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Der Klang deines Lächelns von Bestseller-Autorin Dani Atkins ist ein herzzerreißend brillanter Liebesroman, der Sie von der ersten bis zur letzten Seite fesseln wird. Die einstigen Freundinnen Ally und Charlotte treffen nach 7 Jahren unverhofft auf der Intensivstation eines Krankenhauses wieder aufeinander. Ally bangt um das Leben ihres Mannes Joe, der einen Jungen aus einem zugefrorenen See rettete und nun im Koma liegt. Charlotte hingegen betet für ihren Verlobten David, dessen Herz nach einer Virusinfektion schwer geschädigt ist. Während beide Frauen auf ein Wunder hoffen, prasseln Erinnerungen auf sie ein – an ihre gemeinsame Studentenzeit, an Partys, an endlose Sommernächte. Aber auch an Verrat, an Untreue und daran, dass sie beide einst David geliebt haben. In der dunkelsten Stunde der Nacht müssen Ally und Charlotte eine dramatische Entscheidung treffen. Werden sie mit der Vergangenheit Frieden schließen können? Von dieser Frage hängt am Ende alles ab – auch das Leben von Joe und David. »Fragen Sie sich manchmal, was aus Ihrer ersten großen Liebe geworden ist? Dann wird dieser Liebesroman Sie packen. Ich habe ihn in einem Rutsch gelesen – er ist herzzerreißend brillant.« The Sun Der Klang deines Lächelns ist ein zutiefst bewegender Roman über Liebe, Freundschaft und die Macht der Vergebung. Dani Atkins findet in ihren dramatischen Liebesromanen haargenau die richtige Balance zwischen Tränen und Lächeln und schreibt sich mit ganz viel Gefühl mitten ins Herz.
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Seitenzahl: 646
Dani Atkins
Roman
Knaur eBooks
Großes Gefühl, schwerwiegende Lebensentscheidungen, dramatisches Bestseller-Kino - der neue Liebesroman der Bestsellerautorin Dani Atkins greift direkt nach unseren Herzen!
Ally und Charlotte haben sich seit 7 Jahren nicht gesehen. Ausgerechnet auf der Intensivstation eines Krankenhauses treffen die beiden wieder aufeinander. Ally bangt um das Leben ihres Mannes Joe, der einen Jungen aus einem zugefrorenen See vor dem sicheren Tod rettete, und nun im Koma liegt. Charlotte hingegen betet für ihren Verlobten David, dessen Herz nach einer Vireninfektion schwer geschädigt ist. Während beide Frauen auf ein Wunder hoffen, prasseln Erinnerungen auf sie ein – an ihre gemeinsame Studentenzeit, an Partys, an endlose Sommernächte. Aber auch an Verrat, an Untreue und daran, dass sie beide David geliebt haben.
In der dunkelsten Stunde der Nacht müssen Ally und Charlotte eine folgenschwere Entscheidung treffen. Werden Sie mit der Vergangenheit Frieden schließen können? Von dieser Frage hängt am Ende alles ab – sogar das Leben von Joe und David.
»Fans von ›Ein ganzes halbes Jahr‹ werden diesen Roman lieben.«
Patricia Scanlan, Autorin
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Epilog
Danksagung
Leseprobe »Sechs Tage zwischen dir und mir«
Für Ralph
Weil du meinem Lied eine Melodie gibst
Es gibt viele Dinge, die den Ausgang dieses Abends hätten verändern können.
Er hätte mit dem Auto zur Arbeit fahren können, anstatt den Wagen seiner Frau zu überlassen. Doch dann hätte sie es nie rechtzeitig zur Weihnachtsvorführung in die Schule geschafft. Und er wusste, wie wichtig es für Jake war, dass zumindest ein Elternteil im Publikum saß, wenn er sein Bühnendebüt beim Krippenspiel gab. So ein Vater war er.
Er hätte zusammen mit den anderen Handwerkern in den Pub gehen können. Aber wenn er sich entscheiden sollte, ob er seine Zeit trinkend mit seinen Arbeitskollegen verbrachte oder lieber nach Hause zu seiner wunderschönen Frau ging, dann musste er nicht lange überlegen. Absolut nicht. Selbst nach sieben Jahren Ehe wollte er keinen einzigen Augenblick mit ihr verpassen. Niemals. So ein Ehemann war er.
Er hätte, als er den Park durchquerte, die um Hilfe flehenden Kinder ignorieren können. Er hätte ihnen sagen können, dass ihr Hund es allein schaffen würde, sich aus dem gefrorenen Teich in Sicherheit zu bringen. Doch in dem Moment, als er den panischen Blick des Tieres sah, das gerade versuchte, aus dem Loch im Eis zu klettern, wusste er, dass er es retten musste. So ein Mann war er.
Das Mädchen war sicher nicht älter als neun, der Junge sah sogar noch jünger aus als sein Sohn Jake. Sie waren zwischen den Bäumen neben dem Pfad hervorgestürzt, hatten ihn gepackt und unzusammenhängendes Zeug geredet – oder besser gesagt geschrien. Einen aberwitzigen Moment lang hatte er geglaubt, sie wollten ihn ausrauben. Er hatte sich sogar vorgestellt, wie er zu Hause seiner Frau erzählen würde, dass er gerade von zwei Grundschülern überfallen worden war. Er erkannte jedoch schnell, dass sie nicht hinter seinem Geld her waren, obwohl er noch einige Augenblicke länger keine Ahnung hatte, was sie stattdessen wollten, weil beide hysterisch weinten.
»Halt, halt! Immer mit der Ruhe. Was ist los?«, fragte er, an das Mädchen gerichtet.
»Können Sie uns bitte helfen? Marty und Todd haben Probleme! Können Sie mitkommen?« Das Mädchen zog ihn vom Pfad in ein kleines Wäldchen mit schneebedeckten Bäumen. Der Mann kannte diesen Park gut. Er hatte hier als Teenager Fußballmatches bestritten und nutzte ihn nun regelmäßig als Abkürzung auf dem Nachhauseweg von der Baustelle, auf der er gerade arbeitete. Hinter den Bäumen befand sich ein großer Bootsteich. Der Mann spürte eine plötzliche Kälte in sich aufsteigen.
»Beruhige dich«, sagte er zu dem Mädchen und widersetzte sich seinem erstaunlich kräftigen Griff. »Atme tief durch und sag mir, was passiert ist. Wer sind Marty und Todd, und wo sind sie?«
Als das Mädchen antwortete, liefen ihr Tränen über die Wangen. »Marty ist unser großer Bruder. Wir haben mit Todd am Teich gespielt, und ich habe Marty gesagt, dass es gefährlich ist, aber er meinte, es ist okay, und dann ist Todd rückwärtsgerannt, und plötzlich war er mitten auf dem Teich, und das war ja auch zuerst okay, weil der Teich ja zugefroren ist, aber dann ist das Eis plötzlich eingebrochen, und er ist reingefallen und kam nicht mehr heraus, also ist Marty hin, um ihm zu helfen, und dann ist er ebenfalls reingefallen.«
»Zeig mir, wo sie sind«, befahl der Mann, während er weiterlief. Die Kinder, die sich etwas beruhigt hatten, nachdem ein Erwachsener die Kontrolle über die Situation übernommen hatte, waren ihm dicht auf den Fersen. »Ist jemand bei euch? Eure Eltern oder sonst wer?«, fragte er, und seine Worte kamen abgehackt und zusammen mit einer Atemwolke aus seinem Mund. In Gedanken machte er bereits die Erwachsenen zur Schnecke, die zugelassen hatten, dass sich die Kinder in eine solche Gefahr begaben. Er hätte Jake nicht in einer Million Jahren erlaubt, in den Park zu gehen, ohne dass einer von ihnen dabei war. Seine Überfürsorglichkeit trieb seine Frau manchmal in den Wahnsinn, aber es war ja offensichtlich, was passieren konnte, wenn man Kinder allein losziehen ließ. Am Ende fielen sie in einen Teich.
Haltet durch, flehte der Mann lautlos. Ich komme.
Kurz darauf stand er am Ufer des zugefrorenen Teiches. Instinktiv breitete er beide Arme aus, um zu verhindern, dass die Kinder an ihm vorbeiliefen, den kurzen, verschneiten Hang hinunterschlitterten und auf das Eis rutschten.
»Da sind sie!«, rief das Mädchen und deutete auf zwei etwa fünfzehn Meter entfernte Löcher in dem dünnen Eis, wo Marty und Todd eingebrochen waren.
Der Blick des Mannes irrte zwischen den beiden Löchern hin und her, während er schnell die Situation abschätzte. Es war schlimm, aber Gott sei Dank noch nicht so schlimm, wie er zunächst befürchtet hatte. Aus dem weiter entfernten Loch drang ein japsendes Bellen, denn Todd hatte wohl mitbekommen, dass seine Menschenfamilie wieder da war. Das andere Loch bereitete dem Mann größere Sorgen. Ein etwa elfjähriger Junge versuchte verzweifelt, seine Ellbogen auf dem gezackten Rand des Eises abzustützen. Er weinte und hatte offensichtlich furchtbare Angst, dennoch warf er immer wieder einen Blick zu dem anderen Loch, wo der Hund versuchte, in dem eiskalten Wasser an der Oberfläche zu bleiben.
»Halte durch, mein Junge! Ich komme dich holen«, rief der Mann, zog seine schwere Winterjacke aus und warf sie auf die schneebedeckte Uferböschung.
Das Gesicht des Jungen war kalkweiß vor Angst. »B-Bitte zuerst T-Todd«, flehte er mit klappernden Zähnen. »Er ist schon länger im Wasser als ich.«
Der Mann warf erneut einen Blick auf den Hund.
»Zuerst der Mensch, dann der Hund«, sagte er, bevor er vorsichtig von der Uferböschung auf das rutschige Eis trat. Er verlagerte sein Gewicht behutsam auf einen Fuß, bereit, sich sofort zurückzuziehen, sollte das Eis unter ihm ächzen oder aufbrechen. Es blieb jedoch ruhig, weshalb er sich weiterwagte.
Nach zwei oder drei Schritten spürte er, dass sich das Eis unter den Sohlen seiner schweren Arbeitsstiefel verändert hatte. Er hielt inne, drehte sich zu den beiden Kindern am Ufer um und lächelte ihnen beruhigend zu. Dann ließ er sich langsam nieder, zuerst in die Hocke und dann auf alle viere, bevor er nach vorn glitt, bis er flach auf dem Eis lag. Er versuchte, sich sämtliche Ratschläge für solche Situationen ins Gedächtnis zu rufen. Doch der einzige Rat, der ihm in den Sinn kam, war: Tu es nicht. Er atmete laut durch den Mund aus und biss die Zähne zusammen. Dann robbte er langsam auf den Jungen zu. Es fühlte sich an wie Stunden, doch es konnten nur ein paar Minuten vergangen sein, bis er schließlich nahe genug war, um eine der Hände in den Wollfäustlingen zu fassen zu bekommen.
»Halt dich fest«, befahl er und schlang seine Finger fest um die knochigen Handgelenke des Jungen. »Ich hole dich raus.« Er betete darum, dass er dieses Versprechen halten konnte. Der Mann zog, so fest er konnte, und versuchte, nicht daran zu denken, dass er dem Jungen womöglich ein Gelenk auskugelte oder dieser sich an den scharfkantigen Bruchstellen der Eisoberfläche verletzte. Solche Verletzungen konnte man behandeln, doch wenn ihm der Junge jetzt entglitt und unter das Eis rutschte, dann vermochte er nichts mehr für ihn zu tun.
Nur wenige Sekunden später lag der Junge schwer atmend auf dem Eis. Vom Ufer hallten die erleichterten Rufe der jüngeren Kinder herüber. Der Mann biss die Zähne zusammen. Sie waren noch nicht in Sicherheit.
»K-Können wir jetzt T-Todd retten?«
Der Mann schüttelte kurz den Kopf, während er sich Stück für Stück in Richtung Ufer vorarbeitete. »Zuerst bringe ich dich an Land. Und dann ist dein Hund dran«, antwortete er und hoffte, dass diese Lüge den Jungen so lange beruhigen würde, bis er in Sicherheit war.
Es hatte erst sehr wenige Momente im Leben des Mannes gegeben, in denen er ähnlich erleichtert gewesen war wie in dem Augenblick, als er den Jungen schließlich vom Eis zog. Der Mann hob seine dicke wattierte Jacke hoch, wickelte sie um den zitternden Jungen und rieb mit den Händen schnell an dem bibbernden Körper auf und ab, um die Blutzirkulation anzuregen.
»Alles in Ordnung? Kannst du normal atmen? Tut dir irgendetwas weh?«, fragte der Mann, während er bereits sein Handy aus der Jackentasche zog.
»Nein. Mir ist bloß kalt«, sagte der Junge mit bläulichen Lippen. »Danke! Und jetzt holen Sie Todd, nicht wahr?«
Sein Anruf erreichte die Notrufzentrale, und er forderte einen Krankenwagen an. Doch seine Augen verrieten dem Jungen unwillkürlich die Antwort auf seine Frage. Er war immer schon ein schlechter Lügner gewesen. Die beiden jüngeren Kinder drängten sich an ihren Bruder, und alle drei sahen hinaus zu dem Hund.
»Sie haben nicht vor, Todd aus dem Wasser zu holen, oder?«, fragte Marty schließlich mit zitternder Stimme.
Die drei kleinen Gesichter sahen zu ihm hoch, und jedes schien ihn anzuflehen, den Vorwurf abzustreiten.
»Er ist … ein Hund«, sagte der Mann in hilflosem Ton.
»Klar ist er ein Hund«, erwiderte das jüngste Kind. »Aber Sie haben doch Marty gerettet, warum können Sie jetzt nicht auch Todd herausholen?«
Die Augen der Kinder schienen ihn zu durchbohren. Der Mann warf einen Blick auf das Eis und erkannte, dass die tapferen Bemühungen des Hundes immer mehr nachließen, je kälter und schwächer er wurde.
»Er schafft es allein hinaus«, sagte der Mann mit einer Überzeugung, die er selbst nicht spürte. »Hunde sind clever. Gebt ihm noch eine Minute.«
Der Junge, den er gerade gerettet hatte, sah ihn mit unverhohlener Enttäuschung an. »Sie müssen ihm helfen, sonst wird er ertrinken oder erfrieren!«, erklärte er mit eindringlicher Stimme. »Und wenn Sie ihn nicht retten, dann mache ich es.« Er bewegte sich auf den Rand des gefrorenen Teiches zu.
Der Mann packte ihn mühelos, doch der knochige Junge wehrte sich.
»Oder ich«, sagte seine Schwester fest entschlossen und trat sehr viel näher an den Rand des Eises, als es ratsam war.
»Oder ich«, fügte der Jüngste hinzu.
Der Mann seufzte verzweifelt. Er konnte einen von ihnen aufhalten, aber nicht alle drei.
»Todd!«, rief der Junge in seinen Armen.
Die Kinder schnappten gleichzeitig nach Luft, als das Tier unter die Wasseroberfläche geriet. Nach zehn qualvollen Sekunden tauchte der kleine pelzige Kopf wieder auf, doch in diesem Moment erkannte der Mann, dass er keine Wahl hatte. Er hatte den geschlagenen Blick des Tieres gesehen. Es wollte aufgeben.
»Verdammt«, murmelte er und sah sich schnell nach einer anderen Möglichkeit um. Nach einem anderen Erwachsenen, einer anderen Lösung. Doch da war nichts. Er wusste, dass sein Vorhaben Wahnsinn war, aber was wäre die Alternative? Das Eis hatte ihn schon einmal getragen, und so würde es auch dieses Mal sein. Das hoffte er zumindest.
Er wandte sich an die Kinder, die mittlerweile laut weinten. »Okay. Hört gut zu. Ich werde versuchen, Todd zu helfen, aber ich mache es nur unter einer Bedingung.« Die drei nickten heftig. »Niemand, und ich wiederhole: Niemand von euch setzt auch nur einen Schritt auf das Eis. Verstanden? Egal, was passiert, ihr bleibt, wo ihr seid, bis ich wieder zurück bin. Versprochen?«
Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen, aber sie nickten erneut. Der Mann blickte zum Himmel hinauf. In weniger als fünfzehn Minuten würde es dunkel sein. Wenn er sein verrücktes Vorhaben durchziehen wollte, hatte er nicht mehr viel Zeit.
Er setzte erneut einen Fuß auf das Eis.
Der Taxifahrer ließ ihn an der Ecke aussteigen, von wo es nur noch ein kurzer Weg zu Fuß zum Kaufhaus war.
»Ist es hier okay, Kumpel?« Der Mann hob seinen Blick von dem Display, auf dem er gerade seine E-Mails gecheckt hatte. Die Oxfordstreet war voller Last-Minute-Weihnachtseinkäufer – nicht allzu verwunderlich, wenn man bedachte, dass es weniger als eine Woche bis zum Fest war.
»Ja, es ist gut so«, murmelte der Mann, ließ sein Handy zuschnappen und zog einen Geldschein aus seiner Börse. Er warf nicht einmal einen Blick auf die Summe auf dem Taxameter, sondern sagte bloß: »Stimmt so.«
Der Taxifahrer lächelte über das großzügige Trinkgeld und steckte das Geld schnell fort, bloß für den Fall, dass der Mann vielleicht aus Versehen die falsche Banknote erwischt hatte. »Fröhliche Weihnachten, Kumpel«, sagte er noch, als sich der Mann bereits vor dem Fenster aufrichtete. Dieser nickte bloß, denn er hatte seine Aufmerksamkeit bereits auf das gerichtet, was er entdeckt hatte, als sie um die Ecke gebogen waren. Vor dem Kaufhaus, in das er wollte, stand eine kleine Blaskapelle, deren Mitglieder den enthusiastischen Armbewegungen ihres Dirigenten folgten. Weihnachtslieder hallten durch die Straße, übertönten sogar den Londoner Verkehr und zauberten auch jenen, die nicht stehen blieben und zuhörten, beim Vorbeigehen ein Lächeln auf die Lippen.
Der Mann machte sich auf den Weg in Richtung Kaufhaus, wurde aber immer wieder von den Menschenmassen behindert. Bereits nach zwanzig Metern verspürte er einen unangenehmen Schmerz, der sich anfühlte, als hätte ein kleiner glühender Komet in seiner Brust eingeschlagen, und er rang nach Atem. Das Gefühl war so plötzlich und unerwartet gekommen, dass er abrupt stehen blieb, woraufhin der tätowierte und gepiercte Mann mit Lederjacke, der zwei Schritte hinter ihm gegangen war, direkt in ihn hineinrannte.
»Du kannst doch nicht einfach mitten auf der Straße stehen bleiben, verdammt noch mal!«, fuhr ihn der Tätowierte an.
»Entschuldigung«, murmelte der Mann, dem nicht so sehr der Ärger des anderen, sondern vielmehr die Wiederkehr seiner unerklärlichen Schmerzen Sorgen bereitete. Er brütete sicher etwas aus. Es war bereits das dritte Mal in den letzten Tagen, dass so etwas passierte. Er stützte sich an einem Laternenmast ab und wartete, bis das Gefühl vorüberging. Es war kalt – im Wetterbericht war sogar von Schneeschauern am Nachmittag und Abend die Rede gewesen –, dennoch war ihm plötzlich unglaublich warm. Nur mühsam widerstand er dem Drang, sich den teuren Wollmantel und seine Anzugjacke vom Leib zu reißen. Er hob die freie Hand, fuhr sich über den Mund und die Oberlippe und war nicht überrascht, dass sie schweißnass war. Verdammt. Er hatte sich wohl mit dem Grippevirus angesteckt, das gerade im Büro die Runde machte. Das war wieder einmal typisch für ihn, so etwas kurz vor den Weihnachtsferien aufzuschnappen. Aber immerhin flogen sie erst in einer Woche, da sollte Zeit zum Auskurieren sein. Er lächelte und klopfte gegen die Innentasche seines Mantels, wo sich die Flugtickets nach New York befanden – die Weihnachtsüberraschung für seine Frau. Sie wollte schon seit Ewigkeiten mal wieder dorthin, und dauernd hatte er es verschoben. Aber welchen Sinn hatte es, so hart zu arbeiten wie sie beide, wenn man sich nicht auch einmal etwas Gutes tat? Er lächelte erneut, als er sich ihr Gesicht vorstellte, wenn sie davon erfuhr. Er hatte ein Zimmer in einem der schicksten Hotels sowie wunderbare Plätze für eine Broadwayshow gebucht und sich darauf eingestellt, sie geduldig zu begleiten, während sie nach Herzenslust Sehenswürdigkeiten besuchte und shoppen ging.
Nach nicht einmal einer Minute war das seltsame Gefühl in seiner Brust wieder verschwunden. Er nahm sich vor, eine Packung Schmerzmittel zu besorgen, und reihte sich dann wieder in den Strom der Fußgänger ein. Um die Musiker hatte sich inzwischen eine Gruppe von Menschen versammelt, von denen einige sogar mitsangen. Sie behinderten den Zugang zu den Glasdrehtüren des Kaufhauses, und er musste einige Augenblicke warten, bis er an der Reihe war, hindurchzugehen. Er stand mit dem Rücken zu der Kapelle. Er war kein Musiker, doch als hinter ihm die lauten und klaren Töne einer Trompete erklangen, erkannte er das Instrument sofort. Unvermittelt spürte er den vertrauten Drang, dem er selbst nach all den Jahren nicht widerstehen konnte. Er wandte den Kopf und richtete den Blick auf die Person mit dem glänzenden Blechblasinstrument. Es war eine unwillkürliche Bewegung, ein Reflex. Es passierte immer, wenn er ein Konzert oder sonst eine Live-Veranstaltung mit Musik besuchte. Es war, als würden ihn die Töne des Instruments wie der Gesang einer Sirene in ihren Bann ziehen. Der Drang war zu stark, um ihn zu ignorieren. Der Mann folgte ihm seit Jahren und würde es vermutlich bis in alle Ewigkeit tun.
Er hob den Blick, um der Person ins Gesicht zu sehen, die dort auf der belebten Londoner Straße ihr Instrument spielte.
Sie war es nicht. Sie war es nie.
Er betrat das Kaufhaus, und die warme Luft, die aus den Lüftungsschlitzen über seinem Kopf auf ihn herabströmte, gab ihm das Gefühl, sich in einem Treibhaus zu befinden. Der Geruch von Hunderten verschiedener Parfums und Kosmetikartikeln, der in einem süßlichen Cocktail über den Kunden schwebte, verstärkte dieses Gefühl nur noch. Einen Moment lang bereute er den Beschluss, ausgerechnet jetzt einkaufen zu gehen, doch sein Kalender war bis zu dem Zeitpunkt, wenn das Büro vor den Weihnachtsferien schloss, voll, und jetzt war die einzige freie Zeit, die er aufbringen konnte.
Er ließ sich mit dem Strom der anderen Einkäufer von der Tür wegtreiben, bis er in der richtigen Abteilung ankam. Über einen Meter achtzig groß zu sein brachte zweifelsohne einige Vorteile mit sich, und über die Köpfe einer Menschenmenge hinwegsehen zu können war definitiv einer davon. Er schaffte es erfolgreich, sich zwischen den Unentschlossenen hindurchzuschlängeln, wich dem Sprühregen eines Rasierwassers aus, das er eigentlich gar nicht probieren wollte, und gelangte schließlich in die Schmuckabteilung.
Er war auf der Suche nach einem letzten Weihnachtsgeschenk für seine Frau, das sich zu den glänzenden Taschen gesellen sollte, die er bereits hinten in seinem Kleiderschrank versteckt hatte. Sie übertrieben es beide gern an Geburtstagen, Jahrestagen und natürlich auch zu Weihnachten. Man konnte leicht behaupten, dass sie damit die eine Sache, die in ihrem Leben fehlte, überkompensierten, aber in Wahrheit war es viel einfacher: Er liebte es eben, sie zu verwöhnen.
Der Mann stand vor der glitzernden Anordnung von Designer-Schmuckstücken, die in einem Glasschrank versperrt waren. Er war insgeheim stolz auf sich, dass er sich noch daran erinnern konnte, wie sie vor einigen Monaten nebenbei bemerkt hatte, dass ihr die Stücke dieser bestimmten Marke besonders gefielen. Er hatte jedoch nicht erwartet, dass die Auswahl so groß sein würde.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Er hob den Blick und lächelte die Verkäuferin an, die ihrerseits den großen, äußerst gutaussehenden Mann mit den stechend blauen Augen vor ihrem Tresen musterte und sein Lächeln mit steigendem Interesse erwiderte. Der Mann reagierte nicht darauf, dass sie ein wenig näher an den Rand des Tresens trat und sich ihre Pupillen weiteten, wenn sie ihn ansah. Er war nicht etwa arrogant, aber solche Reaktionen waren ihm nicht unbekannt. Frauen fühlten sich von ihm angezogen – was das betraf, hatte er sich noch nie anstrengen müssen. Bis auf dieses eine Mal, erinnerte ihn eine Stimme, die er immer zu ignorieren versuchte. Er erstickte diesen plötzlichen Gedanken wie ein Feuer. Schnell und effizient, bevor es Gelegenheit hatte, sich weiter auszubreiten. Diese verdammte Trompete in der Blaskapelle, dachte er verärgert.
»Ja, bitte. Ich suche ein Geschenk für meine Frau.«
Die Enttäuschung in ihrem Gesicht war gerade noch auszumachen, bevor sie den Kopf senkte. »Wonach suchen Sie denn genau? Wir haben einige sehr schöne neue Halsketten und Armbänder. Wollen Sie vielleicht damit beginnen?« Der Mann antwortete mit einem hilflosen Schulterzucken, und die Verkäuferin lachte. »Keine Sorge, wir helfen vielen Ehemännern, ein besonderes Geschenk für ihre Frauen auszuwählen. Ich bin mir sicher, wir finden genau das Richtige für Sie.«
Fünfzehn Minuten später war er der Entscheidung noch keinen Schritt näher gekommen. Er fuhr gedankenverloren mit dem Finger an der Innenseite seines Kragens entlang, während er sich nach vorn beugte, um den Schmuck erneut zu begutachten. In dem Kaufhaus war es mittlerweile unglaublich warm geworden, und er fragte sich, ob vielleicht jemand die Heizung höher gedreht hatte. Außerdem brannte die helle Lampe, die tief über dem Tresen hing, um den Schmuck ins rechte Licht zu rücken, brennend heiß auf seinen Kopf. Ihm brach abermals der Schweiß aus, und sein ganzer Körper wurde feucht. Er wünschte, die Schmerztabletten besorgt zu haben, bevor er mit dem Einkauf begonnen hatte. Er war sich sicher, dass er sich viel besser fühlen würde, hätte er bloß ein paar Tabletten genommen.
Plötzlich verspürte er den Drang, dieses überfüllte, überhitzte und überteuerte Kaufhaus sofort zu verlassen. Er sehnte sich nach frischer Luft. Nach frischer, kalter Luft, und er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Als er sprach, kostete es ihn einige Anstrengung, gleichzeitig genug Sauerstoff einzuatmen.
»Ich nehme die hier«, sagte er und deutete mit dem Finger auf eine beliebige Kette.
»Gern«, sagte die Verkäuferin und hob sie hoch. »Soll ich sie als Geschenk ver…« Sie brach mitten im Satz ab, und ihre Stimme klang plötzlich besorgt. »Geht es Ihnen nicht gut?«
Er versuchte sich an einem beruhigenden Lächeln, doch das führte bloß dazu, dass ein seltsamer Schmerz durch seinen Mund schoss. »Es ist alles in Ordnung«, log er und stützte sich mit einem Arm auf dem Tresen ab, weil er plötzlich das Gefühl hatte, seine Beine würden ihn nicht länger tragen. »Es ist bloß ein wenig warm hier.«
»Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?«
Der Mann nickte und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Was ist das bloß für eine Art von Grippe?, fragte er sich besorgt.
Er hörte nicht einmal, wie die Frau eine ihrer Kolleginnen um ein Glas Wasser bat, weil er so beschäftigt damit war, nicht mitten im Kaufhaus zusammenzubrechen und sich vor den Horden von Kunden zum Narren zu machen.
»Dort drüben können Sie sich setzen«, sagte die Verkäuferin und legte ihm sanft eine Hand an den Ellbogen, während sie mit der anderen auf einen mit rotem Samt bezogenen Stuhl deutete, der neben dem benachbarten Tresen stand.
»Nein, ist schon in Ordnung«, antwortete er, ohne sich bewusst zu sein, dass seine Lippen bereits blau waren. Jetzt war die Verkäuferin tatsächlich besorgt.
»Soll ich den Geschäftsführer informieren? Er könnte eine Durchsage machen und fragen, ob sich ein Arzt im Kaufhaus befindet.«
»Mein Gott, nein«, erwiderte der Mann bestimmt. »Es ist bloß die Grippe. In einer Minute ist alles wieder vorbei.«
Die Frau sah äußerst skeptisch aus und wandte sich vergeblich nach dem Wasser um. »Warten Sie …«, sagte sie und verschwand kurz unter dem Tresen, um ihre Handtasche hervorzuholen. »Nehmen Sie die hier. Ich habe sie noch nicht geöffnet.« Sie reichte ihm eine kleine Wasserflasche.
»Danke«, murmelte der Mann schwach. Es bereitete ihm einige Schwierigkeiten, den Verschluss mit einer Hand zu öffnen, während er sich immer noch abstützte, doch schließlich gab der dünne Plastikring nach, und der Verschluss der Flasche flog durch die Luft. Der Mann schaffte es jedoch nicht mehr zu trinken, denn als er die Flasche mit zitternder Hand an seine Lippen heben wollte, zog sich seine Brust plötzlich unter einem sengenden Schmerz zusammen. Es fühlte sich an, als würde jemand einen Eisenring immer enger und enger schnallen. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, und er ließ die Flasche fallen, woraufhin sich eine kleine Sturzwelle über den Schmuck ergoss. Der Mann schlug etwa zur gleichen Zeit wie die Plastikflasche auf dem Boden auf.
Es heißt ja, dass der Geruchssinn jener Sinn ist, der am leichtesten Emotionen und Erinnerungen heraufbeschwört. Ich glaube, ich kann dem zustimmen. Denn für mich wird der Geruch von Chicken-Nuggets immer unumstößlich mit schlechten Nachrichten verbunden sein. Aber vielleicht sollte ich es noch weiter präzisieren: Nicht Chicken-Nuggets, sondern verbrannte Chicken-Nuggets. Sie lagen im Backofen, eine Seite war bereits goldbraun, die andere kurz davor, als es an meiner Tür klopfte. Einen Augenblick lang dachte ich, er hätte den Schlüssel vergessen, doch dann erinnerte ich mich, wie er ihn am Morgen von dem Bund genommen hatte, an dem auch der Autoschlüssel hing.
Hinter dem Milchglas der Eingangstür waren zwei schattenhafte Umrisse zu erkennen. Ich sah mich nach meiner Geldbörse um. Es war zwar noch etwas früh am Abend für die Sänger, die von Tür zu Tür gingen und Weihnachtslieder vortrugen, und die Schatten waren ziemlich großgewachsen, aber mittlerweile sahen die meisten Teenager ja aus wie Erwachsene.
Doch es waren keine Teenager, und es waren auch keine Sänger, die Weihnachtslieder singen wollten. Die Männer trugen Uniformen. Sobald ich die Tür geöffnet hatte, zogen sie in einer vollkommen synchronen Bewegung ihre Kappen vom Kopf, als hätten sie es auf der Polizeischule geübt. Warum machen sie das?, fragte sich ein Teil meines Gehirns, während ich spürte, wie ich unwillkürlich eine Hand an meinen Hals legte, als wollte ich mich darauf vorbereiten, einen Schrei zu ersticken. Meine andere Hand griff bereits hilfesuchend nach dem Türpfosten.
»Mrs. Taylor?«
Ich nickte.
»Mrs. Alexandra Taylor?«
Warum stellten sie zwei Fragen anstatt einer? Warum verschwendeten sie Zeit, wenn es doch offensichtlich war, dass ich die Person war, zu der sie wollten?
»Was ist los? Ist etwas mit Joe? Ist etwas passiert?« Was für eine dumme Frage. Natürlich war etwas passiert. Ich erkannte es an ihren Augen, an ihren Kappen, die sie sich fein säuberlich unter den Arm geklemmt hatten, und an der Pause, die sie einlegten, bevor sie mir antworteten.
»Ich fürchte, es gab einen Unfall«, begann der größere und etwas ältere der beiden Polizisten.
Ich richtete den Blick auf den zweiten Mann, der neben ihm stand, als hätte er vielleicht andere Nachrichten für mich, aber er wirkte bloß verlegen und war eindeutig nervös. Es war offenbar das erste Mal, dass er so etwas tun musste.
»Aber ich hatte doch das Auto«, erklärte ich dümmlich, denn das war immer meine größte Angst, wenn die Straßen eisig waren.
»Es war kein Autounfall«, erwiderte der Polizist sanft, als hätten die schlechten Nachrichten irgendwie meine geistigen Fähigkeiten beeinflusst. Vermutlich war das sogar der Fall. »Dürfen wir reinkommen?«
Ich wollte schon nein sagen, weil ich nicht wollte, dass das hier real war. Ich wollte die Tür schließen – sie ihnen sogar vor ihren mitfühlenden Gesichtern zuschlagen – und ihnen erklären, dass sie vor dem falschen Haus standen, vor der falschen Frau, dass es um den falschen Mann ging.
Ich stolperte zurück in den Flur, und sie folgten mir. Einer streckte den Arm nach meinem Ellbogen aus, um mich zu stützen.
»Joe … Was ist mit ihm? Was für ein Unfall? Ist er …«
»Ihr Ehemann lebt. Er wurde ins St. Elizabeth’s Hospital gebracht. Unseren letzten Informationen zufolge ist sein Zustand allerdings kritisch. Und er ist immer noch nicht bei Bewusstsein.«
Der Geruch nach verbranntem Paniermehl zog von der Küche in den Flur und überlagerte die beinahe unverständlichen Worte.
»Die Sanitäter haben ihn zwar noch vor Ort erfolgreich wiederbelebt, aber natürlich wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wie lange er nicht mehr geatmet hat.«
Joe soll nicht mehr geatmet haben? Das musste ein schreckliches Missverständnis sein. Joe konnte sehr gut atmen. In der Nacht zwar manchmal etwas laut, aber irgendwie mochte ich das sogar. Er konnte einfach außerordentlich gut atmen.
»Ich verstehe nicht. Was ist denn passiert?«, rief ich und packte den Arm des einen Polizisten, als wollte ich die Antwort aus ihm herausschütteln.
»Es tut mir leid, wir hätten es Ihnen wohl vorher erklären sollen. Ich fürchte, Ihr Mann ist praktisch ertrunken, Mrs. Taylor«, kam schließlich die vollkommen unfassbare Antwort.
Und dann schlug der Feueralarm in der Küche an.
»Wilder Mohn oder Sündiges Purpur?«, fragte die Kosmetikerin mit einem leisen Lächeln.
Ich betrachtete die beiden Fläschchen auf dem Tisch vor mir. Meine Hand schwankte zwischen ihnen hin und her, dann hob ich den dunkleren Rotton hoch. »Ich denke, ein Trip zum Big Apple verdient eine kühne Farbe wie die hier«, beschloss ich und gab ihr das Fläschchen.
»Sie haben ja solches Glück«, sagte sie seufzend und schüttelte den Lack so energisch wie ein Barkeeper einen Cocktail. »Es würde mich schon sehr wundern, wenn mir mein Freund mehr als irgendeinen Toilettenartikel aus dem Supermarkt schenkt. Er käme nie auf die Idee, mich mit einer Reise zu überraschen.«
Ich wand mich auf meinem Stuhl und schämte mich ein wenig, weil ich gegenüber einem Mädchen, das ich kaum kannte und das ich bloß während meiner regelmäßigen Besuche im Kosmetiksalon traf, mit meinem Geheimnis herausgeplatzt war. Aber ich musste es einfach jemandem erzählen! Ich war so aufgeregt, dass ich es mit jemandem teilen wollte. Und es durfte keinesfalls zu David durchsickern, dass ich genau diese eine E-Mail entdeckt hatte, die er zu löschen vergessen hatte und in der der exakte Zeitplan für mein Überraschungsweihnachtsgeschenk bestätigt wurde. Ich hatte ihm nicht absichtlich nachspioniert oder so. Ich war buchstäblich darüber gestolpert, während ich nach etwas anderem gesucht hatte. Ich bin wirklich nicht die Art von Ehefrau, die den Posteingang ihres Mannes durchstöbert. Sicher nicht, Euer Ehren. Ich lächelte, als ich mir vorstellte, wie ich deshalb auf der Anklagebank saß. Vielleicht war ich es früher einmal gewesen … aber das war sehr lange her. In einem anderen Leben. Als ich noch eine andere Frau gewesen war.
Eine kleine, nagende Erinnerung tauchte wie aus dem Nichts auf und drohte die Seifenblase der guten Stimmung, in der ich mich befand, zu durchstechen. Sie verfrachtete mich abrupt zurück in eine Nacht vor nicht allzu langer Zeit. Es war eigentlich erst einen oder zwei Monate her, dass ich mitten in der Nacht aufgewacht war, weil mein Mann im Schlaf etwas murmelte. Ich zuckte zusammen, und die Kosmetikerin verteilte prompt den leuchtend roten Lack auf der Haut neben meinem makellos geformten ovalen Fingernagel.
»Entschuldigung«, murmelte ich.
Sie hob den Blick und schaffte es, ihren Ärger zu verbergen, während sie den Fehler behob.
Ich hatte Glück gehabt, dass sie so kurzfristig Zeit für mich gehabt hatte, aber ich war Stammkundin, und so hatte sie einige andere Termine für mich verschoben. Zum Glück musste ich mir keine Sorgen machen, von der Arbeit freizubekommen. Das ist der Vorteil, wenn man seine eigene Firma besitzt – der Boss ist immer sehr verständnisvoll, was Dinge wie diese hier betrifft.
Ich bezweifelte nicht im Geringsten, dass David unsere Reise bis ins letzte Detail durchgeplant hatte. Er war in allem, was er tat, ein wahrer Meister der Organisation. Das musste er in seinem Job auch sein. Es würde also keine fehlenden Unterlagen, keine abgelaufene Reiseversicherung und keine ungültigen Reisepässe geben. Trotzdem war er ein typischer Mann, der nicht verstand, dass eine gute Mani- und Pediküre und natürlich auch eine ordentliche brasilianische Wachsbehandlung einfach dazugehörten, bevor eine Frau, die etwas auf sich hält, in Urlaub fahren konnte.
Nicht dass ich vorhatte, ihn wissen zu lassen, dass ich über unseren Trip nach New York nach Weihnachten Bescheid wusste. Er wäre gewiss vollkommen niedergeschmettert, wenn ich ihm die Überraschung verdarb, vor allem weil er sich offensichtlich große Mühe gegeben hatte, um mir dieses perfekte Geschenk zu machen. Ich würde ihm diesen Moment sicher nicht vermiesen. Was bedeutete, dass ich in den letzten Tagen einige Zeit vor dem Badezimmerspiegel verbracht hatte, um einen überraschten und begeisterten Gesichtsausdruck einzuüben, bis ich sicher war, dass ich genau die richtige Mischung aus Erstaunen und Aufregung vermitteln konnte.
Während ich drauf wartete, dass die erste Schicht Lack trocknete, fiel mir auf, dass ich schon wieder zu lächeln begonnen hatte. Die Kosmetikerin hatte recht: Ich war tatsächlich ein glückliches Mädchen. Ich erhaschte einen Blick auf mein Spiegelbild in einem der vielen Spiegel im Salon und musste mich korrigieren: Frau, nicht Mädchen. Wenn man die Zwanziger hinter sich gelassen hatte, konnte man sich vermutlich nicht mehr als Mädchen bezeichnen. Ich betrachtete erneut mein Spiegelbild und fragte mich, ob David eigentlich recht hatte und man mir mein Alter tatsächlich nicht ansah. Meine naturblonden Haare waren akkurat kinnlang und modisch geschnitten und umrahmten federleicht mein Gesicht. Die geschickt gesetzten Strähnchen ließen sie so aussehen, als sei ich gerade von einem zweiwöchigen Urlaub in der Sonne zurückgekehrt. Ich hatte die Zeit und das Geld für Make-up, Maniküren, Bräunungsspray und Gesichtsbehandlungen. Ich wusste, dass ich um Jahre jünger aussah als viele Frauen in meinem Alter, denen ich auf der Straße begegnete. Frauen, die vom Leben gestresst und gehetzt wirkten, während sie Kinderwagen den Bürgersteig entlangschoben, sich beeilten, rechtzeitig zur Tagesmutter oder in die Kindertagesstätte zu kommen, oder ungeduldig an der Hand eines Kleinkindes zerrten, das überhaupt nicht zu wissen schien, was Eile bedeutete. Oh, ich Glückspilz.
Irgendwann, während die Kosmetikerin die zweite Lackschicht auftrug, wurde die einschläfernde Hintergrundmusik plötzlich von einem schrillen Klingelton unterbrochen, der von meinen Füßen hochdrang. Ich warf einen Blick hinunter und sah, dass meine hellbraune Ledertasche sanft vibrierte, als sei ein winziges Lebewesen in ihr gefangen.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich habe vergessen, es lautlos zu stellen.«
»Kein Problem«, versicherte mir die Kosmetikerin und hielt den Pinsel in die Höhe. »Soll ich es herausholen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Der Anrufer kann eine Nachricht hinterlassen. Ich werde es einfach ignorieren.«
Aber das Telefon hörte nicht auf zu klingeln. Einige Augenblicke nachdem der Anrufer vermutlich dazu aufgefordert worden war, eine Nachricht zu hinterlassen, läutete es erneut. Ich warf einen missbilligenden Blick auf meine Tasche, als würde das allein genügen, dass der Anrufer aufgab.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht rangehen wollen?«, fragte die Kosmetikerin.
Ich sah auf meine leuchtend roten Fingernägel, die aufgefächert wie die Flügel eines exotischen Schmetterlings vor mir auf dem Tisch lagen. Ich konnte die nächsten zehn Minuten nichts anfassen, ohne sie zu ruinieren. »Nein. Wer immer es ist, kann warten«, verkündete ich. Aber offensichtlich konnte es derjenige nicht, denn nachdem meine Handtasche etwa eine Minute geschwiegen hatte, begann das Telefon wieder zu klingeln.
»Es tut mir so leid«, murmelte ich erneut.
Das Mädchen, das gerade den Verschluss des Klarlacks öffnete, hielt inne. »Machen Sie sich keine Gedanken. Das passiert andauernd. Soll ich den Anruf nicht doch für Sie annehmen?«
Es ist ein eigenartiges Gefühl, einer anderen Frau dabei zuzusehen, wie sie deine Handtasche durchwühlt, und ich war froh, als sie das Telefon endlich herausgefischt hatte. Sie warf einen Blick auf das Display. »David«, las sie. »Ist das Ihr …«
»Mein Mann, ja«, erwiderte ich und biss mir auf die Lippe. Er nahm vermutlich an, dass ich noch im Büro war, denn ich hatte ihm natürlich nicht gesagt, dass ich mir ein paar Stunden freinehmen würde, um mich auf eine Reise vorzubereiten, von der ich noch gar nichts wissen durfte.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihm zu sagen, dass ich gerade beschäftigt bin und ihn in etwa zwanzig Minuten zurückrufe?« David kannte nicht alle meine Mitarbeiter, weshalb er mit etwas Glück denken würde, er spreche mit einer der Bürogehilfinnen.
»Natürlich«, erwiderte sie und drückte den entsprechenden Knopf, um den Anruf entgegenzunehmen.
»Und erzählen Sie ihm nicht, wo ich bin«, flüsterte ich, gerade als sie den Mund öffnete. »Und auch nichts über New York«, fügte ich panisch hinzu.
Ich lehnte mich zurück und hatte ein schlechtes Gewissen, als hätte er mich gerade beim Fremdgehen erwischt, was natürlich vollkommen verrückt war. Als hätte ich so etwas jemals in Erwägung gezogen.
»Hallo? Nein, das bin ich nicht. Sie kann im Moment leider nicht ans Telefon kommen, fürchte ich.« Es folgte ein kurzes Schweigen, und weil ich sie so genau dabei beobachtete, wie sie auf meinen Wunsch hin meinen Ehemann belog, sah ich ihr an, wie sie von einem Moment auf den anderen verstand, dass etwas nicht stimmte. Die Erkenntnis stieg ihr gleichzeitig mit der Röte ins Gesicht.
»Was ist los? Was hat er gesagt?«, fragte ich drängend.
Die Kosmetikerin hielt mir das Telefon entgegen. »Es ist nicht Ihr Mann. Es ist eine Frau.«
Es gab keinen Grund, dass mir gerade jetzt ihr Name einfiel. Aber in dem Bruchteil einer Sekunde, in der ich mich über den Tisch beugte, war er alles, woran ich denken konnte. Die Kosmetikerin hielt mir das Telefon ans Ohr.
»Hallo, wer spricht denn da?« Ich hörte, wie steif meine Stimme klang.
»Mein Name ist Marie. Ich arbeite im Kaufhaus Sunderson’s. Spreche ich mit Mrs. Williams?«
Während ich dies bestätigte, ratterte in meinem Kopf eine Liste möglicher Gründe für diesen Anruf herunter. Ich entschied mich für den einzig logischen: David hatte vermutlich sein Telefon verloren, und diese Frau hatte es irgendwo gefunden. Diese Begründung gefiel mir. Sie ergab Sinn.
»Mrs. Williams, Ihr Mann hat mich gebeten, Sie anzurufen …«
»Tatsächlich? Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht …«, unterbrach ich sie, während meine Theorie in sich zusammenfiel.
»Er war hier im Kaufhaus, um … etwas zu kaufen. Und dann … fühlte er sich plötzlich unwohl.«
In der Zeit, die ich benötigte, um ruckartig meine Hand zu heben und der Kosmetikerin mein Telefon zu entreißen – und dabei alle meine Nägel zu zerstören –, lief eine Reihe von Bildern vor meinem inneren Auge ab. David, der am Abend zuvor sein Essen zur Seite geschoben hatte, obwohl er es kaum angerührt hatte. David, der immer wieder stehen bleiben und nach Luft schnappen musste, wenn wir die Treppe zu unserer Wohnung hochstiegen. Sein Gesicht, als er mir an diesem Morgen einen Abschiedskuss gab. Es war ein wenig blasser als sonst gewesen.
»Ist David bei Ihnen? Könnten Sie ihn bitte ans Telefon holen?«
»Im Moment nicht, Mrs. Williams«, erwiderte die Verkäuferin mit leiser, erstickter Stimme, die seltsamerweise so klang, als würde sie weinen.
Angst stieg in mir hoch und umhüllte mich wie ein Mantel. »Warum denn nicht? Wo ist er?«
Die Frau zögerte, bevor sie antwortete. »Er ist hier, aber er kann im Moment nicht ans Telefon kommen.«
»Und warum nicht?«
»Weil sich die Sanitäter gerade um ihn kümmern«, fuhr die unbekannte Frau fort. »Sie legen ihn gerade auf die Trage.«
»Sanitäter? Wozu braucht er Sanitäter?« Meine Stimme klang nun ernsthaft panisch. »Und warum liegt er auf einer Trage? Jetzt sagen Sie mir doch bitte, was mit ihm los ist!«
Ich hörte jemanden im Hintergrund sprechen, und die Frau brauchte ein oder zwei Sekunden, um zu antworten. »Sie haben mir gerade gesagt, dass sie ihn ins St. Elizabeth’s Hospital bringen und Sie auch dorthin kommen sollen.«
»Aber warum bringen sie ihn ins Krankenhaus? Ich verstehe das nicht. Er brütet doch bloß eine Grippe oder so etwas aus.«
Die Stimme der Frau wirkte beinahe entschuldigend, weil sie diejenige war, die mir die Situation klarmachen musste. »Ich glaube nicht, dass es die Grippe ist, Mrs. Williams«, erklärte sie. »Ich will Sie nicht beunruhigen, aber ich denke, Ihr Mann hatte womöglich einen Herzinfarkt.«
Zeitlupe. Alles geschah in Zeitlupe. Beinahe so, als wäre ich diejenige unter Wasser. Aber ich war es nicht, richtig? Es war Joe gewesen, der mitten auf einem zugefrorenen Teich unter Wasser geraten war. Was hatte er dort zu suchen gehabt? Was um alles in der Welt war passiert? Die Polizisten konnten es mir nicht sagen, was mir geradezu lächerlich und irgendwie auch fahrlässig vorkam. Sie hätten doch wissen müssen, dass ich sie genau das als Erstes fragen würde. Es war doch ihre Aufgabe, herauszufinden, was geschehen war.
»Mrs. Taylor? Geht es Ihnen gut?«
Was für eine dumme Frage. Natürlich ging es mir nicht gut. »Ja. Ja … ich bin bloß … ich bin …«
Ich fühlte mich, als hätte man mich buchstäblich aus meinem ruhigen, friedlichen Abend gerissen und in die furchteinflößenden Tiefen des Alptraums einer anderen Person geworfen. Das hier passierte doch nicht wirklich, oder? Der ältere Polizist hatte im Laufe seiner Dienstzeit zweifelsohne schon mit vielen Angehörigen, die unter Schock standen, gesprochen, denn er schien genau zu wissen, was zu tun war. Er legte beruhigend seine Hände auf meine Oberarme und sprach mit fester, bedächtiger Stimme. »Nehmen Sie sich einen Moment lang Zeit. Atmen Sie tief durch. Und dann regeln wir hier im Haus alles, damit Sie mit uns ins Krankenhaus fahren können.«
»Ich … ich habe das Auto. Joes Auto. Ich kann selbst fahren.«
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist«, erwiderte der Polizist sanft. »Sie sind nicht in der Verfassung, sich hinters Steuer zu setzen. Außerdem können wir Sie viel schneller hinbringen. Uns wird sicher niemand aufhalten, weil wir zu schnell unterwegs sind.«
Er hatte recht, das Wichtigste war jetzt, so schnell wie möglich zu Joe zu gelangen. Er brauchte mich, doch ich brauchte ihn noch mehr. Das war schon immer so gewesen und würde auch immer so sein.
Ich schnappte mir meine Handtasche und sah mich nach meinem Mantel um, ohne zu bemerken, dass er auf einem der Haken an der Wand hing.
In diesem Moment trat der zweite Polizist aus unserer Küche. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass er verschwunden war. Hinter ihm zog eine Rauchschwade her, und es roch nach verbranntem Essen. »Ich habe den Herd ausgemacht, aber Ihr Abendessen ist nur noch Holzkohle«, sagte er.
»Es war nicht für mich, sondern für meinen Sohn …« Ich hielt entsetzt inne. »Jake!«, rief ich, als hätte ich ihn im Kinderwagen liegen lassen und wäre gedankenverloren ohne ihn nach Hause gegangen. Wie konnte ich vergessen, dass er im Wohnzimmer saß und fernsah, während er auf sein Abendessen wartete? Während er darauf wartete, dass sein Dad nach Hause kam und die beruhigende Routine der Normalität weiterging, die jedoch zusammen mit dem Eis unter Joes Füßen zerbrochen war.
»Was soll ich ihm sagen?«, fragte ich die beiden Männer, als würden sie allein aufgrund der Uniform, die sie trugen, die besten Ratschläge geben können. »Soll ich ihn mit ins Krankenhaus nehmen?« Ich sah das unverhohlene Mitleid auf ihren Gesichtern.
»Haben Sie jemanden, der bei ihm bleiben kann? Jemanden aus der Familie oder vielleicht eine Nachbarin?«
Meine Eltern wohnten eine Autostunde entfernt, und Joes Eltern waren schon vor einigen Jahren an die Küste gezogen, um sich dort zur Ruhe zu setzen. Wir hatten vor, im Sommer zu ihnen zu fahren, und Joe hatte bereits versprochen, Jake im kommenden Jahr das Schwimmen beizubringen. »Jeder Mensch muss schwimmen können. Jake muss wissen, was zu tun ist, damit er nicht mal im Wasser in Schwierigkeiten gerät«, hatte er verkündet. Ein Schluchzen drang aus meiner Kehle. Die beiden Polizisten zeigten Taktgefühl und schwiegen, während ich um Fassung rang.
»Alice … Sie wohnt nebenan. Vielleicht kann sie kommen.«
»Dann erklären Sie Ihrem Jungen jetzt die Situation, und ich frage bei der Nachbarin an«, bot der Polizist an. »Welche Seite? Rechts oder links?«
Ich ging unsicher nach hinten ins Wohnzimmer, wo gerade die vertraute Titelmelodie von Jakes Lieblingszeichentrickserie ertönte.
»Jake«, begann ich, und meine Stimme klang nicht annähernd so ruhig, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich wollte ihn nicht beunruhigen, doch das war beinahe unmöglich, wenn man bedachte, wie verängstigt ich selbst war. Er hat nicht mehr geatmet.
»Jake, Schätzchen, kannst du den Fernseher bitte für einen Moment ausmachen?« Sein Kopf fuhr zu mir herum, als sei meine Bitte vollkommen absurd. »Ich muss mit dir reden.«
»Geht das nicht später, Mum? Jetzt kommt meine Lieblingsserie«, sagte er in diesem bettelnden, weinerlichen Tonfall, den nur Kinder unter acht Jahren effektiv einsetzen können.
Ich warf einen Blick auf den Bildschirm. »Du hast diese Folge doch schon einmal gesehen, und ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«
Seine kleinen pummeligen Finger wanderten zögernd zur Fernbedienung, um den Fernseher stumm zu schalten. »Geht es um den Weihnachtsmann?«, fragte er mit ängstlicher Stimme. »Denn Tommy Jackson aus meiner Klasse hat gesagt, seine Mum hat ihm erzählt, dass es ihn gar nicht gibt. Aber es gibt ihn doch, oder?«
Ich sah in seine vertrauensvollen blauen Augen und spürte einen schmerzhaften Stich. Lieber Gott,tu uns das nicht an, flehte ich beinahe angriffslustig. Brich ihm nicht das Herz. Wage es ja nicht.
»Klar, Jakey, natürlich gibt es ihn«, sagte ich und verwendete seinen Spitznamen, obwohl er mir erst vor kurzem erklärt hatte, dass er mittlerweile viel zu groß dafür war. Ich kniete mich neben ihn auf den etwas abgewetzten Teppich und versuchte, ihn auf meinen Schoß zu ziehen. Er wehrte sich halbherzig und wand sich einen Moment lang wie ein Aal in meinen Armen, so dass ich nur knochige kleine Arme und Ellbogen spürte, bis er sich dann doch in der vertrauten Position an mich schmiegte.
Ich strich ihm seine langen dunklen Haare aus dem Gesicht. Er musste zum Friseur. Ich wollte schon seit Wochen einen Termin bei meinem vereinbaren, aber ich wusste, dass er hoffte, Joe würde ihn zum Herrenfriseur in der Nähe mitnehmen, wo er einen modischeren Haarschnitt bekäme, den ich vermutlich schrecklich fände. Ich drückte ihn ein wenig fester als nötig.
»Jake, ich muss noch mal weg«, erklärte ich sanft.
Er gab den Versuch auf, doch noch mitzubekommen, was Bart Simpson auf dem schweigenden TV-Gerät gerade tat, und sah mich überrascht an. »Jetzt?«, fragte er. »Aber wir essen doch gleich!«
Ich nickte und musste mehrere Male schlucken, bevor ich weitersprechen konnte. »Ich weiß, Liebling, aber es geht nicht anders. Alice kommt zu dir, und ich bin mir sicher, dass sie dir auch etwas Leckeres zu essen macht, wenn wir sie darum bitten.«
»Wo gehst du hin? Du hast doch jetzt keine Unterrichtsstunde, oder?« Er kannte meinen Terminplan beinahe so gut wie die Anfangszeiten seiner Lieblingsserien. Ich gab an drei Abenden pro Woche privaten Musikunterricht, aber meine Schüler kamen zum Großteil zu uns nach Hause. So war es einfacher.
»Nein, Jake. Ich muss ins Krankenhaus.«
»Warum, Mummy? Bist du krank?«, fragte er wie aus der Pistole geschossen und mit sorgenvoller Stimme.
Jetzt siehst du, was passieren wird, Gott. Also mach das alles ungeschehen. Mach es ungeschehen, bevor es zu spät ist. Lass alles ein fürchterliches Missverständnis sein. Lass einen anderen Joe Taylor etwas derart Albernes getan haben, wie einen zugefrorenen Teich zu überqueren. Und nicht unseren.
»Nein, Jakey. Es geht nicht um mich. Sondern um Daddy. Er hatte … er hatte einen kleinen Unfall und musste ins Krankenhaus, damit es ihm bald wieder bessergeht.«
»Was für einen Unfall?«
»Er … ist auf dem Eis ausgerutscht.« Es war keine wirkliche Lüge, aber sicher auch nicht die ganze Wahrheit. Die musste Jake nicht erfahren. Noch nicht.
»Aber es geht ihm doch gut, oder?«
Er hat nicht mehr geatmet.
»Oh, ich bin mir sicher, dass es ihm gutgeht«, antwortete ich, und diesmal brannte die Lüge in meiner Kehle, auf meiner Zunge und meinen Lippen. »Aber ich muss nach ihm sehen … und sie lassen keine Kinder auf diese Station, wo er liegt.« Noch eine Lüge mehr. »Deshalb wird Alice bei dir bleiben, und wenn ich geklärt habe, ob mit Daddy auch wirklich alles in Ordnung ist, komme ich nach Hause und erzähle dir, wie es ihm geht.«
Ich hörte ein Klicken und hob den Blick. Alice Mathers, meine Nachbarin, stand in der Tür. Sie trug ihre flauschigen, pinkfarbenen Hausschuhe und eine altmodische Schürze, deren Rand mit Spitzen besetzt war und die sie immer zum Kochen umband. Sie versuchte angestrengt, nicht zu weinen.
»Hallo, Jake. Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte sie und kam auf uns beide zu. Sie sagte kein Wort zu mir, sondern nahm bloß meine Hand und drückte sie fest.
»Geh«, sagte sie schließlich lautlos.
Nun stiegen auch mir die Tränen in die Augen, und einen Moment lang starrten wir einander hilflos an. »Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird«, sagte ich entschuldigend.
Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Bleib so lange wie nötig«, sagte sie bestimmt. »Und mach dir keine Sorgen um uns. Wir kommen schon zurecht.« Sie warf einen Blick auf den Bildschirm. »Jake und ich sehen uns bloß noch an, welchen Unfug dieser Bert wieder ausheckt, und dann mache ich uns etwas zum Essen.«
»Bart. Er heißt Bart«, verbesserte Jake sie kichernd.
Ich lächelte mit feuchten Augen. Alice konnte wunderbar mit ihm umgehen. Sie hatte drei Enkelkinder, und das Jüngste war in etwa so alt wie unser Sohn, weshalb sie immer genau wusste, was sie zu sagen oder zu tun hatte.
»Okay, Jake, ich fahre jetzt«, sagte ich, umarmte ihn fest und küsste ihn auf die Wange. Er wand sich aus meiner Umarmung und hüpfte begeistert auf dem Sofa herum, als sei es ein Trampolin. Joe schimpfte ihn deshalb immer aus.
Er hat nicht mehr geatmet.
»Tschüss, Mummy. Wünsch Daddy gute Besserung.«
Ich nickte.
»Ruf vom Krankenhaus aus an«, flüsterte Alice und umarmte mich kurz und innig. »Joe ist stark und fit. Er wird es überstehen«, sagte sie mit heiserer Stimme.
Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich den Kupfergeschmack kleiner Bluttropfen wahrnahm, als ich schluckte.
Die Polizisten warteten im Flur auf mich. »Alles erledigt?«
»Ja, vielen Dank. Können wir uns jetzt bitte beeilen?«
Doch bevor ich aus der Tür treten konnte, ließ mich ein Aufschrei meines Sohnes innehalten. »Warte, Mummy. Warte!« Er stürzte so polternd die Treppe hoch und durch den Flur im Obergeschoss, dass die Decke erbebte. Einige Augenblicke später tauchte er wieder auf, stürmte die Treppe hinunter und auf mich zu. Ich schlang die Arme um ihn, als er mir seinen abgewetzten, heißgeliebten Plüschlöwen in die Hand drückte. Den Löwen, den er immer noch zum Einschlafen brauchte, obwohl er ihn versteckte, wenn seine Freunde zum Spielen kamen oder bei uns übernachteten.
»Nimm Simba mit zu Daddy. Er hilft mir immer, wenn ich krank bin. Simba wird dafür sorgen, dass Daddy gesund wird. Das weiß ich.«
Ich hielt das kleine, schmuddelige Kuscheltier fest umschlungen, während wir den Weg vor unserem Haus entlanggingen, in das wartende Polizeiauto stiegen und auf dem Weg zum Krankenhaus durch die Straßen rasten, die vor meinen Augen verschwammen.
Ich sprang auf. »Ich muss gehen.«
Ich war schon halb zur Tür hinaus, als mir einfiel, dass ich noch keinen Mantel trug und absolut keine Ahnung hatte, wo sich das Krankenhaus befand und wie ich dorthin gelangen sollte. Glücklicherweise halfen mir die Mitarbeiterinnen des Kosmetiksalons. Eine von ihnen lief in den leichten Schneefall hinaus, um mir ein Taxi zu rufen, während das Mädchen, das meine Nägel lackiert hatte, meinen Mantel holte.
Noch immer vollkommen weggetreten, holte ich drei Zwanzigpfundnoten aus meiner Geldbörse und drückte sie ihr in die Hand. »Ich weiß nicht, ob das reicht«, sagte ich.
»Machen Sie sich keine Gedanken. Das können wir das nächste Mal erledigen«, erwiderte sie und brachte mich zur Tür. »Und versuchen Sie, sich nicht allzu viele Sorgen zu machen. Ich bin mir sicher, Ihr Mann wird wieder gesund. Mein Dad hatte nach seinem Herzinfarkt im letzten Jahr eine dreifache Bypass-Operation, und mittlerweile geht es ihm wirklich gut.«
Ich wusste, dass sie mich damit beruhigen wollte, aber während ich auf das wartende schwarze Taxi zulief, verängstigten mich ihre Worte eher. Ihr Vater war vermutlich in den Fünfzigern oder Anfang sechzig, David hingegen war erst einunddreißig. Er achtete gut auf sich, aß bewusst, rauchte nicht und ging zwei- bis dreimal in der Woche ins Fitnessstudio. Eine Herzerkrankung sollte die nächsten Jahrzehnte also noch außer Frage stehen …
Es machte mich wahnsinnig, dass die Straßen auf dem Weg zum Krankenhaus verstopft waren. Wir standen beinahe fünf Minuten Stoßstange an Stoßstange, und wenn ich auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, wo sich dieses Krankenhaus befand, wäre ich aus dem Taxi gesprungen und durch die schneebedeckten Straßen gerannt, um zu meinem Mann zu gelangen. Stattdessen beugte ich mich nach vorn und klopfte an die gläserne Trennwand.
»Ich muss wirklich schnell ins Krankenhaus! Gibt es keine andere Route, die wir nehmen könnten?«
»Sie bekommen dahinten aber nicht gerade ein Kind, oder?«, witzelte der Taxifahrer mit einem frechen Grinsen. Er hatte keine Ahnung, dass es sein unbedeutender Scherz war, der mich endgültig aus der Fassung brachte. Mein Gesicht verzog sich, und die Tränen, die ich bislang hatte unterdrücken können, bahnten sich ihren Weg. Die Ironie, die in seinen Worten lag, war so schwarz wie die Lackierung seines Taxis.
»Mein Ehemann hatte einen Herzinfarkt«, antwortete ich, und das Zittern in meiner Stimme wurde nur noch von dem Beben meiner Unterlippe übertroffen. »Ich muss wirklich dringend ins Krankenhaus.«
»Verdammt, Schätzchen. Tut mir leid. Ich wollte bloß einen Scherz machen. Ich hatte keine Ahnung, dass es sich um einen wirklichen Notfall handelt.«
Er richtete sich in seinem Autositz auf, und seine nikotingefärbten Finger umklammerten das Lenkrad ein wenig fester. Ich nehme an, es gibt zwei Sätze, von denen alle Taxifahrer träumen: Folgen Sie diesem Wagen und Das hier ist ein Notfall.
»Vielleicht sollten Sie sich lieber anschnallen«, schlug der Fahrer vor, während er den Wagen in eine schmale Seitenstraße lenkte.
Ich bekam von unserer halsbrecherischen Fahrt durch die verwinkelten Londoner Straßen kaum etwas mit. Ich dachte bloß an David. Wie konnte ihm das passieren? Wie konnte uns das passieren? Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, versuchte ich, mir vorzustellen, dass mein starker, energiegeladener Mann so schwach gewesen war, dass er auf eine Trage gehoben und in einen Krankenwagen geschoben werden musste. Es passte einfach nicht zu ihm, und mein angststarres Gehirn konnte dieses Bild absolut nicht mit dem Mann in Einklang bringen, der mich erst letzte Woche über seine Schulter geworfen, mich in unser Schlafzimmer getragen und mich dort quer auf unserem riesigen Bett abgelegt hatte. »Ich dachte, wir wollen essen gehen?«, hatte ich gefragt und ihm zugesehen, wie er seine Krawatte abnahm, schnell sein Hemd zur Seite warf und seine maßgeschneiderte Anzughose öffnete. »Ich habe keinen Appetit mehr«, hatte er geknurrt, während er sich auf mich legte. »Aber Gott sei Dank gilt das nur fürs Essen«, hatte er noch hinzugefügt und dann auf eine Art an meinem Hals zu knabbern begonnen, von der er wusste, dass sie mich absolut verrückt machte.
Wie konnte er sich in weniger als sieben Tagen von diesem leidenschaftlichen, starken Mann in jemanden verwandelt haben, der auf einer Trage aus einem Kaufhaus getragen wurde? Es ergab keinen Sinn.
Ich glaube nicht, dass mich schon einmal ein Anblick derart mit Dankbarkeit erfüllt hat wie der des ersten blauen Straßenschildes mit dem großen weißen H in der Mitte.
»Noch zwei Minuten«, erklärte der Fahrer und warf mir über seine Schulter hinweg einen Blick zu.
Wir hielten vor der Notaufnahme, und so dankbar ich auch war, endlich angekommen zu sein, zögerte ich seltsamerweise, aus dem Taxi auszusteigen. Sobald ich es verließ und durch die doppelten Glasschiebetüren trat, würde alles real werden. David wäre dann ein Patient, ein kranker Mensch, der in einem erhöhten Bett mit Metallrahmen lag. Ein Name auf einer weißen Tafel auf einer der Stationen. Er gehörte dann nicht mehr nur mir. Es gäbe nicht mehr bloß uns beide.
»Ich kann hier wirklich nicht länger stehen bleiben«, sagte der Fahrer bedauernd. »Dieser Platz ist eigentlich nur für die Krankenwagen, die Patienten anliefern.«
Und wie zur Bestätigung bog auch gerade ein Krankenwagen mit heulenden Sirenen vor uns ein.
»Entschuldigung«, sagte ich, griff mit zitternder Hand nach der Tür und trat hinaus in den kalten Spätnachmittag.
Ein Sanitäter sprang aus dem hinteren Teil des Krankenwagens, der gerade angekommen war, und riss die Türen auf. Ich spürte, wie sich mein ganzer Körper vor Angst versteifte, als ich den Hals reckte, um die Person zu sehen, die herausgehoben wurde. Einige Krankenhausmitarbeiter stürzten aus dem Gebäude und begannen sofort mit der Arbeit, wie ich es schon in zahllosen Krankenhausserien gesehen hatte. Doch dieses Mal war es nicht bloß im Film. Dieses Mal hing tatsächlich das Leben eines Menschen am seidenen Faden.
Während sie davoneilten, schnappte ich einige Bruchstücke der gebellten Diagnosen auf. »Hypothermisch…«, »… männlich …«, »… Alter etwa …«, »… Vitalparameter …«, »… Kerntemperatur …«
»Kommen Sie allein zurecht? Gibt es jemanden, der hier auf Sie wartet? Soll ich irgendwo parken und mitkommen?«
Die freundlichen Worte des Taxifahrers brachten mich beinahe erneut aus der Fassung. »Nein. Aber danke, das ist sehr nett von Ihnen. Mir geht es gut.« Zumindest wird es mir wieder gutgehen, sobald ich weiß, dass mit ihm alles in Ordnung ist, fügte ich in Gedanken hinzu.
Es war das erste Mal, dass ein Londoner Taxifahrer mich entschuldigend ansah, als er den Fahrpreis nannte, aber ich zahlte ihn, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
»Ich wünsche Ihnen und Ihrem Mann alles Gute«, sagte er und tätschelte unbeholfen meine Hand, während er mir das Wechselgeld gab.
Ich spürte, dass er mir nachsah, als ich durch die Türen der Notaufnahme trat. Erst das Heulen einer näher kommenden Sirene, die einen weiteren Notfall ankündigte, brachte ihn dazu, sein Auto zu starten und davonzufahren.
Als ich an den Empfangstresen trat, zitterten meine Beine so sehr, als hätte ich gerade eine halbe Stunde auf dem Crosstrainer verbracht. Doch keine körperliche Anstrengung hatte mein Herz jemals so zum Schlagen gebracht, dass ich über das Pochen in meinen Ohren hinweg kaum noch etwas hören konnte. Meine Hände waren unangenehm feucht. Nur Angst konnte solche Reaktionen auslösen. Und ich hatte eine Riesenangst. Meine Qual wurde noch dadurch verlängert, dass beide Empfangsdamen gerade telefonierten, und obwohl ich bloß eine oder zwei Minuten warten musste, war meine Angst bereits ins Unermessliche gestiegen, als eine der Frauen schließlich den Hörer auflegte und zu mir hochsah. War es bereits zu spät?
»Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Endlich. Die zitternde Stimme, die aus meiner Kehle drang, schien nicht meine zu sein. »Ich habe einen Anruf erhalten, dass mein Mann – David Williams – mit dem Krankenwagen hierhergebracht wurde. Können Sie mir bitte sagen, wo ich ihn finde?«
Die Frau brauchte qualvoll lange, um Davids Namen in den Computer einzugeben. »Es tut mir leid, wir haben ein neues IT-Programm und müssen uns erst daran gewöhnen«, erklärte sie, während sie wartete, dass der Computer ihr Informationen lieferte. Ich kannte mich gut mit Computern aus, das war Teil meines Jobs, und ich musste mich zusammennehmen, um ihr nicht die Tastatur aus der Hand zu reißen und zu versuchen, das Problem schneller zu lösen. Ich war normalerweise nicht so, aber der Stress, in den man gerät, wenn jemand, den man liebt, in Gefahr ist, kann seltsame Dinge mit einem anstellen.
Endlich erschien etwas auf dem Bildschirm. Ich starrte die Frau an, während ihre Augen über die Zeilen wanderten. Etwas von dem Text spiegelte sich in ihren Brillengläsern, aber ich konnte ihn unmöglich entziffern. Es war jedoch zu erkennen, dass ihr Gesicht plötzlich ernst wurde, während sie Davids Status verifizierte. Das Atmen fiel mir plötzlich schwerer.
»Mrs. Williams, Ihr Mann wurde mit Verdacht auf MI eingeliefert. Er wurde in die NA gebracht und wird später auf die ITS verlegt.«
Verwendeten die im Krankenhaus keine vollständigen Wörter mehr? Bestand alles bloß noch aus Abkürzungen? Trotzdem hatte ich verstanden, was sie gesagt hatte. Sehr viel besser, als mir lieb war.
»Kann ich zu ihm?«
Sie runzelte die Stirn, als stellte meine Bitte ein Problem dar, und neben der Angst und dem Entsetzen spürte ich plötzlich auch einen Funken Ärger in mir. Niemand würde mich von David fernhalten, egal wie viele Krankenhausregeln und Vorschriften ich brach.
»Üblicherweise bitten wir die Angehörigen zu warten, bis der Patient auf der Intensivstation angekommen ist«, erklärte sie. Dann sah sie mein Gesicht und fuhr fort: »Aber ich schaue mal, ob ich jemanden finde, der Sie in die Notaufnahme begleitet, bevor er verlegt wird.«
»Danke«, murmelte ich erleichtert.
Die Empfangsdame nahm den Telefonhörer und drückte ein paar Tasten. Ich versuchte vergeblich, mitzubekommen, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde, und die Ankunft einer ganzen Familie neben mir machte es nicht gerade leichter. Ich warf einen schnellen Blick auf den Mann und die Frau, die ihre Arme schützend um ihre drei kleinen Kinder gelegt hatten, die allesamt lautstark weinten.
»Lasst mich diese nette Dame hier doch erst einmal fragen, ob sie schon etwas weiß«, bat der Vater den älteren Jungen, der in eine Decke gehüllt war und am lautesten heulte. »Es war nicht deine Schuld, Marty. Du konntest nichts dafür, aber du musst jetzt bitte still sein.«
Ich fragte mich kurz, ob sie wohl hier waren, um ein älteres Familienmitglied zu besuchen, doch dann schob ich alle Gedanken an die Familie neben mir beiseite, denn die Empfangsdame lächelte mich freundlich an. »Okay, gute Nachrichten, Mrs. Williams. Es kommt gleich jemand und bringt Sie zu ihm.«