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In demselben Augenblick, wo der Mensch unter Gottes Beistand sich selbst besiegen, das ist, seine ungeordnete Liebe und seinen Eigenwillen ganz abstoßen kann, und dann einzig und alles ausschließend ganz und durchaus sich und all sein Anliegen, sein ganzes Leben und Sein unbedingt Gott anheimstellt, in diesem Augenblick, sage ich, faßt Gott eine solche Liebe und solches Wohlgefallen an und gegen den Menschen, daß er ihm seine Gnade ferner nicht mehr zurückhalten kann. Er schenkt sie ihm, und in solchem Maß, daß der Begnadete jetzt die wahre Liebe, die echte Gottesliebe ganz fühlt und versteht, jene Liebe die allen Zweifel und alle Furcht austreibt, die auf Gott wie auf einen Felsen baut; und welche Seligkeit ist es, auf den bauen, der ewig, wahr und ohne Wandel ist? O warum zauderst du denn also so lange, warum wankst du zwischen dir und Gott? Gib dich dem Herrn ganz hin, gewiß nimmt er dich an und auf, er wird dein Arzt, er wird dein Heiland sein! Das denke und erwäge stets, o Seele, das wird dich eher fördern zu einem seligen Leben, als alle Reichtümer, Freuden und Ehren der Welt, als alles Wissen und alle Weltweisheit, die nur trügend sind und dahingehen mit der Welt, und wärst du der erste und einzige der Weisesten, der je war, oder noch sein wird, das würde dich nicht glücklich, nicht selig machen. Albertus Magnus, oder auch anders, Albert der Große, zeigt in diesem kurzen, prägnanten Werk den Weg, den der gottsuchende Mensch beschreiten kann, um zu tiefer Erkenntnis seiner Selbst und Gottes unendlicher Gnade ihm gegenüber zu gelangen. Ein Meisterwerk der mittelalterlichen deutschen Mystik, dessen Gedanken auch später bei Johannes Tauler wieder gefunden werden.
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Seitenzahl: 58
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Schätze der christlichen Literatur
Band 6
Kapitel. Wie man Gott anhängen soll, und von der höchsten dem Menschen hier möglichen Vollkommenheit
Kapitel. Wie man alles andere verachten, und Christus allein anhängen und ihn meinen soll
Kapitel. Worin die Vollkommenheit des Menschen in diesem Leben bestehe
Kapitel. Nicht in sinnlichen Vorstellungen, sondern mit gereinigter Vernunft und reinem Herzen, soll der Mensch wirken
Kapitel. Von der Reinheit des Herzens und ihrer unbedingten Notwendigkeit
Kapitel. Nur das entledigte Gemüt und der reine gute Wille werden Gott wahrhaft anhängen
Kapitel. Wie man sich innerlich sammeln müsse
Kapitel. Der Mensch soll sich in jedem Ereignis Gott anheimstellen
Kapitel. Gott unentwegt im Auge behalten, muß unsere erste und vorzüglichste Übung sein
Kapitel. Gib dich Gott ganz und freiwillig hin, das ist mehr als alle Andacht
Kapitel. Wie man den Versuchungen und den lästernden Gedanken widerstehen, und diese Trübsale ertragen soll, und was hier der gute Wille wirke
Kapitel. Von der Liebe Gottes und ihrer Kraft
Kapitel. Wie wir uns in uns einergeben und beten sollen
Kapitel. In allen Ereignissen über dich frage und höre das Zeugnis des Gewissens
Kapitel. Wie du die Selbstverachtung erlernen kannst
Kapitel. Von der Vorsehung Gottes und unserer Hoffnung
DA ich am Ende meiner Pilgerfahrt in diesem fremden Land1 noch etwas niederschreiben wollte, so wählte ich mir das zum Gegenstand: Wie nämlich der Mensch sich aller Dinge möglichst entledigen, und so einzig unserem Herrn und Gott frei, ungehindert, frei und unverändert anhängen soll; und das wollte ich denn um so mehr vornehmen, da, wie wir wissen, der Zweck der christlichen Vollkommenheit die Liebe ist, die sich Gott dem Herrn fest anschließt. Zu dieser liebenden Anhänglichkeit an Gott sind wir alle verpflichtet, wollen wir anders selig werden; beweisen aber können wir das nicht besser, als durch genaue und treue Beobachtung der göttlichen Gebote, und der Gleichförmigkeit unseres mit dem göttlichen Willen. Halten wir uns so, dann ist auch alles aus uns entfernt, was der Liebe nach ihrem Wesen und ihrer Übung entgegensteht, zum Beispiel schwere und tödliche Sünden. Jene aber, die sich zum höheren Leben des Geistes verbunden haben, oder sich verbinden wollen, haben sich zur genauesten Beobachtung der eigentlichen Vollkommenheit des Evangeliums, und der Ratschläge des Herrn, das ist, was über das allgemeine jeden Christen verbindende ist, verpflichtet, dadurch aber gelangen sie auch ungehinderter zu ihrem endlichen Ziel, das Gott ist, denn solcher Wandel des Geistes läßt nie die Liebe ermatten, oder den Eifer erkalten gegen Gott. Dergleichen höhere übernommene Pflichten sind: Vollkommene Selbstverleugnung, Entsagung alles Irdischen für Leib und Seele; denn zum Dienst Gottes im Geist haben sie sich verpflichtet, und „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“, nämlich durch Erkenntnis und Liebe, mit einem von allen Bildern und selbstgemachten Vorstellung entledigten Verstand, und gereinigtem Herzen. Dahin zielt auch das Wort des Herrn bei Matthäus: „Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein“, das ist, in das Innerste deines Herzens, „schließe die Tür zu“, nämlich deine Sinne, und dort bete mit reinem Herzen, frohem Gewissen, und ungefärbtem Glauben zu deinem Vater im Geist und in der Wahrheit, „im Verborgenen“. Das ist aber wahrlich nur dann möglich, oder auch nur schicklich, wenn der Mensch aller Dinge ledig und frei, und ganz in sich eingegangen ist, alles und jedes aus seinem Herzen entfernt, auf alles verzichtet hat, und vor Jesus Christus seinem Herrn und Gott, in äußerer und innerer Stille seines Geistes sein Verlangen und Sehnsucht in fester Zuversicht darlegt, und so mit ganzer Seele und voller, liebender Neigung seines Gemütes aus dem innersten Grund seines Geistes und aller seiner Kräfte ohne allen Rückhalt oder etwas zu verbergen, sich in ihn einergibt, in ihn sich versenkt, in ihm sich entzündet, und ganz dahingibt.
1 Gemeint ist hiermit das vergängliche Erdenleben. Albertus Magnus schrieb dieses Buch in einem fortgeschrittenen Alter. (Anmerk. d. Hrsg.)
WER nun zu diesem Stand des Geistes gelangen will, dem ist vor allem notwendig, daß er gleichsam mit geschlossenen Augen und Sinnen sich in nichts einlasse, und darin verwickle, sorge, und sich kümmere, vielmehr alle diese Dinge als solche, die ihn gar nichts angehen, und nur Schaden ihm bringen, gänzlich von sich weise; dann gehe er in sich selbst ganz ein, und denke hier an nichts weiter, als allein an Jesus Christus den Verwundeten und Gekreuzigten, so wird es ihm gelingen, durch ihn in ihn einzugehen, nämlich durch die Wunden des Menschen in das Innere Gottes. Ist er dahin eingedrungen, dann lege er der Vorsicht seines ihn liebenden Gottes sein ganzes Wesen und alles, was ihn angeht, ungescheut und ohne allen Rückhalt dar, wie es der Apostel Petrus sagt: „Werft all euer Anliegen auf den, der alles vermag“, und: „Sorgt nicht ängstlich“, und abermals: „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen, denn er ist mir zur Rechten, darum werde ich wohlbleiben“, oder wie die Braut im Hohen Lied: „Nun habe ich gefunden, den meine Seele liebt“, denn „mit ihm ist mir alles Gute geworden.“ Das ist nämlich jener himmlische, und verborgene Schatz, jene köstliche Perle, die da vor allen gesucht, in demütiger Zuversicht, mit anhaltendem Fleiß, in ruhiger Stille, selbst unter Verlust zeitlicher Ehre und Vorteiles mit entschlossenem Mut gesucht werden muß, aber so auch gewiß gefunden wird; denn was würde es dir helfen, dir, der du dem höheren Leben des Geistes dich ergeben hast, gewännest du die ganze Welt, littest aber Schaden an deiner Seele? Sprich, wozu dein Stand, dein frommer Entschluß, der Wille nach Vollkommenheit, das geistliche Kleid, der äußere Schein im Leben ohne wahres Leben, ohne den Geist der Demut und Wahrheit? Lebt ja Christus einzig nur im Glauben, der da tätig und wirksam ist in der Liebe, „das Reich Gottes“, heißt es, „ist in euch“, nämlich Jesus Christus.
JE mehr das Gemüt mit dem Niederen und Zeitlichen sich abgibt und beschäftigt, um so weiter entfernt es sich von dem, was oben und himmlisch ist; je ernstlicher aber der Gedanke, die Neigung, und der Verstand sich von dem Irdischen ab-, und nach dem Höheren hinwenden, um so besser wird das Gebet, um so reiner die Betrachtung sein. Auch kann nimmermehr da