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Der neue Fall des beliebtesten japanischen Krimiautors.
Privatdetektiv Kosuke Kindaichi wird von einem der Anwälte eines kürzlich verstorbenen schwerreichen Seidenfabrikanten in einen abgelegenen Teil Japans gerufen. Der Anwalt fürchtet, dass das Testament einen erbitterten Kampf zwischen den untereinander verfeindeten Erben auslösen wird. Und kaum ist der Letzte Wille verlesen, nimmt eine Mordserie ihren blutigen Anfang. Während immer mehr Leichen auftauchen, findet der Detektiv sich unversehens in der Geschichte der Familie Inugami wieder, die von Bitterkeit, Betrug und verbotenen Liebschaften geprägt ist. Kindaichi muss die Geheimnisse des Clans lüften, um den Mörder zu finden und den Fluch zu bannen ...
»Ein wunderbarer klassischer Rätselkrimi mit Raffinesse und einer Portion Nostalgie.« Frankfurter Rundschau über »Die rätselhaften Honjin-Morde«.
»Die diabolisch gewundene Handlung ist erstklassig.« The New York Times Book Review.
»Ein brillanter Whodunit.« Publishers Weekly.
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Seitenzahl: 359
Veröffentlichungsjahr: 2025
Privatdetektiv Kindaichi wird von einem der Anwälte eines kürzlich verstorbenen reichen Geschäftsmannes in einen abgelegenen Teil Japans gerufen. Der Anwalt fürchtet, dass das Testament des Verstorbenen einen erbitterten Kampf zwischen den untereinander verfeindeten Erben auslösen wird. Schon bald nach Kindaichis Ankunft nimmt eine Mordserie ihren blutigen Anfang, und der Detektiv findet sich in der Geschichte der Familie Inugami wieder, die von Bitterkeit, Betrug und verbotenen Liebschaften geprägt ist, während immer mehr Leichen auftauchen.
»Der Inugami-Fluch« ist ein fesselnder, raffiniert gebauter Krimi von einem Giganten der japanischen Kriminalliteratur, in dem der legendäre Detektiv Kosuke Kindaichi das strahlende Zentrum bildet.
Seishi Yokomizo, 1902-1981, ist einer der berühmtesten und beliebtesten japanischen Autoren von Kriminalromanen. Er wurde in Kobe geboren und las als Junge unzählige Detektivgeschichten, bevor er selbst mit dem Schreiben begann. Allein seine Serie um Kosuke Kindaichi besteht aus 77 Büchern. »Die rätselhaften Honjin-Morde« ist der erste Band dieser Reihe und gewann sogleich den ersten Preis für Kriminalautoren Japans, »Der Inugami-Fluch« ist Kosuke Kindaichis vierter Fall.
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Seishi Yokomizo
Der Inugami-Fluch
Kriminalroman
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Informationen zum Buch
Newsletter
Personenregister
Prolog
1 Eine unvergleichliche Schönheit
Die Viper im Schlafzimmer
Rechtsanwalt Furudate
Kiyos Heimkehr
2 Axt, Koto und Chrysantheme
Ein blutiges Testament
Der Stammbaum der Familie Inugami
Saruzo macht sich verdächtig
Der Handabdruck
3 Schlechte Nachrichten
Der Chrysanthemengarten
Die Chrysanthemenbrosche
Eine Uhr mit Fingerabdrücken
4 Das verlassene Boot
Der Verdächtige X
Die Koto-Meisterin
Tamayo schweigt
5 Die chinesische Truhe
Der Granatapfel
Tomo schärft seine Krallen
Der Schattenmann
6 Die Koto-Saite
Die unglückliche Sayoko
Blut am Zeigefinger
7 Eine grausame Geschichte
Tamayos Herkunft
Ein wundersames Rätsel
Der goldene Knopf
8 Das Schicksal von Mutter und Sohn
Drei Handabdrücke
Die Yukigamine-Berge
Das Geständnis
Shizuma und Kiyo
9 Lauter unglückliche Zufälle
Ein trauriger Vagabund
Shizumas Dilemma
Das große Finale
Glossar
Impressum
ERMITTLER
Kosuke Kindaichi – berühmter Privatdetektiv
Polizeichef Tachibana– Leiter der Städtischen Polizei von Nasu
Kawada, Nishimoto, Sawai, Sugiyama, Kommissar Yoshii – Polizeibeamte aus Nasu
Dr. Kusuda– Direktor des Städtischen Krankenhauses in Nasu, auch Rechtsmediziner und Leichenbeschauer
Fujisaki – von Polizeichef Tachibana angeforderter Kriminaltechniker
Kyozo Furudate – Rechtsanwalt der Familie Inugami
Toyoichiro Wakabayashi – Anwalt der Kanzlei Furudate
FAMILie Inugami
Sahei Inugami – reicher Seidenfabrikant, verstorbenes Oberhaupt der Familie Inugami
Matsuko Inugami – Saheis älteste Tochter
Kiyo Inugami – Matsukos Sohn
Takeko Inugami – Saheis zweite Tochter
Toranosuke Inugami – Takekos Ehemann
Take Inugami – Toranosukes und Takekos Sohn
Sayoko Inugami – Tochter von Toranosuke und Takeko, Takes jüngere Schwester
Umeko Inugami – Saheis dritte und jüngste Tochter
Kokichi Inugami – Umekos Ehemann
Tomo Inugami – Umekos und Kokichis Sohn
FAMILIE NONOMIYA
Daini Nonomiya – früherer Priester des Nasu-Schreins, Sahei Inugamis Gönner
Haruyo Nonomiya – Dainis Ehefrau
Noriko Nonomiya – Tochter von Haruyo, Tamayos Mutter
Tamayo Nonomiya – Enkelin von Daini und Haruyo Nonomiya
Saruzo – Tamayo Nonomiyas treuer Diener und Leibwächter
FAMILIE AONUMA
Kikuno Aonuma – Saheis Geliebte
Shizuma Aonuma – Sohn von Kikuno und Sahei
ANDERE
Taisuke Oyama – Priester im Nasu-Schrein
Kokin Miyakawa – Matsukos Koto-Lehrerin
Kyuhei Shima – Wirt der Herberge Kawashi-ya in Nieder-Nasu
Im Februar 1945 verstarb der als Seidenkönig berühmt gewordene Sahei Inugami, einer der führenden Industriellen der Provinz Shinshu und Begründer des Familienimperiums Inugami, im hohen Alter von einundachtzig Jahren in seiner Villa am Nasu-See.
Sahei Inugami war ein Selfmademan. Seine beeindruckende Erfolgsgeschichte wurde in den letzten zehn Jahren umfassend in der Presse geschildert, besonders ausführlich ist sie jedoch in der Biografie Das Leben des Sahei Inugami nachzulesen, die die Inugami-Stiftung nach dem Tod des alten Herrn herausgab.
Den früh verwaisten Sahei hatte es im Alter von siebzehn Jahren in die Provinz Shinshu am Nasu-See verschlagen. Der Junge wusste nicht einmal, wer seine Eltern waren, wo er geboren oder ob Inugami überhaupt sein richtiger Name war. Inugami bedeutet Hundegott und steht für ein mächtiges Geisterwesen, das von Menschen Besitz ergreifen kann. Erfolgreiche und wohlhabende Menschen schmücken ihre familiäre Herkunft gern aus, aber der alte Sahei hatte für solche Eitelkeiten nichts übrig. Mit Vorliebe erklärte er großspurig, dass schließlich alle Menschen nackt zur Welt kämen.
»Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr war ich ein herumziehender Bettler«, erzählte er immer wieder mit einem gewissen Stolz. »Erst als ich hierherkam und Herr Nonomiya mich aufnahm, fand ich mein Glück.«
Daini Nonomiya, der Shinto-Priester des örtlichen Nasu-Schreins am Ufer des gleichnamigen Sees, hatte Sahei sein ganzes Leben lang unterstützt. Der alte Sahei, ein Mann von außerordentlicher Unabhängigkeit, war seinem Wohltäter so dankbar, dass er stets eine respektvolle Haltung einnahm, sobald auch nur der Name des Priesters fiel. Saheis lebenslange, unerschütterliche Dankbarkeit gegenüber der Familie seines Gönners war sicher ein schöner Zug, aber alles hat seine Grenzen. Die blutigen Morde, die in der Familie Inugami nach dem Tod des alten Mannes begangen wurden, waren auch ein Ergebnis dieser übertriebenen Dankbarkeit. Im Nachhinein lässt sich daraus lernen, dass selbst die besten Absichten bei falscher Umsetzung zu einer Katastrophe führen können.
Zur ersten Begegnung zwischen Sahei Inugami und Daini Nonomiya kam es zufällig. Nach Saheis eigener Aussage befand er sich damals in der Lage eines von Ort zu Ort ziehenden Bettlers. Eines Tages kauerte er wie ein streunender Hund halbtot zwischen den Holzpfählen unter der Haupthalle des Nasu-Schreins. Es war bereits Spätherbst, und bei der eisigen Kälte, die zu dieser Zeit in der Provinz Shinshu herrschte, war es unmöglich, ohne Wärmequelle zu überleben.
Der junge Sahei war in einem erbärmlichen Zustand. Er trug nur einen Lumpen, den er sich mit einem Strick um den Leib gebunden hatte, und hatte seit drei Tagen kaum etwas gegessen. Hunger und Kälte würden ihm den Garaus machen, da war er sich sicher. Tatsächlich wäre der Junge gestorben, hätte Daini Nonomiya ihn nur ein wenig später entdeckt. Überrascht, einen so jungen Bettler unter der Haupthalle zu finden, nahm der Priester ihn mit nach Hause und wies seine Frau Haruyo an, sich so gut wie möglich um den Jungen zu kümmern. Das war der Beginn der Beziehung zwischen Daini und Sahei.
Sahei Inugamis Biografie zufolge war Daini damals zweiundvierzig und seine Gattin Haruyo eine junge Frau von zweiundzwanzig Jahren. Der Altersunterschied zwischen ihnen war also beträchtlich, und Sahei beschrieb Haruyo später als eine Frau von erhabener Schönheit und Güte.
Der junge Sahei war von robuster Konstitution und erholte sich dank der liebevollen Pflege des Ehepaars in kürzester Zeit. Daini, gerührt vom traurigen Schicksal des Jungen, drängte ihn, bei ihnen zu bleiben, und auch Sahei verspürte wenig Neigung, das warme Nest zu verlassen. So blieb er als eine Art Diener und Kostgänger im Nasu-Schrein. Sahei war nie zur Schule gegangen und kannte natürlich kein einziges Schriftzeichen, aber Daini nahm sich seiner an, als wäre er sein eigener Sohn, und ermöglichte ihm eine gute Ausbildung.
Dainis Interesse an Sahei rührte zum Teil daher, dass er die Intelligenz des Jungen erkannte, aber es gab noch einen anderen, geheimen Grund, der in Das Leben des Sahei Inugami nicht erwähnt wird: Sahei war ein außergewöhnlich hübscher Junge. Sogar im Alter hatte er noch etwas von seiner jugendlichen Schönheit, aber in seiner Jugend soll er buchstäblich ein Juwel gewesen sein. Daini fühlte sich auf erotische Weise zu ihm hingezogen, und es wird gemunkelt, dass die beiden damals das Versprechen gegenseitiger Liebe verband. Ein Beweis dafür könnte sein, dass Haruyo, die gutmütig wie eine Heilige war, etwas mehr als ein Jahr, nachdem sie Sahei aufgenommen hatten, für eine Weile zu ihren Eltern zog. Angeblich war Daini von Sahei derart verzaubert, dass er seine Frau nicht mehr beachtete. Als Sahei sich etwa ein Jahr später selbstständig machte, wurde der Streit offenbar beigelegt, und Haruyo kehrte zu ihrem Mann zurück. Anscheinend hatte sich das Paar versöhnt, denn Haruyo brachte einige Jahre später eine Tochter zur Welt, die sie Noriko nannten. Als Noriko erwachsen war und heiratete, bekam sie selbst eine Tochter – Tamayo, die eigentliche Heldin unserer Geschichte, aber dazu später.
Nachdem Sahei die Nonomiyas verlassen hatte, fand er durch Dainis Vermittlung eine Anstellung in einer kleinen Seidenfabrik. Dies war der erste Schritt zur Gründung der Inugami Zaibatsu, eines der führenden Industrieimperien im damaligen Japan. Der aufgeweckte Sahei schaffte in nur einem Jahr, wofür andere viele brauchten. Sein Kontakt zu den Nonomiyas riss nie ab, er besuchte sie weiterhin, um sich von Daini beraten zu lassen, und seine Beziehung zu ihnen wurde zunehmend enger. Sogar Haruyo, die einst seinetwegen davongelaufen war, schien sich mit der Situation abgefunden zu haben und behandelte ihn wie einen jüngeren Bruder.
Meiji 20, also um 1887, als Sahei in diesem Metier anfing, steckte die japanische Seidenproduktion noch in den Kinderschuhen. Sahei lernte alles über die Herstellung und den Handel mit Rohseide. Es dauerte nicht lange, bis er sich selbstständig machte und eine eigene Fabrik gründete, für die ihm Daini Nonomiya das nötige Kapital zur Verfügung stellte. In der Folgezeit ging es mit Saheis Geschäften stetig bergauf. Mit dem wachsenden Einfluss Japans während des Chinesisch-Japanischen Krieges, des Russisch-Japanischen Krieges und des Ersten Weltkrieges wurde Seide ein wichtiger Exportartikel, und Inugamis Fabrik entwickelte sich zum führenden, auf diesem Gebiet konkurrenzlosen Unternehmen. Daini Nonomiya starb 1911 im Alter von achtundsechzig Jahren. Obwohl er als Erster in Sahei Inugamis Unternehmen investiert hatte, ließ er sich nie an den Gewinnen beteiligen, ganz gleich, wie sehr Sahei ihn dazu drängte. Er beanspruchte nur ein paar Zinsen aus dem investierten Betrag für sich und führte bis zu seinem Ende das enthaltsame und reine Leben eines Priesters.
Bald nach Dainis Tod suchte Sahei einen Ehemann für Dainis Tochter Noriko, der das Amt des Schreinpriesters weiterführen sollte. Das Paar blieb lange Zeit kinderlos, bis Noriko 1924, mehr als zehn Jahre nach ihrer Hochzeit, ihre Tochter Tamayo zur Welt brachte.
Als Tamayo geboren wurde, war ihre Großmutter Haruyo bereits tot, und noch vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr starben auch ihre Eltern. Darauf nahm Sahei sie in die Familie Inugami auf, in der er sie als geschätzten Gast und mit größtem Respekt behandelte.
Aus irgendeinem Grund ging Sahei Inugami niemals eine offizielle Ehe ein. Er hatte drei Töchter – Matsuko, Takeko und Umeko – von drei verschiedenen Frauen, von denen er jedoch keine zu seiner rechtmäßigen Ehefrau machte. Die Ehemänner und die Kinder seiner Töchter wurden adoptiert, damit sie den Namen Inugami führen konnten. Der Mann der ältesten Tochter Matsuko war Geschäftsführer in der Hauptniederlassung von Inugamis Unternehmen in Nasu, der der mittleren Tochter Takeko in der Filiale in Tokio und der der jüngsten Tochter Umeko leitete die Filiale in Kobe. Doch behielt der alte Sahei weiter die Zügel in der Hand und weigerte sich bis zu seinem Tod, sie an seine Schwiegersöhne abzugeben.
Am 18. Februar versammelten sich die Mitglieder der Familie Inugami an Saheis Sterbebett, es waren die späten vierziger Jahre.
Da war zunächst Saheis älteste Tochter Matsuko, etwas über fünfzig Jahre alt und ziemlich einsam. Ihr Mann war vor einigen Jahren gestorben und ihr einziger Sohn Kiyo noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt. Kurz nach Kriegsende hatte die Familie aus Burma die Nachricht erhalten, dass er noch am Leben sei, wusste aber nicht, wann er repatriiert werden würde. Er war der einzige von Saheis drei Enkeln, der an seinem Sterbebett fehlte.
Neben Matsuko saßen Saheis zweitälteste Tochter Takeko, ihr Mann Toranosuke und ihre Kinder Take und Sayoko. Take war achtundzwanzig Jahre alt, seine Schwester Sayoko zweiundzwanzig. Ebenfalls anwesend waren Saheis jüngste Tochter Umeko, ihr Mann Kokichi und ihr einziger Sohn Tomo, der ein Jahr jünger war als sein Cousin Take. Diese acht Personen – mit Kiyo wären es neun gewesen – waren die gesamte Familie von Sahei Inugami.
Außer ihnen wachte jedoch noch eine weitere Person an Saheis Sterbelager, deren Schicksal eng mit dem seinen verknüpft war: die sechsundzwanzigjährige Tamayo, die letzte der Familie Nonomiya.
Gebannt beobachteten alle die Atemzüge des alten Sahei, die mit jeder Minute schwächer wurden. Merkwürdigerweise war auf keinem der Gesichter auch nur eine Spur der Trauer zu erkennen, die am Sterbebett eines nahen Verwandten zu erwarten gewesen wäre. Nein, nicht Trauer war auf den Gesichtern zu lesen, sondern Ungeduld. Tamayo war die einzige Ausnahme. Die anderen schienen es sogar besonders eilig zu haben. Und nicht nur das, sie beäugten einander auch misstrauisch. Kaum ließen sie den zunehmend schwächer werdenden alten Mann einmal aus den Augen, huschten ihre Blicke sofort argwöhnisch über die Gesichter der anderen.
Ihre Aufregung rührte daher, dass niemand Saheis letzten Willen kannte. Wer sollte nach seinem Tod das riesige Inugami-Imperium übernehmen und leiten? Und wie sollte sein gewaltiges Erbe aufgeteilt werden? Sahei hatte seine diesbezüglichen Absichten nie kundgetan.
Ein weiterer Grund für ihre Unruhe bestand darin, dass Sahei, warum auch immer, nie viel für seine Töchter übriggehabt hatte. Ganz zu schweigen von seinem mangelnden Vertrauen in seine Schwiegersöhne.
Saheis Atem ging zunehmend schwächer, während der Arzt seinen Puls fühlte. Die älteste Tochter Matsuko konnte es nicht mehr aushalten, rutschte auf Knien zu ihm hin und beugte sich über den Sterbenden.
»Vater, dein Testament! Gibt es ein Testament?«
Saheis Lider flatterten, als er Matsukos Stimme erkannte.
»Vater, wenn du einen letzten Willen hast, dann sprich ihn bitte aus. Wir warten alle darauf.«
Vielleicht verstand der alte Mann, was Matsuko meinte, denn er lächelte schwach und deutete mit einem zitternden Finger auf einen Mann auf der anderen Seite des Raumes. Es war Kyozo Furudate, der Anwalt der Familie Inugami, der sich nun räusperte.
»Der letzte Wille Ihres Herrn Vaters befindet sich in meiner Obhut«, sagte Furudate.
Die Bemerkung des Anwalts schlug in die feierliche Stimmung am Sterbebett ein wie eine Bombe. Alle außer Tamayo fuhren entgeistert zu Furudate herum.
»Es gibt ein Testament?«, keuchte Toranosuke, der Mann der zweitältesten Tochter Takeko, und zog hastig ein Taschentuch hervor, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, obwohl es ein kalter Februartag war.
»Und wann wird das Testament eröffnet? Sobald der Chef verstorben ist …?«, fragte Kokichi, der Mann der jüngsten Tochter Umeko, der seine Ungeduld offenbar nur mühsam beherrschen konnte.
»Nein, so ist es nicht vorgesehen. Das Testament wird erst eröffnet, wenn Kiyo aus dem Militärdienst entlassen und wieder hier ist.«
»Also, Kiyo …«, murmelte Takekos Sohn Take besorgt.
»Und wenn Kiyo gar nicht mehr nach Hause kommt? Ich sage es ungern, vielleicht bringt es Unglück, aber möglich wäre es doch«, fügte seine Mutter Takeko hinzu.
Matsuko funkelte sie wütend an.
»Takeko hat recht«, sagte Umeko, die Jüngste, herzlos und ohne Rücksicht auf die Gefühle ihrer ältesten Schwester. »Selbst wenn er noch lebt, ist er weit weg in Burma. Auf dem Weg nach Hause kann ihm doch noch alles Mögliche zustoßen.«
»Auch für diesen Fall hat Ihr Herr Vater Sorge getragen.« Der Anwalt räusperte sich erneut. »Sollte er eintreten, bin ich befugt, das Testament am ersten Todestag des alten Herrn zu eröffnen. Bis dahin werden das Unternehmen und der Familienbesitz von der Inugami-Stiftung verwaltet.«
Unbehagliche Stille trat ein. Auf allen Gesichtern außer Tamayos spiegelten sich Unruhe, Angst und sogar eine gewisse Feindseligkeit. Auch Matsuko starrte mit einer Mischung aus Hoffnung, Sorge, Gier und Hass auf das Gesicht ihres Vaters.
Der alte Sahei lächelte schwach und sah beginnend mit Matsuko alle der Reihe nach an, bis sein Blick schließlich auf Tamayo verharrte.
»Er ist von uns gegangen«, verkündete der Arzt, der seinen Puls fühlte, ernst.
So endete Sahei Inugamis ereignisreiches einundachtzigjähriges Leben. Rückblickend war dieser Moment der Auslöser der blutigen Ereignisse, die die Familie Inugami heimsuchen sollten.
Am 18. Oktober, etwa einen Monat nach Sahei Inugamis Tod, stieg ein Gast im Hotel Nasu am See ab.
Er war ein kleiner Mann um die dreißig, mit zerzaustem Haar und ungepflegtem Äußeren, der einen schäbigen, zerknitterten Serge-Kimono und einen ebenso zerknitterten und verschlissenen Hakama trug. Außerdem stotterte er.
Wer meine Krimireihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi kennt, die mit dem Roman Die rätselhaften Honjin-Morde beginnt, braucht keine Erklärung zu dieser Figur. Aber den Leserinnen und Lesern, die ihm hier zum ersten Mal begegnen, möchte ich ihn kurz vorstellen.
Kosuke Kindaichi, seines Zeichens Privatdetektiv, verhält sich auffallend lässig und scheint alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Auf den ersten Blick wirkt er eher ungepflegt und hat keine besonderen Vorzüge, aber seine brillanten Schlussfolgerungen haben sich schon in vielen Fällen bewährt – bei den besagten Honjin-Morden, den Morden auf der Insel Gokumon und jenen im Dorf der acht Gräber. Wenn er sich aufregt, stottert er noch mehr und hat zudem die wenig vornehme Angewohnheit, sich wie verrückt den zotteligen Kopf zu kratzen.
Dieser Kosuke Kindaichi wurde nun also in ein Zimmer im ersten Stock mit Blick auf den See geführt, wo er sofort zum Telefon griff und sich mit einer Nummer in Nasu verbinden ließ.
»Gut, dann in etwa einer Stunde, ja, das ist in Ordnung, ich warte auf Sie.« Er legte auf und wandte sich an das Zimmermädchen.
»In etwa einer Stunde wird jemand nach mir fragen. Bring ihn bitte gleich zu mir herauf. Mein Name? Kosuke Kindaichi.«
Nach einem kurzen Bad kehrte der Detektiv in sein Zimmer zurück und nahm mit ernster Miene ein Buch und einen Brief aus seinem Koffer. Bei dem Buch handelte es sich um Das Leben des Sahei Inugami, das die Inugami-Stiftung im vergangenen Monat herausgegeben hatte. Der Brief stammte von einem Anwalt der Kanzlei Furudate in Nasu namens Toyoichiro Wakabayashi.
Kindaichi machte es sich auf einem Stuhl auf der Veranda mit Blick auf den See bequem und blätterte in dem schon ziemlich zerlesenen Exemplar von Das Leben des Sahei Inugami. Schließlich legte er das Buch beiseite, nahm den Brief von Toyoichiro Wakabayashi aus dem Umschlag und las seinen erstaunlichen Inhalt:
Sehr geehrter Herr Kindaichi,
ich hoffe, dieses Schreiben erreicht Sie bei guter Gesundheit. Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, und entschuldige mich, Sie auf diese Weise zu behelligen, aber ich habe eine dringende Bitte. Es handelt sich nicht um einen persönlichen Gefallen, sondern um etwas, das mit der Familie von Sahei Inugami zu tun hat, dessen Biografie ich Ihnen mit separater Post übersandt habe, denn ich bin in großer Sorge, dass die Familie bald in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte. Mit ernsthaften Schwierigkeiten meine ich blutige Ereignisse, wie sie, wie ich glaube, in Ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Ich befürchte, dass es zahlreiche Opfer geben wird! Allein der Gedanke daran raubt mir den Schlaf. Zumal diese Dinge nicht erst in unabsehbarer Zukunft geschehen werden, sondern bereits im Gange sind. Wenn wir nichts unternehmen, könnte dies zu einer schrecklichen Katastrophe führen. Daher habe ich mich entschlossen, Ihnen zu schreiben und Sie zu bitten, nach Nasu zu kommen und herauszufinden, wie wir Derartiges verhindern könnten. Wenn Sie diesen Brief lesen, werden Sie mich vielleicht für verrückt halten, aber ich versichere Ihnen, das bin ich nicht. Ich schreibe Ihnen, weil ich vor Angst und Sorge weder ein noch aus weiß. Bitte rufen Sie mich nach Ihrer Ankunft umgehend in der Kanzlei Furudate an, und ich werde auf der Stelle zu Ihnen eilen. Ich flehe Sie an, meine Bitte nicht unbeachtet zu lassen.
Hochachtungsvoll
Toyoichiro Wakabayashi
PS: Behandeln Sie den Inhalt dieses Schreibens bitte streng vertraulich.
Obwohl Kosuke Kindaichi nicht leicht aus der Fassung zu bringen war, hatte der Brief ihn verblüfft. Er war in einem etwas umständlichen, gestelzten Stil verfasst, anscheinend von jemandem, der sonst förmliche, steife Briefe schrieb, sich nun aber eines umgangssprachlicheren Duktus’ befleißigte. Er schrieb zwar, Kindaichi solle ihn nicht für verrückt halten, dennoch drängte der Gedanke sich auf. Oder wollte der Mann ihn auf den Arm nehmen?
Der Verfasser sprach von blutigen Ereignissen und zahlreichen Opfern, rechnete also offenbar mit einer Mordserie, aber woher sollte er davon wissen? Wer einen Mord oder gar mehrere Morde plante, würde doch niemanden davon in Kenntnis setzen, zumal ein solcher Plan nicht einfach umzusetzen war, ohne dass die halbe Welt davon erfuhr. Noch merkwürdiger war, dass der Briefschreiber dies für eine gesicherte Tatsache zu halten schien.
Angenommen, der Plan existierte tatsächlich und dieser Herr Wakabayashi war aus irgendeinem Grund dahintergekommen, warum warnte er die potenziellen Opfer nicht? Auch wenn ihm der Gedanke nicht behagte, zur Polizei zu gehen, solange noch nichts passiert war, hätte er die Unglücklichen doch zumindest heimlich ins Vertrauen ziehen können. Und wenn er dies nicht von Angesicht zu Angesicht tun konnte, gab es andere Möglichkeiten, zum Beispiel anonyme Briefe.
Anfangs neigte Kindaichi dazu, den Brief als schlechten Scherz abzutun. Aber der Satz »Zumal diese Dinge nicht erst in unabsehbarer Zukunft geschehen werden, sondern bereits im Gange sind« gab ihm doch zu denken. Bedeutete das, dass sich bereits etwas Verdächtiges ereignet hatte? Der Umstand, dass der Schreiber offenbar in einer Anwaltskanzlei angestellt war, machte Kindaichi stutzig. In diesem Fall konnte er nur Anwalt oder Rechtsreferendar sein, und dann war es tatsächlich möglich, dass er Familiengeheimnisse kannte und einem Mordplan auf die Schliche gekommen war.
Immer wieder nahm Kindaichi den Brief und Das Leben des Sahei Inugami zur Hand, das Wakabayashi ihm geschickt hatte. Die darin geschilderten komplizierten Familienverhältnisse weckten seine Neugier.
Er wusste, dass der alte Sahei Inugami zu Beginn dieses Frühjahrs gestorben war, und erinnerte sich auch, gelesen zu haben, dass die Testamentseröffnung auf die Zeit nach der Rückkehr eines seiner Enkelsöhne aus dem Krieg verschoben war. Also schloss er den Fall, an dem er gerade arbeitete, eilig ab und machte sich mit seinem Koffer in der Hand auf den Weg nach Nasu.
Kindaichi saß in Gedanken versunken mit dem Brief und dem Buch auf dem Schoß da, als das Dienstmädchen ihm Tee brachte.
»Ah, warte einen Moment …«, rief er, als sie sich, nachdem sie ihm den Tee serviert hatte, entfernen wollte. »Wo liegt eigentlich das Anwesen der Familie Inugami?«
»Dort drüben.«
In der Richtung, in die das Dienstmädchen zeigte, sah er auf der anderen Seite des Sees eine prächtige, cremefarbene Villa im westlichen Stil und daneben ein großes japanisches Haus mit verschachtelten Dächern. Der Garten erstreckte sich bis zum Seeufer, wo eine große Schleuse den Zufluss regelte.
»Ah, was für ein schönes Anwesen. Ich habe gehört, einer der Enkel des verstorbenen Herrn Sahei sei noch nicht aus dem Krieg zurück. Gibt es Neuigkeiten? Weißt du etwas darüber?«
»Ja, der junge Herr Kiyo soll vor Kurzem in Hakata angekommen sein. Seine Mutter ist überglücklich dorthin gefahren, um ihn abzuholen. Anscheinend sind die beiden noch in der Familienresidenz in Tokio, aber sie sollen in ein paar Tagen hier eintreffen.«
»Ach, er ist wieder da?« Bei dieser Nachricht beschleunigte sich Kindaichis Herzschlag.
In diesem Moment öffnete sich die Schleuse und ein Ruderboot mit einer jungen Frau glitt heraus. Ein Mann lief am Ufer entlang, als wolle er das Boot verabschieden.
Die junge Frau im Boot und der Mann schienen ein paar Worte zu wechseln, dann winkte sie, und der Mann trottete zurück zum Haus. Die Frau steuerte mit geübten Ruderschlägen auf die Mitte des Sees zu. Sie schien große Freude daran zu haben.
»Gehört diese Dame zur Familie Inugami?
»Das ist Fräulein Tamayo. Sie ist nicht mit den Inugamis verwandt, aber sie ist eine nahe Verwandte des Gönners des alten Herrn. Sie ist so schön, schöner geht’s nicht. Die Leute sagen, ihre Schönheit sucht ihresgleichen in ganz Japan.«
»Oho, so schön ist sie! Dann will ich sie mir mal näher ansehen.«
Belustigt über die Schwärmerei des Zimmermädchens holte Kindaichi sein Fernglas aus dem Koffer und richtete es auf Tamayo, doch als er ihr Gesicht im Visier hatte, überlief ihn unwillkürlich ein Schauer.
Das Mädchen hatte nicht übertrieben. Kosuke Kindaichi hatte noch nie eine so bildschöne Frau gesehen. Die Schönheit Tamayos, die mit leicht erhobenem Kinn fröhlich ruderte, schien nicht von dieser Welt zu sein. Die Spitzen ihres schulterlangen Haares waren gewellt, sie hatte volle Wangen, lange Wimpern, eine vornehme Nase und Lippen, die zum Küssen einluden. Ihr sportliches Kleid passte wie angegossen und umschmeichelte ihre geschmeidige, schlanke Gestalt, deren Anmut mit Worten kaum zu beschreiben war.
Die junge Frau war fast beängstigend schön. Kindaichi beobachtete Tamayo mit angehaltenem Atem, als sie plötzlich ihre Haltung änderte. Sie hörte auf zu rudern, sah erschrocken auf den Boden des Bootes und stieß einen Schrei aus. Sie ließ die Ruder los, woraufhin das Boot heftig ins Schwanken geriet. Mit schreckgeweiteten Augen sprang sie auf und schwenkte heftig die Arme. Das Boot sank mit großer Geschwindigkeit. Kosuke Kindaichi sprang wie von der Tarantel gestochen aus seinem Korbstuhl auf.
Natürlich hatte Kosuke Kindaichi seinen Besucher nicht vergessen. Aber er ging davon aus, dass es bis zu seinem Eintreffen noch eine Weile dauern würde, außerdem konnte er schlecht jemanden vor seinen Augen ertrinken lassen. Also rannte er Hals über Kopf aus dem Zimmer und die Treppe hinunter, auch wenn dies im Nachhinein gesehen einen unglücklichen Einfluss auf die Ermittlungen im Fall Inugami haben sollte. Wäre Tamayo nicht vom Ertrinken bedroht gewesen und wäre Kosuke ihr nicht zu Hilfe geeilt, hätte er den Fall viel schneller lösen können.
Aber so eilte Kindaichi, gefolgt vom Zimmermädchen, die Treppe hinunter.
»Hier entlang, Herr!«, rief sie und rannte auf Strümpfen in den Garten zum hinteren Tor. Kindaichi ihr hinterher. Vor ihnen lag der See, und an einem kleinen Steg waren ein paar hoteleigene Boote festgemacht, die den Gästen für Ausflüge zur Verfügung standen.
»Können Sie rudern?«
»Ja, klar.«
Kosuke war ein guter Ruderer. Er sprang ins Boot, und das Mädchen löste hastig die Leine.
»Seien Sie vorsichtig, Herr.«
»Keine Sorge.«
Kosuke legte sich mit aller Kraft in die Riemen.
Das Boot auf dem See war schon halb gesunken, während Tamayo weiter verzweifelt um Hilfe schrie.
Der Nasu-See war nicht besonders tief, aber gerade das machte ihn so gefährlich. Die meterlangen Gräser und Schlingpflanzen, die auf seinem Grund wuchsen, verwirrten sich im Wasser wie Frauenhaar, und selbst ein guter Schwimmer konnte leicht ertrinken, wenn er sich darin verfing. Es war nicht einmal einfach, die Leiche eines Ertrunkenen zu bergen.
Wahrscheinlich hatten auch andere Tamayos Hilferufe gehört, denn kurz nach Kosuke lösten sich einige Boote vom Steg des Bootsverleihs auf der anderen Seite. Auch der Wirt des Hotels Nasu und einige Bedienstete eilten aufgeschreckt durch das Geschrei herbei und ruderten Kosuke laut rufend hinterher.
Dieser paddelte wie besessen, als er sah, dass der Mann, der zuvor an der Schleuse gestanden hatte, hastig Jacke und Hose auszog, in den See sprang und mit unglaublicher Geschwindigkeit auf das sinkende Boot zuschwamm!
Seine Arme rotierten wie Schaufelräder, so dass Gischt aufspritzte und er in einer geraden Linie durch das Wasser glitt, als zöge er eine silberne Schlange hinter sich her. Schließlich erreichte er Tamayos Boot als Erster.
Als Kosuke endlich angerudert kam, war Tamayos Boot bereits bis zum Rand gesunken, und sie lag erschöpft in den Armen des Mannes im Wasser.
»Ist alles in Ordnung? Schnell, steigen Sie in mein Boot um.«
»Vielen Dank, mein Herr. Bitte seien Sie der jungen Dame behilflich. Ich halte das Boot fest.«
»Gut, heb sie hoch.«
»Haben Sie vielen Dank.«
Tamayo klammerte sich an Kosukes Arm und schaffte es, sich in sein Boot zu ziehen.
»Jetzt du, komm.«
»Danke. Halten Sie das Boot fest, damit wir nicht kentern.«
Behände kletterte der Mann in Kosukes Boot. Dieser sah ihm zum ersten Mal richtig ins Gesicht und war wie gelähmt vor Staunen.
Mit seiner niedrigen Stirn, den tiefliegenden Augen und den ungewöhnlich eingefallenen Wangen glich der Mann einem Affen. Man hätte sich kaum einen hässlicheren Menschen vorstellen können, doch sein ganzes Verhalten verriet aufrichtige Besorgnis.
»Habe ich es Ihnen nicht gesagt, Fräulein?«, schalt er. »Sie müssen besser auf sich aufpassen, das ist jetzt schon das dritte Mal.«
Kosuke wurde hellhörig. Das dritte Mal?
Tamayo verzog daraufhin das Gesicht, halb weinend, halb lachend, wie ein Kind, das bei einem Streich ertappt worden war.
»Aber Saruzo, ich konnte doch nichts dafür. Ich wusste doch nicht, dass das Boot leck ist.«
Der Mann trug sogar das Wort für Affe, »Saru«, in seinem Namen.
»Das Boot hatte ein Leck?« Kosuke sah ihn überrascht an.
»Ja, anscheinend war es mit irgendetwas verstopft, aber der Stöpsel hat sich gelöst.«
Jetzt paddelten der Wirt und die Gruppe vom Bootsverleih heran. Kosuke überlegte kurz und wandte sich dann an den Wirt.
»Können Sie das Boot an Land ziehen, bevor es sinkt? Ich möchte es mir später genauer ansehen.«
Der Mann sah ihn erstaunt an, aber Kosuke hatte sich schon wieder Tamayo zugewandt.
»Dann bringe ich Sie jetzt nach Hause. Dort werden Sie gleich ein heißes Bad nehmen und sich aufwärmen, damit Sie sich nicht erkälten.«
»Ja, mache ich«, erwiderte Tamayo.
Den Wirt und die aufgeregten Schaulustigen hinter sich lassend, ruderte Kosuke Kindaichi mit Tamayo und Saruzo langsam auf das Ufer zu. Die beiden saßen ihm gegenüber. Die junge Frau hatte ihren Kopf an Saruzos breite Brust gelegt und schien sich völlig entspannt und geborgen zu fühlen. Saruzos Gesicht mochte hässlich sein, aber er hatte einen starken Körper, fest wie ein Fels. In seinen mächtigen Armen wirkte Tamayo wie eine zarte Ranke, die sich um eine uralte Kiefer schlang.
Aus der Nähe betrachtet, war Tamayos Schönheit noch außergewöhnlicher: Mit ihrer vom Wasser leicht geröteten Haut wirkte sie wie ein funkelnder Diamant, so dass selbst der Meisterdetektiv, der sich sonst vom Anblick schöner Frauen nicht beeindrucken ließ, Herzklopfen bekam.
Wie in Trance starrte Kosuke in Tamayos Gesicht und errötete, als ihm bewusst wurde, dass sie seinen Blick bemerkte. Er schluckte und wandte sich ein wenig verlegen an Saruzo.
»Du hast vorhin etwas gesagt, Saruzo, das ich nicht verstanden habe. Du sprachst von einem ›dritten Mal‹. Ist so etwas schon öfter passiert?«
Saruzo blickte Kosuke misstrauisch und forschend ins Gesicht, als versuche er, darin seine Absichten zu lesen.
»Das stimmt«, sagte er düster. »In letzter Zeit sind ein paar seltsame Dinge passiert. Deshalb mache ich mir Sorgen.«
»Was für seltsame Dinge?«
»Ach, nichts«, mischte sich Tamayo ein. »Red keinen Unsinn, Saruzo. Denkst du immer noch über diese Dinge nach? Das waren doch nur Unfälle.«
»Unfälle, Fräulein Tamayo? Sie hätten getötet werden können. Ich muss mich doch wundern.«
»Ach? Was ist denn passiert?«
»Einmal hatte sich mitten in der Nacht eine Viper in Fräulein Tamayos Schlafzimmer zusammengerollt. Zum Glück bemerkte sie die Schlange rechtzeitig, aber ein Biss hätte sie schwer verletzen, wenn nicht gar töten können. Beim zweiten Mal versagten die Bremsen ihres Wagens, und sie wäre beinahe eine Klippe hinuntergestürzt.«
»Aber nein, das war doch alles nur Pech. Saruzo, du übertreibst es wirklich mit deiner Besorgnis.«
»Aber wer weiß, was beim nächsten Mal passiert? Der Gedanke macht mir Angst, große Angst.«
»Sei nicht albern. Was soll schon passieren? Ich habe Glück. Und dieses Glück rettet mich jedes Mal. Du machst mir höchstens Angst mit deiner ewigen Sorge.«
Während Tamayo und Saruzo stritten, erreichten sie das Schleusentor zum Anwesen der Familie Inugami. Kosuke setzte die beiden am Steg ab. Sie bedankten sich, und er ruderte wieder zum Hotel. Auf dem Weg dorthin dachte er über die Ereignisse nach, die Saruzo ihm gerade geschildert hatte. Die Schlange im Zimmer, die defekten Bremsen und das leckgeschlagene Boot – konnte das alles wirklich nur Zufall sein? Oder arbeitete jemand hinter den Kulissen gegen Tamayo? Wenn ja, dann hatte es jemand auf ihr Leben abgesehen. Bestand womöglich ein Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und Wakabayashis unheilvoller Vorahnung? Er musste unbedingt mit diesem Wakabayashi sprechen. Wahrscheinlich würde er in Kürze in seinem Hotel eintreffen. Kindaichi ruderte, was das Zeug hielt.
Bei seiner Rückkehr in die Herberge war Toyoichiro Wakabayashi offenbar schon angekommen.
»Ihr Besucher ist da, ich habe ihn auf Ihr Zimmer geführt«, teilte ihm das Mädchen mit.
Kosuke eilte nach oben, aber von Wakabayashi war nichts zu sehen. Dennoch musste er hier gewesen sein, denn im Aschenbecher lagen eine Zigarettenkippe und in einer Ecke ein fremder Hut.
Vielleicht war er auf der Toilette? Kosuke Kindaichi setzte sich in einen Korbstuhl und wartete, aber der Besucher tauchte nicht auf.
Als er es nicht mehr aushielt, klingelte Kosuke nach dem Mädchen.
»Wo ist der Gast? Ich sehe nichts von ihm.«
»Oh, ist er nicht in Ihrem Zimmer? Wo kann er sein? Vielleicht auf der Toilette?«
»Dafür dauert es zu lange. Vielleicht wartet er im falschen Zimmer. Geh ihn suchen.«
»Wie merkwürdig. Wo kann er nur sein?«
Verwundert machte sich das Zimmermädchen auf die Suche. Es dauerte nicht lange, bis Kosuke Kindaichi einen durchdringenden Schrei hörte, der eindeutig von dem Mädchen stammte.
Kosuke erschrak und rannte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Totenbleich und wie versteinert stand das Mädchen vor dem Waschraum.
»Was ist los? Was hast du?«
»Herr! Ihr Besucher … Ihr Gast.«
Kindaichi folgte ihrem Zeigefinger. Die Tür zum Waschraum stand einen Spalt offen und gab den Blick auf die Beine eines liegenden Mannes frei. Er sog scharf die Luft ein und blieb stehen.
Ein Mann mit dunkler Brille lag mit dem Gesicht nach unten auf dem weiß gefliesten Boden. Er schien verzweifelt um sein Leben gekämpft zu haben, denn sein Kragen und sein Schal waren in Unordnung und seine Finger verkrampft, als hätte er versucht, sich am Boden festzukrallen. Die weißen Fliesen waren voller Blut, das aus seinem Mund zu kommen schien.
Kosuke stand einen Moment wie erstarrt da, dann ging er vorsichtig auf den Mann zu und griff nach seinem Handgelenk. Natürlich kein Puls. Dann nahm er ihm die dunkle Brille ab und wandte sich an das Zimmermädchen.
»Ke‑kennst du ihn?«
Das Mädchen blickte dem Mann ängstlich ins Gesicht.
»Ja, das ist Herr Wakabayashi!«
Kosukes Herzschlag setzte für einen Moment aus. Er war fassungslos, unfähig, sich zu rühren.
Für Kosuke Kindaichi hätte es keine größere Schmach geben können.
Er vertrat die Ansicht, die Beziehung zwischen einem Privatdetektiv und seinem Klienten gleiche derjenigen zwischen Beichtvater und Beichtkind.
Wie ein reuiger Sünder alle seine Geheimnisse preisgibt und seine ganze Hoffnung auf den Beichtvater setzt, so vertraut der Klient dem Detektiv alle Einzelheiten seines Falles an und setzt seine ganze Hoffnung auf ihn. Dies ist nur möglich, wenn der Auftraggeber volles Vertrauen in den Charakter des Detektivs hat, und deshalb muss sich der Detektiv unter allen Umständen als dessen würdig erweisen.
Bisher hatte Kosuke Kindaichi stets nach diesem Prinzip gearbeitet und war stolz darauf, das Vertrauen seiner Kunden nie enttäuscht zu haben.
Aber was nun? In diesem Fall hatte jemand seinen Klienten umgebracht, bevor er ihn überhaupt gesehen hatte. Und das auch noch in seiner Unterkunft … Konnte es eine größere Demütigung für einen Meisterdetektiv geben?
Außerdem musste derjenige, der Wakabayashi getötet hatte, gewusst haben, dass dieser ihm, dem Detektiv Kindaichi, ein Geheimnis anvertrauen wollte, und hatte zweifellos zu diesem brutalen Mittel gegriffen, um es zu verhindern. Was bedeutete, dass der Täter bereits von Kindaichis Anwesenheit wusste und ihn herausforderte.
Bei diesem Gedanken stieg in Kosuke Wut auf, und gleichzeitig erwachte sein Kampfgeist.
Wie bereits erwähnt, hatte der Detektiv dem Fall halbherzig gegenübergestanden und bezweifelt, dass die von Wakabayashi befürchteten Ereignisse tatsächlich eintreten würden. All diese Zweifel waren nun mit einem Schlag ausgeräumt. Der Fall ging anscheinend sogar weit über das hinaus, was Toyoichiro Wakabayashi in seinem Brief geschrieben hatte.
Abgesehen davon befand Kosuke sich in einer heiklen Lage. Er war schließlich kein Sherlock Holmes und nicht weltberühmt. Es konnte also schwierig für ihn werden, sich dem umgehend zum Tatort geeilten Polizeichef von Nasu und seinen Beamten zu erklären.
Überdies hatte er Skrupel, Wakabayashis Brief sofort öffentlich zu machen, und zögerte auch aus diesem Grund, die Polizei vom eigentlichen Zweck seines Besuchs in Nasu zu unterrichten.
Auch die Beamten schienen Zweifel gegenüber Kosuke Kindaichi zu hegen. Er wurde in aller Ausführlichkeit zu seiner Beziehung zu Toyoichiro Wakabayashi befragt. Schließlich gab er zu, dass dieser ihn mit einer Untersuchung beauftragt hatte, konnte sich aber im weiteren Verhör damit herausreden, dass er nicht wisse, was er hätte untersuchen sollen, da sein Klient ja nun tot sei.
Die zuständigen Beamten baten den Detektiv, die Gegend vorerst nicht zu verlassen, wobei sie sich bemüht taktvoll ausdrückten, aber Kindaichi hatte ohnehin nichts dagegen einzuwenden. Er war entschlossen, in Nasu zu bleiben, bis der Fall aufgeklärt war.
Toyoichiro Wakabayashis Leiche wurde noch am selben Tag obduziert. Todesursächlich war ein Gift, das merkwürdigerweise nicht in seinem Magen, sondern in seinen Lungen gefunden wurde. Mit anderen Worten: Toyoichiro Wakabayashi hatte das Gift eingeatmet.
Nach dieser Entdeckung richtete sich die Aufmerksamkeit sofort auf Wakabayashis Zigarette im Aschenbecher. Es handelte sich um eine ausländische Marke, und die Analyse ergab, dass das Gift dem Tabak beigemischt worden war.
In Wakabayashis Etui befanden sich noch weitere Zigaretten, in denen jedoch keine verdächtigen Substanzen gefunden wurden. Seltsamerweise war die Zigarette, die er geraucht hatte, die einzige, die vergiftet war. Offenbar war es dem Mörder egal, wann er sein Opfer tötete, solange es früher oder später starb.
Der Mord schien von langer Hand geplant und gerade deshalb besonders raffiniert und heimtückisch. Denn der Täter musste nicht unbedingt in der Nähe des Opfers gewesen sein, als dieses starb, und konnte daher nicht so leicht in Verdacht geraten.
Kindaichi konnte sich einer gewissen Bewunderung für diese raffinierte Methode nicht erwehren. Sein Herausforderer war kein Gegner, den er unterschätzen durfte.
Am Tag nach Wakabayashis mysteriösem Tod kam ein weiterer Besucher zu Kindaichi ins Hotel. Ein wenig erstaunt nahm Kosuke die Visitenkarte entgegen, die das Mädchen ihm brachte. Kyozo Furudate stand darauf. Es musste sich um den Inhaber der Kanzlei Furudate handeln, den Rechtsbeistand der Familie Inugami, in dessen Obhut sich auch das Testament des verstorbenen Sahei befand. Ahnungsvoll wies Kosuke Kindaichi das Mädchen an, den Mann sofort zu ihm zu geleiten.
Kyozo Furudate war ein Mann mittleren Alters mit dunklem Teint und strengem Gesichtsausdruck. Er musterte Kosuke mit dem scharfen, professionellen Blick eines Anwalts, stellte sich aber sehr höflich vor und bat um Entschuldigung für seinen unangemeldeten Besuch.
Kosuke kratzte sich am Kopf.
»Danke, dass Sie vorbeikommen. Das gestern war ein Schock für mich, aber für Sie auch, nehme ich an.«
»Ja, um ehrlich zu sein, ich kann es immer noch nicht fassen. Eigentlich bin ich heute hier, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen.«
»Bitte, nur zu.«
»Ich habe von der Polizei gehört, Wakabayashi habe Sie gebeten, etwas für ihn zu untersuchen.«
»Das stimmt. Aber bevor ich ihn anhören konnte, ist ihm leider dieses Unglück zugestoßen … Ich weiß also nicht, mit welcher Art von Untersuchung er mich beauftragen wollte.«
»Aber Sie müssen doch irgendeine Ahnung haben? Ich glaube, er hatte Ihnen einen Brief geschrieben.«
»So ist es.«
Kindaichi blickte dem Anwalt fest in die Augen.
»Herr Furudate, Sie sind der Rechtsbeistand der Familie Inugami, nicht wahr?«
»Ja.«
»Dann ist Ihnen sicher am guten Ruf der Familie gelegen?«
»Selbstverständlich.«
»Nun, Herr Furudate …« Kindaichi Kosuke senkte die Stimme.
»Auch ich denke an den guten Ruf der Inugamis, weshalb ich den Brief von Herrn Wakabayashi gegenüber der Polizei nicht voreilig erwähnen wollte.«
Kindaichi nahm den Brief hervor und reichte ihn dem Anwalt. Er ließ Furudate nicht aus den Augen, während er las.
Der Rechtsanwalt erbleichte, und ein Ausdruck höchster Verwunderung trat auf sein Gesicht. Tiefe Falten zeichneten sich auf seiner dunklen Stirn ab, und ihm brach der Schweiß aus. Die Hand, in der er den Brief hielt, zitterte.
»Herr Furudate, haben Sie eine Ahnung, worum es in diesem Brief geht?«
Furudate wirkte benommen und zuckte erschrocken zusammen, als Kosuke ihn ansprach.
»Nein, eigentlich nicht …«
»Ich kann mich nur wundern. Selbst wenn es Anzeichen gab, dass jemandem in der Familie Inugami etwas zustoßen würde, woher wusste Herr Wakabayashi davon? In diesem Brief scheint er sich sehr sicher zu sein. Haben Sie eine Ahnung, wie er zu dieser Überzeugung gelangte? Herr Furudate, wissen Sie etwas?«
Dem Anwalt war seine tiefe Erschütterung anzusehen. Er wusste definitiv etwas.
Kosuke beugte sich vor. »Herr Furudate, wussten Sie von diesem Brief? Wussten Sie, dass Wakabayashi sich an mich gewandt hatte?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung. Im Nachhinein betrachtet hat Wakabayashi sich in letzter Zeit ziemlich seltsam verhalten. Er wirkte nervös, als hätte er vor irgendetwas Angst.«
»Angst?«
»Ja, genau. Das fällt mir erst jetzt auf, wo er tot ist …«
»Wovor könnte er Angst gehabt haben? Haben Sie eine Idee?«
»Nun, darüber …«
Rechtsanwalt Furudate rang offenbar mit sich, doch dann schien er sich entschieden zu haben.
»Darüber wollte ich heute mit Ihnen sprechen. Es geht um das Testament von Sahei Inugami.«
»Was ist damit?«
»Das Testament liegt im Safe in meinem Büro, aber weil ich gestern nach Wakabayashis Tod ein ungutes Gefühl hatte, habe ich nachgesehen. Anscheinend hat jemand es gelesen.«
Kosuke beugte sich unwillkürlich vor.
»Jemand hat das Testament gelesen?«
Der Anwalt nickte düster.
»Ist das ein Problem?«, fragte Kosuke atemlos.
»Nein, eigentlich nicht, es wird sowieso in ein paar Tagen eröffnet, wenn Kiyo endlich zurück ist, aber ich befürchte schon lange, dass es ein Debakel wird.«
»Ist das Testament so ungewöhnlich?«
»In der Tat«, sagte Furudate mit Nachdruck. »So ungewöhnlich wie unvernünftig. Es ist, als wollte der alte Herr seine Hinterbliebenen absichtlich gegeneinander aufhetzen. Ich habe mein Bestes getan, um ihn davon abzubringen, aber Sahei konnte unglaublich stur sein.«
»Können Sie mir sagen, was darin steht?«
»Auf keinen Fall.« Furudate winkte ab. »Das ist nicht möglich. Der Verstorbene hat verfügt, dass es erst verkündet werden darf, wenn Kiyo wieder auf dem Anwesen ist.«
»Gut, ich werde nicht weiter in Sie dringen, aber Sie sagen, es gebe Anzeichen dafür, dass jemand es gelesen hat. Die einzigen, die sich für den Inhalt interessieren könnten, sind Saheis Hinterbliebene, also muss einer von ihnen den Safe geöffnet haben.«
»Das ist undenkbar. Niemand aus der Familie Inugami hätte dazu die Möglichkeit gehabt. Also nehme ich an, dass Wakabayashi bestochen wurde. Er hatte Zugang zum Tresor. Vielleicht hat jemand aus der Familie Inugami ihn überredet, eine Kopie des Testaments anzufertigen. Und dann, als diese seltsamen Dinge passiert sind, hat er Angst bekommen.«
»Welche seltsamen Dinge meinen Sie?«
Furudate blickte Kindaichi forschend an.
»Sie können es sich denken. So etwas wie gestern am See.«
Der Detektiv zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag bekommen.
»Sie meinen die Geschichte mit dem Boot?«
»Ja. Ich habe gehört, Sie hätten das Boot untersucht?«
»Ja. Offenbar hat jemand ein Loch in den Boden gebohrt und es dann mit einer Art Kitt wieder verschlossen. Dieses Fräulein Tamayo ist also im Testament erwähnt?«
»Ja, so viel kann ich Ihnen sagen. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt. In ihren Händen liegt die Verteilung des Vermögens der Familie Inugami. Solange sie lebt, entscheidet sie über das Erbe.«
Kindaichi sah die schöne junge Frau vor sich.
Welches Schicksal hatte der alte Sahei Inugami für diese mit so seltenem Liebreiz gesegnete, strahlende Schönheit vorgesehen? In Kosukes Vorstellung kam eine riesige, drohende schwarze Hand von hinten auf Tamayo zu, die verzweifelt mit den Armen ruderte, während ihr Boot in der Nachmittagssonne versank.