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Kopfgeldjäger-Sammelband (Band 49-60) 12 weitere Western von Pete Hackett Über den Autor Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen. Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress. INHALT 49 Salbeibusch-Justiz 50 Die dem Tod die Zähne zeigten 51 Das Gold der Sierrita-Mountains 52 Town-Wölfe 53 Im Fegefeuer von Casa Adobes 54 McQuade und der Deserteur 55 Und dann schlägt dir die Stunde, McQuade 56 McQuade und die Rustler von Arivaca 57 McQuade und der Town Marshal von Bisbee 58 McQuade und die Bande der Gebrandmarkten 59 McQuade – das Recht hat einen Namen 60 McQuade und die Patrouille der Todgeweihten
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Seitenzahl: 632
Veröffentlichungsjahr: 2014
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McQuade
12 weitere Western von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956172311
Cover
Titel
Impressum
Über den Autor
Salbeibusch-Justiz
Die dem Tod die Zähne zeigen
Das Gold der Sierrita-Mountains
Town-Wölfe
Im Fegefeuer von Casa Adobes
McQuade und der Deserteur
Und dann schlägt dir die Stunde, McQuade
McQuade und die Rustler von Arivaca
McQuade und der Town Marshal von Bisbee
McQuade und die Bande der Gebrandmarkten
McQuade– das Recht hat einen Namen
McQuade und die Patrouille der Todgeweihten
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war– eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Band 49:
Im Trailman Saloon in Wymola war eine Menge los. Es war Samstagabend und die Cowboys von den umliegenden Ranches waren in der Stadt. Um die Lampen, die von der Decke hingen, wogten Wolken von Tabakqualm, verworrener Lärm erfüllte den Schankraum und trieb hinaus auf die Main Street.
McQuade saß an einem der Tische in einer Runde mit vier weiteren Männern aus der Stadt. Zu seinen Füßen lag Gray Wolf. Der graue Hund hatte seinen Kopf zwischen die Vorderpfoten gebettet und hielt die Augen geschlossen.
McQuade war erst am Nachmittag in die Stadt gekommen. Er ritt auf der Fährte eines Mannes namens Mitchell Bell. Bell hatte einige Postkutschen überfallen und bei einem seiner Überfälle den Postkutschenbegleiter erschossen. Er war dem Sheriff des Pima Countys fünfhundert Dollar wert. Die Spur des Banditen führte am Santa Cruz River nach Nordwesten. McQuade hatte beschlossen, die Nacht in Wymola zu verbringen.
An der Theke, an der sich die Cowboys und einige Männer aus der Stadt gegenseitig geradezu auf den Zehen standen, gab es plötzlich Gedränge und Geschiebe, ein lauter Fluch erklang, und plötzlich packte einer der Männer, seine Haare waren schon grau und er war um die fünfzig, einen der Cowboys mit beiden Händen an der Weste, schleuderte ihn herum und versetzte ihm einen Stoß, der den Burschen rückwärts zu einem der Tische taumeln ließ. Er ruderte haltsuchend mit den Armen, aber es gab nichts, woran er sich klammern konnte. Er prallte gegen den Tisch, einige Gläser und Krüge stürzten um, die Männer sprangen auf, Bier und Schnaps vermischten sich und tropften auf den Fußboden.
„Du dreckiger Kuhtreiber!“, knirschte der Grauhaarige. „Noch ein abfälliges Wort über meine Tochter und ich schlage dir das Gebiss bis in den Hintern.“
Der Cowboy, er war Ende Zwanzig, stand wie sprungbereit da, seine Hände öffneten und schlossen sich, in seinen Augen war ein gehässiges Lauern wahrzunehmen. „Deine Tochter!“, schnarrte er. „Sie ist ein Flittchen. Vorige Woche ist sie noch mit mir in die Kiste gehüpft, jetzt aber…“
Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich der Grauhaarige auf den Weidereiter. Dieser schien nur darauf gewartet zu haben. Gedankenschnell wich er einen Schritt zur Seite. Die Fäuste des Grauhaarigen verfehlten ihn, sein eigener Schwung trieb den Angreifer gegen den Tisch, er kippte nach vorn und fing sich im letzten Moment mit beiden Armen auf der Tischplatte ab. „Du dreckiger Bastard!“, keuchte er. „Jetzt kriegst du es von mir, dass dir Hören und Sehen vergeht. Ich werde dich pfundweise zur Tür hinausprügeln.“
Der Grauhaarige wirbelte halb herum. Der Cowboy stand abwartend da. Seine Rechte lag auf dem Revolverknauf. In seinem Gesicht arbeitete es. Der Grauhaarige sprang ihn an. Der Weidereiter riss den Colt heraus und schlug damit zu. Mit einem Aufschrei ging der Grauhaarige zu Boden. Der Cowboy trat zwei Schritte zurück. „Hör auf, Walker. Was ich über deine Tochter gesagt habe, entspricht der Wahrheit. Sie lässt sich für ihre Dienste bezahlen. Ich dachte…“
Der Grauhaarige kam auf die Knie. Eine tödliche Leidenschaft wühlte in seinen Zügen und in seinen Augen war ein Irrlichtern, wie es nur der glühende Hass hervorrufen konnte. „Dafür schicke ich dich in die Hölle, Murphy!“, stieß er hervor, seine Rechte fuhr unter die Jacke, und als sie wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff eines kurzläufigen Bullcolts.
Der Cowboy feuerte. Der dröhnende Knall schien den Saloon in seinen Fundamenten zu erschüttern. Walkers Kopf wurde in den Nacken gerissen. Im nächsten Moment kippte er auf die Seite. Vor Erin Murphys verkrampftem Gesicht wölkte eine Pulverdampfwolke, aus der Mündung des Revolvers kräuselte ein dünner, grauer Rauchfaden.
Im Schankraum herrschte Atemlosigkeit. Das Stimmendurcheinander, das Gelächter, das Grölen und Johlen waren schlagartig verstummt. Sekundenlang war es still wie in einem Leichenschauhaus um Mitternacht. Plötzlich aber schrie ein Mann: „Der elende Hurensohn hat Charles Walker abgeknallt! Schnappt ihn euch und entwaffnet ihn. Diese dreckigen Kuhtreiber…“
Der Lärm, der plötzlich aufkam, war unbeschreiblich. Männer brüllten durcheinander, Stuhlbeine scharrten auf den Dielen, Glas klirrte, als die Kerle aufsprangen, Stühle kippten polternd um.
In die Augen Murphys trat ein gehetzter Ausdruck. Schlagartig begriff er die Gefahr, die von den Männern der Stadt ausging. Er hatte einen angesehenen Bürger erschossen. Die näheren Umstände würden niemand hier interessieren.
Erin Murphy jagte zwei Schüsse in die Decke. Die Männer, die eine drohende Haltung einnahmen, hielten an. „Bleibt mir bloß vom Leib!“, brüllte Murphy und fuchtelte wild mit dem Revolver durch die Luft. Er jagte einen dritten Schuss aus dem Lauf, warf sich herum und rannte wie von Furien gehetzt zur Tür.
Wild schlugen die Türpendel hinter ihm aus. Seine Schritte hämmerten über den Vorbau. Er flankte über das Geländer, landete vor dem Hitchrack, an dem sich die Pferde drängten. Mit zwei schnellen Handgriffen hatte er eines der Tiere losgebunden, er warf sich in den Sattel, zerrte das Pferd herum und drosch ihm die Sporen in die Seiten.
In wilder Karriere stob er die Main Street hinunter. Bald markierte nur noch der aufgewirbelte Staub seinen Weg. Als die Gäste aus dem Trailman Saloon stürmten, war er außer Coltschussweite. Und gleich darauf verschmolz er mit der Finsternis.
*
„Was war los?“, fragte Larry Winston, der Deputy Sheriff von Wymola. Er war noch in seinem Büro, als der Knall des tödlichen Schusses wie eine Botschaft von Untergang und Tod durch die Stadt stieß. Jetzt, eine Minute später, befand er sich im Saloon, neben der reglosen Gestalt, unter deren Kopf sich eine große Blutlache gebildet hatte, war er auf das linke Knie niedergegangen.
Die Männer, die einen Kreis um ihn und den Toten bildeten, schrien durcheinander. Der Deputy drückte sich hoch, hob die rechte Hand, und rief: „Wenn ihr alle durcheinander brüllt, verstehen ich kein einziges Wort. Preston, sag du es mir: Was ist geschehen?“
Er hatte den Blick auf einen etwa vierzigjährigen Mann gerichtet, dessen dunkle Bartkoteletten fast bis zu den Kinnwinkeln reichten. „Erin Murphy hat Wanda Walker als Schlampe und Flittchen bezeichnet. Er hat hinaus posaunt, dass sie sich für ihre Dienste bezahlen lässt. Daraufhin ist Charly durchgedreht. Murphy hat ihn niedergeschlagen. Und als Charly nach dem Revolver griff, hat er ihm eine Kugel in den Kopf gejagt.“
„Walker hat also nach dem Schießeisen gegriffen“, konstatierte der Deputy und ließ seinen Blick in die Runde gleiten.
„Murphy hatte den Revolver schon in der Hand!“, schnarrte einer. „Er wäre nicht nötig gewesen, Walker zu erschießen. Außerdem weiß jeder im Umkreis von fünfzig Meilen, dass Charly Walker mit seinem Bullcolt wahrscheinlich nicht mal ein Scheunentor getroffen hätte.“
„Jagen wir den verdammten Mörder und ziehen wir ihm den Hals lang!“, stieß einer grimmig hervor. „Charly hätte sicher nicht geschossen, wenn ihm Murphy mit vorgehaltenem Revolver geboten hätte, einzuhalten.“
„Okay“, knurrte der Deputy. „Ich folge Murphy. Wer stellt sich für ein Aufgebot zur Verfügung?“
Eine Reihe von Bürgern der Stadt meldete sich.
Einer der Cowboys an der Theke rief: „Wir sind der Meinung, Winston, dass Murphy in Notwehr geschossen hat. Walker war voll Zorn, und irgendwelchen Worten oder Warnungen wäre er mit Sicherheit nicht zugänglich gewesen.“
„Haltet ihr euch raus!“, schrie ein Mann mit kippender Stimme. „Ihr Kuhtreibergesindel haltet doch zusammen. Natürlich, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Ihr kommt am Wochenende in die Stadt, besauft euch sinnlos, belästigt unsere Frauen und führt euch auf wie die Vandalen. Es musste ja mal eskalieren.“
„Bewaffnet euch und holt eure Pferde!“, rief der Deputy. „Wir treffen uns in zwanzig Minuten vor dem Office.“
Mehr als ein Dutzend Stadtbewohner rannten aus dem Saloon. Sie waren erschüttert, fassungslos und wütend. Die Cowboys, die fast an jedem Wochenende betrunken in Wymola randalierten, waren ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Und nun hatte einer von ihnen einen der etablierten Bürger von Wymola getötet. Die Volksseele kochte.
McQuade hatte sich erhoben und trat dem Deputy, der ebenfalls dem Ausgang zustrebte, in den Weg. Larry Winston richtete den finsteren Blick auf ihn. „Was wollen Sie? Ich sah heute Nachmittag am Office vorbeireiten. Sie sehen aus wie ein Landstreicher.“
„Mein Name ist McQuade.“ Der Texaner strich Gray Wolf, der ihm gefolgt war und der sich nun neben ihm auf die Hinterläufe niederließ, über den struppigen Kopf. „Ich reite auf der Fährte eines Mannes namens Mitchell Bell. Ich habe den Vorfall vorhin beobachtet. Der Mann, der jetzt tot ist, wurde handgreiflich. Der Cowboy schlug ihn mit dem Revolver nieder. Daraufhin griff er–„McQuade wies mit einer knappen Handbewegung auf Charles Walker, „–zur Waffe. Ich denke auch, dass der Weidereiter in Notwehr handelte.“
Das Gesicht des Deputys hatte sich verschlossen. „Ich habe von Ihnen gehört, McQuade. Natürlich, ich hätte von selbst draufkommen müssen. Der graue Hund… Sie haben sich einen ziemlichen Ruf in Arizona erworben.– Nun, ich werde die Sache untersuchen. Wenn es Notwehr war, ist Murphy aus dem Schneider. Wenn nicht…“
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihrem Aufgebot anschließe?“, fragte der Kopfgeldjäger.
Der Deputy Sheriff dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte er den Kopf. „Ich habe genug Männer, McQuade. Vielen Dank für das Angebot.“
„Wie Sie meinen“, murmelte McQuade und trat zur Seite. Der Deputy Sheriff setzte seinen Weg fort.
Versonnen starrte McQuade noch kurze Zeit auf die Türpendel, die knarrend und quietschend hinter Larry Winston ausschwangen. Dann knurrte er: „Go on, Partner.“
McQuade ging in den Mietstall. Soeben zerrten fünf Männer die Pferde, die sie ausgeliehen hatten, ins Freie. Der Kopfgeldjäger blieb im Schatten stehen. „Jagen wir den niederträchtigen Bastard, bis ihm die Zunge zum Hals heraushängt“, hörte McQuade einen Mann wild rufen. „Und wenn wir ihn haben, dann hängen wir ihn auf. Seit Jahren terrorisieren uns diese elenden Kuhtreiber. Doch heute schlagen wir zurück. Wir statuieren ein Exempel.“
Die Männer schwangen sich auf die Pferde und ritten im Trab aus dem Wagen- und Abstellhof.
Im Stall brannte eine Laterne. Sie hing an einem Balken im Mittelgang. Der Stallmann kam auf das Tor zu, um es zu schließen. „Einen Augenblick!“, sagte McQuade und trat ins Mondlicht. Unter seinen Sohlen knirschte der feine Sand, der den Hof bedeckte. Leise klirrten seine Radsporen. Lautlos wie ein Schatten glitt Gray Wolf neben dem hoch gewachsenen Texaner her.
„Ah, Sie“, murmelte der Stallbursche, der den Kopfgeldjäger erkannte. „Reiten Sie auch mit der Posse?“
„Nein. Dennoch brauche ich mein Pferd.“
„Wollten Sie nicht bis zum Morgen bleiben?“
„Ich habe es mir anders überlegt. Satteln Sie das Tier und zäumen Sie es. Ich hole meinen Sattelpacken und das Gewehr aus dem Hotel.“
Der Stallmann wandte sich ab und brabbelte irgend etwas vor sich hin, das McQuade nicht verstand, das ihn aber auch gar nicht interessierte.
Als er zehn Minuten später den Mietstall wieder betrat, stand sein Falbe gesattelt und gezäumt auf dem Mittelgang. Er rammte die Henry Rifle in den Scabbard, schnallte seine Satteltaschen und die Deckenrolle fest, führte den Falben am Zaumzeug aus dem Stall und saß draußen auf. „Hüh!“ Mit einem Schenkeldruck trieb er das Tier an. Gray Wolf folgte dem Pferd.
*
McQuade wartete in einer stockfinsteren Passage, bis das Aufgebot die Stadt verließ. Er folgte dem Reiterpulk. Die Worte des Mannes, der im Hof des Mietstalles vorhin davon gesprochen hatte, dass sie Erin Murphy aufhängen wollten, wenn sie ihn erwischten, bestärkten den Kopfgeldjäger in seinem Entschluss, der Posse zu folgen. Er war ein absoluter Gegner der Lynchjustiz. Er, der dort auftrat, wo das Gesetz schwach war oder versagte, der das Gesetz auf seine Weise vertrat, wollte nicht dulden, dass ein aufgebrachter Mob Richter und Henker spielte. Zu tief verwurzelt war in ihm das Gerechtigkeitsempfinden, akribisch wog er ab zwischen Recht und Unrecht. Lynchjustiz war Unrecht. Es gab ein Gesetz, und daran hatte sich jeder zu halten, ob arm oder reich, ob mächtig oder unmaßgeblich, ob alt oder jung.
Vielleicht hätte Erin Murphy nicht gleich töten müssen, sinnierte der Texaner. Es hätte sicher eine andere Möglichkeit gegeben, Charles Walker davon abzuhalten, den Stecher durchzuziehen. Murphy hatte den Sechsschüsser schon in der Hand. Und er stand nur zwei Schritte von Walker entfernt. Er hätte die Zeit gehabt, Walker mit einem Schlag außer Gefecht zu setzen, er hätte ihn auch auffordern können, die Waffe fallen zu lassen.
Je länger McQuade darüber nachdachte, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass es keine echte Notwehr war, die Erin Murphy abdrücken ließ. Aber in seiner Situation die richtige Entscheidung zu treffen war nicht einfach. Im Endeffekt ging es wohl tatsächlich um Leben oder Tod.
McQuade folgte den Geräuschen, die das Aufgebot verursachte. Es waren über ein Dutzend Reiter. Der rumorende, brandende Hufschlag war in der Nacht wahrscheinlich einige hundert Yards weit zu vernehmen. Der Himmel war bewölkt. Nur hier und dort wies die Wolkendecke ein Loch auf, in dem einige Sterne flimmerten. Hin und wieder zeigte sich auch die Scheibe des Mondes. Er versilberte mit seinem kalten Licht die Hügelkuppen und Abhänge, bis er wieder hinter einer Wolke verschwand und nur noch als gelber, verschwommener Fleck zu sehen war.
Die Mitglieder des Aufgebots merkten nicht, dass ihnen ein einsamer Reiter folgte. Ihre Aufmerksamkeit war nach vorne gerichtet, sie brannten darauf, Erin Murphy einzufangen und ihn für den Tod eines der ihren büßen zu lassen. Was sie in den Herzen trugen, war unheilvoller und tödlicher als die Waffen in ihren Fäusten. Es war ein Trail der Vergeltung, den sie ritten. Es ging ihnen nicht darum, dem Gesetz Genüge zu tun, dem Gesetz Geltung zu verschaffen. Sie wurden vom Hass und von der Rachsucht getrieben. Eine triebhafte Gier…
In der Dunkelheit tauchten nach fast einer Stunde die Gebäude einer Ranch auf. Das Aufgebot ritt in den Hof. Hinter zwei Fenstern eines der Gebäude ging Licht an, dann trat ein Mann mit einer Laterne in der Hand auf die Veranda.
McQuade saß bei einer Buschgruppe ab, band das Pferd an und lief in den Schatten eines Schuppens, Gray Wolf wich ihm dabei nicht von der Seite. Leise hechelte der Wolfshund und drängte sich gegen das Bein des Texaners.
„He, Randall!“, hörte der Kopfgeldjäger eine raue Stimme. „Wir sind hinter Murphy her. Ist er auf die Ranch gekommen, um vielleicht ein paar Habseligkeiten zu holen?“
„Was ist denn geschehen? Weshalb jagt ihr Erin Murphy?“
„Er hat Charles Walker ermordet. War er auf der Ranch?“
„Nein. Großer Gott! Du– du sprichst von Mord, Deputy. Murphy tut doch normalerweise nicht mal ‚ner Fliege war zu leide.“
„Wir haben keine Zeit, Randall, um deine Fragen zu beantworten. Sollte Murphy auftauchen, bist zu verpflichtet, ihn festzuhalten und mich zu verständigen.“
Der Pulk ritt vom Ranchhof.
McQuade rannte zu seinem Pferd, band es los und stieg in den Sattel. Er folgte wieder dem Aufgebot. Der Ritt ging über Weideland. Rinder, die vom Hufgetrappel geweckt wurden, erhoben sich. Kühe muhten, Kälber blökten. Lautlos zogen Wolkenschatten über das Land. Nach einer weiteren halben Stunde schälte sich aus der Finsternis eine Weidehütte. Ein Pferd stand im Corral. Das Aufgebot ritt auseinander. McQuade verhielt in einer Hügellücke. Wenn die Wolkendecke aufriss, konnte er die Hütte sehen. Wenn sie sich wieder schloss, war es, als würde die Nacht die Hütte aufsaugen.
Es war nichts mehr zu hören. Die Männer aus Wymola hatten ihre Pferde zurückgelassen. Jeden Schutz ausnutzend, der sich ihnen bot, pirschten sie an die Hütte heran.
Die Dunkelheit wirkte unheilvoll. Die Stille lag wie ein Leichentuch über der Weide. Das Verhängnis näherte sich der Hütte auf leisen Sohlen.
Dann hörte der Kopfgeldjäger das Splittern und Krachen, als die Tür der Hütte eingetreten wurde. Geschrei erklang, zwei– drei Schüsse krachten. Die Detonationen stießen auseinander, rollten die Hügelflanken empor und wurden von den Echos vervielfältigt, ehe sie mit gespenstischem Geraune verhallten.
Einige Sekunden verrannen. Dann flammten Feuerzeuge auf, Fackeln wurden angezündet, einige der Männer holten die Pferde. Licht- und Schattenreflexe zuckten über das Szenarium hinweg, das sich dem Blick des Kopfgeldjägers bot. Ein Mann– McQuade vermutete, dass es sich um Erin Murphy handelte -, saß an der Wand der Hütte. Drei standen bei ihm und bedrohten ihn mit ihren Waffen, deren Metallteile im Lichtschein matt glänzten. Stimmen waren zu hören.
Die Minuten verstrichen. Die Stimmen waren lauter geworden. Einige der Kerle schienen sich zu streiten. Und dann bewegten sich einige Gestalten zu einer Gruppe von Bäumen. Sie hatten eine Fackel dabei. Einer warf ein Lasso über einen waagrecht abstehenden Ast, ein Pferd wurde unter den Baum geführt.
McQuade sagte sich, dass es an der Zeit war, einzugreifen.
Er ruckte im Sattel und gab dem Falben den Kopf frei. Während er ritt, konnte er im Schein der Fackeln sehen, wie Erin Murphy zu der Baumgruppe gezerrt wurde. Ein Mann brüllte laut– wahrscheinlich war es der Cowboy, von dem Panik Besitz ergriffen hatte.
Es gab keine Gnade und kein Erbarmen. Seine Hände wurden gefesselt, er wurde auf das Pferd gehoben, einer ritt neben ihn und legte ihm die Schlinge um den Hals. Aus einer Wunde in seiner rechten Schulter sickerte Blut. Doch Erin Murphy spürte den Schmerz nicht. Die Angst vor dem Tod ließ keinen anderen Gedanken zu. Seine Zähne schlugen wie im Schüttelfrost aufeinander. Wie Fieber strömte das Entsetzen durch seine Blutbahnen. Dazu kam die Verzweiflung.
„In Ordnung!“, rief einer. „Treibt den Gaul weg!“
„Nein!“, brüllte Murphy. „Das– das ist…“
McQuade hatte das Gewehr aus dem Scabbard gezogen, durchgeladen und feuerte nun einen Schuss in die Luft ab. Für einen Augenblick übertönte der Knall alle anderen Geräusche. Die Männer aus Wymola fuhren herum. Und sie sahen den Reiterschemen, der sich aus der Dunkelheit löste, Form annahm und schließlich drei Pferdelängen von ihnen entfernt das Pferd parierte.
McQuade hielt das Gewehr an der Seite, den Kolben hatte er sich unter die Achsel geklemmt. Seine Linke umklammerte den Schaft der Henrygun. Der Kopfgeldjäger lenkte den Falben mit den Schenkeln. „Wenn ihr ihn hängt, ist das Mord!“, erklärte McQuade mit ruhiger Stimme.
Finster starrten sie ihn an. In ihren Augen spiegelte sich das Fackellicht. Im Wechselspiel von Licht und Schatten wirkten die Gesichter düster und maskenhaft starr.
„Er ist ein Mörder, und deshalb muss er hängen!“, rief jemand schrill. McQuade glaubte nicht richtig zu hören. Es war eine Frauenstimme, die er vernommen hatte. Sein Blick tastete sich über die Gesichter unter dem Baum und schließlich entdeckte er die Lady. Sie trug einen Hut und war mit Hemd und Hose bekleidet wie ein Mann.
„In diesem Land hängt ein Mann dann, wenn er schuldig gesprochen und die Hängepartie von einem Richter angeordnet wurde“, versetzte McQuade grollend. „Wo ist der Deputy?“
Die Antwort bestand in verbissenem Schweigen.
McQuade konnte den Ordnungshüter nicht in dem Pulk sehen und ahnte, dass er sich gegen die Lynchjustiz gestellt hatte und ausgeschaltet worden war.
„Okay, Leute“, so ergriff wieder der Kopfgeldjäger das Wort. „Salbeibusch-Justiz gehört der Vergangenheit an. Ich weiß nicht, was ihr mit dem Deputy gemacht habt. Doch jetzt nehmt Murphy den Strick wieder ab und löst seine Fesseln. Ich übernehme den Mann.“
„Wer bist du überhaupt, Mister?“, rief einer. „Ich habe dich in der Stadt gesehen. Ich rate dir, dich hier nicht einzumischen. Sehr schnell könntest du an Murphys Seite von dem Ast baumeln.“
„Ich zählte bis drei!“, drohte McQuade.
„Was dann?“
„Dann schieße ich. Um einen Mord zu verhindern darf ich das. Eins…“
„Der schießt nicht!“, schrie die Frau. „Lasst euch von diesem Sattelstrolch nicht ins Boxhorn jagen. Er weiß, dass wir ihn in der Luft zerreißen, wenn er abdrückt. Treib endlich den Gaul unter Murphy weg, Brian. Wo kämen wir denn hin, wenn wir jedem hergelaufenen…“
McQuade feuerte. Er jagte sein Blei über die Köpfe hinweg. Aber die Männer– und auch die Frau– erschraken. Ihre Herzen schlugen höher. Anspannung lag in der Luft. Die Atmosphäre war gefährlich, die Luft schien mit Elektrizität aufgeladen zu sein wie vor einem Blizzard.
„Tut, was er sagt!“, gebot ein Mann mit schwankender Stimme. „Wir kennen ihn nicht und nur der Satan weiß, wozu er fähig ist.“
Der Mann, der Murphy die Schlinge über den Kopf gestreift hatte, nahm sie ihm wieder ab. Er zerschnitt auch die Handfessel des Cowboys.
„Komm her, Murphy!“, rief McQuade.
Der Cowboy trieb sein Pferd an. Als er auf einer Höhe mit dem Texaner war, sagte dieser: „Reite weiter, Murphy. Ich hole dich ein.“ Der Cowboy hielt nicht an und wurde eins mit der Dunkelheit. McQuade erhob noch einmal seine Stimme, indem er rief: „Ihr geht jetzt in die andere Richtung. Vorher aber legt ihr eure Waffen ab. Macht schon!“
„Wir werden dich jagen, Sattelstrolch!“, schrie die Frau hysterisch. „Und am Ende hängen wir dich neben Murphy an einen Ast.“
„Der Befehl hat auch für Sie gegolten, Ma’am!“, gab McQuade ungerührt zu verstehen.
„Du wirst neben Murphy hängen, Sattelstrolch!“
Es klang wie ein unheilvolles Versprechen.
*
McQuade ritt neben Erin Murphy. „Sie haben mir eine Kugel in die Schulter geknallt“, gab der Cowboy mit brüchiger Stimme, die der Schmerz verzerrte, zu verstehen. Noch jetzt stand er unter dem Eindruck des Schreckens und der Angst, als er den grässlichen Tod des Hängens vor Augen hatte. Noch immer hatte er den Aufruhr seiner Gefühle nicht unter Kontrolle.
„Wir haben jetzt nicht die Zeit, uns um die Wunde zu kümmern“, versetzte der Kopfgeldjäger. „Schätzungsweise ist der hängelüsterne Mob schon hinter uns her. Du hast gehört, was die Lady versprochen hat. Sie möchte mich neben dir hängen sehen. Wirst du ein paar Stunden durchhalten?“
„Ich weiß es nicht“, ächzte Murphy. „Die Kugel ist am Knochen stecken geblieben. Ich blute wie ein Schwein. Diese verdammten Halsabschneider. Sie hätten mich ohne mit der Wimper zu zucken aufgehängt, wenn du nicht eingegriffen hättest. Wer bist du überhaupt? Warum hast du dich eingemischt?“
„Ich heiße McQuade. Der Grund, aus dem ich mich eingemischt habe, ist ein ganz einfacher: Ich bin ein Gegner der Salbeibusch-Justiz. In der Stadt hörte ich, was sie mit dir vorhaben. Also bin ich ihnen gefolgt.– Was wurde eigentlich aus dem Deputy? Ich habe ihn in der Rotte vermisst, die sich unter dem Galgenbaum versammelt hatte.“
„Sie haben ihn niedergeschlagen und gefesselt. Großer Gott, dieser Schmerz. Ich halte das nicht länger aus. Als hätte man mir glühenden Stahl in die Schulter gerammt. Ich verliere Blut…“
Die Stimme des Cowboys erstarb. Er atmete stoßweise und rasselnd. Die linke Hand presste er auf die Wunde. Warm spürte er sein Blut auf der Haut. Und er fühlte die Schwäche, die der Blutverlust mit sich brachte.
McQuade hielt an. „Warte.“
Die Geräusche endeten. Nur noch einmal klirrte leise eine Gebisskette. Sattelleder knarrte, als sich McQuade aus dem alten, gebrochenen Sattel schwang. Sekundenlang lauschte er angespannt, jeder seiner Sinne war aktiviert, er witterte wie ein Wolf in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Als er nichts hörte, was ihn beunruhigt hätte, holte er Verbandszeug aus der Satteltasche.
„Steig ab!“
Ächzend und stöhnend saß Erin Murphy ab. Er knickte in den Knien ein, als er stand. Mit beiden Händen klammerte er sich an das Sattelhorn. Wellen des Schmerzes zogen durch seinen Körper. Er zog die Luft durch die Zähne in seine Lungen. Ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, stieg aus seiner Kehle.
McQuade schnitt das Hemd auf. Mit Wasser aus seiner Flasche reinigte er die Wunde, dann fertigte er aus einem Stück Verband eine Kompresse, die er mit einigen Pflastern über die Wunde klebte. „Mehr kann ich im Moment nicht für dich tun, Murphy“, murmelte der Kopfgeldjäger. „Steig auf. Wir reiten weiter.“
Der Cowboy hatte Mühe, aufs Pferd zu klettern. Jede seiner Bewegungen wurde von abgerissenen Lauten begleitet, die ihm der pulsierende Schmerz entlockte. Im unwirklichen Licht glänzte sein Gesicht schweißig.
Ehe sie anritten, lauschte McQuade noch einmal hinter sich. Nur das leise Säuseln des Nachtwindes und das Rascheln der Blätter waren zu hören. Sie setzten die Pferde in Bewegung. Leise pochten die Hufe. Gray Wolf trabte leichtfüßig hinter dem Falben her. Aufgrund seines dunklen Felles war er in der Finsternis kaum auszumachen. Nur seine Augen; sie glühten wie Phosphor, wenn sie das Mond- oder Sternenlicht reflektierten.
„Wohin reiten wir eigentlich?“, fragte Murphy nach einiger Zeit.
„Ich bringe dich nach Tucson zum County Sheriff.“
„Was?“
„Du hast richtig gehört, Hombre. Schließlich hast du einen Mann erschossen. Ich war Augenzeuge. Du hättest ihn mit dem Revolver in Schach halten können. Du musstest ihn nicht töten.“
„Ich– ich war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen“, keuchte Murphy. „Als ich in die Mündung seines Revolvers blickte…“
„Notwehr, Affekt, Mord– ich habe nicht darüber zu entscheiden, Murphy. Der County Sheriff wird Ermittlungen durchführen, und wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass du in Notwehr gehandelt hast, lässt er dich laufen. Wenn nicht, wird er dich anklagen.“
„Bis Tucson sind es vierzig Meilen. Wenn die Kugel nicht herauskommt, zieht sich Wundbrand hinzu. Ich schaffe es nicht bis Tucson. Verdammt, McQuade, warum hast du mich vor dem Lynchmob bewahrt, wenn du mich jetzt nach Tucson schleppst und in Kauf nimmst, dass ich auf dem Weg vor die Hunde gehe oder letztendlich doch noch gehängt werde?“
„Wenn sie dich hängen, dann mit gerichtlicher Sanktion, Murphy. Und dann ist das für mich in Ordnung.“
Erin Murphy knirschte mit den Zähnen. Dann sagte er: „Wir werden nicht besonders schnell vorankommen, McQuade. Ich schätze, dass uns die hängewütige Bande aus Wymola bis morgen Früh eingeholt hat.“
„Wir reiten zum Santa Cruz River und bewegen uns einige Meilen im Flussbett. So löschen wir unsere Spuren aus.“
„Wir schaffen es nicht“, murmelte Murphy, und es klang geradezu resignierend. „In Red Rock gibt es einen Arzt. Das wären nur zehn Meilen. Wenn er mir die Kugel herausholt und die Wunde desinfiziert…“
„Sie wissen, dass du verwundet bist“, fiel McQuade dem Weidereiter ins Wort. „Und sie werden zu dem Schluss kommen, dass du ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musst. Nach Wymola kannst du nicht, der nächste Arzt aber sitzt in Red Rock. Sie werden zwei oder drei Männer in das Nest schicken, damit sie dich in Empfang nehmen, wenn du aufkreuzt.“
„Immer noch besser, an ihren Kugeln zu sterben als elend am Wundbrand oder an der Blutvergiftung zu verrecken.“ Es klang trotzig und in gewisser Weise auch zornig.
„Sie wollen dich nicht erschießen– sie wollen dich hängen. Unabhängig davon, Murphy. Du wirst weder am Wundbrand noch an der Blutvergiftung sterben. Sobald es hell ist hole ich dir die Kugel heraus. Du wirst zwar heulen und mit den Zähnen knirschen, aber du wirst nicht vor die Hunde gehen.“
„Was bist du nur für ein Mensch, McQuade?“
Darauf blieb der Kopfgeldjäger dem Cowboy die Antwort schuldig.
*
Als sich die Nacht zu lichten begann und die Sterne verblassten, erreichten sie den Santa Cruz River. Seine schmutzigen Fluten wälzten sich nach Nordwesten, wo der Fluss in der Nähe von Phönix in den Gila River mündete. Die Hügel zu beiden Seiten des Flusses muteten an wie riesige, geduckt daliegende Monster aus grauer Vorzeit, die nur darauf warteten, geweckt zu werden. Im Ufergebüsch begannen die ersten Vögel die Nacht zu verabschieden und den Tag zu begrüßen.
Sie hatten sich die Nacht um die Ohren geschlagen. Alles in allem war jeder von ihnen seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Sie waren müde und in ihren Eingeweiden wütete der Hunger. Bei Erin Murphy kam die körperliche Schwäche hinzu, die jeden Muskel und jede Sehne in seinem Körper zu lähmen schien. Er war am Ende. Das Pochen in seinen Ohren war das Echo seiner Herzschläge. Ein dumpfer Druck im Schädel schien sein Hirn einzuengen.
Als sie auf dem Ufersaum von den Pferden stiegen, hatte Murphy nicht mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Er ließ sich zu Boden sinken. Ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch und erstickte in der Kehle. Sein Kinn sank auf die Brust.
Die Pferde begannen zu saufen. McQuade füllte seine Canteen und hielt sie Murphy hin. „Trink. Wir bleiben hier, bis es Tag ist. Dann hole ich dir die Kugel heraus, und dann sehen wir weiter.“
Erin Murphy trank durstig. Das Wasser ließ neue Energien in seinen Körper zurückfließen. „Vorausgesetzt, sie lassen uns die Zeit, auf den Tag zu warten“, stieß er hervor.
McQuade begann in der Satteltasche zu kramen, und schließlich fand er einen Rest Pemmican, den er in zwei gleiche Teile zerschnitt und Murphy eines der Stücke reichte. Solange sie aßen, schwiegen sie. Ein gelber Schein kroch über den bizarren Horizont im Osten. Einige Wolkenbänke davor bekamen eine schwefelgelbe Färbung. Über dem Wasser bildeten sich Nebelschleier, Morgendunst als Vorbote der Tageshitze zog auf.
Die Pferde hatten ihren Durst gelöscht und knabberten die jungen Triebe von den Büschen. Gray Wolf lag am Flussufer auf der Seite und schlief. Der Morgen begann zu grauen, das Licht über den Tortillita Mountains im Osten hatte an Intensität gewonnen, und schließlich schickte die Sonne ihre ersten wärmenden Strahlen ins Land. Gleißendes Licht legte sich auf die Wasseroberfläche.
McQuade stieg einen Abhang empor und schaute vom Hügelrücken aus in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Von Verfolgern war nichts zu sehen. Dennoch fühlte er sich unbehaglich in seiner Haut. Der Schwur der Frau klang in seinen Ohren nach. Die Gefahr konnte hinter jedem Hügel lauern. Der Tod war gegenwärtig und bewegte sich lautlos zwischen den Hügeln, die knöcherne Klaue erhoben, um blitzschnell und gnadenlos zuzugreifen.
Auf dem Rückweg zu ihrem Lagerplatz sammelte McQuade trockenes Holz. Mit Hilfe von dürrem Reisig entzündete er am Flussufer ein kleines Feuer, darauf bedacht, ausgesprochen trockenes Holz zu verschüren, um keinen Rauch zu erzeugen, der Verfolger den Weg gewiesen hätte. Von seinem zusammengesteckten Campgeschirr nahm er den kleinen Kochtopf aus Aluminium ab, füllte ihn mit Wasser, legte zu beiden Seiten des Feuers jeweils einen Stein auf den Boden und stellte den kleinen Topf so darauf, dass er sich direkt über dem Feuer befand.
„Leg dich auf den Boden“, befahl er Murphy. „Vorher aber zieh Weste und Hemd aus.“
„Hast du wirklich vor…“
„Ja. Nur wenn ich die Kugel heraushole, schaffst du es bis Tucson. Andernfalls krepierst du hier in der Wildnis. Und alles wäre umsonst gewesen. Ich aber will einen Erfolg erringen.“
Es klang kalt und mitleidlos. Aber das war Taktik. McQuade wollte den Trotz in Murphy wecken und ihn motivieren, Härte zu zeigen. Denn was jetzt kam, war eine Tortur und mit nichts zu vergleichen. Der Schmerz, den Murphy zu erleiden haben würde, kannte keine Steigerung.
Erin Murphy ahnte, was auf ihn zukam. Seine Backenknochen mahlten. Er starrte McQuade verunsichert an. Schließlich atmete er tief durch, nickte, in seine Mundwinkel kerbte sich ein entschlossener Zug. Vorsichtig zog er sich die Weste und dann das Hemd aus, dann legte er sich auf den Boden.
McQuade riss die Kompresse herunter. Sie war angetrocknet, Murphy schrie auf, Blut sickerte aus der Wunde. Die Wundränder hatten sich bereits rot verfärbt. Sie begannen sich zu entzünden.
Der Kopfgeldjäger säuberte die Haut rund um die Wunde mit Wasser. Dann wartete er, bis das Wasser in dem kleinen Topf kochte. Er legte sein Messer in das kochende Wasser, wartete wieder kurze Zeit, dann nahm er das Messer und knurrte: „Beiß die Zähne zusammen. Es wird höllisch weh tun. Aber ich kann es nicht ändern. Mit der Kugel in der Schulter gehst du vor die Hunde, ehe wir Tucson erreichen. Dann hättest du dich auch aufhängen lassen können.“
„Du hast das Gemüt eines Fleischerhundes“, presste Erin Murphy zwischen den Zähnen hervor.
McQuade zeigte nur ein kantiges Grinsen.
Langsam schob er das Messer in die Wunde. Murphy atmete immer schneller, seine Brust hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus. Schweiß begann auf seiner Stirn und über seiner Oberlippe zu perlen. Er presste die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Seine Finger verkrallten sich in der Erde zu beiden Seiten seines Körpers. Seine Nägel brachen.
Die Kugel saß nicht tief. Es war eine Revolverkugel, die aus einer großen Entfernung abgefeuert worden war. McQuade kippte das Messer ein wenig und hob das Stück Blei aus der Wunde. Der Cowboy brüllte auf. Der Schmerz war überwältigend und suchte ein Ventil. Nach einem weiteren kleinen Ruck mit der Messerspitze rollte das blutige Geschoss über die Brust Murphys und fiel auf den Boden. Blut schoss aus der Wunde. McQuade drückte eine dicke Kompresse darauf und hielt sie fest. Die Messerklinge rammte er in den Boden. „Geschafft. Wie fühlst du dich?“
Murphy lag mit geschlossenen Augen da, er atmete hart, seine Bronchien pfiffen. Sein Gesicht war grimassenhaft verzerrt. „Beschissen!“, krächzte er mit schwankender Stimme.
„Wenn die Wunde zu bluten aufgehört hat, müssen wir sie ausbrennen“, erklärte McQuade. „Nur so verhindern wir, dass sie sich entzündet.“
„Das– das ist unmenschlich“, keuchte Erin Murphy.
„Es ist unumgänglich“, verbesserte ihn der Kopfgeldjäger.
„Zur Hölle mit dir.“
Wenige Minuten später versiegte der Blutfluss der Wunde. McQuade legte trockenes Holz nach, das sogleich in der Hitze zu knacken begann und Feuer fing, dann zog er den Dolch aus der Erde, wischte die Klinge an seinem langen, braunen Staubmantel ab und legte sie in die Glut.
Plötzlich erhob sich Gray Wolf und spitzte die Ohren. Der Wolfshund hatte den Kopf gehoben und witterte nach Norden. Seine Nasenflügel vibrierten leicht.
Es erregte McQuades Aufmerksamkeit. Und der Kopfgeldjäger wusste dieses Signal zu deuten. „Sie kommen“, stieß er hervor. Er nahm das Gewehr und lief den Hang hinauf, ging auf dem Kamm hinter einem Strauch in Deckung, bog das Zweiggespinst ein wenig auseinander und sein suchender Blick tastete das Terrain im Norden ab. Und er sah das Rudel. Noch waren die Reiter nur kleine, schwarze Punkte vor einem Hügel, auf dessen staubigem Hang so genanntes ‚Indian Ricegrass’ wuchs. Die Grasbüschel erhoben sich sporadisch aus dem grauen Untergrund.
Der Pulk ritt in eine Bodenfalte und verschwand aus McQuades Blickfeld.
Der Kopfgeldjäger kehrte zu Murphy zurück. Der Cowboy hatte sich aufgesetzt. Erschöpfung und quälender Schmerz hatten die Linien in seinem Gesicht vertieft. Die Augen waren rotgerändert und entzündet, die Lippen trocken und rissig.
„Wir haben noch zehn Minuten Zeit“, murmelte McQuade. „Du musst jetzt noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Bist du bereit?“
Murphy nickte.
McQuade zog das Messer aus der Glut. Das vordere Drittel der Klinge glühte rot. McQuade trat hinter den Cowboy. Und dann drückte er den glühenden Stahl auf die Wunde. Murphy brüllte seine Not hinaus. Es stank nach verbranntem Fleisch. Murphy fiel zurück und wand sich am Boden. Seine Beine zuckten unkontrolliert. Sein Atem ging keuchend.
McQuade ging zum Fluss und hielt die Messerklinge hinein. Es zischte. Dann kehrte er zu Murphy zurück. „Es wird Zeit, dass wir verschwinden.“
„Du– du musst die Wunde verbinden.“
„Dazu haben wir keine Zeit mehr. Aber keine Sorge. Ich habe sie mit dem glühenden Stahl verödet. Ich verbinde sie, wenn wir es uns leisten können, eine Pause zu machen. Hoch mit dir. Denk an den Strick. Ich denke, das beflügelt dich.“
Murphy knirschte eine Verwünschung und kämpfte sich auf die Beine. McQuade rammte die Henrygun ins Sattelholster, stopfte Hemd und Weste des Cowboys einfach in die Satteltasche, dann half er Murphy aufs Pferd, und gleich darauf trieben sie die Tiere in den Fluss. Als das Wasser den Tieren bis über die Sprunggelenke reichte, lenkten sie sie gegen die Strömung den Creek hinunter.
Erin Murphy ritt mit nacktem Oberkörper. Die Wunde sah grässlich aus. Tobende Schmerzen strahlten von ihr aus. Der Cowboy saß zusammengekrümmt auf dem Pferd. Er war viel zu fertig, um Angst zu empfinden. Es war eine fast fatale Gleichgültigkeit, die seinen Verstand beherrschte. Immer wieder wurde es ihm schwarz vor Augen. Und nur mit letzter Willenskraft verhinderte er ein Abgleiten in die Besinnungslosigkeit.
Meile um Meile zogen sie dahin. Als sie einmal eine kurze Pause einlegten, verband McQuade die Wunde und half dem Cowboy, das Hemd und die Weste anzuziehen. Die Sonne stieg höher und höher und brachte die Luft regelrecht zum Kochen. Sie verließen das Flussbett. Immer wieder schaute McQuade auf ihrer Fährte zurück. Als die Sonne fast senkrecht über ihnen stand, hielt McQuade an. „Wir machen eine Pause.“
Erin Murphy, dessen Kopf vor der Brust baumelte, schaute den Kopfgeldjäger mit erloschenem Blick an. „Ich– ich bin am Ende“, murmelte er, und sogar das Sprechen schien ihm Mühe zu bereiten.
McQuade saß ab und half dem Cowboy, vom Pferd zu steigen. Murphy sank sofort zu Boden. Gray Wolf legte sich vor ihn hin und ließ ihn nicht aus den Augen. Der Kopfgeldjäger nahm die Wasserflasche vom Sattel und warf sie neben Murphy auf die Erde. Dann holte er das Gewehr aus dem Scabbard und stieg auf den Hügel, der sich östlich von ihnen erhob.
Von Verfolgern war nichts zu sehen.
*
McQuade kehrte zu Murphy zurück. Der Cowboy hatte sich flach auf den Rücken gelegt und hielt die Augen geschlossen. Die Strapazen der vergangenen Stunden und die Verwundung hatten unübersehbare Spuren in sein Gesicht gegraben. Er sah um zehn Jahre gealtert aus. McQuade fragte sich, ob Murphy den Ritt nach Tucson schaffen konnte. Er schätzte, dass noch fünfundzwanzig Meilen vor ihnen lagen.
„He, Murphy.“ McQuade war auf die Hacken niedergegangen.
Der Weidereiter öffnete die Augen. Sie glänzten fiebrig. Er wollte etwas sagen, aber seine Stimmbänder gehorchten nicht.
„Wir brauchen etwas zu essen“, sagte der Kopfgeldjäger. „Wie weit ist es von hier aus nach Red Rock?“
„Ich schätze, zehn Meilen“, krächzte Murphy, dann hustete er.
„Wirst du diese Strecke schaffen, wenn wir jetzt eine Stunde pausieren?“
„Lass mich einfach hier zurück, McQuade“, stammelte der Cowboy. „Es– es hat keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass uns das Aufgebot noch verfolgt. Besorge etwas Essbares und komm zurück, McQuade.“
„Auf keinen Fall“, lehnte der Texaner ab und drückte sich hoch. „Ich glaube nämlich nicht, dass die Leute aus Wymola aufgegeben haben. Wer war eigentlich die Frau, die so laut nach einem Strick für dich geschrieen hat?“
„Walkers Tochter.“
„Also jene Lady, die du beleidigt hast.“
„Sie ist eine Hure.“
McQuade holte sein Rauchzeug aus der Manteltasche und drehte eine Zigarette. Als sie brannte, schob er sie Murphy zwischen die Lippen. Dann drehte sich der Texaner selbst eine Zigarette. Tief inhalierte er den ersten Zug. Besorgt schaute er in das eingefallene Gesicht des Cowboys. Murphy war eingeschlafen. McQuade nahm ihm die Zigarette aus dem Mund und schnippte sie in den Fluss. Als er seine Zigarette geraucht hatte, legte er sich das Gewehr auf die Schulter und stieg noch einmal auf den Hügel. Und jetzt sah er die Reiter, die am Flussufer in ihre Richtung zogen. Es waren nur noch fünf. Der Rest des Aufgebots schien aufgegeben zu haben und war wohl nach Wymola zurückgekehrt. Vielleicht hatte sich das Aufgebot geteilt, und die andere Gruppe war nach Red Rock geritten, um ihn und Murphy gegebenenfalls dort aufzustöbern.
Verbittert presste McQuade die Lippen zusammen. Dann lief er den Abhang hinunter, beugte sich über Murphy und rüttelte ihn leicht an der gesunden Schulter. Murphys Lider flatterten, dann öffnete er die Augen, und mit dem stupiden Ausdruck des Nichtbegreifens schaute er in das Gesicht über sich.
„Sie kommen!“, knirschte McQuade. „In wenigen Minuten werden sie hier sein. Du musst noch einmal all deine Kraft und deinen Willen aufbieten, Murphy.“
„Ich will nicht mehr, McQuade. Wenn sie mich aufhängen, ist das wahrscheinlich eine Erlösung. Hau du ab, McQuade. Bring dich in Sicherheit.“
„Du schaffst es. Komm, ich helfe dir. Ich bringe dich zwischen die Hügel. Und dann…“
Er hielt Murphy die rechte Hand hin, der Cowboy ergriff sie mit seiner Linken, McQuade zog ihn in die Höhe. Schwankend stand Erin Murphy. McQuade führte ihn zum Pferd und half ihm in den Sattel. Dann saß auch er auf dem Pferderücken. Sie ritten an. Gray Wolf streckte sich und gähnte, dann lief er hinterher.
Sie verließen den Fluss und ritten zwischen die Hügel. Je weiter sie sich vom Wasser entfernten, umso spärlicher wurde die Vegetation. McQuade umritt die Inseln aus verstaubtem Gras und hielt sich auf dem von der Sonne hart gebackenen Boden, wo die Hufe kaum Spuren hinterließen.
Nach einer Meile etwa fiel Murphy vom Pferd. Reglos lag er am Boden. McQuade sprang aus dem Sattel, beugte sich über den Cowboy und drehte ihn auf den Rücken. Murphys Mundwinkel zuckten. Er war in der zwielichtigen Welt der Trance versunken.
McQuade packte ihn unter den Achseln und schleifte ihn in den Schatten eines Busches. Das Pferd des Cowboys leinte er an einen Ast. Er saß auf und ritt ein Stück den Weg zurück, den sie gekommen waren. Schließlich postierte er sich auf einer Hügelkuppe. Dorniges Gestrüpp schützte ihn. Gray Wolf legte sich neben ihm auf den Boden und fiepte leise.
Nach etwa einer Viertelstunde kamen die fünf Reiter. Sie zogen aus einer Hügellücke. McQuade sagte sich, dass sie einen außergewöhnlich guten Fährtenleser bei sich haben mussten. Als sie näher kamen und er Einzelheiten unterscheiden konnte, entdeckte er in der Gruppe die hasserfüllte Tochter des Mannes, den Erin Murphy in Wymola erschossen hatte.
McQuade war klar, dass es Kampf geben würde.
Es gefiel ihm nicht– ganz und gar nicht, denn sicher handelte es sich bei den Männern aus Wymola um unbescholtene, rechtschaffene Bürger, die lediglich vom Hass dirigiert wurden und die sich verpflichtet fühlten, den Mörder eines der ihren zur Rechenschaft zu ziehen.
Als sie auf hundert Yards heran waren, feuerte McQuade eine Kugel über ihre Köpfe hinweg. Sie zerrten an den Zügeln und brachten ihre Pferde zum Stehen.
„Kehrt um und reitet nach Hause!“, rief McQuade. „Ich werde mich nicht scheuen, eure Pferde zu erschießen. Und zu Fuß wird der Weg nach Wymola sicher verdammt weit.“
McQuade hörte die schrille, hysterische Stimme der Frau, was sie rief konnte er allerdings nicht verstehen. Plötzlich trieb sie ihr Pferd an. Die anderen vier Reiter zögerten noch eine Weile, doch dann folgten sie Wanda Walker, die nach Norden jagte.
McQuade zielte kurz, dann drückte er ab.
Eines der Pferde brach vorne ein. Der Reiter überschlug sich einige Male am Boden. Das Tier kippte zur Seite, schlegelte noch einige Male mit den Hufen, dann lag es still. Der Mann am Boden kroch in den Schutz des Tierleibes und zog sein Gewehr aus dem Scabbard. Er brüllte irgendetwas, aber seine Worte gingen im Hufgetrappel, das seine Begleiter verursachten, unter.
Wanda Walker stob zwischen die Anhöhen und verschwand aus McQuades Blickfeld. Augenblicke später sah er auch die drei anderen Reiter nicht mehr. Die Hufschläge waren nur noch als verschwommenes Rumoren wahrzunehmen.
McQuade zog sich zurück, lief zu seinem Pferd, das er ein Stück hangabwärts abgestellt hatte, sodass es die Ankömmlinge nicht sehen konnten, war mit einem kraftvollen Satz im Sattel und trieb das Tier an.
Bei Murphy angekommen riss er den Falben in den Stand und sprang ab. Der Cowboy hatte die Augen offen. „Ich– ich habe einen Schuss gehört und– und dachte schon, sie hätten dich erwischt“, stammelte er mit matter Stimme, als kostete ihm jedes Wort übermenschliche Anstrengung.
„Ich habe einem von ihnen das Pferd unter dem Hintern weggeschossen“, erklärte McQuade. „Sie sieht es bei dir aus? Geht es wieder? Schaffst du es aufs Pferd?“
„Ich muss hinauf“, stieß der Weidereiter hervor. Seine Lethargie, seine Gleichgültigkeit schien verflogen zu sein. Er kämpfte wieder um sein Leben, und das stimmte McQuade hoffnungsvoll. Er band das Pferd Murphys los und half dem Cowboy, auf die Beine zu kommen. Erin Murphy wankte zum Pferd, lehnte sich sekundenlang gegen das Tier, dann stieg er stöhnend und ächzend in den Sattel.
In dem Moment erschienen auf einem Hügelrücken Wanda Walker und ihre drei Begleiter. Sie nehmen die beiden Männer, die sie verfolgten, in der Senke wahr und spornten ihre Pferde an. In einer auseinander gezogenen Reihe jagten sie den Abhang hinunter, und gleich darauf fielen die ersten Schüsse.
Aber die Entfernung war selbst für ein Gewehr zu groß.
„Reite nach Süden, Murphy!“, schrie McQuade. „Ich versuche sie aufzuhalten. Wenn du wieder auf den Fluss stößt, dann folge ihm einfach.“
Erin Murphy trieb sein Pferd an.
McQuade saß auf und ritt ihren Verfolgern entgegen. Er hielt die Henrygun am Kolbenhals fest, mit der Kolbenplatte stand sie auf seinem Oberschenkel. Als die Reiter auf Gewehrschussweite heran waren, sprang er ab, benutzte sein Pferd als Deckung und den Sattel als Auflage für das Gewehr. Eine Patrone befand sich in der Kammer. Er schoss stehend aufgelegt, und eines der Pferde seiner Gegner brach zusammen. Der Reiter flog wie von einem Katapult geschleudert durch die Luft, krachte auf den Boden und blieb liegen.
Die anderen drei Reiter drehten wild feuernd ab. Sie schossen blindwütig und ungezielt. McQuade musste allenfalls einen Zufallstreffer fürchten. Er zielte sorgfältig und zog langsam durch, als der Stecher den Druckpunkt erreichte, hielt er die Luft an, dann peitschte der Schuss. Ein weiteres Pferd brach zusammen. Es war das Tier, auf dem Wanda Walker saß. Sekundenlang lag die Frau wie tot am Boden, dann robbte sie zu dem toten Pferd und benutzte den Kadaver als Deckung.
McQuade schwang sich auf den Pferderücken und folgte Murphy.
Einerseits war er nicht glücklich darüber, weil er drei Pferde erschossen hatte. Andererseits aber war er zufrieden mit dem Ergebnis, denn fünf Leute konnten ihnen auf zwei Pferden kaum folgen. Ein Pferd konnte allenfalls zwei Reiter tragen…
McQuade ließ den Falben laufen.
*
Er holte Erin Murphy ein. Steigbügel an Steigbügel zogen sie am Santa Cruz River entlang. Blutsaugende Mücken, die der Schweißgeruch anzog, quälten sie. Unablässig sicherte McQuade in die Umgebung, immer wieder schaute er zurück. Sein Instinkt meldete Gefahr. Die Ruhe, die über allem zu lagern schien, war trügerisch. McQuade glaubte nicht daran, dass Wanda Walker aufgegeben hatte. Sie wurde vom Hass getrieben– ein Hass, der auf keinen Fall unterschätzt werden durfte. Sie wollte Erin Murphy tot sehen.
Der Kopfgeldjäger schloss nicht aus, dass ihre Gegner sie überholten und irgendwo weiter südlich erwarteten. Er kam mit dem verwundeten Cowboy nur langsam vorwärts. Selbst wenn zwei auf einem Pferd ritten, konnten sie schneller sein als das Wild, das sie jagten.
Ein Fluss, der von Süden herauf kam, mündete in den Santa Cruz River. Einem jähen Entschluss folgend sagte McQuade: „Wir reiten am Brawley Wash in südliche Richtung. Er durchfließt das Aura Valley. Dort gibt es Wald– viel Wald.“
Sie ritten in den Santa Cruz River hinein. In der Flussmitte reichte das Wasser den Pferden bis an die Bäuche. Die Tiere mussten nicht schwimmen. Die Strömung war nicht sehr stark. Auf der anderen Seite kämpften sich die Pferde die Uferböschung hinauf. Ehe sie ins Ufergebüsch ritten, schaute McQuade über die Schulter. Und er sah ihre Verfolger. Jedes der beiden Pferde trug zwei Reiter. Der fünfte Mann war zurückgeblieben.
„Hölle“, knurrte McQuade. „Sie wissen jetzt, dass wir die gerade Route nach Tucson verlassen haben. Wir werden also keine Ruhe vor ihnen haben.“
Die Zweige des Ufergebüsches zerrten an ihren Hemden und peitschten gegen ihre Schultern. Unter den Hufen zerbrachen mit trockenem Knacken dürre Äste. Sie zogen am Westufer des Brawley Wash nach Süden. Vor ihnen buckelten Hügel, sie blieben am Fluss und durchritten einen Canyon, der nach etwa zwei Meilen endete und den Blick auf das Aura Valley frei gab.
Ohne anzuhalten ritten sie weiter. Eine Viertelmeile weiter erhob sich ein bewaldeter Hügel. Das Unterholz am Waldrand mutete geradezu undurchdringlich an. Sie hielten in gerade Linie darauf zu und entfernten sich mehr und mehr vom Fluss. Bis zum Wald erstreckte sich Grasland, das von Sträuchern durchsetzt war. Die Sonne stand im Südwesten.
Sie erreichten den Waldrand, ritten ein Stück an ihm entlang nach Osten, und an einer Stelle, an der das Unterholz nicht ganz so dicht stand und ineinander verflochten war, drangen sie in den Wald ein. Die Pferde scheuten, aber die Reiter nahmen sie hart in die Kandare. Dann endete das Dickicht. Uralte Bäume erhoben sich zum Himmel, zwischen ihnen wuchs kniehohes Beerenkraut. Hier und dort vermoderte ein entwurzelter oder abgebrochener Baum. Die Wipfel der Bäume bildeten ein dichtes Dach, unter dem es ziemlich düster war, und nur vereinzelte Lichtstrahlen drangen hindurch und malten gelbe Kringel auf den Waldboden.
Kein Luftzug regte sich im Wald. Ein weicher Teppich aus braunen, abgestorbenen Nadeln und faulenden Blättern dämpfte die Hufschläge. Der Geruch von Harz stieg den Reitern in die Nase. Oft mussten sie sich ducken, um tief hängenden Ästen auszuweichen.
Das Gelände stieg an. Schließlich überquerten sie den Hügelrücken und es ging wieder hinunter. Die Waldzunge erstreckte sich weit in eine Senke hinein. Der Wald endete und sie ritten wieder über Grasland. Die Spuren, die ihre Pferde hinterließen, waren deutlich auszumachen. Sie zogen sich wie zwei dunkle Striche durch das staubige Gras.
Die Verfolger ließen nichts mehr von sich sehen. Doch McQuade war sich sicher, dass sie nicht aufgegeben hatten. Möglicherweise hatten sie seine Absicht, Erin Murphy nach Tucson zu bringen, durchschaut, und ritten ohne Umwege dorthin, um ihn und den Cowboy in Empfang zu nehmen, sobald sie sich der Stadt näherten.
Und sie würden ihnen nicht offen gegenübertreten. Nachdem er, McQuade, drei ihrer Pferde erschossen hatte, musste ihnen klar sein, dass er tödlich gefährlich war und nicht auf die leichte Schulter genommen werden durfte. Also würden sie kein Risiko mehr eingehen. Gegen eine Kugel aus dem Hinterhalt aber war auch er nicht gefeit.
Du musst ihnen zuvorkommen!, fuhr es ihm durch den Kopf. Ja, du musst sie ausschalten, ehe sie sich postieren können. Der jähe Entschluss veranlasste ihn, sein Pferd zu parieren. Murphy merkte es und hielt ebenfalls an. „Was ist?“
„Reite alleine weiter, Murphy. Es wäre dumm von mir, darauf zu warten, dass sie uns aus dem Hinterhalt abknallen. Das werden sie aber, wenn ich ihnen nicht zuvorkomme.“
„Sie haben keine Ahnung, wohin wir reiten“, gab der Cowboy zu bedenken.
„Dessen bin ich mir längst nicht mehr sicher“, versetzte McQuade. „Solltest du Tucson vor mir erreichen, Murphy, dann geh zum County Sheriff und erzähle ihm deine Geschichte. Tust du es nicht, wird man dich innerhalb kürzester Zeit zur Fahndung ausschreiben und jeder, der dich erkennt, darf dich ohne jede Vorwarnung erschießen. Ein solches Leben ist nicht erstrebenswert.“
„Es ist sicher auch nicht erstrebenswert, mit einem Strick um den Hals durch eine Öffnung zu fallen und sich das Genick zu brechen“, brach es über Murphys rissige Lippen.
„Man wird dich nicht hängen, Murphy, selbst dann nicht, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass du Charles Walker nicht in Notwehr getötet hast. Fakt ist, dass er einen Revolver unter der Jacke hervorzog und auf dich anschlug. Schlimmstenfalls schicken sie dich für ein paar Jahre ins Gefängnis.“
Erin Murphy nickte wiederholt. „Du hast sicherlich recht, McQuade. Ich stehe hoch in deiner Schuld. Ohne dich wäre ich schon kalt und steif. In Ordnung, ich stelle mich dem County Sheriff. Als Verfemter durchs Land zu reiten ist wohl in der Tat nicht erstrebenswert.“
„Dann hau ab, Murphy. Versuche durchzuhalten.“
„Halt die Ohren steif, McQuade.“ Erin Murphy ritt weiter.
McQuade wendete den Falben und ritt nach Norden. Er hatte die Rollen getauscht. Aus dem Gejagten wurde ein Jäger.
Als der Texaner sich sicher sein konnte, dass ihnen Wanda Walker und ihre Gefolgsleute nicht ins Aura Valley gefolgt waren, durchquerte er den Creek und wandte sich in östliche Richtung. Er erreichte den Santa Cruz River und ritt am Westufer des Flusses entlang in Richtung Tucson. Der Kopfgeldjäger ließ den Falben laufen. Ab und zu drosselte er das Tempo, um dem Pferd eine Pause zum Verschnaufen zu geben, aber dann trieb er das Tier wieder in raumgreifenden Galopp.
*
Die Sonne stand schon weit im Westen. Die Schatten wuchsen schnell über die aufgeheizte Erde. Der Reitwind kühlte McQuades Gesicht. Nur das Trommeln der Hufe umgab ihn. Doch er blieb wachsam. Und er war angespannt bis in die letzte Faser seiner Körpers. Auf gedankenschnelle Reaktion eingestellt sicherte er in alle Richtungen.
Und als die Sonne langsam hinter den Horizont versank, sah er weit vor sich die beiden Pferde. Auf diese Entfernung war nicht auszumachen, dass jedes der Tiere zwei Reiter trug. Dennoch war sich der Kopfgeldjäger sicher, Wanda Walker und ihre Gefährten vor sich zu haben.
Die Rechnung McQuades war aufgegangen. Das Quartett war davon ausgegangen, dass er mit Murphy nach Tucson wollte. Und vor der Stadt wollte es sie erwarten und ihnen einen tödlichen Empfang bescheren.
McQuade ritt einen weiten Bogen, und als er sich sicher war, dass er die vier überholt hatte, wandte er sich wieder zum Santa Cruz River. In einer Buschgruppe stellte er den Falben ab, mit der Henrygun in den Händen wartete er am Rand des Strauchwerks.
Als nur noch ein fingerdicker Rand der Sonnenscheibe über dem Horizont zu sehen war, tauchten die Verfolger auf. Die Pferde, die eine doppelte Last zu tragen hatten, gingen mit hängenden Köpfen und zogen die Hufe müde über den Boden. Wanda Walker saß vor einem der Männer auf dem Pferd. Mit der Rechten führte er die Zügel, den linken Arm hatte er um den Leib der Frau gelegt.
Sie ritten ahnungslos an McQuade vorüber. Der Kopfgeldjäger sah die Frau zum ersten Mal bei Tageslicht. Sie besaß ein schmales, gebräuntes Gesicht. Ihr Mund war sinnlich geschnitten, die Nase war klein und gerade, die Augen wirkten mandelförmig. Ihre Augenbrauen waren schwarz. McQuade tippte, dass ihre Mutter eine Mexikanerin oder Südamerikanerin war. Und er musste sich eingestehen, dass sie Rasse besaß und ausgesprochen hübsch war.
Aber sie war eine Teufelin. Der Hass in ihr kannte keine Zugeständnisse. Sie wollte töten– sie wollte Erin Murphy hängen. Die drei Burschen, die mit ihr ritten, waren jung, und sicherlich waren sie der Schönheit Wanda Walkers verfallen. Sie fungierten als ihre willigen Werkzeuge.
Salbeibusch-Justiz!
Als das Land noch wild und rechtlos war und sich seine Bürger gegen Räuber, Mörder, Vergewaltiger und Brandstifter zur Wehr setzen mussten, mochte diese Art von Recht legitim gewesen sein. Die Zeiten aber hatten sich geändert. Es gab ein geschriebenes Gesetz. Lynchjustiz war Mord.
Um ihren Rachedurst zu stillen, um ihre tödliche Leidenschaft abzureagieren nahm Wanda Walker einen Mord in Kauf.
Und darum nahm sich McQuade vor, keine Rücksicht darauf zu nehmen, dass sie eine Frau war. Das Recht auf Rücksichtnahme hatte sie verwirkt.
Der Kopfgeldjäger wartete, bis sie etwa vier Pferdelängen von ihm entfernt waren, dann trat er aus dem Gestrüpp, nahm das Gewehr an die Hüfte und rief: „Falls ihr mich sucht– ich bin hier.“
Die Pferde standen augenblicklich, stampften auf der Stelle und eines der Tiere scharrte mit dem Vorderhuf über den Boden.
„Steigt ab und hebt die Hände!“, kommandierte der Texaner. Seine Stimme hatte den Klang zerbrechenden Stahls. Seine Augen blickten hart wie Bachkiesel.
Jetzt zerrten sie die Pferde herum. McQuade entging nicht der heimtückisch-lauernde Ausdruck in ihren Augen. Sekundenlang taxierten und erforschten sie ihn. Plötzlich rief Wanda Walker: „Wo hast du denn Murphy gelassen, Sattelstrolch?“
„Er ist in Sicherheit.“
„Er hat meinen Vater ermordet. Mich hat er als Flittchen bezeichnet. Murphy hat sein Leben verwirkt. Und du, als du dich auf seine Seite gestellt hast, das deinige.“
„Im Moment sieht es ganz so aus, als säße ich am längeren Hebel, Lady. Ich fordere Sie und Ihre Begleiter jetzt zum letzten Mal auf, abzusteigen und die Hände zu heben.“
„Und dann?“
„Dann werdet ihr die Waffen ablegen und euch zu Fuß auf den Rückweg machen. Ein Fußmarsch durch die Nacht wird ihren glühenden Hass sehr schnell abkühlen, Ma’am.“
Einer der Kerle auf dem anderen Pferd rief: „Du kannst uns doch nicht…“
„Doch!“, schnitt ihm McQuade kalt und schroff das Wort ab. „Ich kann.“
„Du dreckiger Hund!“, giftete der Bursche und trieb das Pferd brutal mit den Sporen an. Das erschreckte Tier stob los. Die Absicht des Kerls war, McQuade niederzureiten. Das Gewehr in den Händen des Kopfgeldjägers zuckte ein wenig herum, der Schuss peitschte, das Pferd brach vorne ein, schlitterte ein Stück über den Boden und legte sich auf die Seite.
Der Bursche, der hinter Wanda Walker auf dem Pferd saß, glaubte seine Chance zu erkennen und griff nach dem Revolver. Er bekam das Eisen auch aus dem Holster, ehe er es aber auf den Kopfgeldjäger richten konnte, brüllte dessen Gewehr erneut auf und das Pferd, auf dem Wanda Walker und der Bursche saßen, brach wie vom Blitz getroffen zusammen.
McQuade repetierte sofort, die leere Hülse wurde ausgeworfen.
Der Mann, der McQuade über den Haufen reiten wollte, kam jetzt halb hoch und zog den Revolver. McQuade schoss. Das Blei fuhr dem Burschen in die Schulter und riss ihn halb herum. Er brüllte auf, sein Schuss löste sich, aber die Kugel bohrte sich, ohne Schaden anzurichten, zwei Schritte vor dem Schützen in den Boden.
McQuade stieß sich ab und flog durch die Luft. Im selben Moment donnerte der Colt des Burschen, der zusammen mit der rachsüchtigen Lady auf dem Pferd gesessen hatte. Noch ehe der Kopfgeldjäger mit beiden Beinen gleichzeitig landete, drückte er ab. Der Bursche bäumte sich auf, sein Schießeisen wirbelte durch die Luft und klatschte ins Gras, dann kippte der Getroffene über seine Absätze nach hinten und schlug lang hin.
Pulverdampf wurde vom schralen Wind zerpflückt. Das letzte Echo der Schüsse war verhallt. Der Bursche, der eine Kugel in die Schulter bekommen hatte, wimmerte leise. Der andere, der mit ihm auf dem Pferd gesessen hatte, saß am Boden, starrte McQuade fassungslos an und war zu keiner Reaktion fähig. Wanda Walker lag auf allen vieren. Sie hatte den Stetson verloren, und ihre langen, schwarzen Haare, die sie unter dem Hut hochgesteckt getragen hatte, hingen über ihre Schultern und fielen auf ihren Rücken.
Jetzt überwand sie ihre Erstarrung und erhob sich. Sie beugte sich über den Burschen, der neben dem toten Pferd der Länge nach am Boden lag und sich nicht rührte. Tonlos stieß sie hervor: „Du hast Brent getötet, Sattelstrolch.“
„Er hat es sich selber zuzuschreiben“, versetzte der Kopfgeldjäger kühl. „Du musst ihn von der Liste deiner Liebhaber streichen.“
Ihr Mund verzerrte sich und sah jetzt gar nicht mehr sinnlich aus. Hass glitzerte in ihren Augen. Plötzlich eiste sie ihren Blick von McQuade los, richtete ihn auf den Revolver, der neben dem Toten im Gras lag, sie bückte sich und raffte das Schießeisen an sich.
„Lassen Sie das, Ma’am!“, forderte McQuade sie auf und richtete das Gewehr auf sie.
Doch Wanda Walker befand sich wie in einem Rausch. Sie war besessen. Den Griff des schweren Coltrevolvers mit beiden Händen umklammernd schlug sie die Waffe auf den Texaner an. Es knackte metallisch, als sie den Hahn in die Feuerrast zog.
Doch nun schüttelte der dritte Bursche seine Lähmung ab. Er fühlte sich unbeobachtet. Seine Hand fuhr zum Revolver. McQuade nahm die Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Er ließ sich auf die Knie niederfallen. Der Bursche und Wanda Walker feuerten gleichzeitig. Keiner fand mehr die Zeit, sich auf das so jäh veränderte Ziel einzustellen. Ihre Kugeln pfiffen über den Kopfgeldjäger hinweg. Dieser feuerte auf den Mann und sah, wie ihn das schwere Geschoss auf den Rücken warf. McQuade ließ sich auf die Seite fallen und rollte zweimal herum. Dann lag er auf dem Bauch und die Mündung der Henrygun wies auf Wanda Walker. Deren Hände mit dem Revolver aber waren nach unten gesunken. Mit Augen, in denen sich Entsetzen, Angst und Fassungslosigkeit spiegelten, starrte sie den Kopfgeldjäger an. Ihre Lippen formten tonlose Worte. Und auf ihrer Hemdbrust vergrößerte sich schnell ein dunkler, feuchter Fleck.
Die Kugel des Burschen, der zugleich mit ihr geschossen hatte, war ihr in die Brust gefahren.