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Den ganzen Tag über vertiefte ich mich in die Schriften von Simon de Cartagena, die John Weston übersetzt hatte. Ob Weston dazu allerdings besonderes Talent gehabt hatte, wagte ich mehr und mehr zu bezweifeln, denn einige Formulierungen schienen mir doch reichlich unklar. Außerdem fehlten in den Büchern jeweils einige Seiten, die offenbar absichtsvoll herausgetrennt worden waren. Wir hatten eines der Rituale bereits ausprobiert. Mit Hilfe eigenartiger Formeln, schwer auszusprechenden Silben, die uralten, längst vergessenen Sprachen enstammten, schien sich das Innere der Kugel beeinflussen zu lassen. Sie begann pulsierend zu leuchten. Aber mehr erreichten wir nicht. Ich war verzweifelt. Ein Kristall öffnet das Tor in eine andere Wirklichkeit - und eine übersinnlich begabte junge Frau muss um ihre Liebe kämpfen. Sie ist Reporterin bei einem Boulevardblatt und die Welt des Übersinnlichen ist ihr von klein auf vertraut, denn sie hat eine besondere Gabe, die sie Szenen aus der Zukunft sehen lässt. Eine Fähigkeit, die oft genug mehr ein Fluch als eine Gabe zu sein scheint. Besonders, als sie sich verliebt... Und dann ist da noch die Macht eines geheimnisvollen Kristalls, der auch die junge Reporterin in ihren Bann zieht und nicht nur sie sie in tödliche Gefahr bringt.. Cover: Steve Mayer
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von Alfred Bekker
Ein CassiopeiaPress E-Book
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© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Den ganzen Tag über vertiefte ich mich in die Schriften von Simon de Cartagena, die John Weston übersetzt hatte. Ob Weston dazu allerdings besonderes Talent gehabt hatte, wagte ich mehr und mehr zu bezweifeln, denn einige Formulierungen schienen mir doch reichlich unklar. Außerdem fehlten in den Büchern jeweils einige Seiten, die offenbar absichtsvoll herausgetrennt worden waren.
Wir hatten eines der Rituale bereits ausprobiert. Mit Hilfe eigenartiger Formeln, schwer auszusprechenden Silben, die uralten, längst vergessenen Sprachen enstammten, schien sich das Innere der Kugel beeinflussen zu lassen. Sie begann pulsierend zu leuchten.
Aber mehr erreichten wir nicht.
Ich war verzweifelt.
Und als Clifton seine Arme um mich legte, schmiegte ich mich an ihn und barg mein tränennasses Gesicht an seiner Schulter.
Er strich mir über das Haar und sagte zärtlich: "Es wird alles wieder gut werden. Das verspreche ich dir." Ich sah matt lächelnd und mit tränenglitzernden Augen zu ihm auf.
"Das ist Unsinn, was du sagst", wisperte ich und strich ihm dabei zart über das Kinn. "Niemand kann das versprechen. Aber es ist lieb, dass du mich wieder aufrichten willst!" Er hielt mich fest, ganz fest.
Es war angenehm, seine Wärme zu spüren, denn innerlich fror ich.
Draußen begann es wieder zu regnen und die Tropfen prasselten nur so gegen die Scheiben. Irgendwo klapperte ein Fensterladen und der Wind heulte wie ein Gespenst durch die grauen Mauern von Barnham Manor.
"Es ist seltsam", hörte ich Clifton dann sagen. "Wir reden hier ganz selbstverständlich über Dinge wie magische Beschwörungsformeln und ein Fenster in eine andere Welt. Gestern noch hätte ich das alles ins Reich der Fantasie verwiesen."
"Es gibt Dinge, die mit den Mitteln der heutigen Wissenschaft noch nicht erklärbar sind", erwiderte ich. "Aber das bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt!"
"Ja, das mag wohl sein..."
Ich löste mich von ihm, so gerne ich jetzt auch nichts anderes getan hätte, als mich von seinen Armen halten zu lassen. "Wir dürfen keine Zeit verlieren!", forderte ich dann. Und Clifton nickte.
Die entscheidenden Rituale und Formeln - jene, die eine Verbindung zu jener anderen Welt herstellen konnten, wurden zwar in Simon de Cartagenas Schriften immer wieder in Nebensätzen erwähnt. Allerdings waren sie nirgends abgedruckt. Ich befürchtete, dass alles, was man darüber wissen musste, genau auf jenen Seiten stand, die herausgetrennt waren.
Dennoch las ich weiter, durchforstete die Bände nach jedem noch so kleinen Hinweis...
Clifton durchsuchte derweil jeden Winkel von Barnam Manor nach weiteren Schriften, die uns vielleicht weiterbringen konnten.
"Hier wird ein eigenartiger Stab erwähnt", wandte ich mich zwischendurch an ihn, als er mit einem Stapel halbzerfallener Folianten auftauchte, die er auf dem Dachboden gefunden hatte. Dem äußeren Zustand nach schienen bereits Ratten und Mäuse an ihnen genagt zu haben. Eine Spinne lief aus einem der Bände heraus und brachte sich in Sicherheit.
"Was für ein Stab?", fragte Clifton.
"Ein Stück Ebenholz, in das uralte magische Zeichen eingraviert sind. Er ist hier abgebildet..." Er kam zu mir, küsste mich in den Nacken und sah mir über die Schulter. Sein Blick veränderte sich, als er die Zeichnung sah.
"Hast du je etwas derartiges hier auf Barnham Manor gesehen?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein", meinte er. "Was ist damit?"
"Er wird hier immer wieder erwähnt. Angeblich soll man mit seiner Hilfe die Kräfte beherrschen können, die im Inneren der Kristallkugel wohnen..."
"Tut mir leid. Aber wenn es wirklich ein so wichtiger Gegenstand war, dann wird Onkel Edward ihn sicher irgendwo versteckt haben."
"Genau, wie die Seiten, die in diesen Büchern fehlen, vielleicht..." Ich atmete tief durch und wischte mir das Haar aus dem Gesicht. Mein Kopf glühte geradezu. Stundenlang war ich in höchstem Maße konzentriert gewesen und hatte unter einer ungeheuren Anspannung gestanden. "Vielleicht komme ich in Tante Kims Archiv weiter...", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Clifton.
Er fasste mich bei der Hand.
"Teresa..."
Ich sah ihn an. "Was ist?"
"Wir haben jetzt den ganzen Tag in diesem Gemäuer verbracht, in dem man sich fühlt, als wäre man bereits lebendig begraben... Keine Pause, kaum eine Unterbrechung. Wir haben das Unterste zu oberst gekehrt und alle möglichen Experimente mit dieser teuflischen Kugel angestellt..."
"Es geht um Tante Kim", fiel ich ihm uns Wort.
"Natürlich. Aber mir knurrt zumindest der Magen und dir kann es nicht anders gehen! Schließlich haben wir den ganzen Tag nichts gegessen."
Ich seufzte.
Clifton hatte natürlich recht.
"Der Kühlschrank ist ziemlich leer. Ich schlage vor, wir unterbrechen unsere Nachforschungen und suchen das nächste Restaurant!"
Ich überlegte kurz.
"Gut", nickte ich. "Du hast recht."
Das Restaurant war klein, aber gemütlich. Es gehörte einem Inder, der schon seit dreißig Jahren in London wohnte und das beste Curry westlich Delhi machte.
"Ich sehe, du magst es gerne pikant", meinte ich augenzwinkernd, nachdem ich das brennende Feuer in meinem Mund mit reichlich Mineralwasser gelöscht hatte. Er hob die Augenbrauen.
"An die fade englische Küche werde ich mich eben niemals gewöhnen können", meinte er dann.
"Was du nicht sagst..."
Ich sah ihn an.
Und in seinen Augen blitzte es schelmisch.
"Ich hoffe, du nimmst das nicht persönlich!"
"Oh, mein Patriotismus bezieht sich in erster Linie darauf, welcher Fußballmannschaft ich die Daumen drücke, George!"
"Na, dann ist es ja gut!"
Wir lachten beide. Für einen kurze Augenblick hatte ich beinahe das Gefühl gehabt, dass die düsteren Schatten, die schwer auf meiner Seele lasteten, nicht vorhanden waren. Dann legte er eine Hand auf die meine.
Ich schluckte unwillkürlich.
Meine Gedanken waren wieder zu Tante Kim zurückgekehrt. Ich empfand ohnmächtige Wut. Alles, was ich bislang vorweisen konnte, war eine Ahnung. Eine alptraumhafte Vision, die sie mir in jener schrecklichen Welt gezeigt hatte, zu der die Kristallkugel angeblich ein Fenster war. Aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich ihr helfen sollte. Die Angst, die ich um Tante Kim verspürte, wirkte lähmend. Du bist nur erschöpft, Tessi, versuchte eine innere Stimme mir einzureden.
Clifton schien meine Gedanken zu erraten.