augenblick genießen.«

Fabien schwieg einen Moment. Er kämpfte schon Jahre an Adairs Seite, und noch nie hatte er das Gefühl gehabt, dass Töten Adair Freude bereitete. Aber diese Rache war etwas anderes.

»Wie viele Männer wird er mitbringen, was glaubst du?«

Adair lächelte grimmig: »Nicht genug.«

Fabien kannte diesen Ausdruck auf Adairs Gesicht nur allzu gut, und er verhieß nichts Gutes. Sie waren Waffenbrüder. Vor einer Ewigkeit hatten sie sich in Anjou kennengelernt, zwei halb verhungerte Jungen in Lumpen auf der Flucht. Im Dienst des Herzogs waren sie nach Palästina gelangt. Seite an Seite hatten sie für Balduin I., König von Jerusalem, gekämpft und sich verdient gemacht. Adair war schon bald für seine strategischen Fähigkeiten berühmt geworden, und wer ihn wollte, musste auch Fabien in den Dienst stellen. Zuerst verdienten sie nur ihr Brot, dann wurden sie besser bezahlt und schließlich fürstlich entlohnt. Fabien hatte leider nicht die Gabe, Reichtümer dauerhaft an sich zu binden. Seine Vorliebe für gutes Essen, Wein, Weiber und Würfelspiel hatten ihm nicht nur zu einem stattlichen Leibesumfang verholfen, sondern auch dafür gesorgt, dass sein Gold jedes Mal ebenso schnell wieder verschwand, wie es in seinen Besitz gekommen war. Meistens sogar schneller. Er war ein Glücksritter. Wo immer das Leben ihn hintrieb, oder besser, wo immer Adair ihn hinführte, suchte und fand Fabien Abenteuer und Vergnügen.

Adair war anders, er war geradlinig und zielgerichtet. Seine Schätze hatten sich vermehrt, und er war reich geworden, sehr reich. Seitdem Fabien Adair kannte, wusste er von dessen Plan, nach Schottland zurückzukehren und ein Unrecht zu sühnen. Alles, was sein Freund tat, war auf dieses eine Ziel ausgerichtet. Nichts schien ihn davon abbringen zu können. Und er hatte wahrlich viele Gelegenheiten gehabt, sich in angenehmeren Gefilden niederzulassen statt jetzt in den unwirtlichen Highlands, überlegte Fabien missmutig. Er selbst kam aus der Provence. Aber er hatte die Familienehre besudelt und war dort nicht mehr willkommen. Nicht dass er hätte zurückkehren wollen, ihm gefiel sein Leben ohne die lästige Pflicht einer Familie. In Adair hatte er den treuesten Freund, den man sich denken konnte, und mehr als einmal hatten sie einander das Leben gerettet. Obwohl Fabien gewusst hatte, was Adair all die Jahre umtrieb, war er doch überrascht gewesen, als dieser vor knapp einem Jahr ankündigte, in seine Heimat zurückkehren zu wollen. Einige der Männer, die unter Adair kämpften, wollten ihrem Herrn folgen. Für Fabien gab es ebenfalls keinen Grund, länger in Palästina zu bleiben, zumal die Lage in Jerusalem immer bedrohlicher wurde und die Sarazenen mit Saliman I. einen beunruhigend fähigen Führer gefunden hatten.

Auf ihrer langen Reise durch Europa vergrößerte sich Adairs Tross noch, sodass sie schließlich mit zwei Booten in Schottland landeten. Verständlicherweise stieß die überraschende Ankunft eines kleinen Heeres bei dem örtlichen Landbesitzer auf Widerstand. Doch die hastig aufgestellte Verteidigungstruppe aus Bauern mit Sensen und Mistgabeln war von ihren kampferprobten Männern einfach überrannt worden. Diese kleine Burg hatte sich Adair ohne Gegenwehr ergeben, der Besitzer war in der Nacht mit seiner Familie geflohen. Für das Volk änderte sich nichts, man begrub die wenigen Toten. Adair zahlte den Familien ein Kopfgeld für ihren Verlust, was mehr war, als sie unter ihrem alten Herrn zu erwarten gehabt hätten, und das Leben ging weiter.

Doch dies war nur die Ruhe vor dem Sturm, wie jeder wusste. Murdock McKerringer würde als Chieftain die Eroberung einer seiner Burgen, gleichgültig wie unwichtig, nicht einfach hinnehmen, sondern die Inbesitznahme als genau die ungeheuerliche Provokation auffassen, als die sie auch gemeint war. Adair hatte einen legitimen Anspruch, überlegte Fabien, mit dem er bei König David hätte vorstellig werden können. Aber er wollte nicht nur sein Erbe zurückhaben, er wollte Blut sehen. Der Hass auf Murdock brannte in ihm wie ein loderndes Feuer, das niemals erlosch. Fabien betrachtete Adair von der Seite. Es war gut, ihn zum Freund zu haben, denn er war ein schrecklicher Feind.

»Wie viele McKerringers gibt es eigentlich?«, überlegte Fabien laut und griff nach seinem Bierkrug, mit dem ein Ende der entrollten Karte auf dem Tisch festgehalten wurde.

»Murdock hat zwei Söhne.«

»Hat er auch Töchter?«

»Ja.«

»Die Frauen willst du auch massakrieren?«

Adair sah von der Karte auf.

»Warum sollte ich anders mit Murdocks Familie verfahren als er mit meiner.«

»Ich weiß nicht, das sieht dir nicht ähnlich.«

Adair zuckte mit den Schultern. Fabien konnte sich nicht vorstellen, dass sein Freund wehrlose Frauen erschlagen wollte. Aber wer weiß, bei dieser Sache war alles möglich.

»Stimmt es eigentlich, dass alle Schottinnen kalt und prüde sind?«

Adair zog amüsiert die Brauen hoch.

»Wer hat dir das denn erzählt?«

»Das ist doch allgemein bekannt, dass es hier keine temperamentvollen Damen geben soll. Wie auch, bei diesem Wetter!«

»Ich bin sicher, dass du das noch für dich selbst herausfinden wirst«, antwortete sein Freund nur.

Es war später Vormittag, sie hatten ihre Kämpfer und die Waffen inspiziert, als von Ferne der Klang eines Horns zu hören war.

»Na endlich«, zischte Adair zwischen den Zähnen. Er erteilte einige knappe Befehle und ging dann, um sich zu rüsten. Sein Knappe wartete bereits in seinem Gemach. Adair zog das gefütterte lederne Wams über. Ehrfürchtig reichte der Jüngling ihm das Kettenhemd, das mit einem leichten Klirren darüberglitt. Es war ein Meisterwerk der morgenländischen Schmiedekunst und ein Vermögen wert. Ein Sarazenenfürst hatte damit seinen Sohn ausgelöst, der während einer Schlacht in Adairs Hände gefallen war. Einige Tage später hatte er Adair außerdem den dazugehörigen Helm geschickt, in Anerkennung der gerechten und ehrenhaften Behandlung seines Sohnes in Gefangenschaft. Es gab Regeln im Kriegshandwerk, und Adair legte Wert darauf, sie zu befolgen. Diese Rüstung hatte ihm schon mehrmals das Leben gerettet. Im Kampf hatte es sich bewährt, beweglich zu bleiben, und daher zog er eine leichte Rüstung vor. Seine Arme wurden mit festem Leder umbunden, den Beinschutz würde er anlegen, wenn er sein Ross bestieg. Der Knappe gürtete ihm das Schwert um und reichte ihm die Handschuhe.

Mit einem Nicken entließ er den Jungen.

Durch die Fensteröffnung drangen die vertrauten Geräusche der Vorbereitung zur Schlacht: die gebrüllten Befehle, das Klirren der Waffen und das Schnauben der Pferde. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet. Es war so weit. Adair fühlte sein Herz in seiner Brust schlagen und sah auf seine Hände. Er meinte, sie würden zittern, aber tatsächlich waren sie ganz ruhig. Resolut streifte er die Lederhandschuhe mit den langen Stulpen über. Als er zur Tür ging, bemerkte er sein Spiegelbild in der polierten Bronzeplatte an der Wand. Er hielt inne und starrte in die harten Züge eines Kriegers. Nichts war übrig geblieben von dem hübschen Knaben von einst. Eine Brandnarbe bedeckte den Großteil seiner rechten Gesichtshälfte. Es war ein Wunder, dass er sein Augenlicht behalten hatte. Die vernarbte Haut verzog sein Lid jedoch etwas, was ihm einen grausamen Ausdruck gab, wie ihm eine seiner Geliebten einmal an den Kopf geworfen hatte. Adair fand sein Gesicht abstoßend, und sosehr er sich auch bemühte, es wollte ihm einfach nicht gleichgültig werden. Zornig hieb er mit seiner Axt gegen den Spiegel, der scheppernd auf die Holzdielen krachte. Er atmete tief ein und aus. Aber jetzt war es Zeit für Vergeltung.

Zwei Stunden später standen sich die feindlichen Truppen gute 400 Fuß auf einem Feld gegenüber. Sie hatten Murdocks Männer durch den unerwarteten Empfang auf offenem Gelände verwirrt. Natürlich war damit gerechnet worden, dass sie sich in der Burg verschanzen würden, dachte Fabien, der neben Adair auf einem gepanzerten Ross saß. Aber sie waren schließlich nicht gekommen, um die Burg zu verteidigen, sie waren für die Schlacht selbst gekommen.

Hastig hatten sich Rorys Krieger für den Kampf bereitgemacht, dessen Beginn sie erst am nächsten Morgen erwartet hatten. Die Angreifer waren zahlenmäßig überlegen. Es gab viele Berittene, und ihre Wimpel wehten stolz in der frischen Brise. Es war offenkundig, dass der Chieftain die Herausforderung ernst genommen hatte und nun auf Rache sann. Aus der vorderen Reihe der feindlichen Linien lösten sich zwei Reiter. Adair tippte sein Pferd mit den Sporen leicht in die Flanke, Fabien folgte ihm. Sie trafen genau in der Mitte des Feldes aufeinander.

Der Ältere der beiden war Laird Angus, schließlich war es seine Burg, die sie erobert hatten. Er hatte etwa zwei Fuß hinter dem jungen Mann auf dem glänzenden Rappen angehalten. Dieser sah erst auf Fabien und dann auf Adair. Schließlich sprach er:

»Ich bin Rory McKerringer of Louthgow! Sie stehen mit Ihren Männern auf meinem Grund und Boden. Sie haben mein Eigentum gestohlen und meine Leute getötet. Was wollen Sie zu Ihrer Verteidigung vorbringen?«

Die roten Flecken auf seinen Wangen und das Zittern in seiner Stimme verrieten seine Erregung. Fabien schätzte Chieftain Murdocks Sohn auf etwa Mitte zwanzig. Er war ein gut aussehender Bursche, hochgewachsen, mit breiten Schultern und einem kühn geschwungenen Mund. Er war sicher beliebt bei den Damen. Seine Rüstung war neu, ebenso wie sein Schwert.

Adair antwortete nicht gleich, sondern musterte sein Gegenüber. Er hatte gehofft, auf Murdock zu treffen, aber er ließ sich die aufwallende Enttäuschung nicht anmerken. Schließlich sagte er: »Nichts.«

»Nichts?«, stieß Rory McKerringer zornig hervor. »Wer zum Teufel sind Sie, dass Sie es wagen, einfach hierherzukommen und sich zu nehmen, was mein ist?«

Fabien bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Adairs Hände zu Fäusten ballten, und er befürchtete, dass sein Freund seinen Widersacher gleich hier und jetzt einen Kopf kürzer machen würde. Als er antwortete, war seine Stimme jedoch ruhig.

»Ich bin Adair Ardenay, und dies ist mein Grund und Boden, und ich gedenke, mir auch den Rest von dem zu nehmen, was mein ist.«

Vor Überraschung zog Rory an den Zügeln, sodass sein Pferd einen Schritt zurück machte. Er wurde abwechselnd rot und blass. Der ältere Mann auf dem Pferd etwas hinter ihm starrte Adair entsetzt an.

»Das glaube ich nicht!«, schleuderte Chieftain Murdocks Sohn ihnen entgegen. »Das werde ich nicht zulassen. Sie werden darum kämpfen müssen und verlieren!«

Adairs Augen wurden schmal, er beugte sich im Sattel vor, und seine Stimme war leise, aber doch deutlich zu hören.

»Zum Kämpfen bin ich hergekommen. Und ich werde nicht verlieren, sondern Sie werden verlieren, und zwar alles. Ich werde mir nicht nur mein Erbe nehmen, sondern auch das Ihre. Und ich werde Sie und Ihren räudigen Bastard von einem Vater und Ihre gesamte Familie auslöschen.« In Adairs Stimme klang so viel blanker Hass, und in seinen Augen war eine solche Mordlust zu sehen, dass selbst Fabien erschrak. Adair richtete sich auf und wendete sein Pferd.

»Wir machen keine Gefangenen«, kündigte er an. Ohne eine Antwort abzuwarten, ritt er zurück. Fabien war dicht hinter ihm.

»Keine Gefangenen?«

»Ich habe zu lange auf diesen Tag gewartet«, zischte Adair in einem Ton, der keine Widerrede duldete.

Es war eine Sache, die Gefolgsleute eines Adligen niederzumetzeln; einen ebenbürtigen Noblen zu erschlagen war etwas anderes. Aber Fabien war sich sicher, dass Adair die Folgen bedacht hatte und bewusst in Kauf nahm. Er tat nie etwas unüberlegt. Und diesen Vergeltungsstreich hatte er wahrlich lange vorbereitet.

Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als der Kampf zu Ende war. Rory McKerringers Männer hatten sich tapfer geschlagen, aber Adairs Krieger waren ausschließlich erfahrene Kämpfer, die damit ihren Lebensunterhalt bestritten, und nicht Bauern und Söhne kleiner Landbesitzer, die ihre Gefolgschaftspflicht erfüllten. Als deutlich wurde, dass eine Niederlage unabwendbar war, hatten sich Rorys Reihen aufgelöst, und zahlreiche seiner Männer waren geflüchtet.

Disziplin war ein weiterer Vorteil seiner Kämpfertruppe, dachte Adair. Seine Krieger hatten keinen Hof, auf den sie zurückkehren wollten, und keine Familie zu ernähren. Sogar einige der Edlen waren geflohen, als sich herumgesprochen hatte, dass man keine Gefangenen machen würde. Adair hatte es nicht nötig, die Kämpfer von Rang zu schonen, um ein Lösegeld zu erpressen. Sie hatten die Flüchtenden über die Hügel getrieben und dann nicht weiter verfolgt. Adairs Blick schweifte über das Schlachtfeld. Leichen lagen in grotesken Verrenkungen zwischen Verletzten. Die Luft war erfüllt vom Stöhnen der sterbenden Menschen und Tiere. Die Sieger plünderten die Toten und beendeten das Leiden der Verwundeten.