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Der Islam ist nach dem Christentum die zweitgrößte unter den Weltreligionen. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen, zugleich aber durch seine stellenweise Verknüpfung mit der Terrorismus-Szene alte Feindbilder wach gerufen. Im vorliegenden Buch bekommt der Leser u.a. Einblick in das Leben, die Offenbarungen und das Auftreten des Propheten Muhammad; in die schnelle Entfaltung und reiche Geschichte des Islam; in den Koran, die Glaubenslehre, Ethik und Mystik sowie das strenge islamische Religionsgesetz; die großen Herausforderungen, vor denen sich der "Reform-Islam" im deutschen Sprachraum heute befindet.
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Seitenzahl: 222
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Dr. GOTTFRIED HIERZENBERGER wurde 1937 in Wien geboren. Ausbildung als Volksschullehrer und Studium der Theologie; Religionslehrer in Wiener Neustadt und München; Verlagslektor im Herder-Verlag; Pressereferent im Staatsdienst; Autor zahlreicher religiös-theologischer Bücher; seit 1990 freiberuflich als Lektor im Tyrolia-Verlag tätig. Zahlreiche Publikationen.
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Der Islam ist nach dem Christentum die zweitgrößte unter den Weltreligionen. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen, zugleich aber durch seine stellenweise Verknüpfung mit der Terrorismus-Szene alte Feindbilder wach gerufen. Im vorliegenden Buch bekommt der Leser u.a. Einblick in das Leben, die Offenbarungen und das Auftreten des Propheten Muhammad; in die schnelle Entfaltung und reiche Geschichte des Islam; in den Koran, die Glaubenslehre, Ethik und Mystik sowie das strenge islamische Religionsgesetz; die großen Herausforderungen, vor denen sich der »Reform-Islam« im deutschen Sprachraum heute befindet.
Gottfried Hierzenberger
Der Islam
Gottfried Hierzenberger
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012
Projektbetreuung: Verlagsagentur Mag. Michael Hlatky, A – 8071 Vasoldsberg
Lektorat: PD Dr. Marco Frenschkowski, Hofheim/Taunus
Covergestaltung: Thomas Jarzina, Köln
Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0212-3
www.marixverlag.de
Grundwissen Islam
Eine Weltreligion im politischen Zwielicht
Muhammad und die Entstehung des Islam
Die Kaaba – ein uraltes Heiligtum
Die Berufung zum Propheten
Der Auszug aus Mekka (Hidschra)
Die muslimische Gemeinde eint die Arabische Halbinsel
Kontakte mit Juden und Christen
Das »Volk« der Muslime
Auseinandersetzungen mit den Mekkanern
Beginn der arabischen Einigung
Der frühe Tod des Propheten
Die Entwicklung des Islam unter den ersten Kalifen
Abu Bakr (632 bis 634)
Umar ibn al-Hattab (634 bis 644)
Uthmān ibn Affan (644 bis 656)
Ali ibn Ali Talib (656 bis 661)
Der politische Entwicklungsweg des Islam bis zur Gegenwart
Die Dynastie der Umaiyaden (661 bis 750)
Die Dynastie der Abbasiden (750 bis 1258)
Das Osmanenreich (1291 bis 1924)
Anteile der Muslime an der Weltbevölkerung
Die »kalifenlose« Zeit (1924 bis zur Gegenwart)
Die Glaubenslehre des Islam
Die »fünf Säulen« (Arkān)
Die Gotteslehre
Ansätze einer islamischen Ethik
Muhammad – das »Siegel der Propheten«
Islamische Mystik (Sufismus) und Philosophie
Die Anfänge der islamischen Mystik
Islamische Mystik in der Blütezeit islamischer Philosophie und Lyrik
Das islamische Religionsgesetz (Scharīa)
Die Quellen der Scharīa
Sunniten und Schiiten
Das islamische Rechtssystem
Die rechtliche Stellung der Frau
Muslime in Deutschland
Muslimische Riten und Feste
Überblick über Sekten, Orden und Erneuerungsbewegungen
Verwendete Literatur
Die jüngste unter den Weltreligionen ist zugleich die zahlenmäßig stärkste unter den außerchristlichen Religionen und die am schnellsten wachsende – vor allem auch in Europa und im deutschen Sprachraum.
Es sind aber kaum die andersartige Spiritualität oder das exotische Lebensgefühl, wodurch das Interesse der Europäer am Islam geweckt wurde und was zu »Übertritten« geführt hat. Es waren einerseits die Wellen von Gastarbeitern, die seit der Mitte des vorigen Jh. aus südlicher, südöstlicher und östlicher Richtung nach Westeuropa strömten, andererseits gewaltige Migrations- und Flüchtlingsströme in den vergangenen Jahren, durch die sich die Zahl der Muslime im deutschen Sprachraum, aber auch in Skandinavien und in fast allen EU-Ländern vervielfacht hat.
Natürlich spielt dabei auch das energiewirtschaftliche Potenzial eine gewisse Rolle, das vor allem im Vorderen Orient – durch die reichen Öllager – hinter der Religion des Islam steht und zu regen Geschäftsbeziehungen, zahlreichen Auslandsinvestitionen und Geschäftsniederlassungen muslimischer Unternehmer in vielen Ländern Europas, Afrikas und Asiens – und umgekehrt – geführt hat.
Zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet im Vorderen Orient (Arabische Halbinsel, Palästina, Jordanien, Syrien), in Nordafrika bis Spanien, in Südosteuropa, in der Türkei und in Persien kamen auch weite Gebiete im südlichen Zentralasien (Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan), dazu Afghanistan, Pakistan und große Teile Indiens sowie Südostasiens (Malaysia, Indonesien) bis nach China und Korea und im späten 19. sowie im 20. Jh. auch viele schwarzafrikanische Länder.
Insgesamt schätzt man, dass sich gegenwärtig etwa 1,3 Milliarden Menschen zum Islam bekennen, die sich vor allem auf etwa 50 Staaten mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 10 Prozent verteilen. In Deutschland leben derzeit etwa 3.300.000 (4 Prozent) Muslime, in Österreich etwa 350.000 (4,3 Prozent).
Die starke Bedrohung, die von einzelnen radikalen Gruppierungen (z. B. von der Moslem-Bruderschaft) oder Anschauungen (Islamistische Fundamentalisten) bzw. von Terror-Organisationen (Al-Fatah, Hamas, Hisbollah, Al-Qaida etc.) ausgeht, hat das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Islam beträchtlich verstärkt, weil viele Menschen fragen, ob es zur Natur des Islam gehört, eine kämpferische oder gar gewalttätige Religion zu sein, oder ob es nur wegen der besonders starken Verquickung von Frömmigkeit und Politik zu solchen terroristischen Auswüchsen kommt, die zu Beginn des neuen Jahrtausends die Völkergemeinschaft bedrohen und die Errungenschaften der freien Bürgergesellschaft in Frage stellen.
Der Anspruch des Islam, unter den monotheistischen Religionen eigentlich die älteste zu sein, auf alle Fälle aber den strengsten, reinsten und konsequentesten Monotheismus zu vertreten, überrascht viele Christen. Sie sind zwar bereit, beides dem Judentum zuzugestehen – und damit auch für die eigene Religion in Anspruch zu nehmen –, sprechen es aber vehement dem Islam ab, weil sie in ihm hauptsächlich eine politische Größe sehen, mit dem immer bedrohlicher werdenden Terrorismus oder mit einem anachronistisch-brutalen Strafvollzug (Handabhacken für Diebe, Steinigung für Ehebrecherinnen) und den allgemeinen Menschenrechten widersprechenden Benachteiligungen z. B. der Frauen in Zusammenhang bringen. Sie sind daher geneigt, ihn als eine »orientalische Volksreligion« ohne ernst zu nehmende Theologie und ohne nennenswerte spirituelle Werte misszuverstehen.
Solche Positionen verraten aber mangelndes Wissen, einseitige Perspektiven und unreflektierte Vorurteile. Zwischen Christentum und Islam gab es viele positive und noch viel mehr – für beide Seiten – negative Berührungspunkte, insgesamt eine immerhin vierzehn Jahrhunderte umspannende gemeinsame Geschichte, die zum Teil sicherlich noch der Aufarbeitung in Richtung Vergangenheitsbewältigung bedarf.
Das mangelnde Wissen voneinander und die Gefahr, dass im Zusammenhang mit dem Terror-Fanal vom 11. September 2001 ein neues »Feindbild Islam« aufgebaut wird, ist umso bedauerlicher, als es sich beim Islam um die zweitgrößte der fünf großen Weltreligionen handelt und um eine, deren Vertreter neben uns arbeiten und mit uns leben, deren Mentalität und Spiritualität aber trotzdem vielen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein »Buch mit sieben Siegeln« ist.
Um diesem Wissensdefizit abzuhelfen, die Diskussion der vielen mit dem Islam zusammenhängenden Fragen und Probleme besser mitverfolgen und verstehen und Rückschlüsse auf Querverbindungen zur eigenen religiösen Tradition, Lehre oder Position ziehen zu können, ist für den Interessierten ein GRUNDWISSEN ISLAM nötig, das hier vermittelt wird.
Die Kaaba in Mekka ist das Zentrum der islamischen Frömmigkeit
Die Geographie des Islam zeigt seine große Verbreitung: Zu Beginn des 9. Jh., also etwa 180 Jahre nach der Hidschra (= Auswanderung Muhammads von Mekka nach Medina im Jahr 622 n. Chr. und Beginn der islamischen Zeitrechnung) dominierte der Islam in Ländern und Gebieten, die heute unter den folgenden Namen bekannt sind: Spanien, Portugal, Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Saudi-Arabien, Irak, Oman, die Arabischen Emirate, Jemen, Südjemen, Kuwait, Israel, Jordanien, Syrien, Libanon, Iran, Georgien, Afghanistan, Pakistan, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Aserbaidschan.
Spanien und Portugal wurden zwar nach langen blutiger Auseinandersetzung im 13. Jh. von den Christen zurückerobert (Reconquista), die anderen Staaten blieben aber bis heute entweder vom Islam dominiert oder zumindest wesentlich von ihm bestimmt.
Während der wechselvollen Kämpfe im Westen Europas ging die Expansion des Islam im Osten weiter: auf dem Balkan bis nach Ungarn und Wien (1529 und 1683); in die gesamte Türkei; die ostafrikanischen Küstenländer vom Sudan bis Sansibar; die Sahararouten nach Nigeria und weit hinein in die verschiedensten Staaten Schwarzafrikas; ebenso von Pakistan aus ost- und südostwärts nach Nepal und Indien – wo die islamischen Moghuln (= Mongolen) von Delhi aus weite Teile des Subkontinents beherrschten – und weiter nach Malaysia, die Philippinen und vor allem Indonesien – bis nach China.
Im 18. und 19. Jh. machte sich dann eine Gegenbewegung breit, die vor allem vom europäischen Kolonialismus getragen wurde und den drei islamischen Imperien, die damals den größten Teil der islamischen Welt beherrschten, Schritt für Schritt ein Ende bereitete: dem seit 1504 bestehenden Moghul-Reich auf dem Indischen Subkontinent; dem Safawiden-Reich im Iran (seit 1501) und dem Osmanenreich, das seit 1291 Kleinasien und den Balkan, und seit 1516 auch die gesamte arabische Welt, nämlich Syrien (Palästina), die arabische Halbinsel, Ägypten und später auch den größten Teil Nordafrikas (Libyen, Tunesien, Marokko, Algerien) beherrschte. Die Herrscher dieser drei Großreiche – von deutschsprachigen Europäern scherzhaft »Groß-Moghul«, »Groß-Sephi« und »Groß-Türke« genannt – lieferten Rückzugsgefechte gegen die Portugiesen und Russen, vor allem aber gegen die Briten und die Franzosen. Diese erlangten im Zuge der industriellen Revolution und der damit verbundenen rasant wachsenden Zivilisation, durch die Installierung der Welthandelskompanien, nicht zuletzt auch durch den Siegeszug von Aufklärung und Bürgergesellschaft seit der Französischen Revolution und durch die deutliche Trennung von Staat und Religion zunehmend die Kontrolle über die islamischen Gesellschaften.
Dies hinterließ tiefe Spuren im Selbstbewusstsein der Muslime, die sich – obwohl die vier genannten Kolonialmächte durchwegs in einer christlichen Tradition standen – unter einer »Fremdherrschaft der Ungläubigen« fühlten. Diese zuerst anti-europäischen, vor allem anti-britischen, ab der zweiten Hälfte des 20. Jh. zunehmend anti-amerikanischen und dann anti-westlichen Ressentiments spielen eine große Rolle bei den islamischen Erneuerungsbewegungen oder Befreiungskämpfen, aber auch bei den Assimilations- oder Integrationsbemühungen der im Zuge der Arbeitsmigration als Minderheiten in viele Staaten der westlichen Welt eingewanderten und dort ansässig gewordenen Muslime.
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