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Heinrich Mann greift in dieser Novelle das Schicksal zweier Liebenden auf, die nicht für einander bestimmt zu sein scheinen. Ein junger Mann begegnet der Frau, die er begehrt. Verzweifelt nähert er sich ihr, doch Schüchternheit hält ihn zurück. Letzten Endes scheint es, als müsse er sie gehen lassen, doch im letzten Moment, fasst er allen Mut zusammen. Erfolgreich! Aber wie er feststellen muss, ist Herta bereits verlobt. Findet der Liebende eine Möglichkeit sie doch für sich zu gewinnen oder kann er seinem schmerzenden Herzen nicht gerecht werden? -
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Seitenzahl: 38
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Heinrich Mann
Saga
Der Jüngling
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1924, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726885385
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Der junge Österreicher erwachte in dem bescheidensten Gasthofe Zürichs, die Sonne schien herein, und sein Herz schlug hoch auf. Reisen! Wieder weiter heute! Er riß das Fenster fort von der großen Bläue, in die sein Atem, aus emporgewendetem Mund, sich blühend mischte. Reisen, und wie! Mit der Erträumtesten, und die war sein, sein, wiewohl niemand es wußte, auch sie selbst nicht. Er staunte doch, die Welt überbot sich an Überraschungen. Vom Hause fort engagiert nach Deutschland, an ein richtiges Stadttheater – aber er ist durch die Schweiz gereist, ist gewandert im Sommerregen, der schönen Glut, unter den blitzenden Nachthimmeln. Hat in Zürich ein Mädchen erblickt! War ihr nur begegnet, ihr nur gefolgt, hatte, anstatt sie selbst, die Spiegel angesehen, in denen sie vorbeiging, hatte stumm und geheim an ihrer Tür geharrt. Aber sie würde, träte er vor sie hin und sagte die ganze Gewalt seines Herzens in ihre Augen hinein, mit ihm fliehen von Vater und Mutter, aus dem großen Hotel fort in seine Dürftigkeit, sein Geschick. Flüchtig besann er sich, daß er kein Geld mehr habe. Dann würde einfach auch sie Komödie spielen, die Liebe ihr Spiel und ihr Leben. Aber nicht einmal mehr so viel, um pünktlich anzukommen bei seinem Direktor! Wie denn, heute der erste September? Und im Warten auf sie schon alles versäumt? Da lief er aus dem Haus, zum See nieder, atmete Bläue und hatte vergessen, was nicht fließend und endlos.
Vor dem großen Hotel stand schon das Auto, die Eltern stiegen ein. Nun erschien auch sie, da weitete sich der Raum. Portiers und Hausdiener schienen entrückt, der Bürgersteig ausgestorben, und einsam trat sie auf, inmitten der feierlichen Strenge eines großen Vorgangs. Sie milderte ihn, da sie ihr blondes Haupt rührend zur Seite neigte. Aber ihr Gang war so stolz wie leicht, und ihr Gesicht spiegelte hell den jungen Tag. Der schillernde Schleier ihr im Nacken wiederholte die zärtlichen Farben der Blumen, die sie im Arm trug. Hatte ihr Blick nicht jählings schräg hergestrahlt über den gewohnten Huldigenden? Schon rollte der Wagen, er aber stürzte zur Straßenbahn und dann am Bahnhof den Zug entlang. Sie war nicht zu sehen, von Zweifeln beklommen drang er in seine dritte Klasse. Kaum aber fuhr man, weiteten sich ihm, unter Schwatz und Geruch der Nachbarn, schon wieder das Herz und die Welt. Wohin sie reichten, nur Ruhm, nur Liebe! – und hier, der Hafen am Bodensee, im Flug erreicht, war der erste der Schritte, die alles wahr machten. Dort trat sie hervor, grüßte ihn, diesmal deutlich und als verstehe es sich, mit einem langsamen Blick: er mußte nur stillhalten und dann sich nachziehen lassen. Auf das Schiff – da entschwand sie ihm; und als das Getriebe der Reisenden sich lichtete, saß sie eingeengt zwischen den Leuten, nur ihren Kopf umrahmte der blaue See, nur ihr Schleier flog gegen den Himmel auf. Ihr Vater, der die Handtaschen übereinander ordnete, ließ eine hinunterrollen. Drauflos, sie aufheben! Gleich auch den Namen gemurmelt: Franz Velten – aber der sah ihn kaum an mit seinem fremden Gesicht und packte schon wieder. ›Hat sie es bemerkt? Sie blickt fort, was kümmert es sie. Auch ihre Mutter sieht fremd aus, nicht wie die Leute bei uns. Fremd, vornehm, kalt, und der Vater hat einen Bart wie ein hoher Beamter. Sie sprechen preußisch, die andern hier alle auch.‹ Entmutigt ging Franz beiseite, da fiel es ihm mit der ganzen Schwere der Wirklichkeit in den Sinn, daß er, am andern Ufer angelangt, keinen Heller mehr besitzen werde, laufen müsse und sich um Tage verspäte. Was tun, um Gottes willen! Sollten Liebe und Ruhm zugleich dahin sein?