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Zwei Western Abenteuer mit McQuade, dem Kopfgeldjäger. Niemand ist härter als McQuade, der einsame Streiter für das Recht.
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Der Kopfgeldjäger
Folge 37/38
(Zwei McQuade Western)
Sterben in Silver Bell/ Die Bande des Schreckens
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956172458
Cover
Titel
Impressum
Sterben in Silver Bell
Die Bande des Schreckens
Über den Autor
McQuade zügelte auf der Anhöhe, über die der Weg führte, den Falben und beobachtete den Trauerzug, der sich zu dem eingezäunten Boot Hill bewegte, der sich etwa zweihundert Yards von der kleinen Stadt entfernt befand. Es handelte sich um ungefähr hundert Menschen, die den Sarg begleiteten. Er stand auf einem Wagen, der keine Bordwände besaß und der von einem schwarzen Pferd, das dem Anlass entsprechend geschmückt war, gezogen wurde. Ein hagerer Mann, der mit einem schwarzen Anzug bekleidet war und auf dessen Kopf ein Zylinder saß, führte den Rappen.
Nachdem der Kopfgeldjäger den Eindruck, der sich seinem Blick bot, verarbeitet hatte, ruckte er im Sattel. »Hüh!« Das Pferd setzte sich in Bewegung. Gray Wolf, der große, graue Wolfshund, der sich auf die Hinterläufe niedergelassen hatte, erhob sich, streckte seinen muskulösen Körper, gähnte und trottete dann hinter dem Falben her.
Im Schritttempo ritt McQuade auf die Ansammlung von Häusern, Schuppen, Scheunen und Stallungen zu. Die ganze Stadt war ohne besondere bauliche Ordnung errichtet worden. Am Stadtrand befanden sich die Corrals, Koppeln und Pferche, in denen die Nutztiere der Stadtbewohner untergebracht waren.
Der Texaner passierte das hölzerne, verwitterte Ortsschild. Mit schwarzer Farbe, die schon abblätterte, war der Name der Stadt darauf gepinselt worden. Silver Bell. Alles mutete grau in grau und ärmlich an. Auf dem großen Platz zwischen den Häusern und Hütten gab es einen Brunnen mit einer gemauerten Einfassung und einer galgenähnlichen Vorrichtung mit einer Winde, von der ein Ledereimer hing. Einige Laubbäume spendeten um den Brunnen herum Schatten. Die Plaza war staubig. Auf einigen Fensterbänken standen Blumenkästen mit farbigen Geranien.
Die Aufschrift auf einem hohen Schuppen wies McQuade darauf hin, dass es sich um den Mietstall handelte. Es gab auch einen Saloon, ein Hotel, einen Town Marshal, einen Store und einen Barber Shop. Sogar eine kleine Kirche mit einem spitzen Glockenturm hatten die Bewohner errichtet.
Zwischen den Häusern und auf der Plaza war kein Mensch zu sehen. Silver Bell mutete an wie ausgestorben. Wahrscheinlich befand sich die gesamte Einwohnerschaft bei dem Begräbnis.
McQuade ritt zum Mietstall und musste feststellen, dass das Tor verschlossen war. Auch der Saloon hatte geschlossen. McQuade lenkte den Falben zum Brunnen und saß ab. Die Winde quietschte durchdringend, als er einen Eimer voll Wasser in die Höhe hievte. Er stellte ihn vor das Pferd hin und das Tier steckte seine Nase in das kühle Nass. Gray Wolf legte sich auf den Boden und bettete den mächtigen Kopf zwischen die Vorderläufe. McQuade drehte sich eine Zigarette und rauchte sie, während der Falbe soff.
Es war um die Mittagszeit und die Sonne stand hoch im Zenit. Die Hitze war mörderisch. McQuade kam von Tucson herüber. Er ritt auf der Fährte eines Mannes namens Ben Sturgess– eines Postkutschenräubers und Mörders. Sie führte von Tucson aus nach Westen. Sturgess war dem County Sheriff von Willcox tausend Dollar wert.
Nachdem das Pferd seinen Durst gelöscht hatte, trank auch der Wolfshund, dann holte der Kopfgeldjäger frisches Wasser aus dem Brunnen und wusch sich Staub und Schweiß aus dem hohlwangigen, stoppelbärtigen Gesicht. Anschließend führte er das Pferd hinüber zum Saloon, band es an dem verkrümmten Holm fest, setzte sich auf dem Vorbau in den Schaukelstuhl und wartete. Gray Wolf legte sich zu seinen Füßen auf die Bohlen.
Der Kopfgeldjäger musste sich über eine halbe Stunde gedulden, bis die Bürger in die Stadt zurückkehrten. Viele verschwanden in ihren Häusern. Einige bildeten kleine Gruppen, sie begannen zu debattieren und zu gestikulieren. Ein Mann mittleren Alters steuerte den Saloon an. Er stieg auf den Vorbau, heftete den Blick auf McQuade und sagte: »Tut mir leid, Fremder, wenn Sie warten mussten. Wir haben den Deputy des Town Marshals beerdigt. Alles, was in diesem Ort zwei Beine hat, war anwesend.«
McQuade erhob sich. »Kein Problem. Ich bin nur auf dem Durchritt und wollte bei Ihnen lediglich etwas essen.«
Der Salooner schloss die Sicherheitstür auf und schlug die beiden Flügel nach innen. McQuade folgte ihm in den Saloon. Es roch nach kaltem Tabakrauch und verschüttetem Bier. Auf die Frage des Salooners, was er trinken wollte, bat er um einen Krug voll Wasser. Und er bestellte sich ein Steak mit Bratkartoffeln.
Weitere Männer kamen in den Saloon. Alle waren sonntäglich gekleidet. Neugierig und unverhohlen musterten sie den verstaubten Mann an einem der runden Tisch, dann begannen sie zu tuscheln. Nachdem McQuade gegessen hatte und rauchte, winkte er den Salooner zu sich heran. Er nahm den zusammengelegten Steckbrief von Ben Sturgess aus der Manteltasche, faltete ihn auseinander und zeigte ihn dem Mann. »Die Fährte des Banditen führt hierher«, erklärte der Kopfgeldjäger. »Hat er in Silver Bell Halt gemacht?«
Der Salooner schaute sich eine ganze Weile das Bild auf dem Steckbrief an, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Sir, den habe ich nicht gesehen. Vielleicht war er in der Stadt und ich habe nur nicht darauf geachtet. Bei uns ist es in den vergangenen beiden Tagen drunter und drüber gegangen. Nachdem Ken Davis aus dem Jail ausgebrochen ist und Andy Ledden, den Deputy, erschoss, ist hier nichts mehr so wie früher.«
»Der Mann, den Sie vorhin beerdigt haben, wurde erschossen?«
»Ja. Andy hatte die Nachtwache im Marshal's Office übernommen. Sie müssen wissen, Ken Davis wartete im Gefängnis auf seinen Prozess, nachdem er vor drei Wochen hier im Saloon den alten Harrison erschoss. Obwohl Harrison bewaffnet war, nahm in der Marshal fest und klagte ihn wegen Mordes an. Brad Harrison war nämlich kaum in der Lage, seinen Revolver zu halten. Er hatte Gicht. Seine Hände waren voller Knoten. Und sicher hätte er auf zehn Schritte nicht mal ein Scheunentor getroffen.«
»Woher hatte der Gefangene eine Waffe?«, fragte McQuade.
Der Salooner zuckte mit den Achseln. »In der Stadt vermutet man, dass einer von Davis' Brüdern oder vielleicht auch sein Vater den Revolver in die Zelle schmuggelte. Was Genaues weiß man nicht. Der Marshal ist mit einem Aufgebot zur Davis Ranch geritten, aber dort war Ken nicht. Sie durchkämmten das Land in einem Umkreis von zehn Meilen nach ihm– erfolglos. Nun hat die Stadt fünfhundert Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Wer Ken Davis tot oder lebend nach Silver Bell bringt, bekommt die Summe in bar ausgezahlt. Jeder Stadtbewohner hat seinen Teil dazu beigetragen. Der Marshal verwahrt die fünfhundert Bucks.«
»Ich vermute, die Ranch gehört dem Vater des Burschen«, sagte McQuade.
»Ja. Sie liegt in den Ausläufern der Santa Rosa Mountains, vier Meilen westlich von Silver Bell. Bei Scott Davis und seinen drei Söhnen handelt es sich um wenig erfreuliche Zeitgenossen. Die Ranch ist heruntergekommen und gewissermaßen dem Verfall preisgegeben. Die Kerle hausen dort wie die wilden Tiere. Wovon sie leben ist ungewiss.«
»Wie kam es zu der Schießerei zwischen Ken Davis und Brad Harrison?«, erkundigte sich McQuade.
»Ein harmloser Streit. Ken Davis war angetrunken. Im Laufe des Streits forderte er Harrison heraus. Als Harrison ablehnte, spuckte ihn Davis an und nannte ihn einen Feigling. Das führte dazu, dass Harrison zum Revolver griff. Nun, er brachte ihn nicht mal aus dem Holster…«
Der Salooner verstummte, schwang halb herum und ging hinter den Tresen.
*
Zwei Stunden später lag vor McQuade die Davis Ranch. Langsam ritt er auf die heruntergekommenen Hütten zu. In einem Corral standen ein halbes Dutzend Pferde. Je näher der Texaner der Ranch kam, umso deutlicher wurde der desolate Zustand des Haupthauses, der Schuppen und des Stalles.
Im Hof zerrte McQuade den Falben in den Stand, als aus dem Ranchhaus ein Mann trat. Er war mittelgroß und hager, ein wild wuchernder Bart von grauer Farbe verdeckte das Kinn und den Mund des Burschen. Die Kopfhaare waren ebenfalls grau und kurz geschoren.
McQuade vermutete, dass er Scott Davis vor sich hatte. Um die Hüften des Ranchers lag ein Patronengurt, im Holster an der rechten Hüfte steckte ein langläufiger 45er.
Scott Davis wirkte verwegen, hart gesotten und falkenäugig. Ein unstetes, unregelmäßiges Leben hatte unübersehbare Spuren in seinem eingefallenen, faltigen Gesicht hinterlassen. Der Blick, mit dem er den Kopfgeldjäger fixierte, war stechend. Sein Unterkiefer bewegte sich unablässig, als würde er etwas kauen. »Was wollen Sie?«
»Ich stieß zufällig auf die Ranch«, versetzte McQuade. »Meine Tiere haben Durst, meine Wasserflasche ist leer. Ich dachte…«
Davis wies zum Brunnen am Hofrand. »Bedienen Sie sich.« Das schwelende Misstrauen in seinen Augen entging McQuade nicht. Der Kopfgeldjäger ahnte, dass an den Fenstern die Söhne des Ranchers mit Gewehren im Anschlag standen. Der Texaner hob das rechte Bein über das Sattelhorn und ließ sich vom Pferd gleiten, nahm den Falben am Kopfgeschirr und führte ihn zum Brunnen. Gray Wolf glitt neben seinem Herrn her.
Langsam näherte sich Scott Davis. McQuade holte einen Eimer voll Wasser aus dem Brunnen und stellte ihn vor das Pferd hin. Zwei Schritt von ihm entfernt blieb Davis stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sehen aus wie ein Satteltramp«, stieß der Rancher hervor. »Darf man fragen, woher Sie kommen?«
»Von Tucson herüber. Ein besonderes Ziel habe ich nicht.«
»Für einen Satteltramp sind Sie aber viel zu gut bewaffnet«, knurrte Davis. »Machten Sie auf Ihrem Ritt nach Westen in Silver Bell Station?«
»Silver Bell?«
»Eine kleine Stadt, vier Meilen weiter östlich.«
»Scheinbar bin ich daran vorbeigeritten«, gab McQuade zu verstehen. Gelassen ertrug er den forschenden, einschätzenden Blick des heruntergekommenen Ranchers. Irgendwie, fand der Texaner, stand dem Kerl die Verkommenheit ins Gesicht geschrieben. »Wohnen Sie alleine hier?«, fragte er.
»Mit meiner Frau und meinen Söhnen. Ich habe drei. Mein Ältester ist im Moment allerdings nicht in der Gegend.– Ist das ein echter Wolf?« Davis wies mit dem Kinn auf Gray Wolf.
»Ein Wolfshund«, antwortete McQuade. »Er ist mir unten an der Grenze zugelaufen und ein guter Partner geworden.«
»Na schön, Mister. Wir wollen hier keine Fremden. Wenn also Ihre Tiere gesoffen und Sie Ihre Canteen aufgefüllt haben, dann sollten Sie weiterreiten.«
»Natürlich«, murmelte McQuade. »Ich will Sie nicht stören.«
Wenige Minuten später ritt der Kopfgeldjäger in westliche Richtung von der Ranch. Er hatte sich ein Bild von Scott Davis machen können. Ganz sicher gehörte der Rancher nicht zur ehrenwerten, rechtschaffenen und gottesfürchtigen Sorte. Davis war sich selbst der Nächste. Seine Spezies verschwendete keinen Gedanken an die Vergangenheit, sie dachte auch nicht an die Zukunft– sie lebte ausschließlich in der Gegenwart. Nur der Augenblick war wichtig. Von Scott Davis war so etwas ein animalischer Geruch ausgegangen, ein Strom von Härte, Kompromisslosigkeit und unerbittlicher Brutalität. McQuade hatte sich auf dem rauchigen Pfad, den er ritt, genug Menschenkenntnis angeeignet, um einen Mann einzustufen. Und ihm war klar, dass es sich Scott Davis um einen zweibeinigen Wolf handelte.
Hügeliges Terrain nahm den Texaner, den ein ungnädiges Schicksal ins Arizona-Territorium verschlagen hatte, auf. Aus den Hügelflanken und–kuppen erhoben sich Felsen in allen Grüßen und Formen. Dazwischen wuchsen dorniges Strauchwerk und Büschel harten, trockenen Grases. McQuade lenkte den Falben einen Abhang hinauf. Unterhalb des Hügelkammes saß er ab, band das Pferd an einen Strauch, zog das Gewehr aus dem Scabbard und stieg die letzten Yards empor. Gray Wolf wich ihm nicht von der Seite. Aus dem Schutz eines Felsens, der zugleich Schatten spendete, beobachtete der Kopfgeldjäger die Ranch.
Seine Geduld wurde auf keine allzu große Probe gestellt. Nach zwanzig Minuten etwa sah er einen Reiter, der die Ranch in nordwestliche Richtung verließ. Als er zwischen den Hügeln verschwunden war, lief der Kopfgeldjäger zu seinem Pferd, band es los, warf sich in den Sattel und trieb das Tier an. »Go on, Partner!«
Aber Gray Wolf wäre dem Texaner auch ohne diesen Befehl gefolgt. Im Schutz der Hügel ritt McQuade zu der Stelle, an der er den Reiter zwischen den Abhängen verschwinden sah. Und es gelang ihm, die Spur aufzunehmen. Er saß bei einem Hufabdruck ab, den das Pferd im Sand hinterlassen hatte, und ging auf die Hacken nieder. Gray Wolf drängte sich an ihn und fiepte leise. Der Kopfgeldjäger legte seine flache Hand auf den Hufabdruck und sagte leise: »Hier, Partner.« Gray Wolf senkte seine Nase über die Hand, die der Mann nun zurückzog. Der Wolfshund schnupperte an der Fährte. »Such, Partner!«, stieß McQuade hervor und schwang sich in den Sattel.
Gray Wolf bellte einmal, dann lief er– die Nase dicht über dem Boden– vor dem Falben her. Das Terrain wurde felsig. Geröll lag überall herum und es gab große Inseln aus Kies, die vollkommen frei von Vegetation waren. Zu beiden Seiten des Kopfgeldjägers erhoben sich jetzt zerklüftete Felsen, an deren Basis nur noch wilder Lorbeer, Thymian und verkrüppelte Dornenbüsche wuchsen.
Vor McQuade öffnete sich eine Schlucht. Sie hatten etwa vier Meilen zurückgelegt. Eine Stunde mochte vergangen sein, seit er die Spur aufgenommen hatte. Der Eingang in die Schlucht war schmal. Gray Wolf lief direkt darauf zu. Ein in vielen Gefahren geprägter Instinkt warnte McQuade. Es war ein untrügliches Gefühl, das ihm sagte, dass vor ihm zwischen den Felsen möglicherweise das Unheil lauerte. Er parierte den Falben und pfiff Gray Wolf zurück.