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Matthias kommt zurück in seine Wahlheimat. Nichts in seinem Leben erscheint mehr in Ordnung, er leidet, wie Katrin auch. Erst durch ein Gespräch mit Saskia kommt er mit sich wieder ins Lot. Katrin schließt ihre Ausbildung ab und reist, finanziert und auf Drängen ihrer neuen Eltern, nach Vietnam. Angeblich, so will es Vater Günter, "um Klarheit" über ihre ungewöhnliche Beziehung zu erlangen. Dabei gibt es weder von Katrin noch von Matthias keinerlei Zweifel. Und am Ergebnis dieser Reise hängen noch andere Dinge. Im Urlaub bekommt die Besucherin tiefe Einblicke in Land und Leute, erlebt Dinge, welche normalen Touristen verschlossen bleiben, kommt schnell an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit. Bricht nach einem Tempelbesuch emotional zusammen und es kommt fast zur Trennung. Drei von Katrin unbedacht daher gesagte Wörter sind der Grund für die "Beinahe-Katastrophe", stellen das ungleiche Paar auf eine harte Bewährungsprobe. Katrin beginnt den vereinbarten Lehrgang in Naturheilkunde, welcher durch angetrunkene Polizisten ein jähes Ende findet. Ungeachtet dieser Tatsache, es fehlten nur wenige Tage für den Abschluss, bekommt sie die notwendigen Urkunden, kehrt nach Rügen zurück. Ab da bricht der Kontakt zwischen den beiden Liebenden mehr und mehr zusammen. Matthias bekommt als Ausrede von Günter und Katrin-Mutter erklärt, dass Hof und das Haus umgebaut werden, die Tochter ihre Doktorarbeit schreibt, eine eigene Praxis aufbaut und einfach nur überlastet sei. Mehr und mehr kommt Matthias zu dem Schluss, dass hinter seinem Rücken ein perfides Spiel getrieben wird, was sich auch bestätigt. Im Hintergrund, initiiert von Katrins Mutter und der Tochter, geduldet von Günter, entwickeln sich Dinge, von denen Matthias keine Ahnung hat, ihn wenig später selbst an den Rand der Belastungsfähigkeit bringen. Verzweifelt und enttäuscht, beginnt Matthias Katrin abschreiben. Stück für Stück aus seinem Leben löschen. Plötzlich ereilt ihn ein medizinischer Notruf von Rügen und macht sich auf den Weg. Kaum angekommen, überschlagen sich die Ereignisse und führen zu einem ungeahnten Ende. Dieser Band schließt die Serie "Polyamorie" ab.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Inhalt der Serie „Polyamorie“
Hinweis
Rückkehr
Erster Kontakt
Irritationen
Katrin trifft ein
Familienbesuch
Unfall
Nudelsuppe und deren Folgen
Fressrekord
Unerwarteter Familienanschluss
Exkursion zu einem Heiler
Nächstes Hotel
Ungewöhnliche Liebesspiele
Familienverbindung
Verhängnisvolle Emotionen
Auflösung
Schule für Naturheilkunde
Übergriffe
Letzter gemeinsamer Abend
Katrin ist weg
Irritationen und ein Zugeständnis
Unverhoffte Reise und Ängste
Der Kreis schließt sich
Klärende Worte
Epilog
Impressum
Band 1: Bangkok – zwischen Buddhas, Liebe und Dämonen
Band 2: Aus der Hölle zurück ins Leben
Band 3: Bangkok – Erwachen der Vergangenheit
Band 4: Saskia – jung, schön und obdachlos
Band 5: Katrin
Band 6: Entscheidungen auf Rügen
Band 7: Der Kreis schließt sich
Sofern ein Band nicht der Altersklassifizierung FSK 16 entspricht, finden Sie
diesen im Bereich FSK 18! Möglicherweise müssen Sie sich unter Angabe des Buchtitels
diesbezüglich bei einem anderen Buchhändler umsehen.
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich, ungeachtet der Beschreibung der sexuellen
Spiele eines Paares, keinesfalls um eine der typisch pornografischen Geschichten. Genau
genommen beschreibt die Serie „Polyamorie“ die aufregende Lebensgeschichte
eines Auswanderers.
Freunde des pornografischen Genres, welches der Autor keinesfalls bedient,
mögen sich bitte diesbezüglich anderweitig umsehen.
Düsseldorf lag unter und hinter mir. Unsichtbar für alle anderen Passagiere flog die in mir brennende Trauer über die Trennung von Katrin in der Boeing mit. Frankfurt. Trubel, Chaos, Menschenmassen. Drei Stunden später ging es weiter, und damit wurden die letzten 10 Stunden der Reise eingeläutet. Essen, Trauern, darüber einschlafen. Signaltöne weckten mich, der Landeanflug wurde angekündigt und ich bemerkte, das Frühstück verpasst zu haben. Alles in allem betrachtet, verlief der Rückflug unruhig. Turbulenzen, nicht sonderlich stark, aber eben spürbar, sorgten bei einigen Passagieren für heftige Panikattacken, welche von sichtlich genervten Stewardessen mühsam beruhigt werden mussten. Keiner in der Familie, auch nicht Ha, wusste von meiner Ankunft. Marotte seit Jahren von mir, denn ich finde es bescheuert, wenn Leute am Airport warten und dann hat es Verspätungen. Telefon geht in der Regel natürlich dann nicht um zu informieren, weil im falschen Netz, Akku leer usw. Gelegentlich vorkommender Extremfall – kurz zuvor wird der Flug gestrichen und dies kommt vor allem bei Anschlussflügen vor.
Ohne Anmeldung kann ich bei meiner „geheimen Rückkehr“ entspannt reisen, bin eben da, wenn ich da bin. Kaum gelandet, drängelte ich mich schnell an die Spitze der Meute, denn hat sich einmal eine Schlange bei der Immigration gebildet, kann es dauern. Pass durch die Luke schieben, grinsen, ein paar nette Bemerkungen in Vietnamesisch rüber zu den uniformierten Bulldoggen hinter Glas, misstrauische Blicke folgten. Antwort blieb, wie nicht anders erwartet, natürlich aus. Stempel klatschten in das Dokument, fertig.
Schnell ans Gepäckband, verstohlen in einer Ecke mit dem Personal eine rauchen. Hier sieht man das locker. Gepäck greifen und ab zum Ausgang. Brutal schlugen mir 41 Grad mit einer Luftfeuchte von 90 Prozent ins Gesicht. Gerissene Taxifahrer stürzten sich auf mich, streitend wie die Geier um Aas. Reicher Ausländer bedeutet doppelter Preis gleich doppeltes Glück? Zumindest schien dies deren Devise des Tages zu sein. Zerren am Gepäckwagen, meinen Taschen, jeder wollte die Fahrt für sich. Meine Ablehnung wurde nicht akzeptiert, führte zu noch mehr Aufdringlichkeit. Unflätige Wörter der Fahrer untereinander fielen, betrachtete man mich als willkommene dumme Beute, vertraute darauf, nicht verstanden zu werden. Nett war nichts davon und deshalb bellte ich giftig in der Landessprache zurück. Betreten und mit entsetzt geweiteten Augen, weil der blöde Ausländer die Sprache beherrscht, zogen die Gangster ab.
Warnten lautstark ihre Kollegen vor mir und grinsten dann frech herüber. Gelassen erst eine rauchend, rief ich das Taxi in meinem Dorf an, welches zwanzig Minuten später eintraf. Fahrer kannte ich, er grüßte erfreut, Koffer rein. Sagen brauchte ich nichts, man kannte sich seit vielen Jahren. Höflich, wie im Land Sitte, fragte er nach dem Verlauf der Reise. Lächeln, Tür zu und ab. Minuten später hatte mich der irrsinnige Verkehr mit seinem täglich tödlichen Chaos, der allgegenwärtige Dreck, der endlose Krach, die viel zu engen, mit roten Fahnen und dem gelben Kommunistenstern „aufgehübschten“ Straßen, und das verrückte Land wieder.
Raus aus dem Chaos, raus aus der Stadt musste ich und das dauerte eben. Zusammen mit dem Puls beruhigte sich allmählich der Verkehr, wurde es ländlicher, die Umgebung vertrauter. Mein Dorf erschien, meine Straße, dann das Haus. Ziel erreicht, aussteigen, Koffer brachte der Fahrer rein, Geld wechselte den Besitzer. Taxi legte ab, ich legte an. Vor mir fiel man aus allen Wolken.
Grüßend, zwanghaft grinsend, Augen dabei so groß wie Teller bekommend, stob das Personal in alle Himmelsrichtungen auseinander. Man wusste, was droht, wenn denn nicht alles und genau passte, Gäste verärgert werden. Augen irrten durchs Haus. Jeder versuchte schnell noch etwas zu korrigieren, bevor der Chef den kritischen Blick ins Rund wirft und dem entging nichts. Gefreut und das ehrlich, hat sich nur die Familie.
Ha hing mir am Hals, drückte mich ab. Rufe gellten durchs Haus. Blitzschnell landete Kaffee auf dem Tisch. Fragen zum Verlauf der Reise folgten und ein paar Zigaretten traten aromatisch duftend den Weg in die Ewigkeit an. Spielten mit ihrem zarten Geruch nach Menthol und dem schweren aromatischen Duft der Räucherstäbchen um die Wette. Räucherstäbchen gewannen, was schon an deren Überzahl lag, wie immer den neckischen Wettbewerb, welcher keiner war. Instinktiv merkte Ha, dass ich meine Ruhe brauche, Probleme wälzte. Nicht ungewöhnlich nach Reisen, vor allem dann, wenn ich über Wochen gearbeitet hatte. Arbeit war zwar nicht der Fall gewesen, doch auch nicht von Belang; allein der Jetlag machte mir zu schaffen.
Wortreich drängte mich Ha hoch in die „Heiligen Hallen“; Schlafen war angesagt.
„Papa muss schlafen“, lautete die Order in die Runde und jeder wusste Bescheid.
Oben schaltete ich meinen selbst gebauten Röhrenverstärker ein. Geheimnisvoll glimmten dessen Röhren im Halbdunkel des Raumes auf. Hellgrün zeichnete der eingebaute Oszillograf seine dünne Linie auf den Bildschirm, welcher auf die ersten Töne wartete, um dann diese rhythmisch in Bewegung zu setzen, damit die Augen zu erfreuen, der Musik Aussehen zu verleihen, wenn man denn hinschaute. Müde von der Reise, nervlich ausgebrannt, seelisch ein Schatten meiner selbst, entnahm ich dem Safe einen USB–Stick mit ganz spezieller Musik. Sutras und buddhistische Lieder, gesungen von Mönchen aus Thailand und Vietnam, schossen mich regelrecht in den Schlaf, dröhnten über zwei Etagen. Katrin tauchte während des Einschlafens in mir auf, deren Gesicht sich mit den drei anderen, mein Leben bestimmenden, Frauen als Morphingbild verwischte, dabei offenbar versuchte, dominant zu bleiben. Letztendlich wurde sie vom Bild meiner Frau komplett überdeckt. Ging spurlos in ihr auf. Logisch, fast 25 Jahre Ehe kann man nicht mit 14 Tagen exzessiven Sexurlaub auslöschen. Abgeholt wurde ich für wenige Stunden vom Schlaf, dem kleinen Bruder des Todes, stürzte ins traumlose Nichts.
Abendessen, Stunden später, folgte. Beschissener Reis, der dominante Bestandteil. Reis, welchen ich seit meiner Kindheit, zumeist als Eintopf und noch ekelhafter als Milchreis in Erinnerung habe, hasse. Lustlos aß ich einige Stückchen Fleisch, etwas Gemüse, ging wieder hoch ins Bett. Schlief weiter. Bemerkte nicht einmal, dass meine Frau ins Bett kam.
Seelisch gefangen hatte ich mich erst am nächsten Tag, spielte wieder die gewohnte Rolle als Chef, verteilte Arbeit. Meckerte schon beim Herunterkommen aus dem Schlafzimmer mit der Putzfrau, korrigierte unten Fehler im Umgang mit den Gästen. Schimpfte Minuten später über die Unordnung in der Küche. Hektisch wie Starfighter flogen drei Frauen durch die Gegend, um die berechtigten Mängel zu beheben, den Chef umgehend gnädig zu stimmen. Melde ich mich vorher an, treibt meine Frau das Personal Stunden vor meiner Ankunft durch das Haus, kontrolliert jeden Winkel, bis alles glänzt und an der richtigen Stelle steht, was eben in diesem Fall, wieder einmal mehr, nicht gegeben war. Bedrohlich wie ein Geist stand der Chef plötzlich auf der Matte, sorgte beim Fußvolk für Panik und Entsetzen. Ha ist mit ihren 4 Jobs oftmals überlastete. Bin ich nicht da, gehen ihr eben Dinge durch, welche sonst absolut unmöglich sind.
Wolkenlos, mit strahlend blauen Himmel und brütend heiß, zeigte sich der erste Tag im Land von Diktator Ho–Chi–Minh’s angeblichen Enkelkindern. Heiß brannte die Sonne vom Himmel. Wetterbericht drohte dem Volk mit 40 Grad und null Regen. Mahnte gleichzeitig die zahlreichen Untertanen der ruhmreichen Partei, für wen auch immer, Wasser und Strom zu sparen. Strom, welcher entweder vorhanden ist oder nicht, keinesfalls jedoch gespart werden kann. Widerspricht natürlich dem neugrünen Dogma und Zeitgeist. Frühstück stand an. Hieß Kaffee kochen und Ha´s fragender Blick streifte mich für Sekunden. Nudelsuppe oder nicht, bedeutete dieser, konkret als wortlose Frage gemeint und ich lehnte diese ebenso wortlos mit einem vehementen Kopfschütteln ab.
Bestand mit deutlichen Worten dann auf deutschem Frühstück und Ha legte los. Konnte sie, bis auf pflaumenweich gekochte Frühstückseier, wirklich perfekt. Ha’s „Spezialität“ waren blaue „Betoneier“, so blau, dass man diese nicht einmal als Garnitur für eine kalte Platte nehmen mochte. Deshalb legte ich heute Hand an. Sohnemann hatte Bauchspeck aus dem nahen Supermarkt geholt und so gab es Spiegeleier mit Speck und Brot aus Hanoi vom französischen Bäcker. Koffer unter den wartenden Augen der Sippe auspacken folgte, Mitbringsel verteilen.
Verlief alles wie immer, meine Frau freute sich allein schon über meine Anwesenheit. Bei ihr bedurfte es keiner „Bestechung“, um sich zu freuen. Gedanken begannen sich zu formen, begannen im Raum zu kreisen, vernebelten kurz die Realität. Ha, meine zweite große Liebe im Leben und Ehefrau seit Jahrzehnten, gewissermaßen, so wie es Pfarrer Peter einmal nannte, eine Art „Ersatzliebe“ für die damals verschollene Siriporn. Ausschließlich Siriporns Mutter ist diese dramatische Wende meines Lebens, präzise gesagt das Schicksal von Siriporn und mir, zu verdanken. Zerstörte in ihrem religiösen Aberglauben und Wahn, gleich das Leben von drei Menschen, denn sie nahm keinerlei Rücksicht auf das gerade entstehende Leben Sirikit, von dem ich damals nichts wusste. Verhinderte in ihrem Wahn den normalen Fluss des Lebens, brachte das Leben der Eltern ins Straucheln, doch die Liebe zwischen uns konnte sie nicht zerstören. Beschädigte dafür meine Gesundheit und unser beider Seelen. Erst durch meine darauf folgenden Handlungen und der daraus resultierenden Ereignisse, sowie Pfarrer Peters Eingreifen, geriet Ha geriet in die Zeitlinie. Wurde dadurch, so seltsam es auch klingen mag, genau deswegen zu meiner „Hauptfrau“. Einer Rolle, welche von mir eigentlich Siriporn zugedacht war. War. Geschah nur nicht so, sondern gänzlich anders. Nichts würde mich je von Ha trennen können, denn das Leben mit seinen Höhen und Tiefen hatte uns für immer zusammengeschweißt, wir brauchten einander. Lieben uns dabei auf eine ganz besondere Art, welche nur wenigen Menschen vergönnt ist. Abriss. Bildwechsel.
Ha setzte sich auf meinen Schoß. Umarmungen folgten, ihr Duft vereinnahmte mich und während wir uns streichelten, setzte bei mir im Kopf ein Zeitsprung ein, sprangen die Gedanken rückwärts durch die Zeit, rasteten mit einem lauten Knall im Jahr 1991 ein. Fragen tauchten auf. Fragen, welche sich, rein logisch betrachtet, eigentlich von selbst verboten, denn es kam bekanntlich anders. „Hätte, hätte Fahrradkette“, lautete ein (fast) sinnfreier Spruch aus meiner Kindheit. Doch was wäre geschehen, nur angenommen, wenn es Siriporns Mutter 1991 nicht mehr gegeben hätte? Oder diese „normal“ und rational gehandelt hätte? Gehandelt als Mutter. Ohne ihre ausgeprägte religiöse Geistermacke, welche dem Familienkonzern bis heute seinen unguten Stempel aufdrückt. Ergebnis der fiktiven Betrachtung: Ha hätte ich niemals kennengelernt, denn ich wäre damals in Thailand geblieben, hätte geheiratet, mir mit Siriporn ein Leben aufgebaut. Sexuell, mein großer Schwachpunkt, hat mir Siriporn alles geboten, da blieben keine Wünsche offen und zudem war sie experimentierfreudig und offen.
Gedanken an andere Frauen, dafür sorgte allein schon ihr Aussehen, wären mir deshalb mit hoher Sicherheit nie in den Sinn gekommen. Sehnsucht kann man nur nach Dingen haben, wenn man Bekanntes vermisst, neugierig und gierig zugleich auf etwas Unbekanntes gemacht wird. Spezialität der Medien, Sehnsüchte jeder Art zu erzeugen. Über den Werdegang von Ha mochte ich nicht nachdenken. Dafür hatte es einfach zu viele Unbekannte und Variablen in der Rechnung. Fakt – sie hätte ihren Weg gemacht, keiner konnte ihr je die Butter vom Brot klauen.
Vielleicht wäre auf eine andere Art glücklich geworden? Glücklich? Ebenfalls Fiktion diese Frage: Man kann den Begriff „Glück“ erst dann in Vergleich setzen, wenn man eben einen Vergleich hat und den hatte sie nicht. Wer oder was definiert überhaupt Glück?
Korrekt betrachtet müsste die Frage lauten: Wäre sie mit einem Mann aus Vietnam, mit einem Leben als Händlerin in der Stadt glücklicher geworden, als mit einem deutschen Mann und der ewigen Wanderung zwischen den beiden Welten? Um diese Frage zu beantworten, hätte sie beide Wege über den gesamten Zeitraum von über 20 Jahren erst leben müssen und das schloss sie für sich bereits von vornherein aus. Wäre zudem unlogisch, denn das Leben bietet immer nur an, in eine Richtung gehen zu können. Diese Richtungen sind an Knotenpunkte gebunden. Erfahrungen gleichzeitig in Vietnam und in Deutschland sammeln, funktioniert nicht, denn es ist nicht möglich, zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten zu sein. So ist sie den Weg mit mir gegangen. Ohnehin, nach ihrem Verständnis, ist für sie nur ein Mann im Leben erlaubt.
Bewegung, Berührung, Duft nach Frau, meiner Frau, feuchte Lippen. Rücksprung. Die Realität drängte die konfusen Gedanken beiseite, holte mich wieder ein. Ha’s Hände tasteten mein Gesicht ab, fühlte ich mich schuldig und doch wieder nicht. Konnte nichts für mich selbst, meine Gene, meine Gefühle, meine unerfüllten sexuellen Sehnsüchte, welche andere Frauen an Ha’s Stelle erfüllten. Konnte nichts dafür, dass Frauen, ebenso wie Männer, nun einmal jede für sich, grundverschieden sind. Zärtlich erwiderte ich die Liebkosungen. Tat mir gut. Genoss ihren Duft, ihre Liebe, fühlte mich jedoch müde, ausgebrannt, wollte erneut einfach nur schlafen, Zeit und Raum dabei vergessen, doch der Tag hatte gerade erst begonnen.
Komme ich aus Deutschland zurück, ist es für mich immer ein Kulturschock. Bereits das Essen sorgt dafür. Reis und nochmals Reis, oft mit undefinierbaren Beilagen, gewöhnlich nicht gerade angenehm für deutsche Nasen duftend, korrekt ausgedrückt oft stinkend, bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Grund, weshalb es bei uns seit gut 25 Jahren eine gelungene Mischung aus Vietnam und Deutschland gibt. Essen aus Deutschland steht bei Ha ganz oben auf der Liste ihrer Begehrlichkeiten, sie liebt deutsche Küche, was auch Wurst und Schinken mit einschließt. Sofern diese, ausgenommen Leberwurst, nicht geräuchert sind. Geräucherte Produkte sind nicht so ihr Ding. Selbst bei Fisch streikt sie, kann „Matjes“, „Bismarckhering“, „Rollmops“ und ähnlichem nichts abgewinnen.
Dieses Mal hatte ich nichts dergleichen mitgebracht, es musste erst in meiner Küche produziert werden. Sehnsüchtig gierte die Sippe bereits darauf. Sagte nur nichts, denn Forderungen und Bitten dieser Art, sind ausschließlich Ha vorbehalten. Sämtliche Versuche der Familie und des Umfeldes, meine Wurst nachzumachen, endete regelmäßig darin, dass der Produzent mit gehobenen Zähnen seinen erbärmlichen Versuch allein verzehrte, sich selbst dabei lobte, vorhandene Hunde oder die Abfalleimer damit beglückte.
Frühstück mit deutschem Kaffee, Baguette, Butter, weichgekochten Eiern und Spiegeleiern war vorbei. Zufrieden trabte ich ins Büro, startete den Computer, hob alle Sperren auf, steckte die Festplatten aus dem Safe hinein, zog die zahlreichen Uhren auf, stellte die eine Hälfte auf die deutsche, die andere auf Lokalzeit. Zigarette an.
Durchatmen – das alte und doch neue Leben hatte mich wieder. Post durchsehen folgte. Sauer auf das blöde Mittagessen der ewig ungeschickten Schwiegertochter, welche selbst Wasser gekonnt anbrennen lässt, machte ich mich gleich nach dem Mittag an die Arbeit, produzierte einige Kilo Wurst, verfrachtete diese in die Räucherkammer oder die Kühlung. Ha half mit, leckte sich schon die Lippen und ich kam wieder einmal mehr zu dem Schluss, da sie deutsches Essen kannte, wäre sie mit einem vietnamesischen Mann eher unglücklich geworden. Anmaßender Gedanke, doch das Ego wurde bis in die letzte Zelle befriedigt. Fertig mit der Produktion. Aufräumen, sauber machen und duschen. Ha kochte uns Kaffee. Frühstück für 14 Tage war gesichert. Bedeutet, gute Laune gesichert. Ha freute sich schon ein Loch in den Bauch wegen der kommenden Delikatessen.
Morgen früh gibt es Bierschinken, Jagdwurst und Leberwurst. Für Mittag lagen Grillwürste im Kühlschrank. Zu allen Geistern betend hoffte ich nur, dass Madame Schwiegertochter nicht wieder die Kartoffeln für den geplanten Kartoffelsalat anbrennen lässt. Geschah glücklicherweise nicht. Blick auf die Uhr, es wurde Zeit, Ha verstand und lächelte.
Motorrad unter den Hintern geklemmt, ab in den barbarischen Straßenverkehr, rüber in meinen Tempel. Meldete mich bei allen Geistern und Ahnen zurück. Pflichtprogramm nach jedem Flug. Weise lächelnd, wortlos wie fast immer, grüßten mich meine beiden Mönche. Freunde von mir seit Jahren und heute betrachteten sie Worte wieder einmal mehr als überflüssig. Aufatmend setzte ich mich an den Kraftpunkt der Haupthalle, ließ die Energie durch mich fließen, versank für eine lange Zeit in einer anderen Welt, welche es heute ebenfalls vorzog, mit mir nicht zu kommunizieren. Keinerlei negative Gedanken störten mich, keine Erinnerungen an Rügen, an Thailand oder andere Länder. Man wurde eins mit dem Nichts. Rauschend zog es mich in sich auf, wurde zur Stille für eine unbestimmte Zeit, denn das Nichts kennt keine Zeit.
Dröhnend wies mir irgendwann der große Gong des Tempels den Weg zurück in meine Welt. Realisierte dabei, dass mir die ganze Zeit meine Freunde gegenüber saßen. Schweigend. Fleischgewordene Buddhas, so konnten sie leicht von oberflächlichen Betrachtern gehalten werden. Doch sie schwiegen nur an der richtigen Stelle, wie eben jetzt, wo jedes Wort den Frieden und die Besinnung auf sich selbst, gestört hätte.
Der Rückweg verlief zur Hauptverkehrszeit und beginnender Dämmerung, alles quirlte wie bescheuert durcheinander. Sind schon am Tag alle Regeln außer Kraft gesetzt, gipfelt es zu dieser Zeit in blanke Anarchie. Rücksichtlos, trotzdem deutsch vorsichtig, wühlte ich mich durch verstopfte Gassen, und Fußwege und die Hauptstraße zurück nach Hause. Verlernt hatte ich das Fahren im Chaos also nicht während der Abwesenheit.
Abends gab es deutsches Brot vom Franzosen aus Hanoi, französische Butter, importiert aus Australien und die erste feine Sahne–Leberwurst aus eigener Produktion. Schinken und Käse aus Deutschland, dies wieder reimportiert über Neuseeland. Einfach „Bemme und Brot“, wie Katrin–Mutter gewöhnlich salopp zu sagen pflegte. Kartoffelsalat fertig machen, Rauchpatronen in der Räucherkammer auffüllen. Weiter Räuchern. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Küche wurde von den Frauen gereinigt.
Ha erzählte mir im Schnelldurchlauf die Zeit meiner Abwesenheit. Erfuhr dabei, wer gestorben ist, wo es Nachwuchs gab, die letzten Ärgernisse mit der Polizei auf der Straße, welche uns nicht betrafen, denn die Uniformierten machten einen großen Bogen um uns. Unfälle kamen zur Sprache, derer hatte es wie üblich reichlich und sie erwähnte noch schadenfroh das Ergebnis der letzten Gemeindeversammlung. Thema Lautsprecher vor den Häusern war endgültig vom Tisch. Keiner wollte um Mitternacht zu Bett und 5 Uhr durch die Dinger mit Propaganda wach gebrüllt werden. Außerdem stören die „Brülltüten“ die frühen Gäste in den zahlreichen Nudelbuden bei der Unterhaltung zum Frühstück. Gehwege sollen neu gebaut werden und eine städtische Wasserleitung sei im Gespräch. Beklatscht von den roten Systemlingen, skeptisch begrinst von den Anwohnern. Man kennt das mit den „Projekten“. Planen, Gelder kassieren, vergessen, nächstes Projekt. Planen, einreichen, kassieren, verwerfen, usw.
Blümchensex um fast Mitternacht folgte, welcher Tags zuvor meinerseits wegen Stress und Übermüdung ausgefallen war. Lust auf diese einfache Art körperlicher Vereinigung verspürte ich nicht, gleich, wie sehr es meiner Frau auch gefiel. Kam eben einfach meinen ehelichen Pflichten einfach nach, schon um keinen Verdacht zu erregen. Siriporn, Saskia und Katrin, hatten andere Maßstäbe für Sex gesetzt. Ha kam zweimal zum Orgasmus, schlief, völlig erschöpft, Minuten danach ein.
Leise schlich ich mich nach unten in die Küche, trank einen Pott Kaffee und rauchte noch eine. Verdrängungschip arbeitete auf Hochtouren, katapultierte mich schnell in die Normalität zurück. Angenehm ruhig verlief diese Nacht. Nicht einmal, dass ich an das Arbeitspensum des nächsten Tages beim Einschlafen dachte. Siriporn, Saskia und Katrin blieben den Träumen fern. Sämtliche Erinnerungen und Probleme schienen ausgelöscht. Dabei kochten diese unbemerkt weiter, begannen sich hier und in der Ferne erst zu formieren. Bereit zum Zuschlagen, wenn es das Schicksal es so wollte.
Wie geplant und vereinbart, gab es Tags darauf den ersten Kontakt zu Katrin. Keiner wagt es sich, mich im Büro zu stören, trotzdem klickte ich die Tür zu. Katrins Symbol blinkte exakt zur vereinbarten Zeit auf dem Bildschirm auf und ich nahm, fast schon hektisch, an. Bedrückt wirkte sie, trotzdem gefasst, krampfhaft bemüht, sich ihre Trauer nicht anmerken zu lassen. Banalitäten machte die Runde, zogen mich erst einmal noch mehr runter, als es ohnehin schon der Fall war.
Doch da tauchte er wieder strahlend und souverän in mir auf – der alte Chef, Liebhaber und Weltenbummler. Katrin taute nur langsam auf, schaltete immer dann das Video ab, wenn ihre Tränen zu deutlich zu sehen waren, sie diese zu ertränken drohten. Mühsam lenkten wir nach einer zähen halben Stunde fast gleichzeitig das Gespräch auf den Kern. Morgen geht der Betrieb in der Uni weiter, würde sie ersticken im neuen Lehrstoff und will trotzdem ein Jahr überspringen. Hatte sich zum Ziel gesetzt, alles mit Eins oder knapp darüber abzuschließen. Spontan machte ich den Vorschlag, ausschließlich an Sonntagen zu telefonieren. Wichtige Textnachrichten gehörten auf eine Mailadresse, welche auch nur Katrin hatte. Wichtig, darauf lag die Betonung, genau dabei definierend, was unter „Wichtig“ fällt. Allmählich kehrte die Ratio bei ihr zurück und Katrin schien sich gefangen zu haben.
Ihre Finger tasteten auf dem Bildschirm mein Gesicht ab, geflüsterte Worte über Liebe und Trennung machten sich auf den Weg zu mir und zurück. Katrin wechselte das Thema hin zu Rügen, wurde allmählich lockerer, gelöster.
„Weißt du, im ganzen Dorf redet man über uns. Mopskugel Herr Pfarrer ist außer sich, dass es nicht geklappt hat mit einem kleinen Konzert von dir“, plapperte sie, die Worte von Katrin–Mutter belustigt repetierend, los.
„Stört mich nicht sonderlich und du kannst sicher sein, dass ich deshalb nicht in Tränen ausbreche“, meinte ich, was auch an dem war, denn Rügen war jetzt weit weg.
„Mich auch nicht“, endlich lachte sie und es war das unglaubliche Lachen, was mich schon vor Monaten um den Verstand gebracht hatte.
„Darf ich dir etwas sagen wegen der Kirche?“, ich verstand die Frage nicht ganz, sagte einfach „ja“ und wartete gespannt.
„Zugegebenermaßen kenne ich keine Orgelkonzerte, kann mich kaum an die Besuche einer Kirche mit meiner Oma erinnern“, begann sie, lächelte dabei schuldbewusst und schaute mir in die Augen. „Doch deine Hände haben mir eine neue Welt eröffnet.“
„Nun ist es aber gut“, versuchte ich abzulenken. „Erst treibst du mich an das olle Ding in Altefähr, dann zwingt mich Günter regelrecht an die Gurke im Dorf. Sollte ich mich mit dem Hintern draufsetzen, damit es schön quietscht? Entsetzt dann alle das Weite suchen? Habe halt nur Wünsche erfüllt und gelernt ist nun mal gelernt.“
„Wünsche ich mir noch einmal von dir“, flüsterte sie leise, „nein, werde ich mir noch oft wünschen und die Gelegenheiten werden sicher kommen“, war sie sich sicher.
Vorsichtig lenkte ich das Gespräch wieder zurück auf den Hof, fragte den Status von Mutter Katrin ab und sie sprang auf das Thema an. Mutter würde es blendend gehen, erzählte sie, morgen wäre die Nachschau im Krankenhaus, der Anwalt bittet nächstes Wochenende zum Tee. Nur weil es sich um Günter handelt, würde er am Wochenende und dies auch noch ohne Aufschlag, arbeiten. Fast kamen mir die Krokodilstränen vor Rührung, lachte mir gekünstelt einen weg. Sie fährt mit dem Zug, Günter holt sie mit dem Wagen in Stralsund ab, kauft dort gleich eine Bahncard für sie, wobei sie je nach Arbeitspensum entscheidet, wann sie in den Norden fährt. Tiefstes Misstrauen wegen des Notars flackerte in mir auf, sagte es ihr und sie wich dem Thema seltsamerweise aus, was ich nicht verstand. Für mich war es zu wichtig. Bettelnd schaute sie mich an, setzte ihren Blinkerblick auf. Demzufolge würde gleich etwas anderen kommen.
„Liebling, schickst du mir deine Bücher rüber? Du, ich will weiter Kochen lernen und unbedingt bitte das Buch über die Heilpflanzen mit dazu. Geht das?“
Schlagartig hatte sich meine Laune gedreht, wenige Mausklicks später sauste alles durch die Leitung, wurde jubelnd in Empfang genommen. Zeiten und Termine für Telefonate wurden ausgemacht. Beide würde uns der Alltag wieder umfangen, Trauer und Schmerz verblassen lassen, die Telefonate die Rosinen im Leben werden, wie früher auch.
Erneut tasteten ihre Finger, tausende Kilometer von mir entfernt über mein Gesicht, ich tat es ihr gleich und hatte dabei das irre Gefühl, als spürte ich wirklich dessen Konturen und Wärme. Gespräch endete. Zwei Wochen später landete die Kopie des Vertrages bei mir, an dem ich sofort eine Passage bemängelte, umgehend mit Mutter Katrin und Günter am Telefon besprach. Zwei Wochen später kam das nächste Dokument mit den Änderungen. Ich gab Katrin die Freigabe zur Unterschrift und Entwarnung. Mit Anwälten der Gegenseite ist bekanntlich selten zu spaßen und den Kerl betrachtete ich als persönlichen Feind von Katrin. Zwangsläufig ist er dann auch der meine.
Normalsterbliche verstehen nicht die aus Worten und Satzzeichen gebildeten Fallstricke im Beamtendeutsch und genau diese, sind die Spezialität von Richtern und Anwälten. Eigens dafür geschaffen, den Tribun am Boden zu halten, ihn zu beeindrucken und gefügig zu machen, notfalls hinter Gitter zu bringen oder finanziell in den Ruin zu treiben. Über Jahre hatte ich die Möglichkeit, genau diese perfide „Sprache“ zu lernen, sie dabei auf Punkt und Komma zu Hinterschauen, lernte es, den Fallstricken auszuweichen. Katrin wusste Bescheid, ich wachte über sie. Kein Papier, welches ich nicht ab sofort genau für sie unter die Lupe nahm. Notfalls mit Gerhard in Solingen im Detail besprach.
Monstrum Zeit verschliff die scharfen Wunden meiner Trauer zu Rundungen, welche nicht mehr sehr schmerzten. Irgendwo auf Günters Maisfeld lag seit Katrins emotionaler Entgleisung der abgekokelte Logikchip. Zu weit, um ihn zu holen, sicherlich zu beschädigt, als dass sich eine Reparatur lohnen würde. Schutzlos ohne Teufelchen und Chip, begann ich innerlich einen neuen Chip zu entwerfen und zu bauen. Schneller, besser, empfindlicher. Lautete zumindest der Plan und binnen kürzester Zeit war er fertig. Kaum war dieser installiert, ging es mir wesentlich besser, fühlte ich mich sicherer, erwog sogar, mir eine neue Schutztruppe der gehörnten Gesellen zuzulegen. Unterließ es dann aber aus unerfindlichen Gründen, schärfte dafür mein Bauchgefühl.
Wochen später, mitten in der Nacht, genauer gesagt, in den frühen Morgenstunden, klingelte das Telefon. Nummer unbekannt, Vorwahl Ausland und verschlafen, wie ich war, realisierte ich nicht, woher der Anruf kam. Dachte erst an die üblichen Verdächtigen, welche aus gewissen Ländern vorwiegend ältere Leute anrufen, Panik verbreiten, mit Verträgen abzocken, Geld fordern. Zu meiner Überraschung war Saskia am anderen Ende. Entschuldigen solle ich bitte, doch sie wollte es mir zuerst sagen und auf die Zeit habe sie nicht geachtet. Ohnehin wach, verzog ich mich, schon um keinen zu wecken, schnell ins Büro, stellte dort fest, dass die Uhr gerade 3 zeigte und sah erst dann, woher der Anruf kam. Dänemark. Erschien mir seltsam, um nicht gerade zu sagen beunruhigend. Augenblicklich aktivierte ich „Skype“ und wie vermutet, war sie dort online. Neuigkeiten waren es tatsächlich, die nächtliche Störung nicht grundlos.
Zurückgekehrt aus Dubai, wenn auch nur für wenige Wochen, schien Saskia ihr Ruf als Pferdespezialistin vorausgeeilt zu sein, oder einer der Scheichs, hatte diesen per fliegenden Teppich in der Welt der Pferdenarren verbreitet. Eigentlich wollte sie das zeitliche Loch dazu nutzen um einen Besuch von mir vorbereiten, doch es kam bereits das nächste Angebot vom Freund eines Freundes des Freundes. Man kennt das. Zeit für große Vorbereitungen blieb nicht und so fuhr sie einfach die 700 Kilometer von Solingen hoch nach Skanderborg, um sich dort einen ersten Überblick zu verschaffen.
Unglücklicherweise, jedenfalls für mich, verlief das Vorgespräch in Dänemark gut, ein dickes Geschäft lockte, erforderte jedoch zwei Jahre. Hieß für sie zwischen Dubai und Dänemark zu pendeln. Gefiel mir nicht. Schlimmer konnte der Tag für mich nicht starten, sagte es ihr auch. Wollte nach der Hiobsbotschaft wenigstens die Zwillinge sehen und sprechen. Fehlanzeige, nun war ich durcheinander mit der Zeit, die beiden waren in Solingen bei der neuen Mieterin im alten Haus und es sei schon zu spät für einen Anruf.
Reichlich Fotos und einige kurze Videos gab es als Entschädigung, welche ich erst einmal speicherte, beschloss, sie später in Augenschein zu nehmen. Ob Saskia soeben die Situation schön log, um mich zu so früher Stunde zu beruhigen, oder ob es wirklich an dem war, konnte ich aus der Ferne und in dem Zustand nicht beurteilen.
Vermissen würden mich die Kinder. Behauptete sie jedenfalls immer wieder. Ich unterbrach das Gespräch erst einmal an dieser Stelle, kochte schnell Wasser für einen Morgenkaffee. Während dieses seinem Siedepunkt entgegen trudelte, fasste ich den Entschluss, betreffs Katrin reinen Tisch zu machen, Saskia einfach alles zu erzählen. Seltsamerweise ging es mir leicht von den Lippen, ohne zu stottern, ohne groß nach Ausflüchten zu suchen. Sie schaltete nach wenigen Minuten das Video zu, verlangte von mir selbiges. Was ich zu sehen und zu hören bekam, verschlug mir die Sprache. Statt baff zu sein, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, wenigstens auszurasten, mich lautstark mit Vorwürfen zu überhäufen, grinste Saskia schlimmer als einer ihrer Gäule angesichts eines Eimers frischer Möhren garniert mit Honigmelonen. Schlimmer noch, schüttete sie sich fast aus vor Lachen. Konfus brach ich sie ab, verstand die Welt nicht mehr.
„Was gibt es da zu lachen?“, fragte ich gereizt, kam mir veralbert vor.
„Echt jetzt?“, krähte sie, wischte sich Tränen aus den Augen, „du hast eine 82–jährige gevögelt, nur weil es dir am Pimmel juckte?“
„Spinnst du? Wie kommst du auf 82?“, knurrte ich ärgerlich zurück.
„Egal, hätte auch 19 oder 50 sagen können. Mein Liebling hat es nicht mehr ausgehalten, weil seine Dosen allesamt ausgeflogen sind“, sie schüttelte sich weiter vor Lachen.
„He, nun mach mal langsam“, versuchte ich schwach zu protestieren.
„Rede dich nicht raus“, prustete sie, „amüsiert mich echt, wie wieder einmal Schwanz Gehirn ersetzte. Typisch Mann eben, typisch mein Matthias“, stellte sie fest, grinste.
„Hör mal zu …“, begann ich, wurde sofort unterbrochen.
„Ich weiß, ich weiß“, lachte sie laut, „kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Krieg dich wieder ein. Ehrlich jetzt“, sie wurde tief ernst. „Weißt du, dass ich dich jetzt noch mehr liebe als vorher? Kein Spaß, stimmt“, betonte sie.
Verdattert schaute ich in die Kamera: „Warum das denn?“
„Wegen Ha kannst du nichts. Wegen Siriporn auch nicht“, sie brannte sich eine Zigarette an, lächelte weiter. „Meinetwegen hingegen schon. Zumindest teilweise. Gut, ein wenig habe ich nachgeholfen, doch du hättest ja einfach gehen können damals im Hotel. Rest war einfach meine Boshaftigkeit. Du weißt schon …“, sie zog eine Schnute, feixte.
Womit sie sich auf Steffen und Sophie bezog. Boshaftigkeit würde ich nicht dazu sagen. Sie hat sich einfach nur das genommen, was sie wollte und ich ihr nicht gab.
„Ja und?“, jetzt tat ich so, als stünde mir einer auf dem Schlauch.
„Eifersüchtig, so ein ganz klein wenig, bin ich aber schon“, flocht sie ein, grinste.
„Ähm, wie soll ich das jetzt verstehen?“
„Nun ja, das Ding und dich, hätte ich die Tage ganz gut gebrauchen können. Hatte von dir geträumt und den Rest kannst du dir hoffentlich denken?“, konnte ich mir.
„Nein, was soll ich mir jetzt denken?“, tat ich unschuldig.
„Blödmann, mich zu ficken natürlich! Du glaubst nicht, wie nass die Hummel am anderen Morgen war“, gellend lachte sie auf und ich lachte mit. „Derzeit ist es die Kohle, welche mich außer Landes treibt“, gab sie ehrlich zu, „kann nicht genug davon bekommen, obwohl ich reichlich habe. Zum Thema zurück: Meine Hummel ist wenigstens so wuschig, wie dein Ding“, kicherte sie, „nur habe ich die voll unter Kontrolle! Siriporn weg, Ha liefert nur Blümchensex, wenn auch mit Liebe, ich bin weg. Sperma verkleistert dir die Birne und nichts da, um Druck abzubauen. Eigentlich bin ich selbst schuld an der Sache. Du, mein verfickter Liebling“, lachte sie wieder, „jetzt aber her mit Bildern!“
„Bitte?“, ich verstand nicht, was sie wollte, war aufgeregt, außerdem nicht ausgeschlafen.
„Richtig, mein Liebling! Will einfach nur sehen, wie die ausschaut, ob du deinen guten Geschmack behalten hast oder in deiner Not sogar Schreckschrauben mit fetten Ärschen und riesigen Titten vögelst? Wegen des guten Aussehens, denke ich natürlich an mich.“
Schüttete sich danach wieder aus vor Lachen. Meinte, sie wäre der Maßstab für mich bei der Frauenwahl. Verblüfft schaute ich sie an, tippte an die Stirn, zeigte ihr einen Vogel.
„Mach schon!“, forderte die Gegenseite, bekam sich kaum noch ein vor Lachen. „Zeig mal ein Foto von dem Püppchen! Wenn’s geht, eins im Bikini. Ganz ohne geht auch.“
„Ähm, kein Scheiß jetzt“, stotterte ich verlegen, „ehrlich, hab nur eins. Wirklich! Hatte sie mir mal geschickt und es ist unverfänglich. Sollte ein reiner Fickurlaub werden, ganz diskret. Deshalb waren keine Fotos erlaubt. Kennst mich doch. Ficken und tschüss.“
„Eier haben durchgeschlagen …“, lästerte sie und jetzt unterbrach ich sie, erzählte ihr im Schnelldurchlauf die Geschichte und Saskia hörte aufmerksam zu.
Kein Wort fiel ihrerseits, nur zwei Kippen landeten bei ihr lautlos im Aschenbecher.
„Ehrlich jetzt“, meinte sie in einer Pause, „könnte ich gewesen sein. Erwartest du jetzt, dass ich durchdrehe? Lass mich raten“, jetzt kicherte sie, „du hast gedacht, ich kotze ab vor Eifersucht? Komm …“, sie winkte ab, die nächste Zigarette glühte auf.
Verbergen konnte ich meine Überraschung nicht und sie amüsierte sich köstlich.
„Pass auf, mein Liebling“, und bei der Anrede zuckte ich zusammen, „ich informiere Siriporn und du fickst die Braut mal schön weiter. Weswegen hast du mir eigentlich alles erzählt? Schlechtes Gewissen oder einfach nur Ehrlichkeit. Du, ich tippe Letzteres.“
Fassungslos glotzte ich sie an, bestätigte mit einem Nicken ihre Vermutung.
„Und genau deswegen, liebe ich dich jetzt noch einen Strich mehr!“, stellte sie fest, grinste breit. „Katrin heißt sie, hattest du vorhin gesagt?“
„Sagte ich das schon? Ja, meine, es stimmt. So heißt sie.“
„Und die wird echt Frau Doktor? Gefällt mir richtig. Fast wie eine Kollegin.“
„Warum Siriporn? Warum willst du sie anrufen?“, fragte ich misstrauisch, wobei mir nicht einmal auffiel, dass sie von dieser keine Telefonnummer haben konnte.
„He, Siriporn hat die ideale Urlaubsdestination!“, plapperte sie belustigt weiter. „Rügen wäre jedoch auch nicht zu verachten. Stelle mir einfach nur ein geiles Treffen von uns Frauen vor, um mal richtig über dich herziehen zu können. Selbstredend müsstest du uns Weiber bekochen und nachts allein schlafen. Zumindest ich könnte es nicht ertragen, dass ich eine andere mit deinem Schwanz in sich stöhnen höre.“
„Genug jetzt!“, blaffte ich los, „willst mich ärgern? Geht jetzt einen Strich zu weit!“
Sie lachte laut, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen: „He, oder einen vierer? MFFF, wie es so schön heißt?“, sie verdrehte die Augen nach oben. „Packst du das überhaupt?“
„Halte endlich die Klappe“, forderte ich, begann mich wirklich zu ärgern.
Beeindruckte Saskia nicht die Spur, denn sie stänkerte locker weiter.
„Überlege mal, Liebling. Bei einem guten Glas Wein könnten wir Weiber lästern bis zum Abwinken. Ohne Fickgeschichten versteht sich. Fällt mir gerade so ein – wäre eigentlich ganz interessant zu wissen, ob du es allen Frauen gleich gut besorgst?“
Erneut blieb mir der Mund offen stehen, was ihr gefiel es, denn sie legte sofort nach.
„Zumindest meine Wünsche sind bekanntlich recht speziell, kennst glücklicherweise nur du“, ihr Blick fraß sich durch meinen Monitor, brachte unten ein noch hängendes Körperteil in Aufregung, „oder hast du wo geplaudert? Na, rede schon!“
Endgültig klappte mir der Unterkiefer herunter, Saskia lachte sich darüber schlapp.
„Denke mir, du als Künstler passt dich jeder Frau an. Weißt du, mein Liebling, war mir klar, dass es mal dazu kommen wird. Undenkbar für mich mit einem anderen Kerl, aber dir gestehe ich das einfach zu. Verstehe es. Sei ganz beruhigt!“, flötetet sie und schon fiel ihr die nächste Boshaftigkeit ein.
„Pass nur auf, dass dir Frau Doktor keine Zwillinge serviert! Ich kenne da so ein boshaftes Weibchen, die hatte das voll drauf. Liebt dich aber wirklich.“
„Saskia!“, fauchte ich sie an, wusste nicht, ob ich lachen oder abschalten sollte.
„Krieg dich wieder ein“, lachte sie, „ehrlich gesagt, sind die Zwillinge von mir boshaften Weib ausnehmend gut geraten. Optisch übrigens auch. Kein Wunder bei der Zauberdose, welche diese in monatelanger Kleinarbeit aus so ein paar lumpigen Tröpfchen weißer Pampe aus deinem Ding kreiert hat.“
Jetzt bedauerte ich die Entfernung zwischen uns. Späße dieser Art mochte sie genau wie ich auch. Übertraf mich manchmal glatt. Wäre sie jetzt in Reichweite meiner Hände, würde ich ihr erst den Hintern versohlen und dann so fertig machen, bis sie um Gnade wimmert. Schwer zu schaffen, hatte ich aber schon.
Einerseits war ich erleichtert, andererseits verärgert. Verstand nicht, dass sie es so locker sah. Würde sie mir derartiges mitteilen, ich wüsste nicht, wie ich reagiere. Außer mit dem sofortigen Abbruch der Beziehung. Freute mich aber über Saskias Reaktion. Knapp eine Stunde ging es noch um ihre Arbeit und vor allem um Steffen und Sophie. Beide würden schon gut Englisch sprechen, wechseln blitzschnell die Sprachen und sie hatte deswegen zusätzlich einen Lehrer engagiert, teilte sie stolz mit. Steffen und Sophie scheinen eine regelrechte Macke für Fremdsprachen zu haben, weigerten sich aber über die wenigen Wochen in Dubai ohne Angabe von Gründen standhaft, auch nur ein Wort Arabisch zu lernen. Kein Problem, heimliche zweite Amtssprache ist ohnehin Englisch.
Wohl fühlen würden sich die beiden, betonte sie immer wieder, nicht in dem Wüstenstaat und sie überlege, ob sie nicht die Zelte dort abbrechen solle. Riet ich ihr sogar dazu und sie nickte immer wieder bestätigend. Saskia ist gespannt, wie es sich in Dänemark entwickeln wird. Steffen, erzählte sie mir, was mich wieder freute, zeigt jetzt schon handwerkliches Geschick, mag alles, was mit Strom und Mechanik zu tun hat.
„Kommt voll nach dem Vater“, lächelte sie, „deshalb werde ich dafür Sorge tragen, dass ihr zwei Männer mal eine lange Zeit miteinander verbringen könnt.“
Bevor das Gespräch endete, machte sie mir noch schnell klar, dass es mit Telefonaten für eine gewisse Zeit eher schwierig werden dürfte. Ließ grinsend aber auch keinen Zweifel daran, dass ich mich mehr oder weniger auf dem Sprung halten solle, weil sie Termine organisiert. Warum und weshalb bedurfte keiner besonderen Erklärung.
Wochen vergingen nach dem Gespräch, welches mir nicht aus dem Kopf ging, nur langsam in seiner Brisanz verblasste. Ertappte mich sogar dabei, die Frauen hinsichtlich ihrer sexuellen Reize und Praktiken zu vergleichen. Schob brüsk diese Gedanken als Sakrileg beiseite, dachte verstärkt mehr an Katrin, denn Saskia machte sich rarer und rarer, tauchte dann in Dänemark oder Dubai ab und das Schweigen tat weh. Lediglich einmal pro Woche bekam ich eine Mail mit ständig dem gleichen Text: „Läuft alles zur Zufriedenheit, keine Sorge. Ich liebe dich!“ Einziger Unterschied bestand darin, dass im Anhang immer neue Bilder der Zwillinge hingen. Siriporn und Sirikit meldete sich dafür regelmäßig von ständig wechselnden Nummern, erzählten mir den Fortgang der Arbeiten im Tempel. Täglich wartete ich auf einen Anruf von Katrin, nichts geschah. Günter und Mutter Katrin waren nur schwer zu erreichen, hielten mich aber hinsichtlich der „langen Dern“ auf dem Laufenden. Plötzlich ging es wieder los mit Katrin. Entweder trudelte alle zwei Tage eine Mail ein, oder sie rief an. Ihr Verhalten änderte sich von gestresst und leicht überreizt, wieder hin zu aufgedreht und fröhlich.
Eigentlich war es fast wie früher vor unserem Treffen in Düsseldorf. Hauptthema der Gespräche war anfangs Rügen. Schickte sie mir Bilder von Stralsund, ihre neuen Eltern, sie meist mit auf den Fotos. Allerdings schickte sie Bilder immer erst nach Erlaubnis. Zu groß war ihre Sorge, dass mich diese in Bedrängnis bringen könnten. Wochen später veränderte sich abermals die Situation und das gefiel mir nicht. Häufiger und häufiger war sie nicht zu den ausgemachten Zeiten erreichbar.
Schaltete sie schon einmal bei den immer seltener werdenden Telefonaten die Videoverbindung ein, wirkte sie müde, ausgelaugt, abwesend, hatte Ringe unter den Augen, wich konkreten Fragen aus. Besorgt fragte ich nach, bedrängte sie, schob ihren Zustand auf das Studium und den Stress. Katrins Eltern beklagten sich, die Tochter wäre völlig überlastet, würde nur selten kommen und telefonieren. Wochenlang brach die Verbindung komplett ab, ich drehte fast am Rad, verbiss mich in meine Arbeit, um selbst verdrängen zu können. Weihnachten und Neujahr verging, kein Kontakt zu ihr, meine Seele litt Höllenqualen. Eines Tages flatterte eine Mail rein. Inhalt die Kopie ihres Studienabschlusses, geschafft mit der Note 1, wobei sie ein ganzes Semester übersprungen hatte. Hatte sie bekanntlich so geplant und wie man sah, auch erreicht.
Außer mir vor Freude verbrachte ich einen ganzen Tag in meinem Lieblingstempel, schickte Wünsche über die Mönche in ihre Studentenbude. Ab März war sie regelmäßig zu erreichen, sämtliche Sorgen und der ganze Stress schienen von ihr abgefallen. Lustig und gut gelaunt, so wie ich sie kannte. Auffallend bei den Gesprächen – niemals fiel ein Wort über die gemeinsame Zeit und ich unterließ jede Nachfrage nach dem „Warum“, machte mir natürlich meine Gedanken dazu. Wolken zogen durch mein Gemüt, ich verschwand für eine ganze Woche hoch in die Berge, um dort zu meditieren. Mir schwante schlimmes, konnte es freilich nicht benennen.
Von meinen Freunden Günter und Katrin erfuhr ich, dass deren neue Tochter ihr Praktikum in Stralsund absolviert, sie jetzt bei ihnen wohnt. Jedoch hatte es auf dem Hof kein Internet. Heiner würde sich darum kümmern, dauert eben, wie alles in Mecklenburg, wo bekanntlich die Zeit nicht erfunden wurde. Wieder Wochen später, der Tag meiner Rückkehr hatte sich gejährt, kam die erste Mail aus dem Dorf.
Sehr geehrter Herr S., bezugnehmend auf unser Gespräch am xx.xx.20xx in Düsseldorf möchte ich Sie bitten, mir einen Tourenplan (inklusive Kostenvoranschlag) im Zeitraum vom xx.xx.20xx bis zum xx.xx.20xx, zu unterbreiten. Ich bevorzuge den Norden von Vietnam mit Ausflügen in die Natur. Bitte kein „Home–Stay“! Als Unterkunft reicht mir ein Hotel der mittleren Preisklasse am Rande der Stadt. In Erwartung einer zeitnahen Rückantwort verbleibe ich mit freundl. Grüßen aus Duisburg. Katrin P.
Offenbar wollte sie ganz sicher gehen für den Fall, dass Unbefugte meinen Mailverkehr lesen würden und das, obwohl ich ihr x–mal erzählt hatte, dass an meinen Computer keiner rankommt. Irgendwie belustigte mich die übertriebene Vorsicht. Schnell eine Zigarette an, schon hämmerten die Finger eine ebenso förmliche Antwort zurück. Neben dem Gruß zum Schluss hängte ich ein lachendes und zwei knutschende Smileys. Mit Sicherheit würde sie den Wink verstehen. In die Anlage flog sofort ein 0–8–15 Tourenprogramm, gefolgt von „Enter“ und die Nachricht ging auf die lange Reise um den halben Globus. Kaum eine Stunde später kam die Antwort. Locker und entspannt, erneut ohne auf unsere gemeinsame Zeit Bezug zu nehmen, wurde das Angebot formal bestätigt, sich artig bedankt und die Vorauszahlung, welche jedem Tourenprogramm anhängt, angewiesen. Ärgerte mich etwas, denn ich hatte diese nicht verlangt.
Dummerweise bekam meine Frau davon sofort Kenntnis, denn das Konto läuft auf ihren Namen. Ihr Handy empfängt die Nachrichten der Bank, wenngleich ich auf dieses den gleichen Zugriff habe wie sie. Meine ganze Sippe freute sich auf den neuen Gast.
Zusammen mit Ha stellte ich die Weichen auf eine zwei Wochen Ausbildung bei einem Spezialisten für Naturmedizin. Warten war angesagt, ich fieberte ihrer Ankunft entgegen, zählte die Tage mit einem aufgehängten Messband aus der Schneiderei rückwärts. Machte man bei uns in der Armee so, wenn es dem Ende der Wehrzeit entgegenging. Jeden Tag fiel ein Zentimeter, als Symbol für einen verlorenen Tag des Lebens, der Schere zum Opfer.
Katrin antwortete ab der Zahlungsbestätigung weder auf meine Mails, noch war sie über Telefon oder „Skype“ zu erreichen. Rügen schwieg wie ein steinzeitliches Hünengrab. Notgedrungen nahm ich dies erst einmal zur Kenntnis, probierte es täglich weiter, doch selbst Günters Telefon schien abgeklemmt zu sein. Klingelte nur durch und durch und keiner nahm ab.
Dummerweise hatte ich die Nummern von Heiner und Jochen versaubeutelt. Konnte also nirgendwo nachfragen und im Telefonbuch standen die Polizisten aus verständlichen Gründen nicht. Endlich, einen Tag vor Katrins mutmaßlicher Ankunft, erwischte ich Günter. Zwanzig Minuten Gelaber mit tosendem Schweigen später, garnierte mit reichlich „jo, jo“, und „min Jung“, bekam ich endlich zu erfahren, dass wohl ein Bagger eine Telefonleitung zerlegt hatte. Deshalb hätte es die Probleme mit dem Telefon. Ach ja, und bevor er es vergisst, die „lange Dern“ sei heute Morgen weg – „zu dir rüber in die Pampas. Weißt du doch sowieso, jo“. Immerhin wusste ich jetzt, dass sie morgen kommt und das erleichterte mich unglaublich, stimmte mich glücklich.
Abend ging ich mit Ha sogar essen und sie wunderte sich über meine gute Laune, dass ich ihr Lieblingsessen bestellte und mitaß. Schnecken vietnamesischer Art sind sonst nicht mein Hit. Mehr, auch wenn der Vergleich nicht sonderlich appetitlich klingt, erinnern mich die kleinen Dinger, eingetaucht in Fischsauce mit Chili und Ingwer, an „Ziehpopel“, wo der halbe Naseninhalt mit angehängt ist. Geschmacklich sind die Schnecken weder ein Renner, noch verleiten diese mich diese zum Kauf einer zweiten Portion. Was sicherlich nur an dem verwöhnten deutschen Gaumen liegt, denn Vietnamesen verdrehen gewöhnlich lustvoll die Augen und hauen rein.
Beiläufig ließ ich früh am Morgen verlauten, dass ich den Gast abholen müsse, ja, den von der Küste, die Ärztin, welche hier den Kurs gebucht hat und dass ich den Termin beinahe verschwitzt hätte. Man wird eben täglich älter und kann schon mal vergessen.
„Oh, meinst du die große Frau Doktor?“, wurde gefragt, damit war das Thema erledigt.
Schnell noch einen Kaffee gegönnt und los ging es. Nervös, eine nach der anderen am Eingang rauchend, stand ich bereits eine Stunde vor Landung der Maschine am Airport. Pünktlich wie angegeben trudelte der Flug ein. Innerlich zitternd platzierte ich mich so, dass ich durch eine Lücke im Muster der Milchglasfenster das Gepäckband sehen konnte und wartete ungeduldig. Unübersehbar aufgrund ihrer Größe, tauchte Katrin, um die Schulter die unvermeidliche Umhängetasche Marke „Öko“, nach einer weiteren Stunde Wartezeit am Band auf, griff sich nach weiteren 30 Minuten einen monströsen Rucksack und kam langsam zum Ausgang.
Keinerlei Kontrollen bei ihr, welche ohnehin äußerst selten bei weißen Ausländern erfolgen. Sie lief einfach hindurch. Surrend öffnete sich die Tür und wir standen uns Auge in Auge gegenüber. Ganz anders als bei unserer ersten Begegnung, wie zwei völlig Fremde und ich konnte mir erst einmal keinen Reim darauf machen. Unterkühlt beschreibt die Begrüßung am besten, woran auch das aufgesetzt wirkende Lächeln nichts ändern konnte. Zwei flüchtige Luftküsse über die Schulter, ein flüchtiger Handschlag, wobei ich registrierte, dass die Hand schweißnass war. Ungewöhnlich, denn der Flieger ist genauso klimatisiert, wie die Gebäude im Airport.
Längeren Blickkontakt vermied sie, drehte sich dafür ständig um, musterte die Leute, so als habe sie Sorge, dass sie beobachtet wird. Äußerlich gelassen tuend, liefen in meinem Kopf sämtliche Gedanken Amok. Was war nur mit ihr los? Logikchip arbeitete auf Hochtouren, sammelte und analysierte Daten, riet zur Beruhigung und ich tourte innerlich ab. Bemerkenswert vorteilhaft, noch mehr als ohnehin schon, hatte sie sich in ihrem Äußeren verändert. Ihre Haare reichten jetzt weit über die Schultern bis fast zur Mitte des Rückens und waren zu einem dicken Zopf geflochten. Stand ihr richtig gut. Einbildung oder nicht, ein paar unbedeutende Pfunde hatte sie wohl auch zugelegt.
Konnte aber auch an der weiten Kleidung liegen. Aber das würde ich später noch zu sehen bekommen und befand es momentan für nicht so bedeutsam, um darüber nachzudenken.
„Taxi oder gleich das erste Abenteuer mit dem Motorrad durch den Höllenverkehr?“, wollte ich von ihr wissen, „ich fahre dann hinterher bis zum Hotel.“
„Sturzhelm?“, ein Wort, gestellt als Frage, ohne jede ersichtliche Emotion.
„Draußen an der Maschine“, damit war die Sache mit dem Taxi geklärt.
Schwer war ihr Rucksack, die 30 Kilogramm Freigepäck mit Sicherheit gut ausgenutzt und das machte mich stutzig. Wozu dieses Gewicht und die Menge? Hier hatte es doch alles für sie. Kurz am Motorrad überlegend, sie wegen der Hitze und hohen Luftfeuchte nach Luft schnappend, öffnete ich die U–Box und holte einen Gurt heraus. Skeptisch schaute sie mich an, schien zu überlegen, wozu ich diesen brauche. Ohne mich auf Diskussionen einzulassen, legte ich den Gurt um sie.
„Aufsitzen, dann erst den Rucksack auf den Rücken.“
Folgsam tat sie es, ihr Blick blieb dabei kritisch, tendierend zu fast schon ängstlich. Kaum aufgesessen, schlang ich den Gurt um uns beide, zog stramm zu. So konnte sie mir nicht bei heftigen Ausweichmanövern herunterfallen, das Gepäck sich nicht selbstständig machen. Bis zur Mautstelle ging es gemächlich, was ihr trotzdem nicht geheuer war. Ringsum wurde gedrängelt, geschnitten und gehupt wie üblich. Amüsiert registrierte ich ihre schreckhaften Verkrampfungen auf dem Sozius, vor allem dann, wenn es, zumindest in ihren Augen, etwas knapp wurde. Autobahn war erreicht und ich drehte auf, ertappte ich mich immer wieder dabei, die nächste scheinbare Gefahrensituation, zumindest mit ihren Augen betrachtet, zu provozieren. Mir macht nach den Jahrzehnten Vietnam keiner mehr vor, wie man fahren muss. Kenne dazu die Maschine besser als meinen Schwanz, beherrsche sie, wie meine Finger, in jeder Situation. Weiß zudem genau, wie die Leute im Verkehr ticken und dem liegt ein einfaches Muster zugrunde: Jeder denkt und jeder denkt, nach europäischen Verständnis betrachtet, falsch. Fahrerlaubnis ist ohnehin zum größten Teil gekauft und so verwundert die Fahrweise Eingeweihte weniger. Mit etwas Erfahrung ist dieses Chaos gut vorhersehbar.
Vietnamesen fahren, wo irgendwie Platz ist, schrieb einmal ein „Experte“, welcher ansonsten keinerlei Ahnung von Land, Leuten und Kultur hatte. Dieser eine Punkt stimmte in etwa. Ob Straße, Bürgersteig oder Trampelpfad, ist Vietnamesen egal. Wenige Zentimeter reichen den Bewohnern des Landes aus, um jedes Risiko zu wagen und sei es auch noch so groß. Ordnung und Regeln gewöhnte und übervorsichtige Ausländer haben schneller als gedacht „Bremsspuren“ der Angst in den Unterhosen. Kleben im Extremfall frontal am nächsten LKW, Bus oder Betonmast; werden von Rädern der Laster zermalmt. Landen mit Glück in den verkeimten Krankenhäusern. Andernfalls eingesargt oder als Urne im Laderaum des nächsten Flugzeuges.
Katrin gab sich schweigsam während der Fahrt, jedes Wort musste ich ihr aus der Nase ziehen, bis wir an ihrem Hotel am Rande von Hanoi angekommen waren. Immer wieder ermahnte sie mich nervös auf den Verkehr zu achten, nicht so viel zu reden, nach vorn zu schauen. Unüberhörbar zitterte ihr Stimme an manchen Stellen. Angekommen im Hotel, nach einer halben Stunde nervigen Stadtverkehrs mit Drängelei und Lückenspringen, übernahm ich die Formalitäten. Englisch in der Rezeption, wie fast überall, Fehlanzeige.
„Bringst du mich ins Zimmer?“, fragte sie leise.
„Warum fragst du das erst? Sicher doch.“
Schnaufend und stöhnend buckelte ein schmächtiger junger Kerl das Gepäck ins Zimmer und verschwand laut pfeifend im Treppenhaus. Katrin schloss die Tür, suchte krampfhaft nach einem Schlüssel. Grinsend drückte ich auf den Zentralknopf zur Verriegelung. Schlösser dieser Art sind in Deutschland fast unbekannt.
„Hier wird gedreht und nicht gedrückt“ erklärte ich kurz, „statt Klinken hat es den Drehknauf. Ist hier die Verriegelung.“
„Mir egal. Ist jetzt richtig zu?“ fragte sie, worauf ich nur nickte.
Völlig überraschend trat Katrin an mich heran, schob mich rückwärts wie eine Puppe an das Bett, drückte mich runter, ließ sich auf mich fallen und überdeckte mich mit Küssen. Überrascht ließ ich es geschehen, wartete geduldig, bis sie aufhörte.
Erst Eisblock und nun das? Tief durchatmend setzte sie sich auf und ich sah, dass sie Tränen in den Augen hatte und davon mehr als genug.
„Was ist los?“, fragte ich besorgt, „Mädchen, du hast Urlaub und Wasser in den Augen? Was soll das denn?“, unbeholfen wischte ich ihr mit den Fingern die Tränen ab.
„Endlich bin ich bei dir“, schluchzte sie, klammerte sie an mir fest, ihre Küsse nahmen und nahmen kein Ende.
Fragen zu dem dreiwöchigen Schweigen brannten mir auf den Lippen, bremste mich, wollte, dass sie mit Erklärungen beginnt. Nur ließen diese auf sich warten, klammerte und küsste sie pausenlos weiter, überschüttete mich mit Liebkosungen.
„Ausbildung und Studium ist fertig, weißt du ja, mache mein Praktikum, schreibe gerade an meiner Doktorarbeit. Heißt, ich habe schon mal damit angefangen“, antwortete sie wie eine Aufziehpuppe, wenngleich auch nicht meine Frage beantwortend.
„Glückwunsch! Mensch, freu dich doch. Jedenfalls freue ich mich für dich.“
Sie setzte sich auf und sah mir mit einem Blick in die Augen, welcher mich fast erschauern ließ. Deuten konnte ich den erst recht nicht.
„Weißt du, warum ich hier bin? Überhaupt so schnell hier bin?“, anklagend klang es.
Mir war es klar, meine Lippen hüllte sich vorerst in Schweigen. Lange ließ die Erklärung nicht auf sich warten. Ihr war anzusehen, dass sie sich innerlich erst sammeln musste. Liefen bei ihr die Emotionen Amok, war es bei mir die Logik.
„Seit wir uns getrennt haben, gab es kaum eine Minute, in welcher ich nicht an dich gedacht habe“, sprudelte es aus ihr heraus, „alles ist so vertrackt und verfahren. Nun weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll.“
„Was weitergehen? Du bist doch hier und es geht weiter!“
„Vollidiot, du großer!“, Katrins Stimme nahm unvermutet einen scharfen Tonfall an, ihr Blick wurde kalt, dann wieder weich und verliebt.
„Auch wenn ich mich zum tausendsten Mal wiederhole, nicht nur, dass ich mich echt in dich verknallt habe, ich drehe fast durch vor Liebe zu dir! Muss ich den Scheiß eigentlich ständig wie ein Papagei wiederholen?“
Eigentlich auch nichts weiter wie mir lange bekannte Fakten und es ergab einfach keinen Sinn, diese endlos zu wiederholen. Betroffen schwieg ich erst einmal, wartete die nächste Ansage ab. Sicher würde noch mehr von kommen und behielt recht damit.
„Vietnam interessiert mich zu 1 Prozent, nur deinetwegen bin ich gekommen!“, überall im Kopf und Bauch gingen Warnlampen mit der Aufschrift „Beziehungsstress“ an, blinkten hektisch. Alarmsummer brummten.
Völlig klar, dass sie nur wegen unserer Beziehung gekommen war. Die avisierte Schule für Naturheilkunde war nur eine nette Dreingabe zum Urlaub.
„Los, fick mich jetzt!“, forderte sie und begann sich auszuziehen.
Warf die Kleidung von sich wie lästige Lumpen. Kaum eine Minute später stand sie nackt, schön wie eh und je vor mir. Nichts war mit Pfunden zugelegt, wie auf den ersten Blick vermutet, es lag an der weiten Kleidung. Zwischen meinen Beinen regte sich nichts, denn auch der Kumpel hatte den tiefen Sinn der Worte verstanden und beschloss hängend nachzudenken, das Problem zu erfassen und ohne einen erzwungenen Abschuss zu lösen. Nur war kein Wald und kein Tempel als Ort zum Nachdenken in der Nähe.
„Zweimal habe ich es mir im Flieger selbst besorgt, hatte immer dein Gesicht und dein Ding vor Augen. Mit den Fingern hab ich es gemacht, denn einen Dildo schleppe ich nicht mit“, sprudelte es weiter aus ihr heraus. „Immer noch sind mir deine Erzählungen von den hiesigen Männern im Kopf präsent. Denen vom Zoll wollte ich auch keine Freude bereiten“, ließ sich Katrin mit rauer Stimme vernehmen.
Noch immer machte ich keine Anstalten mich auszuziehen, schluckte stattdessen eine sarkastische Bemerkung wegen der Selbstbefriedigung im Flugzeug runter. Unvermutet ergriff sie die Initiative. Ungeduldig zerrte sie mir erst die Hose, dann das Hemd und zum Schluss die Unterhose herunter.
Überrascht betrachtete sie sich den kleinen Freund zwischen meinen Beinen, welcher seinem Namen in dieser Situation alle Ehre machte. Gierig nahm sie ihn in den Mund, spuckte ihn sofort wieder aus.
„Stinkt“, stellte sie fest.
„He, nach der Ouvertüre mit Anklage, bei 40 Grad im Schatten zur Mittagszeit, der Fahrt und ohne Duschen …“, wollte ich erklären, versuchte mich zu erheben.
Unwillig unterbrach sie mich, drückte mich fest auf die Matratze, drückte mich so fest runter, als wolle sich mich für alle Zeiten in dieser Stellung fixieren.
„Stinkt gut“, ergänzte sie bedeutungsvoll ihre erste Aussage, „wie damals in unserem Bett in Duisburg“, stellte sie fest und setzte das Blaskonzert fort.
„Unser Bett“ hatte sie gesagt und das tat gut. Mehr widerwillig als wirklich bereit, zeigte der Lümmel nach einiger Zeit erste Reaktionen gegen die übermächtige Schwerkraft doch noch anzukämpfen. Stieß ungeduldig gegen ihre vollen Lippen. Was sie sofort registrierte und ihn wieder kraftvoll einsog. Vorhaut vor, einsaugen, dabei Vorhaut zurück. Vorhaut im Mund wieder hochziehen und alles wieder von vorne. In dem ständig wachsenden kleinen Freund rauschte es förmlich. Völlig unerwartet schoss der Saft nach oben und ich entlud mich mit lautem Stöhnen in ihrem Mund. Ohne abzusetzen, saugte sie alles in sich hinein, schluckte, ließ ab von mir und strahlte mich an.
„Jetzt geht es mir besser, mein Liebling!“
Schlagartig ertönte in meinem Kopf der Alarmgong; kaum vor Ort und schon kam wieder das Wort „Liebling“ und das bereitete mir Sorgen.
„Schau nicht so entgeistert!“, murrte sie, „brauchst keine Angst zu haben, denn ich halte mich an unsere Abmachungen! Wie ich dich kenne, hast du ohnehin Vorsorge getragen, dass ich dir nicht gefährlich werden kann“, lächelte sie allwissend.
Alarmgong im Kopf verstummte, gut zehn rote Warnlampen blieben aber noch an, glimmten, gingen wieder aus, leuchteten wieder grellrot auf, flackerten weiter. Katrin übernahm die Führung. Etwas, was mir überhaupt nicht zusagte.
„Wie lautet das Programm?“, fragte sie und drehte sich dabei suchend im Zimmer um.
„Was suchst du?“, wich ich aus.
„Cola, Saft, Tee, Kaffee.“
„Kaffee?“, bestätigend nickte sie.
„Kommt sofort“, Hose anziehen, Hemd an, Tür auf, ins Treppenhaus nach Kaffee gerufen, Tür zu und wieder setzen.
„Was war das?“, fragte sie misstrauisch.
„Wie gewünscht habe ich Kaffee bestellt. Herzpillen dabei?“
„Herzpillen? Wofür? Eigentlich möchte ich nur einen Kaffee.“
„Bekommst du auch, nur haut der eben anders rein als deutscher Kaffee. Zur Not hat es Besenstiele zum Festbinden im Haus. Glaube mir, das Zeug haut fast jedem die Füße weg. Schmeckt aber gut, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat.“
„Ach so“, nachdenklich sah sie mich an. „Eigentlich möchte ich sofort wieder zurück zu Mutter und Vater“, sagte sie leise, „weißt du, wie oft ich auf den paar Kilometern hierher vor Angst fast gestorben bin?“
„Nö, ist mir auch egal. Hätte dir als Halbmediziner sofort Mund–zu–Mund–Beatmung verpasst. Überlebt hättest du mit Sicherheit“, grinste ich frech.
„So, so, hättest du wirklich? Ich habe mir vorgenommen, dir keine Kopfnüsse mehr zu geben. Vorgenommen bedeutet aber nicht, dass ich das auch einhalte“, betonte sie ihr Bekenntnis, drückte mich wieder nach unten auf das Bett.
Laut klopfte es an der Tür, sie schreckte hoch, sprang ins Bett und deckte sich zu. Kaffee wurde mir auf einem großen Tablett an der Tür in die Hand gedrückt. Skeptisch besah sie sich das teerschwarze Gesöff, schnuppert daran.
„Hat es hier keine Milch oder Kaffeesahne? Zucker wäre auch nicht zu verachten.“
„Alles schon drin, einfach umrühren“, erklärte ich.
Zögernd tat sie es und schon färbte sich die Schwärze in sattes goldbraun um.
„Riecht ein wenig nach Kakao“, stellte sie prüfenden schnuppernd zutreffend fest.
„Ist aber keiner enthalten. Rede nicht so viel, trink endlich. Weckt dich auf und hält dich munter. Wirst du brauchen, denn sonst kippst du mir um.“
„Scheiße noch mal! Alter Schwede, was ist das denn?“, meinte sie entsetzt nach dem ersten Schluck und blies die Backen auf.
„Weiter trinken, gibt sich gleich“, erklärte ich, „jeder Tropfen von dem Zeug bringt dich unweigerlich dem Tod, dem ewigen Leben oder der Auferstehung näher.“
Vorsichtig nahm sie den nächsten Schluck: „Wie viele sterben daran?“, fragte sie und verdrehte die Augen, „verdammt noch mal, ist der stark.“
„Sagte ich doch. Glaub mir einfach mal was.“
„Wie ist dein geplantes Programm?“, sie schien neugierig zu sein.
„Weiß nicht, liegt an dir. Eingetaktet habe ich nur zwei Wochen Naturheilkunde, alles andere bestimmst du.“
„So“, meinte sie überlegend, ihre Augen verengten sich, „dann lege ich mal fest“, sie hielt kurz inne. „Jetzt fickst du mich um den Verstand. Punkt 1. Waschen, dann ab zu deiner Familie. Ist doch nicht weit, 20 Kilometer oder so? Hattest du mal erzählt.“
„Nö, bestimmt nicht! Ausflug fällt aus.“
„Warum denn nicht? Ich will es aber!“, forderte sie.
„Meine Teufel im Kopf sind deinetwegen ausgewandert, die haben mich immer gewarnt, der Logikchip liegt im Maisfeld bei Günter, der neue ist noch in der Testphase und jetzt packt mich die blanke Angst.“
„Bin doch ganz brav. Warum denn Angst, mein Liebling?“, staunte sie.
„Zwei Hyänen kämpfen um mich“, meinte ich todernst. „Fällt garantiert aus. Du würdest das nicht überleben, auch wenn du größer bist als meine Frau. Erstens hat sie genügend Werkzeug um sich herum, dazu sechzehn Cousins, sieben Onkel, elf Tanten, einen garstigen Bruder und eine giftige Schwester. Allesamt bereit, die geschändete Familienehre zu retten“, Katrins Blick glitt ab in Richtung Entsetzen, wusste nicht, ob ich scherze oder es ernst meine. „Abgesehen von meinen Kindern und deren garstige Freunden“, fuhr ich fort, „davon haben die übrigens reichlich. Die Hälfte davon willst du sicher nicht kennenlernen“, mein Grinsen sagte jetzt wohl alles aus. „Weder am Tag noch in der Nacht, magst du mit denen einen Tee trinken!“, diese Warnung erschien mir eindeutig genug und sie verstand, warf sich lachend ins Bett.
„Hatte ich mir gedacht, du Feigling!“, urplötzlich wurde sie todernst, „dummer Kerl! Immer noch Zweifel? Was hatte ich dir geschworen? Hat dich schon der Alzheimer gepackt? Glaube ich jetzt nicht.“