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Ein Serienmörder, der über die Kunst des letzten Moments philosophiert und dabei erschossen wird. Erinnerungsstücke an ihn, die Jahre später zu Höchstpreisen versteigert werden. Und eine Frauenleiche, die kunstvoll in einem Hotelzimmer arrangiert wurde. Carson Ryder und Harry Nautilus stehen vor einem Rätsel. Nur gut, daß Carsons Bruder selbst als Serienkiller hinter Gittern sitzt und ihm wertvolle Tips geben kann. Oder führt er ihn diesmal hinters Licht?
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Seitenzahl: 486
Kurzbeschreibung:
Ein Serienmörder, der über die Kunst des letzten Moments philosophiert und dabei erschossen wird. Erinnerungsstücke an ihn, die Jahre später zu Höchstpreisen versteigert werden. Und eine Frauenleiche, die kunstvoll in einem Hotelzimmer arrangiert wurde. Carson Ryder und Harry Nautilus stehen vor einem Rätsel. Nur gut, daß Carsons Bruder selbst als Serienkiller hinter Gittern sitzt und ihm wertvolle Tips geben kann. Oder führt er ihn diesmal hinters Licht?
Jack Kerley
Der letzte Moment
Ein Carson-Ryder-Thriller
Edel Elements
Edel Elements
Ein Verlag der Edel Germany GmbH
© 2017 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com
Copyright © 2005 by Jack Kerley
Copyright first German edition © 2005 by Ullstein Buchverlag GmbH, Berlin
The publication of this work has been arranged by Michael Meller Literary Agency GmbH, Munich.
Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München.
Konvertierung: Datagrafix
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.
ISBN: 978-3-96215-024-2
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Für Elaine,die nie den Glauben verloren hat
Anmerkungen des Autors
Um dem Willen und den Launen der Geschichte freien Lauf zu lassen, habe ich mir große Freiheiten herausgenommen und Veränderungen an Schauplätzen, geographischen Gegebenheiten, Institutionen und Behörden, die mit der Verbrechensbekämpfung betraut sind, vorgenommen. Mit Ausnahme der Schönheit Mobiles und seiner Umgebung ist alles, was in diesem Roman erzählt wird, Fiktion. Auch die seltene Briefmarke »Scarlet Angelus« ist ein Produkt der Phantasie. Ähnlichkeiten zwischen Romanfiguren und wahren Personen, ob noch am Leben oder sonst wo, sind purer Zufall.
Prolog
Bezirksgericht Mobile Mobile, Alabama, 14. Mai 1972
Detective Jacob Willow wich einem Schild mit der Aufschrift STIRB, DU ELENDER MÖRDER aus und lief mit eingezogenem Kopf unter einem anderen hindurch, auf dem ZEIG REUE, SÜNDER stand. Er zwängte sich an einem Bibel wedelnden Prediger mit verkniffener Miene vorbei und quetschte sich zwischen zwei aufgebrachten dicken Frauen in verschwitzten Kleidern durch. Als Willow die Meute, die sich vor dem Gericht tummelte, endlich hinter sich gelassen hatte, nahm er zwei Stufen auf einmal, versuchte, drei zu nehmen, stolperte und nahm wieder zwei. Seine Kippe warf er in einen Aschenbecher neben dem Portal und betrat das Gericht. Da die Verhandlung in der oberen Etage stattfand, musste er eine weitere Treppe hochsprinten. Auf dem oberen Treppenabsatz wurde ihm leicht schwindelig. Er spähte um die Ecke in den Flur, der zum Gerichtssaal führte, und hoffte inständig, heute nicht der Weinenden zu begegnen.
Doch mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie Morgen für Morgen die Sonne aufging, saß sie – ganz in Schwarz gehüllt und mit undurchsichtigem Schleier – zwanzig Schritte weiter vorn auf einer zierlichen Eichenbank, die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in die Hände gelegt. Als Willow merkte, wie seine Schuldgefühle wieder aufkeimten und ihm ganz flau im Magen wurde, wandte er den Blick von der Weinenden ab.
Auf dem oberen Treppenabsatz saß Lindeil Latham, der Gerichtsdiener, hinter einem Klapptisch. Bei wichtigen Prozessen kontrollierte er jeden, der den Saal betreten wollte. Latham kippelte auf den hinteren beiden Stuhlbeinen und stutzte seine Nägel mit einem Jagdmesser. Auf dem Stoff seiner Uniform, der sich über seinen Bauch spannte, lagen weiße Halbmonde.
»Wie üblich wieder zu spät, Detective Willow«, sagte Latham, ohne richtig aufzuschauen. »Jetzt aber mal flott in den Gerichtssaal, wenn Sie die Urteilsverkündung noch hören wollen.«
Willow deutete mit dem Kinn auf die Weinende. »Wohnt sie schon im Gericht oder geht sie auch mal heim?«
Der nächste Halbmond fiel hinunter. »Wird ab morgen wohl nicht mehr auftauchen, Willow. Dann gibt’s ja auch nichts mehr zu sehen.«
Auf den Zehenspitzen schlich Willow zum Gerichtssaal und hoffte, dass sie den Kopf nicht hob. Er hasste die Gefühle, die die Weinende weckte, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wer sie war. Manche behaupteten, sie sei die Mutter eines der Opfer von Marsden Hexcamp, andere hielten sie für die Schwester oder Tante. Wer Anstalten machte, ihr Fragen zu stellen oder sie zu trösten, wurde wie eine lästige Fliege mit einer Handbewegung verscheucht.
Diese eigenartige Frau mit dem dicken Schleier wurde von den Menschen im Gericht gar nicht mehr wahrgenommen, denn inzwischen war ihre Anwesenheit für alle so selbstverständlich wie die Messingspucknäpfe und die überquellenden Aschenbecher. Den Gerichtssaal hatte sie während der dreiwöchigen Verhandlung kein einziges Mal betreten. Die von Marmorsäulen gesäumten Korridore hatte sie zu ihrem Ort der Trauer umfunktioniert und in einem fort geweint, von den Eröffnungsplädoyers bis zum Schuldspruch vergangener Woche. Die Wachmänner, die Tag für Tag ihren Kummer miterlebten, nahmen Anteil und gestatteten der Weinenden, sich im Gericht frei zu bewegen und sich hin und wieder im Büro eines abwesenden Richters hinzulegen.
Willow atmete tief durch, hielt auf die Tür des Gerichtssaales zu und trat so leise auf, wie es ihm die festen Sohlen seiner Budapester erlaubten. Als er an ihr vorbeikam, hob sie den Kopf und der Schleier verrutschte. In diesem Augenblick sah Willow zum ersten Mal das Gesicht der Weinenden und die trockenen Augen und der resolute Blick überraschten ihn. Auch ihr Alter erstaunte ihn: Dem Aussehen nach war sie Anfang zwanzig. Er spürte, wie ihr Blick ihm zur Tür folgte, als wollte sie ihn und seine Schuldgefühle in den Gerichtssaal scheuchen.
Er versuchte, seinen Schuldgefühlen, die ihn vor allem vor Sonnenaufgang quälten, mit Vernunft beizukommen. Er sagte sich, dass er erst vor zwei Jahren bei der Alabama State Police als Detective angefangen hatte, dass es ihm an Erfahrung mangelte, diesen infamen, vom Intellekt entfachten Wahnsinn zu begreifen. Er erinnerte sich an die höhnischen Kommentare der altgedienten Polizisten in der Abteilung, wenn er versuchte, sie davon zu überzeugen, dass es da eine Verbindung gebe zwischen den anscheinend zufälligen Gräueltaten, die im Süden von Alabama verübt wurden, und dass eine breit angelegte Untersuchung nötig sei, bei der die Staats-, die Bundespolizei und die Polizei von Mobile zusammenarbeiteten. Doch so wie sich seine eindringlichen Bitten an seine Vorgesetzten als unfruchtbar erwiesen hatten, versagten auch seine Rationalisierungsversuche: Und solange vor Gericht tagaus, tagein sexuelle Perversionen und entsetzliche Morde geschildert wurden, litt Willow an frühmorgendlichen Schweißausbrüchen.
Willow nickte der Wache an der Tür zu, schlich sich in den vollen Saal und entschuldigte sich immer wieder, während er sich zu dem für ihn reservierten Platz auf der Galerie gleich hinter der Verteidigung vorkämpfte. Ihm blieb keine Zeit, sich zu setzen. »Erheben Sie sich«, rief der Gerichtsdiener und zweihundert Menschen im Gerichtssaal standen gleichzeitig auf.
Nur eine Person blieb sitzen, ein schmächtiger, blonder Mann am Tisch der Verteidigung. Die gestreiften Sträflingsklamotten trug er mit dem Impetus eines Mannes in einem Savile-Row-Anzug. Marsden Hexcamp hatte ein Bein über das andere geschlagen und bewegte es im Takt zu einem trägen Rhythmus, den nur er hörte. Eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn und lenkte die Aufmerksamkeit auf die wässrig-blauen Augen. Er drehte den Kopf in Richtung Galerie und grinste, als erzähle ihm jemand gerade einen besonders guten Witz. Der Verteidiger tippte Hexcamp auf die Schulter und bat seinen Mandanten mit einer Handbewegung, sich zu erheben, während der Richter den Saal betrat.
Blitzschnell drehte Marsden Hexcamp den Kopf und spuckte dem Rechtsanwalt in die Hand.
Willow bekam mit, wie der Anwalt angewidert erschauerte und die Hand an der Hose abwischte. Kein anderer beobachtete diesen unappetitlichen kleinen Zwischenfall, denn alle Augen waren auf Ambrose T. Penfield gerichtet, der zur Richterbank schritt. Seine schmächtige Statur kompensierte Richter Penfield mit einer Stimme wie ein gurgelnder Dorfbrunnen und wachsamen Adleraugen, die bei dem geringsten Anzeichen von schlechtem Betragen aufblitzten. Penfields zorniger Blick ruhte auf Marsden Hexcamp, der den Richter im Gegenzug mit einem Lächeln und einem lahmen Nicken bedachte. Penfield setzte seine Gleitsichtbrille auf und faltete ein Blatt Papier auseinander, auf dem das Strafmaß stand. Wie hoch dieses ausfallen würde, hatte er schon nach der ersten Verhandlungswoche entschieden.
»Wir haben uns hier und heute zur Urteilsverkündung von Marsden Hexcamp versammelt«, ließ Penfield verlauten. »Und damit gehen Wochen der Abscheu und des Grauens zu Ende, Wochen, die so entsetzlich waren, dass zwei Juroren nicht weitermachen konnten und einer einen Nervenzusammenbruch erlitt und noch immer im Krankenhaus liegt ...«
Marsden Hexcamps Anwalt erhob sich. »Euer Ehren, ich glaube nicht, dass das hierher –«
»Setzen Sie sich«, befahl Penfield. Der Anwalt leistete der richterlichen Aufforderung Folge und es hatte beinah den Anschein, als wäre er erleichtert, dass dieser Fall nun zu Ende ging.
»Diese Verhandlung ist nicht nur für die Juroren eine Qual gewesen«, fuhr Penfield in seinem gurgelnden Bass fort, »sondern auch für all jene, denen der Modergeruch in die Nase steigt, den Mr Hexcamp verbreitet ...«
Marsden Hexcamp tat so, als würde er ein Weinglas heben und mit dieser Geste einen wohlgemeinten Trinkspruch annehmen, wobei die Ketten an seinen schmalen Handgelenken wie Glocken klingelten. Penfield hielt inne und musterte den Angeklagten. »Ihre Mätzchen werden diesem Gericht nicht länger den letzten Nerv rauben, Mr Hexcamp. Kraft des Amtes, das mir von dem großartigen Staat Alabama verliehen wurde, verkünde ich folgendes Urteil: Sie werden in das Holman Prison überstellt, wo Sie – hoffentlich in Rekordzeit – auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden. Und möge Gott dem Scheusal, das in Ihrer Brust schlummert, Gnade erweisen.«
Als Penfields Hammer aufschlug, erhob Marsden Hexcamp sich und schüttelte die Hand seines Anwalts ab.
»Darf der Verurteilte zum Schluss nicht noch ein paar Worte sagen, Euer Ehren?«
»Setzen Sie sich, Mr Hexcamp.«
»Habe ich kein Recht, mich zu Wort zu melden? Erlaubt der unwiderruflich nahende Tod nicht ein paar abschließende Sätze?«
»Haben Sie Ihren Opfern erlaubt, ein letztes Wort zu sprechen, Mr Hexcamp?«
Marsden Hexcamp legte eine Pause ein und dachte nach. Belustigung huschte über sein Gesicht. »Manche haben Bände gesprochen, Euer Ehren.«
»Bastard!« Oben auf der Galerie erhob sich ein Mann mit groben Gesichtszügen und schwenkte die Faust. Er schien betrunken zu sein.
»Setzen Sie sich und benehmen Sie sich, sonst werden Sie des Saales verwiesen«, warnte Penfield beinahe sanftmütig. Der Mann ließ sich auf seinen Platz fallen und verbarg das Gesicht in den Händen.
Hexcamp sagte: »Nun, Euer Ehren. Darf ich das Wort ergreifen?«
Willow sah, wie Penfields Blick über die erwartungsvollen Gesichter der Anwesenden schweifte und an den Reportern hängen blieb, die ganz erpicht darauf waren, die letzten in der Öffentlichkeit gesprochenen Worte Marsden Hexcamps festzuhalten. Penfield tippte auf seine Uhr.
»Ich gewähre Ihnen dreißig Sekunden, Mr Hexcamp, und würde vorschlagen, dass Sie um Ihr Seelenheil beten.«
Hexcamps Grinsen wurde schal. Ein Funkeln blitzte in seinen Augen auf. »Seelenheil ist etwas für Narren, Richter. Brachland in einem leeren Geist. Nicht, wohin wir gehen, zählt, sondern was wir schaffen im bescheidenen irdischen Atelier ...«
»Mörder!«, rief eine Frau von der Galerie.
»Irrer!«, schrie jemand anderer.
Penfield ließ seinen Hammer fallen. »Ruhe! Zehn Sekunden, Mr Hexcamp.«
Hexcamp drehte sich zur Galerie um. Sein Blick suchte Willow, blieb dort kurz hängen und kehrte dann wieder zum Richter zurück. »Es ist die Kunst unseres Lebens, die fortdauert – Augenblicke, wie Spinnen in Bernstein festgehalten. Und wundersamerweise dennoch fähig zu kriechen. Zu beißen. Zu beeinflussen ...«
»Fünf Sekunden.« Für alle sichtbar unterdrückte Penfield ein Gähnen.
»SIE sind ein WURM«, schleuderte Hexcamp Penfield entgegen. »Eine erbärmliche, verachtenswerte Kreatur, nur ein Nichts, weniger als ein Nichts, ein wertloses Insekt, das aus Unwissenheit aufbegehrt gegen die Erhabenheit der KUNST!«
»Die Zeit ist um, Mr Hexcamp«, sagte Penfield. »Dass Ihnen mal die Worte fehlen, kann man nun wirklich nicht behaupten.«
Aus den Augenwinkeln heraus warf Marsden Hexcamp dem Richter einen Blick zu und sprang dann, gelenkig wie ein Turner, auf den Tisch der Verteidigung. »L’art du moment final«, brüllte er so laut, dass er dabei spuckte. »C’est moi! C’est moi! C’est moi!«
Die Kunst des letzten Augenblicks, dachte Willow, dessen zwei Jahre High-School-Französisch sich nun auszahlten. Das bin ich.
»Wachen, sorgen Sie dafür, dass der Mann sich setzt«, ordnete Penfield an. Wieder schlug sein Hammer laut auf die Unterlage.
Willow registrierte hinter Penfield eine Bewegung. Er beobachtete, wie sich die Tür des Richterzimmers langsam öffnete, sah den Schreibtisch, die Bücherregale, den Beistelltisch und dann – im Türrahmen – die Weinende.
Sie schritt in den Saal und blieb vor Hexcamp stehen. Alle hielten den Atem an. Sie zog eine große Pistole aus den Falten ihres Kleides, hob die Waffe und legte den Finger auf den Abzug.
Wieder weinte sie. Und sie schaute Marsden Hexcamp in die Augen.
Sagte: »Ich liebe dich.«
Willow sprang übers Geländer, streckte die Arme nach der Waffe aus. Sein Fuß verhedderte sich im Holz und er landete vor dem Tisch der Verteidigung auf dem Boden. Donner hallte durch den Saal. Auf Hexcamps Hemdbrust breitete sich ein roter Fleck von der Größe eines Zehn-Cent-Stückes aus, während der Hemdrücken explodierte. Hexcamp brach zusammen und landete auf dem Rücken neben Willow. Die Zuschauer warfen sich auf den Boden oder flohen schreiend in Richtung Ausgang.
Marsden Hexcamp hob den Kopf und stöhnte. Seine Lippen bewegten sich. Willow legte das Ohr an den Mund des Mannes und lauschte. Hexcamp schloss die Augen und ließ den Kopf fallen. »Bleiben Sie bei mir«, schrie Willow. Er packte die Hemdbrust des Mannes und schüttelte ihn, als könnte er so die Worte, die in Hexcamps Kehle festsaßen, befreien. Hexcamp schlug die Augen auf. Und wieder bewegten sich seine Lippen.
»Folgen Sie, Jacob. Sie müssen folgen ...« Eine rote Blase bildete sich auf seinen Lippen. »Sie ... müssen ... folgen ...«
»Wem?«, brüllte Willow Hexcamp, dessen Augen glasig wurden, ins Gesicht. »WEM SOLL ICH FOLGEN?«
Marsden Hexcamps Lider flatterten, ehe er sie aufschlug. »Der Kunst, Jacob«, sagte er. Schaumiges rotes Blut lief an seinem Kinn herunter. »Folgen Sie ... der erhabenen Kunst.«
Hexcamps Blick wurde wächsern, sein Mund ein regloses Rund. Wieder hörte Willow ein Dröhnen, ein lautes Donnern. Zwei Meter neben ihm sackte ein Körper zu Boden. Und aus der Weinenden wurde die Sterbende.
Kapitel Eins
Mobile, Alabama, heute
»Auszeichnungen sind albern«, sagte Harry Nautilus, als er mit dem großen, blauen Crown Victoria vom Mobiler Polizeipräsidium wegfuhr. »Bei so was kommt nie was Gutes raus.«
»Sieh es doch mal positiv, Harry«, sagte ich und rückte meine Krawatte im Rückspiegel zurecht. »Immerhin hat der Bürgermeister uns beide zu Polizisten des Jahres ernannt.«
»Und ich bin der Staatsvogel von Alabama. Zirp.«
»Es ist eine Ehre«, räsonierte ich.
»Nervig ist es. Das sind doch alles nur die leeren Worte eines Politikers.«
»Wenigstens kriegen wir umsonst Frühstück.« Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Uns blieben locker zwanzig Minuten, um zum Hotel zu kommen, wo der Bürgermeister anlässlich der Preisverleihungen zum Frühstück lud. Auf meinem provisorischen schwarzen Brett, einer grauen Trennwand, hatte ich schon Platz geschaffen. Schließlich sollte ich heute meine erste Auszeichnung erhalten.
»Meinst du, ich soll die Jungs von der Gerichtsmedizin erwähnen?«, fragte ich, breitete die Arme aus und überlegte, ob mein marineblauer Blazer geschrumpft war, seit ich ihn das letzte Mal getragen hatte, oder ob ich mit einunddreißig Jahren noch wuchs.
»Wovon redest du, Carson?«
»Von meiner Dankesrede.«
Harry knurrte, ein einzelner tiefer Ton. Da weiter vorn auf der Government Street eine Baustelle war, fuhren wir durch den südlichen Teil von Downtown, ein eher ärmliches Viertel mit kleinen Häusern und Apartments. Ich polierte gerade meine Nägel auf dem Hosenstoff, als eine Frau mit wedelnden Armen aus einer schmalen Gasse auf die Straße gestürzt kam. Wie ein aufgebauschter Reiterumhang flatterte ihr pinkfarbener Bademantel hinter ihr her. Sie warf sich vor den Wagen.
Mit der Wucht von 240 Pfund Körpergewicht trat Harry Nautilus auf die Bremse. Die Frau im Bademantel hob die Hände, als könnte sie auf diese Weise den zwei Tonnen schweren Wagen aufhalten. Reifen quietschten. Der Crown Vic kam ins Schleudern. Als wir endlich stehen blieben, passte zwischen unsere Stoßstange und die Knie der Frau gerade noch eine Hand.
»Dort in der Gasse liegt eine Tote«, keuchte die Frau und krallte die Finger in den Stoff ihres Bademantels. Sie war Mitte dreißig, klapperdürr und hatte dieses Appalachen-Näseln drauf. »Schwimmt in einer Blutlache.«
Ich benachrichtigte den Fahrdienstleiter, während Harry in die Gasse fuhr. Mit dem Gesicht nach unten und hochgestreckten Armen lag ein weiblicher Körper auf dem Asphalt. Die Frau trug eine weiße Bluse, und ich entdeckte einen hässlichen roten Fleck in der oberen Mitte des Rückens. Aus Furcht, Beweise zu vernichten, ließen wir den Wagen stehen und liefen zu Fuß zu dem reglosen Körper. Normalerweise rennen wir, beten um schnelle Hilfe und dass sich mit einem Wiederbelebungsversuch noch etwas ausrichten lässt.
Dieses Mal allerdings nicht. Als wir sahen, wie viel Blut die Frau verloren hatte, schaltete Harry einen Gang runter und ich ebenfalls. Die letzten paar Schritte legten wir ganz bedächtig zurück und mieden die rote Lache auf dem Pflaster. Da das Blut schon dick wurde, vermutete ich, dass der Mörder längst über alle Berge war. In der Ferne ertönten Sirenen. Harry kniete sich neben die Leiche, während ich den Tatort unter die Lupe nahm: Glasscherben, Abfall und anderer Unrat, der sich in innerstädtischen Straßen ansammelt. Halb verfallene Garagen säumten den Asphalt. Das Gras dazwischen war gelb, denn es hatte in letzter Zeit kaum geregnet. Ein grelles Objekt erregte meine Aufmerksamkeit. Eine zerquetschte Orange lag etwa sieben, acht Meter von der ausgestreckten Hand der Frau entfernt neben einer Garage.
Der nächste Crown Vic bog aus der entgegengesetzten Richtung in die kleine Straße. Ihm folgten ein Streifen- und ein Krankenwagen. Die beiden Detectives Roy Trent und Clay Bridges stiegen aus dem Crown Vic. Das hier, der zweite Distrikt, war ihr Revier. Neunundneunzig Prozent unserer Zeit gehörten Harry und ich zum ersten Distrikt und das verbleibende Prozent waren wir Teil einer Sondereinheit.
In drei Sätzen informierten wir Trent und Bridges über das, was wir wussten. Bridges nahm die Frau im Bademantel beiseite, damit sie sich vor der Befragung etwas beruhigte. Trent ging zu der Leiche hinüber, betrachtete sie und fuhr sich mit seinen kräftigen Händen durch das schüttere Haar.
»Verflucht«, sagte er. »Das ist die Orangenlady.«
»Orangenlady?«, fragte ich.
»Heißt Nancy irgendwie. Wohnt einen Block weiter drüben in einem Heim. Jeden Morgen geht sie in den Supermarkt und kauft eine Orange. Eine Orange. Und abends noch mal. Ich habe sie mal gefragt, wieso sie morgens nicht zwei Orangen kauft oder einen ganzen Sack. Weißt du, was sie geantwortet hat?«
»Was?«
»Die Orangen würden lieber im Laden bleiben, weil sie dort Menschen beobachten könnten. Und bei ihr daheim bekämen sie nur das Innere des Kühlschranks zu sehen.«
»Dann ist das wohl ein Heim für Menschen mit psychischen Problemen«, sagte Harry.
Trent nickte. »Harmlose Typen, die nur ein bisschen Unterstützung brauchen, um zurechtzukommen. Nancy mag vielleicht ein bisschen wirr gewesen sein, aber sie war immer gut drauf, hat mit Leuten gequatscht, französische Lieder gesungen und so.«
»Das da ist die Morgenorange«, sagte ich und zeigte darauf. Ich ging in die Hocke und ließ den Blick zwischen der Frau und der Orange hin- und herwandern, legte mich dann auf den Bauch, studierte die Topographie und bemerkte die Abflussrinne in der Straßenmitte.
»Zum Schwimmen braucht man Wasser, Cars«, merkte Trent an.
»Und Schwung, um zu rollen«, setzte ich nach, stand auf und bürstete mir den Rollsplitt von Händen und Jackett. Trent musterte den Leichnam und schüttelte den Kopf. »Wer sollte sie erschießen, während sie in der Gasse stand?«
»Durch die Gasse rannte«, schlug ich vor.
Trent hob eine Augenbraue.
»Die Orange ist ungefähr sieben Meter weit weg. Liegt etwas höher. Falls sie gestanden oder gegangen ist, wäre die Orange ein, zwei Meter gerollt. Aber in die andere Richtung, mehr in die Mitte der Gasse. Sie hat eine Vertiefung, damit das Wasser abfließt. Der Schuss hat sie selbstverständlich nach vorn gestoßen. Trotzdem, ich glaube, es ist mehr Schwung nötig, damit die Orange so weit weg rollt. Die Leute von der Spurensicherung werden die genauen Zahlen ermitteln, aber ich wette ein paar Mäuse, dass sie gerannt ist, so schnell sie konnte.«
Trent überlegte kurz. »Falls sie gerannt ist, wusste sie, dass sie in Gefahr war. Hat womöglich den Täter erkannt.« Er machte sich auf den Weg zum Streifenwagen, um den uniformierten Polizisten zu sagen, sie sollten den Tatort abriegeln, blieb dann aber stehen.
»He, ich habe gehört, der Bürgermeister ernennt euch zu Polizisten des Jahres.«
»Ist nur ein Gerücht«, sagte Harry.
Trent grinste. »Polizisten des Jahres ist doch zu billig für euch Jungs. Wie wär’s denn mit ›Die hohen Herrschaften von Piss-it‹?«
Piss-it war Abteilungsslang für PSET, Psychopathologisches und Soziopathologisches Ermittlungsteam, einer Sondereinheit, deren Name länger war als die Liste seiner Mitarbeiter, auf der nur Harry und ich standen. Das PSET war das verbleibende Prozent unseres Jobs.
Harry seufzte. »Lass das, Roy.«
Trent überlegte kurz. »Oder wie wäre es mit ›Die Hexenmeister des Wahnsinns‹?« Er kicherte und war schon dabei, sich die nächste Bezeichnung auszudenken, als er Harrys Blick auffing, sich daran erinnerte, was er von den Streifenpolizisten wollte, und einen Abgang machte.
Nun, wo unser Part in dem allzu vertrauten Drama vorüber war, stiegen Harry und ich in den Wagen. Wir gingen davon aus, dass der Orangenlady-Fall schnell aufgeklärt werden würde. Die arme Frau war jemandem auf den Keks gegangen und der- oder diejenige hatte sich gerächt. Einer fliehenden Frau bei Tag in den Rücken zu schießen war irrational, eine Tat aus dem Bauch heraus, unüberlegt. Trent und Bridges würden die Bekannten des Opfers überprüfen und herausfinden, wen sie in letzter Zeit genervt hatte. Und dann den Fall abschließen.
Bang. Irgendwas in der Art.
Das Preisverleihungsfrühstück fand in einem Hotel in Downtown statt. Als wir dort eintrafen, standen nur noch Kannen mit lauwarmem Kaffee auf den Banketttischen. Harry und ich schlichen zu unserem Tisch und baten mit einem stummen Nicken um Entschuldigung. Vorn auf dem Podium in der Mitte des großen Raums mit der niedrigen Decke drückte eine übertrieben herausgeputzte Frau vom Gesundheitsamt eine Anstecknadel an die Brust und ließ sich mit unvergesslichen Worten über Müllhalden aus.
»... möchte den Mikroorganismen danken, die so hart arbeiten und den organischen Abfall zerkleinern ...«
Bürgermeister Lyle Edmunds stand neben ihr. Auf seinem leicht geröteten Gesicht war ein Lächeln festgefroren. Die Frau vom Gesundheitsamt beendete ihren Monolog und trottete an ihren Tisch zurück. Der Bürgermeister trat ans Mikrofon, doch die Anlage gab keinen Muckser von sich. Er klopfte mit dem Finger gegen das Mikrofon, wofür er mit einer ohrenbetäubenden Rückkopplung belohnt wurde. Zweihundert Menschen zuckten zusammen und ich bildete da keine Ausnahme. Der Bürgermeister beugte sich vor und wagte einen neuen Versuch.
»... est. Test. Funktioniert das Ding wieder? Na schön. Noch einmal möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie heute erschienen sind und mir Gelegenheit geben, Menschen zu ehren, die erheblich zur Steigerung der Lebensqualität in dieser herrlichen Hafenstadt beigetragen haben. In diesem Jahr hat auch diese Stadtverwaltung zur Verbesserung von ...«
Die meisten Leute an unserem Tisch hatten den Blick aufs Podium gerichtet und fühlten sich genötigt, so zu tun, als würde die Rede des Bürgermeisters sie interessieren. Am oberen Tischende – falls ein runder Tisch überhaupt so etwas wie ein Ende haben kann – saß Burston Plackett, der Polizeichef, eingerahmt von vier Polizisten. Am unteren Tischende saßen Lieutenant Tom Mason, Harry und ich.
Der Bürgermeister schaltete einen Gang herunter, lenkte den Blick auf den Tisch mit den Auszeichnungen und nahm ein Paar Anstecknadeln hoch.
»Zwei Nadeln. Das sind wir«, flüsterte ich Harry zu. »Was soll ich in meiner Dankesrede sagen?«
»Überlass dem Bürgermeister das Reden und Predigen, Carson. Schnapp dir das Ding und schaff deinen Hintern zum Tisch zurück.« Harry runzelte die Stirn, was im Klartext hieß: Wag dich ja nicht in die Nähe des Mikrofons.
Wieder klopfte der Bürgermeister gegen das Mikro und beugte sich vor. »Meine nächste Auszeichnung geht an den Mobiler Polizisten des Jahres. Und dieses Jahr ist es mir eine Freude, ein Team auszuzeichnen: Zwei Mitglieder von Mobiles bester Truppe, die – es liegt schon ein bisschen zurück – ganz wesentlich dazu beigetragen haben, Joel Adrian und danach den Leichenschauhausmörder zu schnappen. Die Detectives Nautilus und Ryder stellen eine Sondereinheit, die unter der Abkürzung PSET oder Psychopatho ... ologisch und Sozio ... soziolog ... ach, das ist aber auch ein Rattenschwanz. Lassen Sie mich einfach sagen, diese beiden Herren sind der beste Beweis dafür, dass Mobile unübertroffen ist, was die Qualität seiner ...« Der Bürgermeister stimmte, von den Medien angespornt, eine weitere Litanei an, in der er sich selbst über den grünen Klee lobte. Reporter, Kameramänner und ein Fotograf vom Mobile Register eilten an seine Seite. Mir fiel auf, wie die Reporterin von Channel 14 mich anstarrte. Als ich zurückstarrte, grinste sie und richtete den Blick auf den Bürgermeister. Soweit ich mich erinnerte, hieß sie DeeDee Danbury. Gut in Schuss, blond, von mittlerer Statur. Mund, Nase und vor allem die Augen waren ein bisschen zu groß geraten. Als Harry und ich kurz im Blitzlicht gestanden hatten, hatte Danbury mir etwas ins Ohr geflüstert und mir das Mikrofon direkt vor die Nase gehalten, worauf ich gut und gern hätte verzichten können.
Nach weiteren zwei Minuten hochtrabender Auslassungen sah sich der Bürgermeister im Raum nach einem schlanken Weißen um, der neben einem großen, breitschultrigen Schwarzen saß.
»Ich möchte Ihnen die Detectives Harry Nautilus und Carson Ryder vorstellen. Bitte, meine Herren, nehmen Sie Ihre Auszeichnungen in Empfang.«
Beifall ertönte. Ich folgte Harrys senfgelbem Anzug zum Podium. Sein Hemd war fliederfarben, seine Krawatte rot. Harry hatte ein Faible für grelle Farben, was allerdings nicht bedeutete, dass er auch ein Gespür dafür hatte. Wir gingen nach oben, schüttelten dem Bürgermeister die Hand und nahmen unsere Auszeichnungen entgegen. Jemand rief: »So bleiben, fürs Foto.« Ich neigte den Kopf leicht, reckte das Kinn und nahm meine beste Verbrechensbekämpferpose ein. Kameras blitzten auf. Mit meiner Medaille stieg ich vom Podium. Das Mikrofon schwankte vor meinem Gesicht herum und da konnte ich trotz Harrys Warnung nicht widerstehen. Ich beugte mich vor, um ein paar Worte zu sagen.
»Zuerst möchte ich der Akademie danken ...«
Das Mikrofon quietschte, als würde jemand einen Meißel über eine Metallplatte ziehen. Alle zuckten zusammen und manch einer zog sogar den Kopf ein. Mitten im Saal ließ ein Kellner vor Schreck ein Tablett mit Geschirr fallen. Porzellanscherben schlitterten über den Boden. Harry knurrte, bohrte seinen Daumen in meine Niere, bugsierte mich vom Podium und beendete meinen ruhmreichen Moment.
Kapitel Zwei
Ein Foto, das beim Frühstück des Bürgermeisters aufgenommen worden war, machte tags darauf, also am Dienstag, die Runde. Ich bekam das Foto erst am Mittwoch zu Gesicht, als ich frühmorgens ins Büro kam, um den Papierberg abzuarbeiten. Ein Witzbold hatte das ausgeschnittene Foto an meinen Stuhl geklebt, zusammen mit einem gelben Haftnotizzettel, auf dem geschrieben stand: SUPERDETECTIVE EILT ZU HILFE.
Auf dem Foto hielten Harry und ich uns an unseren Medaillen fest und hatten den Bürgermeister in unsere Mitte genommen. Unter Harrys dickem Schnurrbart war ein Anflug von einem Lächeln zu erkennen. Meine Verbrechensbekämpferpose ließ mich wie eine Mischung aus Cotton Mather, dem amerikanischen Geistlichen und Schriftsteller, und einem selbstgerechten Idioten aussehen. Kopfschüttelnd schwor ich mir, niemals wieder eine Auszeichnung anzunehmen, und las den Text.
POLIZISTEN DES JAHRES GEEHRT – Bürgermeister Lyle Edmunds ernennt beim Frühstück anlässlich seiner jährlichen Preisverleihung die beiden Mobiler Polizisten Harry Nautilus (links) und Carson Ryder (rechts) zu Polizisten des Jahres. Nautilus und Ryder gehören dem brillanten Psycho- und Soziopathologischen Ermittlungsteams, auch PSET genannt, beim MPD an und werden als Experten auf dem Gebiet der Serienmörder und anderen psychisch gestörten ...«
»Was hältst du davon? Haben Sie deine vorteilhafte Seite erwischt?«, fragte eine Stimme, träge wie Molasse, hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Tom Mason grinste oder den Mund so weit verzog, wie sein zerknittertes Gesicht es ihm erlaubte. »Interessanten Gesichtsausdruck hast du da, Carson. Eindringlich, könnte man vielleicht sagen.«
Ich spürte, dass ich errötete wie ein Schuljunge, der mit einer Mädchenzeitschrift ertappt worden war, und knallte den Artikel auf den Schreibtisch. Tom sagte: »Wir haben gerade einen Notruf reingekriegt. Uns wurde eine Leiche in einem Motel gemeldet. Im Cozy Cabins. Ich denke, der Fall ist ein bisschen abgedreht, vielleicht sogar etwas mehr als nur ein bisschen. Harry habe ich vorhin schon informiert. Er ist bereits auf dem Weg dorthin.«
Ich stand auf und schnappte mir mein Sportsakko. »Inwiefern abgedreht, Tom?«
»Der Anrufer hat nicht gerade erstklassiges Englisch gesprochen. Wäre mir lieber, ihr verschafft euch selbst einen Eindruck. Der Leichenbeschauer ist schon vor Ort, die Gerichtsmediziner sind unterwegs. Ich habe allen gesagt, sie bräuchten sich nicht den Kopf zu zerbrechen, weil ich ihnen ja die Polizisten des Jahres schicke. Und wie du dir vorstellen kannst, hat ihnen das einen richtigen Kick gegeben.«
* * * * *
Das Cozy Cabins war ein heruntergekommenes Motel. Ein Dutzend kleiner Häuschen standen auf einem weitläufigen baumbestandenen Grundstück. In den Siebzigern mochte es mal ganz charmant gewesen sein, doch die Stadt war gewachsen, hatte sich ausgedehnt. Nun gab es in der näheren Umgebung kleine Einkaufszentren, Bars und zwielichtige Autohändler. Inzwischen vermietete das Cozy Cabins seine Unterkünfte hauptsächlich an Paare, die sich hier ein Stelldichein gaben, oder an Kunden, die ihre käuflichen Partner nicht auf den Autorücksitz, sondern an einen etwas netteren Ort einladen wollten. Ich fuhr auf die Auffahrt und sah, wie Harry in die erste Hütte ging. Im Fenster stand in Neonschrift BÜRO. Ich drückte auf die Hupe. Harry blieb im Türrahmen stehen und drehte sich um.
»Was liegt an?«, rief ich.
Harry schüttelte den Kopf, als reichten Worte in diesem Fall nicht aus, deutete auf die letzte Hütte und verschwand im Büro. Ich fuhr nach hinten zu dem Häuschen, vor dem die Fahrzeuge des Leichenbeschauers, der Gerichtsmedizin und ein Streifenwagen parkten. Officer Leighton Withrow lehnte am Kotflügel und wischte sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. Ich parkte hinter Withrow und stieg aus. Die Hitze war unerträglich. Der erste Atemzug, den ich im Freien tat, zwang mich fast in die Knie.
»Was steht an, Leighton?«, japste ich.
Er deutete mit dem Kinn auf die Hütte. »Gehst besser schnell rein, Ryder. Die fangen gleich an, ›Happy Birthday‹ zu singen.«
»Happy Birthday?«
Withrow drehte sich um und nahm den Verkehr auf der Autobahn in Augenschein, als würde ihm das Freude bereiten. Ich ging zu dem etwa zwanzig Quadratmeter großen Häuschen, das einen neuen Anstrich vertragen konnte. Wayne Hembree, der Leiter der Spurensicherung, stand mit dem Rücken zu mir im Türrahmen. Hembree war ein fünfunddreißigjähriger Schwarzer, dessen Haar sich lichtete und der weniger Fleisch auf den Knochen hatte als ein Rasse-Windhund. Als er Schritte hörte, drehte er sich um. Ein trauriges Lächeln blitzte in seinem Mondgesicht auf.
»So was wie das hier verdirbt mir die Lust auf ein Candlelight Dinner«, sagte er und machte mir Platz, damit ich einen Blick in den Raum werfen konnte.
Kerzen. Dutzende von Kerzen. Auf dem Boden, auf dem wackligen Mobiliar, auf dem festgeschraubten Fernseher. Runde Kerzen, quadratische Kerzen, achteckige Kerzen, Dreiecke. Einige waren Duftkerzen, die Luft war geschwängert von einer heftigen Geruchsmischung. Die kleineren Kerzen waren heruntergebrannt, doch die großen und dicken Kerzen brannten noch und ihre hellen Flammen flackerten in dem dunklen Raum.
Etwa vier Meter hinter der Eingangstür lag auf einem roten Bettüberwurf ein nackter Frauenkörper, der mit verwelkten Blumen bedeckt war. Die riesengroßen, weißen Augen der Frau mit den winzigen, wurmartigen Pupillen quollen aus den Höhlen.
»Jesus«, flüsterte ich und überlegte, ob sich ihre Augen wohl irgendwie verflüssigt hatten. Als ich näher trat, stellte sich heraus, dass dieser abscheuliche Effekt den weißen Kerzen zuzuschreiben war, die auf ihren Lidern heruntergebrannt waren. Aus den Augenhöhlen quoll Wachs; was wie Pupillen ausgesehen hatte, waren die abgebrannten Dochte. Die Dochte starrten mich an. Ihr Mund mit dem verschmierten Lippenstift stand offen und schien Warum zu fragen.
Hembree gab die Kamera einem Techniker der Spurensicherung, forderte mich mit einem Nicken auf, ihm zu folgen, und bahnte sich durch die Kerzen einen Weg zum Leichnam. Dabei bewegte er sich so vorsichtig wie ein Mann, der barfuß über Glasscherben ging.
Ihre Hände waren auf dem Brustbein gefaltet und unter all den Rosen, Lilien und anderen mir unbekannten Blumen kaum zu erkennen. An fast allen Fingern funkelten billige Ringe. Ihre dunkelbraunen Haare waren frisch gewaschen und sie trug einen konservativen Kurzhaarschnitt, was so gar nicht zu ihrer restlichen Erscheinung passte. Versteinerten Tränen gleich hingen Wachstropfen an ihren Haaren. Wundmale schmiegten sich wie ein roter Kragen um den Frauenhals und legten die Vermutung nahe, dass sie stranguliert worden war. Weitere Hinweise oder Anzeichen, dass ein Kampf stattgefunden hatte, gab es nicht. Trotz des süßlichen Blumenduftes roch ich die Verwesung. Wenn wir wieder zu Staub werden, ist die Verwandlung alles andere als schön.
Hembree sah mich an. »Auf wie alt schätzt du sie, Carson?«
»Ende dreißig, Anfang vierzig, würde ich sagen.«
Der Techniker von der Spurensicherung drückte auf einen unsichtbaren Knopf in der Luft und ahmte den Klingelton in einer Ratesendung nach. »Bzzzt. Falsche Antwort. Versuchen Sie’s mal mit fünfzig. Minimum.« Er beugte sich über den Leichnam und tastete den Bizeps ab. »Gute physische Verfassung, der Muskeltonus gleicht das Alter aus. Jedenfalls bis vor kurzem. Wie viele fünfzigjährige Huren mit solch einem Muskeltonus laufen einem über den Weg?«
Mit Daumen und Zeigefinger formte ich eine Null. Die meisten Prostituierten erreichen die Fünfzig nicht, und falls doch, dann sahen sie aus wie achtzig. Ich kniete mich neben das Bett. Hembree gab mir die Hand der Frau. »Arbeiterhände«, fiel mir auf. Hornhaut an Handflächen und Fingern. »Arbeitet draußen. Und damit meine ich nicht, dass sie Straßen asphaltiert. Sehen Sie sich die Ringe an.«
Ich zog Metall und Glas im Wert von ein paar Dollar vom Finger des Opfers. »Aus dem Kaugummiautomaten«, meinte ich. »Wenn sie den Schmuck länger getragen hätte, wären Verfärbungen zu sehen.«
»Eigenartiges Design«, fand Hembree, während er sich die Ringe genauer ansah. »Der eine hat so eine Art Knoten, auf dem anderen ist ein Schwert. Und da drüben ein Mond.«
»Sie trägt auch einen Zehenring«, sagte ich. »Mit einem Pentagramm.«
»Satanistin? Goth?« Hembree griff hinter das Ohr des Opfers und hob eine Haarsträhne. »Carson, ich habe hier kurz vor Ihrem Eintreffen etwas gefunden, das uns vielleicht hilft, sie zu identifizieren.«
Am Halsansatz entdeckte ich ein Muttermal, ein hellroter Fleck auf der Haut, etwa so groß wie ein Zehn-Cent-Stück. Hembree schaltete eine kleine Taschenlampe ein und untersuchte die Falten im Nacken der Frau. Da waren rötliche Linien zu erkennen, die an rostfarbene Kreidestriche erinnerten.
»Schauen Sie mal, hier unten«, sagte er und richtete das Licht auf eine Armbeuge.
»Da also auch«, sagte ich. »Woher stammt die Tinte?«
»Nichts Genaues weiß man nicht. Jedenfalls bis wir das Zeug ins Labor gebracht haben.« Hembree spekulierte nicht gern und mochte es gar nicht, wenn er später eine Behauptung zurücknehmen musste. Andererseits war er ein extrem akribischer Mensch, weshalb er nur selten etwas revidieren musste. Den Ton, den er jetzt anschlug, kannte ich. Er hatte eine Vermutung.
»Los, Bree, spucken Sie es schon aus«, drängte ich und deutete spaßeshalber einen Schlag auf seinen Mini-Bizeps an. »Ich werde Sie auf nichts festnageln. Was denken Sie?«
Noch immer studierte er den Arm der Frau im Licht der Taschenlampe. »Ich denke, der perfekte Polizist des Jahres wäre nicht so eine Nervensäge.«
* * * * *
»Putzfrau findet Leiche«, erzählte Saleem Hakkam, der Manager vom Cozy Cabins, Harry gerade, als ich die Tür zu dem kleinen, verrauchten Büro öffnete. »Putzfrau kommt kreischend in Büro, ich lasse Kaffee fallen und rufe Polizei. Putzfrau kreischt weiter.«
Hakkam, der hinter einer abgeplatzten Resopaltheke stand, zog an einer Zigarette, die wie brennende Schuhputzlappen stank, und schnippte die Asche gelegentlich in eine Dr.-Pepper-Dose auf der Theke. Der beleibte Hakkam hielt die Zigarette mit drei Fingern fest, als fürchtete er, sie würde ihm entwischen.
»Können wir mit ihr reden?«, fragte Harry.
Hakkam nahm einen tiefen Zug. »Putzfrau kreischt. Springt in den Wagen und fährt weg. Kreischt noch hundert Meter weiter.« Rauchwölkchen untermauerten seine Worte.
»Wann kommt sie wieder?«
Hakkam schüttelte traurig den Kopf. »Wer so aufregt, nicht wiederkommt.«
»Wer hat das Zimmer gemietet, Mr Hakkam?«, fragte Harry. »Sind die Gäste hier gewesen und haben sich eingetragen?«
Hakkam wandte den Blick ab. Harry, der kapierte, was Sache war, stieß einen Seufzer aus. »Mr Hakkam, Sie kriegen keine Schwierigkeiten. Es sei denn, Sie lügen mich an.«
Hakkam, dem der Rauch in die Augen stieg, blinzelte argwöhnisch. »Lüge Polizei nicht an. Anruf kommen gestern Morgen, sehr früh. Will Zimmer mieten für Dienstagnacht.«
Diese Geschichte hörten wir beide nicht zum ersten Mal. »Und Sie wissen nicht, wer die Hütte gemietet hat?«
»Niemand gesehen. Gäste spät.«
»Und was war mit der Bezahlung?«, fragte Harry.
»Anrufer sagt, Geld ist im Briefkasten. Ich sehe nach. Geld da. Anrufer sagt, ich soll Tür offen lassen und Schlüssel auf den Tisch legen. Und warum nicht? Betrag stimmt.«
»Haben Sie das Fahrzeug gesehen?«
»Nein.«
»Haben Sie den Umschlag, in dem das Geld war?«
»Mit Abfall verbrannt.«
»Der Anrufer, war das ein Mann oder eine Frau?«
Hakkam schüttelte den Kopf und hob die Hand auf Stirnhöhe. »Stimme war nicht hier oben wie bei einer Frau ...« Dann senkte er die Hand auf Schritthöhe. »Und auch nicht hier unten wie bei einem Mann. Irgendwas in der Mitte.« Er zuckte mit den Achseln. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte der Anrufer oder die Anruferin die Stimme verstellt.
Harry sagte: »Wie viel Geld haben Sie erhalten, Mr Hakkam?«
»Fünfhundert Dollar.«
»Ungefähr das Zehnfache des Normalpreises. Sie dachten wohl, es handelt sich um ein Drogengeschäft, oder? Stoff?«
Hakkam senkte den Blick und nahm wieder einen tiefen Zug von der schmierigen Zigarette. In meiner Vorstellung sahen seine Lungen aus wie Schlammbeutel.
»Job ist es, Zimmer zu vermieten und sich um eigene Angelegenheiten kümmern.«
Er runzelte die Stirn, nahm einen letzten Zug und ließ die teergetränkte Kippe in die Dose fallen, wo sie zischend verglühte. Bräunlicher Rauch stieg aus der Öffnung. Das verdammte Ding wollte einfach nicht ausgehen.
Unter hohen Sumpfkiefern, deren Schatten diese Hitze nicht lindern konnten, kehrten wir zur Hütte zurück. Eine Unterhaltung wie die, die wir gerade mit Hakkam geführt hatten, war in dieser einkommensschwachen Gegend nichts Besonderes. Da die Geschäfte schlecht gingen, hatte er nur allzu gern an jemanden vermietet, der tief in die Tasche griff, damit man ihn in Ruhe ließ. Drogendealer, die ihre Ware umpackten oder verteilten, Typen aus dem Pornogeschäft, die drittklassige Filme drehten. Hakkam tat genau, was man von ihm verlangte, und hoffte darauf, dass die Gäste wiederkamen.
Als wir um die Ecke bogen und zur Vorderseite der Hütte gehen wollten, blieb Harry abrupt stehen, krallte sich von hinten meine Jacke und hielt mich fest.
»Bussarde«, sagte er und zeigte um die Ecke. »Sabbernde und geifernde Garde.«
Harry hatte die Angewohnheit, in Reimen zu sprechen, was ich manchmal als Heimsuchung empfand. Im Laufe unserer fünf Jahre währenden Freundschaft hatte ich immerhin gelernt, die Hälfte dessen, was er sagte, zu entschlüsseln. Diese Bussarde waren allerdings auch mir nicht fremd. Zur Sicherheit spähte ich noch einmal um die Ecke.
Reporter.
Da Leighton Withrow sie von der Hütte fern hielt, warteten sie in der Nähe des Eingangs. Entweder hatten sie Polizeifunk gehört, oder ein verkümmerter Instinkt lockte sie wie Maikäfer, die gegen Fliegengitter donnerten, von Tragödie zu Tragödie. Fernseh- und Radioreporter und eine Hand voll Printjournalisten hatten Lunte gerochen.
Harry nickte schwermütig. »Wie ich sehe, sind da vorn Fotze und Funt von Channel 14.«
Seinen Ausspruch kommentierte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue. Obwohl Harry nicht gerade für seine political correctness bekannt war, hielt er normalerweise nichts von abfälligen Bemerkungen. »Ähm, wer?«, fragte ich.
»DeeDee Danbury von Channel 14. Sie ist die F-Wort-Lady. Meist hat sie einen putzigen kleinen Kameramann im Schlepptau. Das ist Funt. So heißen sie jedenfalls drüben im Rathaus. Zumindest bei dem einen oder anderen.«
»Funt? Heißt der Kameramann tatsächlich so?«
Wieder spähte Harry um die Ecke. »Es gab mal eine Fernsehsendung namens Candid Camera. Die Leute steckten ihre Post in den Briefkasten und plötzlich kam da eine Hand raus und packte sie, war so ein billiger Trick. Und die ganze Zeit lief eine versteckte Kamera mit und filmte die Szene. Der Typ, der sich die Sendung ausgedacht hat, hieß Funt.«
»Der Kerl von Channel 14 versteckt sich in Briefkästen?«
»Nein, aber die beiden arbeiten so. Fo ... ich meine, Danbury bombardiert die Leute mit Fragen in der Hoffnung, sie auf diese Weise zu überrumpeln, und Funt filmt dann, wie sie verlegen aus der Wäsche gucken.«
»Woher kennst du diese Danbury so gut? Siehst du neuerdings fern?« Harry war ein waschechter Musikfan. Überall in seinem Haus stapelten sich alte Blues- und Jazzschallplatten. Erst kürzlich hatte er äußerst widerwillig angefangen, CDs zu sammeln. Das letzte Mal, dass ich Harrys alten Schwarzweißfernseher gesehen hatte, fungierte er als Türstopper.
»Sie hat mich vor drei, vier Jahren in die Pfanne gehauen. Ich hatte mich verplappert und ihr erzählt, dass der Tote ein Drogenschwergewicht war. Ich hab noch versucht, es sofort zurückzunehmen. ›Kein Problem‹, hat sie gesagt. Und dann höre ich später am Abend den Namen in den Nachrichten.«
»Und?«
»Was ich nicht wusste, war, dass die Drogenfahndung den Typen im Visier hatte und eine Lieferung aus Kolumbien verfolgte, die zu ihm unterwegs war. Als öffentlich wurde, dass der Junge abgenippelt war, sind die Schmuggler untergetaucht. Ohne den Bericht wäre die Lieferung dem FBI ins Netz gegangen.«
Ich verzog das Gesicht. »Autsch.«
»Hat nicht viel gefehlt und ich hätte fortan Verkehrskontrollen durchgeführt und Traktoren stillgelegt«, sagte Harry und spähte um die Ecke. »Ich werde noch immer stinksauer, wenn ich sie sehe. Na schön, Carson, dann mal los. Und gib Gas.«
Wir rannten im Affenzahn um die Ecke. Kaum hatten die Reporter uns im Visier, stürzten sie sich auf uns.
»Wer ist da drinnen?«
»Kein Kommentar.«
»War es ein Raubüberfall?«
»Kein Kommentar.«
»Schon eine Ahnung, was das Motiv war?«
»Kein Kommentar.«
Mit eingezogenen Köpfen nahmen wir den Spießrutenlauf auf uns. Blickkontakt übte auf Reporter dieselbe Wirkung aus wie Blut auf Haie. Fragen zu beantworten war eh nicht unser Bier. Die Abteilung hatte Pressesprecher, deren Aufgabe es war, am laufenden Meter irgendwelchen Mist zu erfinden. Wir hatten alle Hände voll zu tun, uns mit der Wahrheit herumzuschlagen.
»Ist das ein PSET-Fall, Detective Ryder? Ist das der Grund, weshalb Sie und Detective Nautilus hier sind?«
Die letzte Frage überraschte mich. Ich drehte mich zu dem runden, mit Schaumstoff bezogenen Mikrofon um, das einen halben Meter weiter in der Luft schwebte. Dahinter stand DeeDee Danbury, die Reporterin von Channel 14. Die riesigen, grauen Augen waren der Blickfang in ihrem länglichen, aber durchaus ansprechenden Gesicht, das von aschblonden Haaren eingerahmt wurde.
»Um Himmels willen, sag nein«, flüsterte Harry.
»Nein«, plapperte ich wie ein Papagei nach.
Sie hob eine Augenbraue. »Aber sind Sie beide hier nicht außerhalb des Verantwortungsbereichs Ihres Reviers?«
Harry schob mich in die Hütte. Hembree schaute zu, wie die Jungs von der Spurensicherung die Kerzen aus den Augen der Frau fischten. Er hielt eine durchsichtige Plastiktüte mit mehreren roten Partikeln hoch. »Hab ich in den Haaren des Opfers gefunden. Gleicht der Substanz am Hals und in den Armbeugen. War auch unter ihren Fingernägeln und im Bauchnabel zu finden.«
Hembree hatte heute einen eigenartigen Tonfall drauf. Ich schaute mich um, doch außer mir und Harry war niemand in Hörweite. »Kommen Sie, Bree, keiner kriegt was mit. Was geht Ihnen durch den Kopf?«
»Zombies«, flüsterte er mit einem rätselhaften Lächeln auf den Lippen.
Kapitel Drei
Obwohl es noch taghell war, klapperten Harry und ich schon die umliegenden Straßen ab und redeten mit den so genannten Damen der Nacht. Das mit der Nacht ist eigentlich Unsinn, denn die meisten Frauen, die ihr Leben in Zehn-Minuten-Einheiten verkaufen, nehmen irgendeine chemische Substanz, um durchzuhalten, und süchtig ist man schließlich rund um die Uhr. Wir unterhielten uns mit einer ganzen Reihe von Frauen und einem Transvestiten. Die meisten warfen einen Blick auf das Foto und schüttelten den Kopf. Ein paar überlegten kurz, sagten dann aber »Nee, ist doch nicht die, an die ich dachte« oder – was noch populärer war – »Hab ich noch nie im Leben gesehen. Und wie wär’s, wenn ihr Jungs jetzt verduftet, damit ich arbeiten kann?«
Harry und ich liefen uns ein paar Stunden die Füße platt, ohne das Geringste zu erreichen. Als wir ins Präsidium zurückkehrten, fing Tom Mason uns vor dem Büro des Detectives ab.
»Der Chef sucht euch, Jungs. Wartet drüben in meinem Büro.«
Mehr sagte Tom nicht. Harry warf mir einen kurzen Blick zu, ehe wir zu Toms Büro hinüberschlurften. Plackett, der Polizeichef, wippte auf den Fußballen und schaute aus dem Fenster auf die Government Road, den schmalen, nadelgestreiften Rücken uns zugewandt. Eine rosa Hand strich das perfekt frisierte schwarze Haar zurück. An seinem Handgelenk funkelte eine Golduhr. Mit gerunzelter Stirn wirbelte er herum, doch als er die Halbdrehung vollendet hatte, lächelte er.
»Da sind Sie ja«, sagte der Chef und streckte mir die Hand entgegen, als ich über die Türschwelle trat. Wie ein Politiker schüttelte er meine Hand einmal lang, zweimal kurz und nahm sich dann Harrys Hand vor. »Meine Spezialisten.«
Harry stieß ein tiefes Grunzen aus, das nur ich hörte.
»Spezialisten?«, fragte ich.
»Die Spezialisten vom Psychopathologischen und Soziopathologischen Team. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr Jungs einen schrägen Fall gekriegt habt – Prostituierte, Kerzen, ritueller Kram. Jetzt greift das PSET durch, nicht wahr? Und rottet diesen Wahnsinn gleich mit der Wurzel aus?«
Es gelang mir, keine Miene zu verziehen. Ursprünglich war das PSET, das nur aus Harry und mir bestand und im vergangenen Jahr ein einziges Mal zum Einsatz gekommen war, als Werbegag ins Leben gerufen worden. Obwohl fast alle gegen uns gewesen waren, hatten wir einen Erfolg erzielt. Jetzt dieses Team wieder einzusetzen, damit es »durchgriff«, war wesentlich komplizierter, als es sich anhörte, und schuf politische und logistische Probleme, die Harry und ich uns nur aufhalsen wollten, wenn es sich unter gar keinen Umständen vermeiden ließ.
»Ich denke nicht, dass das jetzt schon notwendig ist, Chief«, sagte ich.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Und warum nicht, Detective?«
»Es gibt Beweise, dass da ein verwirrter Geist sein Unwesen treibt. Doch man könnte auch argumentieren, dass jeder vorsätzliche Mord das Produkt eines verwirrten Geistes ist, denn niemand, der bei klarem Verstand ist, würde seine Freiheit oder sein Leben aufs Spiel setzen, was aber jede Ergreifung nach sich zieht. Jetzt, wo das geklärt wäre, will ich ja gern zugeben, dass der Tatort Aspekte aufgewiesen hat, die die normalen Erwartungen übertroffen ...«
Wie so oft, wenn ich ins Schwafeln komme, eilte Harry mir zu Hilfe. »Was Carson sagen möchte, ist, dass dieser Fall, so wie er sich jetzt präsentiert, alles andere als eindeutig ist, Boss, zumal noch eine ganze Menge Infos fehlen. Ein Grenzfall eben. Wir finden, fürs Erste sollten die Jungs vom dritten Distrikt den Fall bearbeiten.«
Plackett sah aus dem Fenster. »Ich erhalte Anrufe von Reportern, meine Herren.«
Wir warteten. Unser unausgesprochenes Und? hing in der Luft.
»Ich bin der Ansicht, ihr Jungs sollt euch um den Fall kümmern. Falls dort draußen ein Irrer rumläuft, ist es besser, wenn wir sagen können, Sie sind von Anfang an an dieser Sache dran gewesen. Ich habe keine Lust, mit heruntergelassenen Hosen erwischt zu werden.«
Nach dem Leichenschauhaus-Fall hatten die hohen Tiere schwere Geschütze abwehren müssen, denn ein paar Personen hatten nicht ganz unbegründet angedeutet, das PSET hätte früher hinzugezogen werden müssen.
»Chef, das Problem zieht das Interesse der Medien auf sich«, sagte ich, »und daran kann uns doch nicht gelegen sein. Die werden uns auf Schritt und Tritt verfolgen.«
Plackett schaute skeptisch drein. Tom, der seit zwanzig Jahren Bürohengste beschwichtigte, klatschte in die Hände. »Ich sag Ihnen was, Chef. Falls es danach aussieht, dass wir die umfassenderen Möglichkeiten des PSET benötigen – mehr Freiheiten für Carson und Harry und die Umorganisation der Befehlsstruktur –, kann ich das bis dahin koordinieren. Aber fürs Erste könnte ich doch deren wichtigere Fälle anderen Kollegen übertragen, damit sie die Leitung dieses Falles übernehmen, oder?«
Tom warf Harry und mir einen Blick zu. Seine hochgezogene Augenbraue sagte Mehr kann ich nicht für euch tun. Plakett nickte halb zufrieden und verschwand durch die Tür. Nur der schwere Duft seines Eau de Cologne, das in der Luft hing, blieb zurück.
Harry und ich setzten uns an unsere Schreibtische. »Verdammt«, murrte er. »Gestern wurde noch nicht mal richtig zugegeben, dass es das PSET gibt, und heute können wir sie nicht davon abhalten, uns die Verantwortung aufzuhalsen. Woher, zum Teufel, dieser Sinneswandel?«
Das Foto von der Preisverleihung des Bürgermeisters stand auf meinem Schreibtisch. Ich hob es hoch und tippte mit dem Finger darauf.
»Bruder, wir sind jetzt amtlich.«
* * * * *
Obwohl die Luft heiß und stickig war, fuhr ich mit heruntergekurbelten Fenstern nach Hause und versuchte so, mir das Gehirn richtig durchblasen zu lassen. In der Dämmerung überquerte ich den Mississippi-Sund. Das dunkle Wasser unter der Brücke schimmerte und ein paar träge dahingleitende Ausflugsdampfer kehrten in den Hafen zurück.
Ich wohne auf Dauphin Island, einem schmalen, langen Sandstreifen, dreißig Meilen südlich von Mobile. Zu Hause bin ich in einer Kiste mit Blick auf den Golf, die in luftiger Höhe auf Pfählen über der Insel schwebt. Sie entspricht genau meiner Vorstellung von einem perfekten Refugium. Die Gegend übersteigt meine finanziellen Mittel bei weitem, doch als meine Mutter vor ein paar Jahren starb, erbte ich genug, um mir diesen Luxus leisten zu können. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mir einen Wohnwagen und ein billiges Stück Land zu kaufen und mit dem restlichen Geld ein einfaches Leben ohne Arbeit zu führen. Doch eines Tages – ich fischte gerade in der Dauphin-Brandung – erblickte ich mein zukünftiges Heim: Das Metalldach funkelte wie eine polierte Rüstung, es gab eine breite Veranda mit Blick aufs Meer und auf der Zufahrt stand ein Zu-verkaufen-Schild. In jener Nacht habe ich kaum ein Auge zugetan, und wenn ja, dann träumte ich wild: Das Haus war ein Boot und ich segelte durch ruhiges, sicheres Wasser. Zwei Wochen später schleppte ich Secondhandmöbel im Wert von ein paar hundert Dollar in ein Strandhaus, das vierhundert Tausend Dollar wert war.
Ich bog in eine zwanzig Meter lange Zufahrt aus Sand und zerbrochenen Muscheln, die zu meinem Heim führte, das mittlere von drei Häusern auf einer von dichtem Wald gesäumten Straße. John und Marge Amberly waren meine Nachbarn im Osten. Auf ihrer Zufahrt stand ein unbekanntes Fahrzeug, ein aufgemotzter feuerwehrroter Hummer mit überdimensionierten Reifen, Scheinwerfern auf dem Dach und Nevada-Nummernschild. Auf dem zwölf Meter breiten Sandstreifen zwischen den Häusern trieben sich ein paar Gestalten herum. Sie befanden sich auf meinem Grundstück, aber es gab keine Schilder und außerdem – wen kümmerte es? Die Frau fing etwas auf, das durch die Luft flog. Ich winkte kurz und rollte auf meine Zufahrt, während John Lee Hooker aus den Lautsprechern dröhnte.
Ein Großteil meiner Nachbarn waren Zugvögel, die in die entgegengesetzte Richtung ausflogen: Während der heißen Sommermonate flohen sie nach Norden, wo es kühler war, und vermieteten die Häuser an Urlauber, um so ihre Unterhaltskosten zu reduzieren. Von Mai bis September habe ich ständig neue Nachbarn, von denen manche nur eine Woche, andere einen Monat oder länger bleiben. Die Amberlys, die den Sommer irgendwo im Norden verbrachten, vermieteten ihr elegantes zweistöckiges Heim beispielsweise nicht unter einem Monat. Es war ungefähr dreimal so groß wie mein Haus und ging für zwei Riesen die Woche weg. Meine Nachbarn auf Zeit waren größtenteils nette Menschen und die Mietpreise viel zu hoch für Studenten oder Trottel, die den Grill im Wohnzimmer anfeuern, weil dort die Klimaanlage am besten funktioniert.
Als ich ausstieg, hörte ich eine Stimme hinter mir. »Arschloch, wieso machst du beim Fahren nicht die Augen auf?«
Ich hob den Blick und sah eine Frau, vermutlich Mitte dreißig. Sie war auf jene Art attraktiv, die eine Menge Aufwand erfordert: gesträhntes, modisch geschnittenes Haar, das in gepflegten Locken herabfiel, Haut, die vom vielen Eincremen glatt und samtig war, gleichmäßige, wie mit der Spraydose aufgetragene Bräune. Das gelbe Sommerkleid kam ganz sicher nicht von der Stange, sondern war maßgeschneidert, um ihre überdimensionierten Brüste – nach der Symmetrie zu urteilen Modell Dow Cornings aus der Revuegirl-Serie – zu betonen. Äußerlich negativ ins Gewicht fielen nur die krummen Beine und der wütend zusammengekniffene Mund. Sie schwankte ein bisschen, als hätte sie schon ein paar Drinks intus.
»Wie bitte?«, fragte ich.
»Sie haben unser Frisbee überfahren«, sagte die Frau. »Ich habe ›Aufpassen‹ gerufen, doch Sie sind einfach weitergefahren. Habe gesehen, wie Sie extra darauf zugefahren sind, Blödhammel.«
Mein Blick fiel auf ein verbogenes, plattes Etwas, das ein Stück weiter den Weg hoch lag. »Nein, Ma’am. Ich versichere Ihnen, ich bin nicht absichtlich darüber gefahren. Ich wollte mir schon vor Ewigkeiten den Stoßstangenaufkleber ›Ich bremse für Frisbees‹ besorgen, bin aber leider noch nicht dazu gekommen.«
»He, Kumpel, verarsch ja nicht meine Frau«, meldete sich eine Männerstimme zu Wort. »Das geht mir auf den Zeiger.«
Auf einmal war ein neuer Spieler auf der Bildfläche aufgetaucht, den identischen Eheringen nach zu urteilen der Göttergatte. Er war knapp eins neunzig groß, wog ungefähr 120 Kilo und zog, während er den harten Typen markierte, die Wampe ein, was bei der Größe alles andere als ein Kinderspiel war. Er trug eine von diesen grauen Ponyfrisuren, die Hollywood gern römischen Imperatoren andichtet. Wie seine Frau war auch er perfekt gebräunt, ein mit der Sprühflasche aufgetragener Eichenton, der bis in die faltigen Winkel seiner kleinen Augen reichte.
Die Frau hob das platte Frisbee auf und warf es in meine Richtung. Das Ding knallte mir gegen die Knie.
»Sechs Mäuse«, sagte sie, drehte die Hand um und tippte mit rot lackierten Nägeln darauf.
Solchen Typen begegnete ich nicht zum ersten Mal. Zumindest kannte ich Leute von ihrer Sorte, eine unangenehme Mischung aus reichlich Geld und schlechter Erziehung. Und es hatte leider den Anschein, als würden sich Menschen ihres Schlages auch noch vermehren. Sie krochen vor jedem, der mehr hatte, zu Kreuze und trampelten auf allen herum, die weniger besaßen. Sie waren der beste Beweis, dass vor der Bezeichnung weißer Abschaum nicht unbedingt noch das Adjektiv arm stehen musste. Ihr Hobby war es, Dinge zu besitzen, was unbewusst auch unsere kleine Auseinandersetzung hier ausgelöst hatte. Obwohl das Paar wahrscheinlich mehrere Millionen besaß, sollte ich sechs Dollar für ihr Plastikspielzeug abdrücken. Auf diese Weise wollten sie klar machen, wer hier das Sagen hatte, wer psychologisch wessen Eigentum war. Hier ging es nicht um sechs Dollar, sondern um Unterwerfung.
Der Göttergatte schmunzelte. »Hol mal lieber die Scheinchen aus der Brieftasche, Kumpel.«
Grinsend ließ er die Hände fallen, schloss und öffnete die Fäuste.
Ich hatte weder Grund noch Lust, mich mit diesen Leuten anzulegen. Dazu war das Leben zu kurz und dieser Tag schon viel zu lang. Ich überlegte kurz, bückte mich und hob das kaputte Frisbee auf. Dann betrachtete ich es ganz genau, hielt es an mein Ohr und neigte den Kopf.
»Was soll das?«, fragte der Göttergatte.
Ich legte den Finger auf den Mund. »Psst. Ich höre zu.«
»Hä!«, grunzte der Göttergatte und kniff verwirrt die kleinen Augen zu.
»Es lebt noch«, erzählte ich ihnen kopfschüttelnd und mit trauriger Miene. »Es hat Schmerzen. Hören Sie’s nicht?«
»Wovon, verflucht noch mal, quatschen Sie da?«, krächzte die Frau.
Ich bückte mich und legte das Frisbee auf den Boden. Und dann zog ich blitzschnell die Glock aus meiner Tasche, entsicherte sie und zog den Schlitten nach hinten.
»Du liebe Zeit«, sagte die Frau und wurde ganz blass. Der Göttergatte trat mit weit aufgerissenen Augen den Rückzug an. Ich kniete mich neben das Frisbee und tätschelte es sanft.
»Ich werde dich von deinem Leid erlösen«, sagte ich und zielte auf die Plastikscheibe. »Halten Sie sich die Ohren zu.«
Als ich wieder aufschaute, suchten die beiden immer noch das Weite, obwohl sie schon ein gutes Stück weg waren.
* * * * *
Zwei Nachrichten, sagte das blinkende Lämpchen auf meinem Anrufbeantworter. Ich legte Jacke und Waffe ab, hängte sie über einen Stuhl, zog Laufschuhe und ein T-Shirt an. Ich wollte gerade die Nachrichten abhören, als es an der Tür klopfte. Jimmy Gentry von der Dauphin Island Police stand auf der Treppe. Der schlanke, rothaarige Jimmy war ein paar Jahre älter als ich, er musste so um die zweiunddreißig sein. Er war auf dem Land aufgewachsen und Baptist und arbeitete seit fünf Jahren bei der hiesigen Polizei. Dass Leute mit Geld Gott nicht öfter dafür dankten, dass er sie auf die Champagnerseite des Lebens bugsiert hatte, verwunderte Jimmy immer wieder. Ich winkte ihn herein.
»Setz dich, Jimmy. Willst du was trinken?«
»Dann muss ich später nur rechts ranfahren, um zu pinkeln. Ich habe einen Anruf gekriegt und erfahren, dass du die Waffe auf die Blovines gerichtet hast.«
»Die wer?«
»Die Mieter nebenan. Die Frau hat ein ziemliches Mundwerk, was?«
Ich erklärte ihm, was vorgefallen war. Jimmy brach in Gelächter aus und wischte sich mit dem Ärmel die Augen trocken. »Na, dann werde ich ihnen mal raten, dich besser in Ruhe zu lassen. Wann kommen John und Marge zurück?«
»Nicht schnell genug. Mitte Oktober, denke ich.«
»Sind die Martins auch weg?« Die Martins waren meine Nachbarn auf der westlichen Seite.
»Besuchen die Enkel. North Dakota, glaube ich. Oder South Dakota?«
Jimmy grinste. »Vielleicht West Dakota. Hat sich jemand bei ihnen eingemietet?«
Ich zuckte mit den Achseln und trat ans Fenster. Das Heim der Martins war ein schlichtes einstöckiges Haus mit glänzendem Metalldach. Eigentlich war es eine Kopie von meinem mit dem kleinen Unterschied, dass ihres korallenrot und das Holzwerk grau und meins weiß und grün gestrichen war. Drüben brannte kein Licht. Die Jalousien waren heruntergezogen. Kein Wagen auf der Auffahrt.
»Niemand da«, meldete ich.
»Dann musst du dich nur mit diesen Nachbarn rumschlagen«, meinte Jimmy auf dem Weg zur Tür. »Mach’s gut, Carson. Und versuch, die Blovines nicht zu erschießen. Auf den Papierkrieg bin ich echt nicht scharf.«
* * * * *
Jimmy schaute noch bei den Nachbarn vorbei und redete mit ihnen. Dass ich nicht in Ketten abgeführt wurde, erfreute sie gar nicht. Jimmys Sirene heulte zweimal auf, als er auf die Straße rollte. Auf die Art ließ er mich wissen, wie prächtig er sich amüsierte. Kichernd ging ich zum Anrufbeantworter und drückte auf Start.
Guten Abend, Detective Ryder. DeeDee Danbury von den Channel 14 Nachrichten. Hören Sie, das Opfer im Motel heute? Sie und Nautilus waren außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereiches, richtig? Falls das hier ein Fall für das PSET ist, wüsste ich gern mehr. Vielleicht könnte ich von Ihnen ja ein Statement kriegen. Übrigens, ich habe Ihr Foto in der Zeitung gesehen, interessanter Gesichtsausdruck ...
Ich drückte auf die Löschtaste und DeeDee Danbury war verschwunden. Und dann ertönte die zweite Nachricht.
Carson? Mein Sohn, hier spricht deine Mom, ich rufe aus dem Himmel an. Mein Handy, das kleine Ding, das ich vor einer Weile gefunden habe? Das hat nicht mehr viel Saft, Sohn. Und ich musste gerade feststellen, dass es im Himmel keine Aufladegeräte für Handys gibt. Nun, Carson, was soll eine Frau davon halten, wenn sie nicht hin und wieder mit ihrem Lieblingssohn reden kann? Ich habe natürlich noch einen Sohn, aber der ist EIN ZIMPERLICHER KLEINER MISTKERL, DER HOFFENTLICH IN DER HÖLLE SCHMORT ...
Ich ließ mich in den Sessel neben dem Telefon fallen. Das war mein Bruder Jeremy. Einer der vielen Jeremys. Die Stimme meiner Mutter hörte nicht auf zu sprechen.