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Das offizielle Buch zum Kinofilm "Der kleine Prinz" nach dem Klassiker von Antoine de Saint-Exupéry mit 16 Seiten exklusiven Filmfotos. In einer erfolgsorientierten Welt, in der es keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen gibt, macht ein kleines Mädchen die Bekanntschaft des Piloten aus "Der kleine Prinz". Durch ihn lernt sie die wunderbare Geschichte eines der meistgelesenen Bücher der Weltliteratur kennen. Damit das kleine Mädchen an der angesehensten Schule der Stadt aufgenommen wird, sind seine ganzen Sommerferien mit Lernen verplant. Von morgens bis abends sitzt es fleißig an seinem Schreibtisch. Doch dann trifft es einen verschrobenen Herrn aus dem Nachbarhaus, der ihm die Geschichte des kleinen Prinzen erzählt. Eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und großen Träumen. Auf den Spuren des alten Piloten erlebt das Mädchen ein aufregendes Abenteuer und begreift, dass erwachsen zu werden nicht das wichtigste im Leben ist.
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Seitenzahl: 138
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Prolog
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. (Antoine de Saint-Exupéry)
Die Welt ist riesig, unendlich und voller Wunder – es gibt so viel zu entdecken und Unglaubliches zu erleben. Alles ist möglich!
Der Sonnenaufgang wird begleitet von Vogelgezwitscher und bei Sonnenuntergang tanzen Millionen von Mücken in den Abend. Nachts scheint der Mond am Himmel und Tausende und Abertausende von Sternen funkeln in der Dunkelheit. Auf der Erde erscheinen diese Sterne winzig klein. Tatsächlich ist das Universum mit seinen Planeten, Sonnensystemen, Sternen und Asteroiden aber unfassbar riesig und die Entfernungen zwischen den Himmelskörpern sind gewaltig. Und doch kann man an manchen Tagen auf der Erde die Sterne lachen hören, und manchmal scheint es sogar, als ob von den vielen, vielen Sternen am Himmel ein einziger heller funkelt als all die anderen …
Als der Pilot ein kleiner Junge war
Es war einmal ein Pilot. Als der Pilot noch ein Kind war, ein Junge von sechs Jahren, las er ein Buch über den Urwald. Darin stand, dass die Boa Constrictor, eine Riesenschlange, ihre Beute im Ganzen herunterschluckt. Ohne sie zu kauen. Der Junge dachte lange darüber nach und malte dann sein allererstes Bild. Er malte eine Riesenschlange, die einen Elefanten verschluckt hat. Dieses Bild zeigte er stolz einem Erwachsenen und fragte ihn, ob das Bild ihm Angst mache. Der Erwachsene wunderte sich sehr und fragte, wieso er vor einem Hut Angst haben solle.
„Tja, Erwachsene. Die verstehen einfach nie etwas von selbst“, dachte der Junge.
Also malte er noch ein Bild. Diesmal zeichnete er den Elefanten in den Bauch der Riesenschlange hinein. Doch die Erwachsenen, denen er das Bild zeigte, hatten nur merkwürdige Ratschläge für den Jungen. Er solle sich nicht mit Riesenschlangen beschäftigen, sondern besser mit Mathematik und Geografie. Oder er solle sich lieber mit Geschichte befassen. Dabei las der Junge doch den ganzen Tag Geschichten. Oder eben Bücher über den Urwald.
Der Junge nahm die Ratschläge der Erwachsenen schließlich an – und wurde erwachsen. Er lernte viel über Mathematik und Geografie. Er wurde Pilot. Mit seinem Flugzeug überflog er die Erde und bemerkte kaum, wie die Welt sich unter ihm veränderte. Die Menschen liefen immer schneller und schneller, die Autos fuhren hektisch durch den dichter werdenden Verkehr, alle Straßen, Häuser und Gärten sahen aus wie auf einem Schachbrett angeordnet. Selbst die Kinder benahmen sich nicht mehr wie Kinder, sondern wie kleine Erwachsene. Und auch der Pilot hatte vergessen, wie es war, ein Kind zu sein. Bis etwas Wunderbares passierte …
Das kleine Mädchen
Es war einmal ein kleines Mädchen. Im Gleichschritt mit seiner Mutter trippelte es aufgeregt durch die langen Gänge eines riesigen Gebäudes. Das Mädchen und seine Mutter waren in einer berühmten, weiterführenden Schule. Hier fand an diesem Tag eine sehr wichtige Prüfung für Jungen und Mädchen statt, die die Akademie besuchen wollten. Auf einer langen Bank saßen ernste Erwachsene mit ihren Kindern, die genauso ernst und erwachsen schauten wie ihre Eltern. Überall an den Wänden befanden sich Monitore und Tafeln, auf denen bedeutende Informationen angezeigt wurden. Auf großen Postern konnte man lesen, welche Werte der Akademie besonders wichtig waren: Zahlen, Uniformen, Effizienz und Erfolg. Das kleine Mädchen kannte sie auswendig. Es lernte sehr viel auswendig, wenn seine Mutter es von ihm verlangte. Die Mutter wollte unbedingt, dass ihre Tochter auf diese Schule kam. Es war die beste der ganzen Stadt. Für die Prüfung heute hatte das Mädchen seit Wochen jeden Tag und jede Minute gelernt. Jetzt flüsterte das Mädchen vor sich hin, was seine Mutter ihm eingebläut hatte: „Ich muss aufmerksam zuhören, immer zuhören, nicht zu viel blinzeln, mich für unerwartetes Lob bedanken und am Ende Danke sagen.“
Die Mutter des kleinen Mädchens flüsterte gleichzeitig: „Du musst aufmerksam zuhören, du musst immer zuhören, darfst nicht zu viel blinzeln, du musst dich für unerwartetes Lob bedanken und am Ende höflich Danke sagen.“
Mutter und Tochter hörten gleichzeitig auf zu flüstern und sahen sich an. „Du musst lächeln, Liebling, zeig deine Zähne“, befahl die Mutter.
Das kleine Mädchen öffnete seinen Mund zu einem breiten Lächeln.
Die Mutter blickte auf die schiefen Vorderzähne ihrer Tochter und schüttelte den Kopf. „Nicht so sehr“, beeilte sich die Mutter zu sagen und das Mädchen schloss hastig den Mund, sodass sein Lächeln erlosch.
Dann setzten sich Mutter und Tochter auf die lange Bank und steckten wieder die Köpfe zusammen.
„Also“, fuhr die Mutter eilig fort. „Bitte denk daran, Umfragen haben ergeben, dass die Jury eine spezielle Frage stellen wird, wenn sie entschlossen ist, jemanden aufzunehmen. Das heißt, wenn sie deine Bewerbungsunterlagen für gut befinden, bekommst du nur noch eine einzige Frage gestellt. Wenn du sie gut beantwortest, wirst du aufgenommen.“
Das Mädchen nickte ernst. „Die große Frage!“
„Bist du es wert, hier zu sein?“, fragte die Mutter eindringlich.
Das kleine Mädchen hob seine Hand und zeigte drei Finger hoch. „Ja, bin ich. Drei Dinge machen mich wertvoll“, begann es.
Doch noch bevor das Mädchen aufzählen konnte, was es mit seiner Mutter geübt hatte, wurde die Tür zu dem Saal aufgerissen, in dem die Aufnahmeprüfungen stattfanden.
All die Erwachsenen und Kinder, die auf der langen Bank saßen und warteten, bis sie an der Reihe waren, blickten auf. Eine Frau aus der Jury hielt mit strengem Blick die Tür auf. Aus dem Raum war unterdrücktes Weinen zu hören. Dann folgten Schritte und heraus traten ein Mann, eine Frau und ein Kind, die alle die Köpfe hängen ließen und verzweifelt schluchzten. Das Kind hatte offensichtlich die Aufnahmeprüfung nicht bestanden.
Das kleine Mädchen starrte die Familie entsetzt und mitleidig an.
Die Frau aus der Jury blickte ungerührt auf ihre Notizen und fragte laut: „Nummer null eins sieben?“
Das kleine Mädchen und seine Mutter zögerten. Dann standen sie zusammen auf, strichen gleichzeitig ihren Rock glatt und folgten der Frau in den Raum der Aufnahmeprüfung mit den exakt gleichen Bewegungen. Die Tür schloss sich hinter ihnen mit einem lauten Klacken.
Die Schulaula war ein riesiger Raum mit einer großen Bühne, auf der ein einziges Mikrofon stand. Dahinter musste sich das kleine Mädchen stellen und kam sich dort noch kleiner vor als sonst. Ein heller Scheinwerfer war auf es gerichtet und es konnte die Gesichter der Jury kaum erkennen.
Die Jury saß vor der Bühne. Außer der Frau waren noch vier weitere Erwachsene dabei, die weder lächelten noch grüßten.
Weiter hinten auf den Stühlen für das Publikum saß ganz allein die Mutter des Mädchens. Sie beobachtete gespannt, wie die Mitglieder der Jury in die Bewerbungsunterlagen ihrer Tochter vertieft waren. Hin und wieder nickten sie oder machten anerkennende Bemerkungen, denn das kleine Mädchen war schlau und hatte sehr gute Noten vorzuweisen.
Das kleine Mädchen blinzelte aufgeregt, zwang sich aber sofort, damit aufzuhören. Dann nickten sich die Mitglieder der Jury ernst zu und ein Prüfer räusperte sich.
Das Mädchen trat unruhig von einem Bein auf das andere, befahl sich aber sofort, damit aufzuhören.
Der Prüfer begann zu reden: „Wir haben deine Bewerbung geprüft … gut!“
Das Mädchen lächelte erleichtert. „Danke sehr!“, rief es eifrig.
„Wir haben auch deine Aufsätze gelesen“, fuhr der Prüfer fort.
„Danke sehr!“, rief das kleine Mädchen begeistert und lächelte breit. Dann erinnerte sich das kleine Mädchen daran, dass es ruhig und bescheiden auf das Lob der Jury reagieren sollte, und zwang sich, ein Stückchen von dem Mikrofon abzurücken, und bemühte sich, beim Lächeln nicht seine Zähne zu zeigen.
„Nun“, meinte der Prüfer. „Du hast deine Aufgaben erledigt und alles scheint in Ordnung zu sein.“
Das kleine Mädchen versuchte wieder, ruhig und ernst zu bleiben.
„Wir werden dir nur eine einzige Frage stellen“, sagte der Prüfer.
Das kleine Mädchen lächelte wissend. Es kannte die Frage, die große Frage, die die Jury ihm stellen würde. Auch die Mutter des Mädchens lächelte erleichtert.
„Kannst du uns in einem Wort sagen, was du sein willst, wenn du erwachsen bist?“, fragte der Prüfer.
Die Mutter zuckte zusammen. Das war nicht die Frage, auf die sie und ihre Tochter sich vorbereitet hatten. Das war nicht die Frage, die laut den Umfragen von der Jury gestellt wurde. Doch das kleine Mädchen hatte dem Prüfer vor lauter Aufregung gar nicht richtig zugehört. Es hob selbstbewusst seine Hand und streckte drei Finger in die Luft.
„Ja, das bin ich!“, sagte das Mädchen langsam und stolz.
Die Mutter des Mädchens blinzelte nervös und rieb sich die Hände.
„Drei Dinge machen mich wertvoll“, fuhr das Mädchen laut und deutlich fort. „Erstens: Ich bin verantwortungsbewusst. Zweitens: Ich bin vernünftig.“
Trotz der blendenden Scheinwerfer konnte das kleine Mädchen erkennen, dass etwas nicht stimmte. Die Mitglieder der Jury rutschten auf ihren Plätzen hin und her, sahen sich verwirrt an und schüttelten die Köpfe. Dahinter wedelte die Mutter des Mädchens wie verrückt mit ihren Händen und bedeutete ihrer Tochter aufzuhören.
Das kleine Mädchen verstand nicht, was los war. Es war doch auf die eine große Frage perfekt vorbereitet und hatte alles auswendig gelernt. Wieso verhielten sich auf einmal alle Erwachsenen so merkwürdig?
Das kleine Mädchen versuchte, sich nicht durcheinanderbringen zu lassen. „Drittens: Wie meine standhafte, äh, Beschäftigung, äh, mit …“, stammelte das Mädchen, doch es merkte deutlich, dass etwas mit seinen Antworten nicht stimmte. Verzweifelt blickte es zu seiner Mutter, die inzwischen aufgesprungen war, aufgeregt blinzelte, mit den Armen ruderte und heftig den Kopf schüttelte.
Das kleine Mädchen wurde starr vor Schreck. Was hatte es falsch gemacht? Das Mädchen blinzelte heftig, um die Tränen aufzuhalten, die ihm in die Augen stiegen. Es sah auf seine Schuhe und wünschte sich, im Boden zu versinken. Alles um das Mädchen herum schien sich zu drehen. Die Schuhe, die Bretter der Bühne, die Köpfe in der Jury …
„Ähm, könnten Sie … äh, könnten Sie die Frage noch einmal wiederholen?“, bat das Mädchen mit schwacher Stimme.
„Ich fragte: Kannst du uns in einem Wort sagen, was du sein willst, wenn du erwachsen bist?“, wiederholte der Prüfer streng die Frage.
Doch das Mädchen hatte die Frage schon wieder nicht verstanden, denn in seinen Ohren rauschte und brummte es.
„Ich, äh, danke sehr“, flüsterte das Mädchen, so höflich es eben konnte. Dann knickten ihm die Beine weg und es fiel ohnmächtig zu Boden.
Die Mitglieder der Jury schnappten erschrocken nach Luft und die Mutter des Mädchens schlug entsetzt die Hände vor den Mund.
Das Mädchen blinzelte einmal kurz und sein Blick fiel auf ein großes Poster mit dem Logo der Akademie, das hinter der Bühne hing. Auf dem Poster war ein Kind mit einer Aktentasche abgebildet. Das Kind sah ernst aus und trug einen Anzug wie ein Erwachsener. In einer Sprechblase neben dem Kind stand: „Ich möchte wertvoll sein!“
„Ich möchte wertvoll sein“, murmelte das Mädchen und verlor erneut das Bewusstsein.
Plan B
Zwanzig Minuten später saßen Mutter und Tochter im Auto in der Tiefgarage der Akademie. Das kleine Mädchen hatte ein Pflaster auf der Stirn und starrte ungläubig vor sich hin. Es konnte noch immer nicht fassen, was eben passiert war.
Auch die Mutter des Mädchens starrte stumm auf dem Fahrersitz vor sich hin. Sie konnte genauso wenig fassen, was eben passiert war.
Es herrschte eine unheimliche Stille im Auto. Eine traurige, hoffnungslose Stille.
„Offensichtlich haben sie die große Frage geändert“, murmelte das Mädchen schließlich.
Die Mutter war so in Gedanken versunken, dass sie ihre Tochter nicht zu hören schien.
Das kleine Mädchen wurde noch ein Stückchen kleiner auf seinem Sitz. „Es tut mir so leid, Mama“, flüsterte es.
„Nein“, sagte die Mutter. „Wir haben heute beide versagt, Liebling.“ Sie starrte weiter geradeaus und nickte entschieden. „Mach dir keine Sorgen. Wir gehen einfach zu Plan B über.“
„Plan B?“, rief das kleine Mädchen besorgt. „Aber du hast doch gesagt, Plan B sei unmöglich und viel zu teuer. Deswegen haben wir uns an Plan A gehalten.“
Die Mutter drehte sich zu ihrer Tochter um und gab ihr einen kleinen Kuss auf das Stirnpflaster. „Ich weiß, aber wenn wir es schaffen, ein Haus in der Nähe der Schule zu finden, das wir uns leisten können, dann wirst du automatisch für sie eingeteilt.“ Die Mutter startete entschlossen den Motor und setzte ihr nagelneues lilafarbenes Auto aus der Parklücke. „Sie lassen uns keine andere Wahl. Plan B ist der neue Plan A.“
Die Mutter des kleinen Mädchens war eine Frau, die alles für ihre Tochter tat. Sie war eine Frau, die ihre Ziele mit viel Ehrgeiz und Disziplin verfolgte. So gelang es ihr tatsächlich, ein Haus in der Nähe der Akademie zu erstehen. Das Haus war zum Glück sehr viel günstiger gewesen als all die anderen in der Nachbarschaft. Der Grund war aber nicht das Haus selbst, sondern das daneben, das sein ganz eigenes Geheimnis barg. Aber davon ahnten die Mutter und das Mädchen noch nichts.
Sie waren lange damit beschäftigt, Kisten zu packen und Möbel auseinanderzubauen. Am ersten Tag der Sommerferien fuhren sie mit dem Auto an dem turmhohen Gebäude der Akademie vorbei. Sie saßen in einem gebrauchten Kombi, denn die Mutter hatte ihr neues Auto verkaufen müssen.
„Wir haben es geschafft!“, freute sich die Mutter. „Du wirst nach den Ferien auf die Akademie gehen, ob sie es wollen oder nicht.“
Das kleine Mädchen presste seine Nase an die Scheibe und betrachtete schweigend das riesige Hochhaus.
Dann bogen sie in ein Wohngebiet ein, in dem alle Häuser genau gleich aussahen. Es waren alles weiße Betonbauten mit den exakt gleich großen Gärten, mit den gleichen Garagen und dem gleichen Pflaster in der Einfahrt. Alles war grau und weiß, gerade und ordentlich.
Die Mutter fuhr in die Einfahrt eines weißen Hauses, das genauso aussah wie alle anderen. Nur steckte im Vorgarten noch das Schild, auf dem stand: Zu verkaufen – reduziert! Die Mutter schaltete den Motor ab und atmete tief durch.
„Ist es zu spät für Plan C?“, fragte das Mädchen schüchtern.
In diesem Moment flog ein Schatten über die Gesichter von Mutter und Tochter. Die beiden verfolgten den Schatten mit den Augen und stellten fest, dass er vom Nachbarhaus kam.
Die Mutter und das kleine Mädchen stiegen aus dem Auto aus und bemerkten einen großen Drachen, der über dem Dach eines alten, schiefen Hauses schwebte. Das Haus war bunt und mit Efeu bewachsen. Ebenso wie das Haus hatte auch der Drachen schon bessere Tage gesehen. Er war an manchen Stellen eingerissen und viele Schleifen an seinem langen Band fehlten bereits. Dennoch fühlte sich das kleine Mädchen seltsam angezogen von dem Drachen, der so fröhlich im Wind vor dem strahlend blauen Himmel hin- und herflatterte. Es war, als ob jemand einen Willkommensgruß für sie in die Luft schrieb.
Doch die Mutter schaute nur verächtlich auf das alte Haus. „Denk daran: Dieses hässliche Haus nebenan ist der Grund dafür, dass wir unser Haus so günstig kaufen konnten … und dafür, dass wir deine Zukunft möglich machen können.“
Ein paar Vögel, die eben noch auf dem kaputten Dach des alten Hauses gesessen hatten, flogen hinüber auf das Dach des neuen Hauses. Die Augen der Mutter verengten sich zu Schlitzen. Schnell griff sie zu einem Gartenschlauch, drehte das Wasser voll auf und schoss die Vögel mit dem Wasserstrahl vom Dach wie ein Scharfschütze.
Als das Dach von den Vögeln befreit war, blickte das kleine Mädchen seine Mutter fragend an: „Ähm, Mama?“
Die Mutter entdeckte jedoch noch einen Vogel, der auf dem Zu verkaufen-Schild landen wollte und schoss erneut mit dem Wasserstrahl. Dann erst wandte sie sich ihrer Tochter zu.
„Glaubst du wirklich, dass ich es wert bin, an die Akademie zu gehen?“, fragte das kleine Mädchen mit großen Augen.
„Erstens: Du bist es. Und zweitens: Für den unwahrscheinlichen Fall, dass du es nicht bist, wirst du es am Ende der Sommerferien sein. Ich habe nämlich einen Plan erstellt“, erklärte die Mutter.
In diesem Moment piepte die Uhr der Mutter. Sie stellte den Alarm aus und sah zum Ende der Straße. Von dort kam ein Umzugslaster auf sie zu.
„Sehr gut, genau pünktlich!“, freute sich die Mutter.
Der Lebens-Plan
Der Plan, den die Mutter des Mädchens erstellt hatte, war groß und schwer und aus Holz. Zwei Umzugshelfer wuchteten die riesige, aber sehr flache Kiste in das neue Haus und befestigten sie an einer Wand in der Küche.
Als die beiden Männer die Küche verlassen hatten, zeigte die Mutter auf die Holzkiste. „Ich nenne das deinen Lebens-Plan“, erklärte sie und reichte dem kleinen Mädchen ein Klemmbrett. Dann legte die Mutter ihre Hände an die Griffe der Kiste, die sich in der Mitte befanden.
„Lebens-Plan?“, fragte das kleine Mädchen erstaunt.
Die Mutter machte ein geheimnisvolles Gesicht und öffnete schwungvoll den hölzernen Deckel.
„Ja. Lebens-Plan“, bestätigte die Mutter. „Wir überlassen nichts dem Zufall.“