DER LETZTE SHOWDOWN - Max Brand - E-Book

DER LETZTE SHOWDOWN E-Book

Max Brand

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Beschreibung

Duster, der Revolvermann, kommt in den kleinen Ort Christmas, wo er seinen toten Kumpan Manness begraben will. Doch der Pfarrer verweigert seine Zustimmung. Durch einen üblen Trick gelingt es Duster dennoch, zu einer Grabstelle zu kommen. So ist Manness verschwunden – obwohl er keineswegs tot ist, sondern weiterhin Banken überfällt. Er zwingt Duster sogar, bei einem neuen Raubzug mitzumachen. Danach hat Duster jedoch endgültig genug von seinem ehemaligen Freund: Er will ein anständiges und ehrliches Leben führen. Deshalb hat er auch keine andere Wahl – er muss mit Manness abrechnen, wenn er endlich Ruhe vor ihm haben will...

Max Brand, der »King Of The Pulps«, hat 150 Bücher sowie unzählige Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben: Er gilt als der ungekrönte König des klassischen Western-Romans.

Der Apex-Verlag veröffentlicht den Roman Der letzte Showdown - erstmals im Jahre 1929 erschienen - in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehene Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

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MAX BRAND

Der letzte Showdown

Apex Western, Band 9

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER LETZTE SHOWDOWN 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

Epilog 

 

Max Brand: »The King of the Pulps« - Ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth 

 

 

Das Buch

Duster, der Revolvermann, kommt in den kleinen Ort Christmas, wo er seinen toten Kumpan Manness begraben will. Doch der Pfarrer verweigert seine Zustimmung. Durch einen üblen Trick gelingt es Duster dennoch, zu einer Grabstelle zu kommen. So ist Manness verschwunden – obwohl er keineswegs tot ist, sondern weiterhin Banken überfällt. Er zwingt Duster sogar, bei einem neuen Raubzug mitzumachen. Danach hat Duster jedoch endgültig genug von seinem ehemaligen Freund: Er will ein anständiges und ehrliches Leben führen. Deshalb hat er auch keine andere Wahl – er muss mit Manness abrechnen, wenn er endlich Ruhe vor ihm haben will...

Max Brand, der »King Of The Pulps«, hat 150 Bücher sowie unzählige Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben: Er gilt als der ungekrönte König des klassischen Western-Romans.

Der Apex-Verlag veröffentlicht den Roman Der letzte Showdown - erstmals im Jahre 1929 erschienen - in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehene Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

DER LETZTE SHOWDOWN

1.

Ich hörte von Dusters Rückkehr aus den Bergen, als ich für die Leeman-Ranch oben in den Kerry Hills arbeitete. Bud Towers und ich saßen gerade beim Mittagessen in der Küche, als Old Man Weldy hereinkam und uns erzählte, dass Duster sich in die Öffentlichkeit wagte. Wir alle überlegten, welchen Unfug Duster jetzt wohl wieder anstellen würde. Merkwürdig war allerdings, dass Duster nicht im Sattel saß; er fuhr einen Wagen mit einem Gespann. Wir beschuldigten Weldy, uns eben einen Bären aufgebunden zu haben, aber er schwor, mit Chick Monroe gesprochen zu haben... und Monroe hatte alles mit eigenen Augen gesehen.

Selbstverständlich überlegten wir, was Duster wohl veranlasst haben könnte, einen Wagen zu benutzen. Vielleicht, so dachten wir, war er .dahintergekommen, dass es für ihn zu leicht war, sich aus dem Staub zu machen, wenn er ein schnelles Pferd zwischen den Beinen hatte. Weldy meinte, dass Duster den Dingen wahrscheinlich ein wenig mehr Reiz verleihen wollte, indem er seinen Gegenspielern zu einem Vorsprung verhalf. Aber Towers und ich waren uns darin einig, dass Duster sich inzwischen wohl schon zu viele Kugeln eingefangen hatte, um noch länger auf einem Pferd reiten zu können. Oder er musste übergeschnappt sein. Es gab mindestens fünfhundert Männer, die nur so darauf brannten, in mit Blei vollzupumpen!

Schließlich sagte ich zu Weldy: »Aber es kann doch gar nicht stimmen! Ich kenne doch Chick. Er hat Ihnen bestimmt etwas vorgelogen.«

»Aber Chick hat alles bis in die kleinste Einzelheit beschrieben!«, antwortete Weldy. »Sogar die Pferde. Zwei Braune. Einer hat drei weiße Fesseln, und der andere hat eine Stirnblesse und eine weiße Fessel. Außerdem ein altes OH- Brandzeichen auf der Schulter.«

Das brachte mich auf die Beine. »Das ist Dolly!«, sagte ich.

»Wer ist Dolly?«, fragte Towers.

»Die beste Stute, die je einen Schritt getan hat«, sagte ich ihm, und das stimmte. »Das also ist aus ihr geworden? Wenn Duster sie jetzt hat, muss er sie wieder hergeben.«

»Willst du sie ihm etwa abnehmen?«, fragten mich die anderen. Sie grinsten sich dabei gegenseitig an.

Ich aber ließ sie einfach stehen und ging schnurstracks ins Ranchhaus, um mit Leeman zu reden. Ich sagte ihm, wohin ich gehen wollte und warum. Leeman war ein zäher, alter, komischer Kauz, aber ich muss sagen, dass er zu mir stets sehr anständig gewesen war. Er wies mich darauf hin, dass ich erst ein Jahr bei ihm war, aber dass er mich trotzdem schon zum Vormann gemacht hatte. Bei ihm würde ich es rasch zu etwas bringen.

»Außerdem«, so fügte er noch hinzu, »sollte sich ein Mann Ihres Alters wirklich schämen, sich mit Revolverhelden und nutzlosem Gesindel wie diesem Duster abzugeben! Ob der Kerl mm ein Pferd von Ihnen hat oder nicht.«

»Hören Sie, Leeman«, sagte ich. »Diese Stute gehorcht mir aufs Wort. Sie kommt, wenn ich sie rufe. Sie legt sich hin, wenn ich sie dazu auffordere. Sie kann sich auf einem Dollar umdrehen und einer Kugel ausweichen. Sie kann...«

»...vielleicht auch noch Französisch sprechen?«, fiel mir Leeman ins Wort. »Na, schön. Gehen Sie hin. Holen Sie Ihren Wundergaul, wenn Ihnen so viel daran liegt. Sollten Sie es eines Tages leid sein, sich in den Bergen herumzutreiben, kommen Sie zurück... und ich werde Ihren Lohn um zehn Dollar erhöhen.«

Ich bedankte mich aufrichtig bei ihm. Für einen Mann, der allmählich auf die Fünfzig zuging, war es schon wichtig, eine gute Stellung zu haben, und man findet nicht jeden Tag einen Boß, der bereit ist, gleich zehn Dollar pro Monat zuzulegen. Meistens bürden sie einem nur immer mehr Arbeit auf und denken, der Titel eines Vormannes genügt schon. Als ob man sich dafür Brot und Fleisch, Whisky und Kugeln kaufen könnte!

Ich besaß einen Rotschimmel; einen guten, zähen Wallach, der als wilder Mustang eingefangen worden war. Er hatte das Herz einer Klapperschlange und die Kraft einer Sprengladung. Das störrische Biest trug mich in einem mörderischen Ritt aus den Kerry Hills nach Christmas, und wenn ich auch arg durchgerüttelt und halb von Sinnen dort ankam, so hatte der Gaul diese lange, beschwerliche Strecke doch in erstaunlich kurzer Zeit zurückgelegt.

Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Duster nur aus den Bergen gekommen war, um Christmas auszuplündern. Obwohl er unsere Gegend schon weiß Gott oft genug heimgesucht hatte, war er der Stadt Christmas bisher geflissentlich aus dem Weg gegangen. Dabei war das doch auch eine sehr schöne Stadt, die einem Mann wie Duster das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen musste. Ich meine, es gab eine Bank, deren Safe nicht mehr allzu neu war. Dazu zwei Leihhäuser, deren Schaufenster einen im Vorbeigehen geradezu blendeten; überladen mit wertvollen Ringen, Krawattennadeln und solchem Zeug, das unglückliche Cowboys hier hatten zurücklassen müssen. Aber es gab auch noch viele gute andere Möglichkeiten. Zum Beispiel das Geschäft von Mason & Baxter. Aber selbst wenn alles das nicht geklappt hätte, so wäre Duster immer noch imstande gewesen, sich beim Pokern im Hotel die Taschen vollzustopfen. Es gab nämlich immer noch ein paar Leute, die sich zum Pokern mit Duster an einen Tisch setzen würden. Durchweg Berufsspieler. Die einen wollten noch etwas von Duster lernen, die anderen waren einfach zu stolz, eine Einladung abzulehnen.

Vielleicht, so hatte ich weiter gedacht, war Duster deshalb auch mit einem Wagen gekommen. Wahrscheinlich rechnete er mit mehr Beute, als er in zwei Satteltaschen hätte fortschaffen können.

In Christmas suchte ich zuallererst Dick Kenyons Saloon auf, um ein paar Neuigkeiten zu erfahren. Dick freute sich mächtig, mich zu sehen. Wir beide hatten damals zusammen den Goldrausch in Klondyke mitgemacht. Da wird man sich ja vorstellen können, wie das so ist, wenn zwei Oldtimer wie wir Zusammenkommen. Er bewirtete mich sofort mit einem Drink und gab seinem jüngsten Sohn Anweisung, sich um mein Pferd zu kümmern und es in den Stall zu bringen.

Dick hatte mir viel über seine Familie und seine alten Freunde zu erzählen, aber schließlich kam er doch auf den Mann zu sprechen, über den ich etwas wissen wollte: Duster.

Es war Tatsache. Ein Dutzend Leute hatten Duster an verschiedenen Orten gesehen. Und er benutzte wirklich einen prächtigen Wagen mit großen Gummireifen. Das Gespann trug silberverziertes Geschirr. Zwei sehr schöne Pferde.

»Das ist's ja gerade!«, sagte ich. »Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er nur noch ein Pferd vor seinem Wagen haben.«

»Willst du dich etwa mit Duster anlegen?«, fragte Dick und lachte dabei ein wenig.

»Und ob!«, antwortete ich, dann verließ ich ziemlich ein geschnappt den Saloon, weil Dick mir nicht glauben wollte. Aber ich konnte mir selbst glauben.

An sich ging es mir wohl nicht nur um Dolly, obwohl sie das beste und schnellste Pferd war, das ich je gesehen hatte. Aber, um es einmal ganz allgemein auszudrücken, ich wurde einfach schon zu alt, um mich noch mit Räubereien abzugeben. Aber ich hatte nun mal bereits zwei Leuten gesagt, was ich zu tun beabsichtigte, und da konnte ich jetzt nur noch schlecht kneifen.

Vor allem aber hatte ich wohl damit gerechnet, noch etwas mehr Zeit zu haben, bevor ich mit Duster Zusammentreffen würde.

Ich war gerade Pudge Larkin begegnet. Ihm gehörte die Bank. Er hatte dieser Gegend auch den Namen Christmas gegeben, noch bevor es im Tal überhaupt eine Stadt gegeben hatte. Als er nach einer Frachtfahrt durch die Wüste hierhergekommen war, hatte ihn die grüne Landschaft dazu bewogen, sie Christmas zu taufen, und dieser Name war bis heute geblieben.

Pudge schien sich auch sehr zu freuen, mich mal wiederzusehen; wir hatten früher so manchen Fracht-Trip gemeinsam gemacht, bevor Pudge dann reich geworden war.

Als ich ihn eben wieder verlassen wollte, kam ein Mann atemlos angerannt und sagte zu Pudge: »Duster ist hier!«

»Zum Teufel, nein!«, entfuhr es Pudge erschrocken. »Doch nicht am helllichten Tag! Das würde nicht mal er wagen!«

»Aber ich hab' ihn doch mit eigenen Augen gesehen«, behauptete der andere Mann. »Sonst würde ich's ja auch nicht glauben. Er wird in einer halben Minute dort um die Ecke kommen.«

Und genau das tat Duster dann auch.

Pudge Larkin bat mich, ihn zur Bank zu begleiten und ihm zu helfen, sie zu bewachen; sein Sonntagswächter, so sagte er, sei keinen Pfifferling wert. Aber ich blieb, wo ich war. Pudge rannte die Straße hinab und torkelte dabei leicht hin und her, weil er inzwischen schon so dick geworden war.

Dass Duster hier war, hatte sich bereits in der Stadt verbreitet. Gesichter tauchten an Fenstern auf. Aber mir fiel auf, dass verdammt wenige Männer auf den Gehsteigen zu sehen waren. Nun, ja, bei Duster konnte man nie genau voraussehen, was er tun würde. Er könnte sogar über diese Straße hier fahren und irgendjemanden kaltblütig abknallen. Den Nerv und das nötige Selbstvertrauen besaß er. Kein Wunder, dass er an sich glaubte, denn schließlich hatte man ihn wegen Raubes und Mordes schon fünfmal vor Gericht gestellt, aber er war jedes Mal freigesprochen worden.

Ich war grimmig entschlossen, Duster anzuhalten und mein gestohlenes Pferd von ihm zu verlangen. Aber es kam dann doch alles ganz anders.

Duster kam um die Straßenecke.

Aber als ich ihn sah, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen, obwohl man mir sein neues Auftreten doch schon anschaulich genug geschildert hatte.

Da war zunächst einmal das Gespann. Das Pferd auf der mir zugewandten Seite war tatsächlich meine eigene gute Stute Dolly, wie ich es vermutet hatte. Aber ich trat keineswegs auf die Straße hinaus, um Duster anzuhalten, wie ich es mir so fest vorgenommen hatte. Ich konnte es einfach nicht. Mein Kopf war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was ich sah.

Zunächst einmal muss man sich wohl das Bild von Duster ins Gedächtnis zurückrufen, wie man es sonst zu sehen gewohnt war. Ein stattlicher junger Bursche mit genügend Farbe in der Kleidung, um damit einen Regenbogen an den Himmel zeichnen zu können. Zwei Revolver mit Perlmuttgriffen in den Sattel-Holstern. Viel Silber und Gold in Sattel und Zaumzeug eingearbeitet. Sein Pferd schien ständig von glühenden Hufeisen beschlagen zu sein; es tänzelte vorwiegend auf den Hinterbeinen.

Das alles war jetzt gründlich verändert.

Die beiden Braunen trotteten sehr ruhig und gemächlich dahin. Sie zogen einen frisch gestrichenen Wagen mit hohen gummibereiften Rädern. Auf dem Bock saß Duster, ganz in Schwarz gekleidet. Lediglich um den Hals trug er ein weißes Tuch. Und er trug gelbe Wildlederhandschuhe! Sogar an der Waffenhand! Allerdings waren sie, wie ich selbst bei flüchtigem Hinsehen feststellen konnte, offenbar kaum dicker als die Haut eines Regenwurms.

Dieser so gänzlich ungewohnte Anblick von Duster brachte mich vollkommen aus der Fassung. Aber das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was ich empfand, als Duster eine Hand hob, mir zunickte und sagte: »Guten Morgen, Mr. Wye.«

Es war das erste Mal seit fünfzehn Jahren, dass mich jemand anders als Baldy genannt hatte!

  2.

An diesem Sonntagmorgen hatte man in der Stadt Christmas weiter nichts zu tun, als neue Zügel zu flechten, Sättel zu säubern oder sich neue Lügen für die Nachbarn einfallen zu lassen. Ein paar Leute gingen allerdings auch in die Kirche.

Und genau dorthin fuhr auch Duster.

An sich hatte man hier selbst sonntags wenig Verwendung für eine Kirche. Es ging sowieso kaum jemand hin. Aber es kam doch sehr gelegen, einen Prediger bei der Hand zu haben: für Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse. Außerdem konnte Reverend Kenneth Lamont bei jeder Gelegenheit gute Ansprachen halten, angefangen von einer Hauseinweihung bis hin zum 4. Juli. Diesem Pastor sprudelten die Worte genauso leicht aus dem Mund wie das Bier aus einem Fass, wenn man erst mal den Spund herausgeschlagen hat. Nebenbei hatte er sich eine kleine, aber gute Rinderherde zugelegt. Fast jeden Tag konnte man eins seiner blonden Kinder barfuß auf bloßem Pferderücken durch die Stadt reiten sehen. Ihr Vater war ein recht hartgesottener Bursche, und seine Kinder waren allen überlegen, die sich auf zwei Beinen in der Stadt bewegten.

Nun wird man sich wohl auch schon so ungefähr denken können, was für eine Kirche Reverend Kenneth Lamont hatte. Sie stand auf einem kahlen Hügel östlich der Stadt und sah aus wie eine Hütte, die man skalpiert hatte. Sie war in freiwilliger Arbeit aus gespendetem Holz erbaut worden, und danach sah sie auch aus. Es gab bestimmt hundert Astlöcher, groß wie eine Männerfaust. Wenn man hinausging, was ich bis zu diesem Tage noch niemals getan hatte, konnte man den Sonnenschein auf seinen Händen beobachten.

An diesem Morgen machten noch viele andere Leute in Christmas mit mir zusammen den Gang zur Kirche, und das nur, weil Duster auch hingefahren war und sein Gespann im Pferdestall neben der Kirche untergebracht hatte.

Es war kurz vor dem Gottesdienst. Der Pastor war schon drin und zerrte mächtig am Glockenstrang. Als Reverend Kenneth Lamont aus der Kirche kam, sah er einen Mann, der sich beim kleinen Friedhof auf der Südseite des Hügels aufhielt. Der Pastor ging hinauf und rief den Fremden an.

»Suchen Sie einen Freund?«, fragte Lamont.

»Ich suche einen Platz für meinen Freund«, antwortete der Fremde.

»Dort in der südlichen Ecke ist eine gute Stelle«, schlug Lamont vor. Er sah dem Fremden zum erstenmal richtig ins Gesicht und rief: »Duster!«

»Höchstpersönlich«, sagte Duster. »Wie geht's Ihnen, Mr. Lamont?«

»Schlecht«, sagte der Pastor. »Weil nämlich kaum noch anständige Leute in meine Kirche kommen, nur Spieler, Gauner, Bankräuber und so weiter.«

»Na, das sollte doch recht aufregend sein, was?«, meinte Duster. »Lassen Sie doch mal'n paar Reporter herkommen.

Aber was diesen Platz dort in der Ecke betrifft - ich möchte ihn mir ganz gern mal ansehen.«

Lamont ging mit ihm hin, und beide betrachteten diese Stelle. Die Südmauer spendete Schatten, so dass es wohl auch im Sommer hier ein bisschen grün sein würde.

Die Stelle schien Duster zu gefallen, aber er wies doch darauf hin, dass die Aussicht nicht allzu gut war.

Der Pastor sagte: »Wer hier begraben liegt, wird kaum noch an der Aussicht interessiert sein.«

Da musste ihm Duster Recht geben. Er wollte die Grabstelle sofort kaufen und fragte nach dem Preis.

»Für wen soll sie denn sein?«, fragte der Pastor. »Oder möchten Sie wie ein guter Geschäftsmann versorgen und später selber hier begraben werden?«

»Der Mann ist bereits tot.«

»Und er wollte hier begraben sein?«

»Das würde ich nicht gerade behaupten, aber ich dachte, dass hier ein billiger Grabplatz für ihn zu haben ist.«

»Meine Preise werden dem jeweiligen Kunden angepasst«, sagte Lamont. »Da drüben ist der Grabstein von Mrs. Greenway, die letzten Monat gestorben ist. Sie hat den Platz umsonst. Und dort drüben ist die Grabstelle von Tom Luftras. Nun, Tom musste fünfundsiebzig Dollar für einen Platz bezahlen, an dem er die ewige Ruhe finden kann.«

»Das ist zu viel«, sagte Duster.

»Für Sie will ich's für rund siebzig Dollar machen, mein Freund«, sagte der Pastor. »Vorausgesetzt natürlich, dass Sie den richtigen Mann hierherbringen wollen.«

Duster lachte ein wenig.

»Ich kann ihm bescheinigen, dass er sein Leben lang einer der besten Kumpels und eine ehrliche Haut gewesen ist«, sagte Duster.

»Dann werden wir ihn gern hier bei uns begraben«, sagte Lamont. »Wie heißt er denn?«

»Hector Manness«, sagte Duster.

»He...!«, rief Lamont. »Manness?«

»Ja.«

»Der schlimmste Schurke in sieben Staaten!«, schrie Lamont. »Und ein Verräter seiner Freunde! Wie können Sie ihn eine ehrliche Haut nennen?«

»Hätten Sie ihm das auch ins Gesicht gesagt, wenn er mit gezogener Waffe vor Ihnen gestanden hätte?«, fragte Duster.

»Das hat doch gar nichts mit diesem Fall zu tun.«

»Was macht es überhaupt für einen Unterschied? Ich will eine Grabstätte für Hec kaufen, damit er in Ruhe schlafen kann. Alles andere geht Sie doch gar nichts an.«

»Sie wollen also Ihren Freund hier zur letzten Ruhe betten, wo er nicht erwünscht ist?«

»Ich drohe nicht«, sagte Duster, und das stimmte.

»Ach nein? Sie verschwenden keine Zeit mit Reden. Sie handeln einfach, was?«

»Sie haben heute schlechte Laune«, sagte Duster. »Sie wollen eben nicht vernünftig sein.«

»Ist es vielleicht vernünftig, von Witwen, Kindern und anderen trauernden Angehörigen zu verlangen, einen Mörder inmitten ihrer verstorbenen Lieben zu haben? Soll er von denselben Händen begraben werden? Soll dieselbe Stimme die Grabpredigt halten?«

»Der Wolf hat Kreide gefressen, um seine Stimme zu verändern«, sagte Duster.

»Da komme ich nicht ganz mit...«

»Werden Sie schon noch. Später. Jedenfalls habe ich meine

Gründe dafür, dass ich ihn ausgerechnet hier begraben möchte. Gründe, die Sie nicht mal ahnen können.«

»Wahrscheinlich nicht, und ich möchte auch gar nicht herumraten. Ich will Ihnen nur mit Tatsachen sagen, woran Sie sind.«

»Sie sind hart«, sagte Duster.

»Aber wahrheitsliebend. Acht Jahre lang habe ich allerhand über Duster und seine Arbeit zu hören bekommen. Vor fünf Jahren habe ich Sie zum ersten Mal gesehen... als Sie den Ohio Eastern überfielen.«

»Ich wurde freigesprochen.«

»Ich habe Sie nicht freigesprochen«, sagte der Pastor. »Und wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich Sie damals am höchsten Baum hängen sehen!«

»Sie reden dauernd von mir«, sagte Duster. »Und ich rede von meinem toten Partner.«

»Sie wollen die Grabstelle mit schmutzigem Geld bezahlen.«

»Ich biete Ihnen dafür den Erlös für sein Pferd an«, entgegnete Duster. »Das Pferd war sein Eigentum.«

»Mag schon sein. Aber es geht ja nicht allein um schmutziges Geld. Es hat auch etwas mit einer verderbten Seele zu tun, die zwischen Christen liegen möchte!«

»Der Himmel möge Ihnen verzeihen«, sagte Duster. »Mir hat der arme Hector Manness jedenfalls das Leben gerettet.«

»Sind Sie wirklich so sicher, dass er ein guter Mann war?«

»War er. Beim Kartenspiel hätte er Sie niemals um mehr als fünfzig Dollar auf einmal betrogen. Sehen Sie, so ein schlechter Geschäftsmann war er, mein Freund.«

»Sie können sagen, was Sie wollen«, erwiderte der Geistliche. »Aber selbst wenn er der dickköpfigste Geschäftsmann der Welt gewesen wäre, Ihr Freund... hier könnte er unter gar keinen Umständen begraben werden!«

»Sie machen es mir wirklich sehr schwer«, sagte Duster. »Ich bitte Sie, lassen Sie mich doch meinen armen Freund auf Ihrem Friedhof begraben!«

»Ich habe Ihre Bitten gehört«, sagte Lamont. »Und ich kann dazu nur lachen! Dieser Friedhof hier ist für die anständigen Bewohner dieser Stadt bestimmt... und sie sollen nicht vor Scham erröten, wenn sie auf einem Grabstein den Namen Manness lesen müssen!«

Nach diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und ging zur Kirchentür.

  3.

 

 

 

Daraus kann man ersehen, dass Lamont ein sehr strenger Mann war. Ja, das war er! Er stammte aus einer hartgesottenen Highland-Sippe, und er kannte seinen Weg stets sehr genau, ganz gleich, wo er gerade war.

Inzwischen hatte sich die Gemeinde in der Kirche versammelt. Einen so zahlreichen Besuch hatte die presbyterianische Kirche auf dem kahlen Hügel noch niemals erlebt; weder zu Weihnachten noch zu einer Hochzeit. Die ganze Stadt war heute hier oben. Das Interesse galt jedoch weder der Kirche noch dem Gottesdienst noch dem Pastor noch dessen Predigt, sondern ausschließlich einem Mann namens Duster. Alle wollten den großen Duster einmal sehen.

Und man bekam ihn zu sehen. Duster saß ganz hinten in einem Winkel der Kirche. Ich nehme an, dass er sich auf diese Weise den Rücken freihalten wollte. Das also war er, der berühmt-berüchtigte Duster! Der Mann, der Tex Wycombe, Harry Bister, Lew Morris und Charlie Young getötet und Dick Packard vom Erdboden vertrieben hatte. Ich meine, Packard rannte nach Mexiko und kam nie mehr zurück.

Wir alle wussten natürlich, dass Duster noch viele andere Dinge mehr getan hatte, aber niemand kannte die genaue Anzahl der Menschen, die von seiner Hand den Tod gefunden hatten oder von ihm verwundet oder sonstwie geschädigt worden waren. Mit Sicherheit wussten wir nur, dass er diesen berühmten Revolverhelden gegenübergestanden und alle geschlagen hatte.

Dabei hatte Duster eigentlich gar nichts Außergewöhnliches an sich. Er war von durchschnittlicher Größe, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, recht gut aussehend und elegant gekleidet.

Ich beobachtete ihn besonders aufmerksam, denn ich hatte inzwischen einen festen Entschluss gefasst. Da ich meine Absicht, von Duster mein Pferd zurückzuverlangen, nun mal bereits angekündigt hatte, wollte ich ihn sofort nach dem Gottesdienst herausfordern. Mit anderen Worten... ich hatte also noch etwa eine Stunde zum Leben. Gerade dieses Wissen schärfte aber meinen Blick ganz besonders.

Meine eigene Angelegenheit nahm mich derartig in Anspruch, dass ich vom Gottesdienst so gut wie nichts mitbekam. Mir fiel lediglich ein besonders hübsches Mädchen mit blondem Haar und sanften grauen Augen auf. Es sang im Kirchenchor mit. Sie sah so lieb und jung und unschuldig aus wie ein Kind. Und genauso sah sie einen auch an, wenn man ihrem Blick begegnete. Sie lächelte jedes Mal

Ich stieß meinem Nebenmann den Ellbogen in die Rippen und erfuhr, dass es sich bei diesem Mädchen um Marguerite Lamont handelte, die Tochter des Pastors.

Und dann kam die Predigt. Lamont widmete sie diesmal dem einzigen unerwünschten Besucher in dieser Kirche, nämlich Duster. Und wie Lamont über ihn herzog! Wie er wetterte und donnerte! Er ließ auch nicht ein einziges gutes Haar an diesem Mann.

Ich glaube, einige der anderen Leute rechneten wohl beinahe damit, dass Duster seine Schießeisen ziehen und uns allen Löcher in den Pelz brennen würde. Aber ich kannte ihn besser. Doch während ich ihn insgeheim beobachtete und über ihn nachdachte, konnte ich mich nur wundem, wie ein einzelner Mann imstande war, einer ganzen Menge solche Furcht einzujagen. Hätte er wirklich nach einem Revolver gegriffen... ich glaube, alle wären wie eine Herde aufgescheuchter Schafe auseinandergestoben!

Aber Duster verhielt sich absolut still und hörte sich die Predigt bis zu Ende an. Dann erst erhob er sich von seinem Platz. Alle Leute in seiner Nähe zuckten sofort zurück. Mir erging es übrigens nicht anders, obwohl ich ein gutes Stück von ihm entfernt war. Duster tat jedoch weiter nichts, als im ruhigsten Tonfall der Welt zu fragen: »Kennen Sie mich denn wirklich gut genug, um so über mich zu reden?«

»Ich kenne Sie«, sagte Lamont, der jederzeit zu einem Kampf bereit war. »Ich kenne Sie genauso gut, wie ich Feuer und Rauch kenne!«

»Ach, wirklich?«, sagte Duster immer noch ganz ruhig. »Dann kennen Sie wohl auch meinen richtigen Namen, wie?«

Das war gewiss ein geschicktes Argument. Nein, der Pastor kannte den richtigen Namen nicht. Ich ebenfalls nicht.

Duster sagte: »Ich bin John Penny Thurlow.« Nachdem er das gesagt hatte, machte er kehrt und ging aus der Kirche.

Ich vermag wirklich nicht zu sagen, warum ausgerechnet das auf uns alle einen so großen Eindruck machte. Vielleicht nur deshalb, weil es Lamont nun nicht mehr vergönnt war, Duster mit einer letzten bissigen Bemerkung aus der Kirche zu treiben. Es hatte Lamont buchstäblich die Sprache verschlagen. Er japste nach Luft, als wäre er am Ersticken.

Ich wartete gar nicht erst darauf, bis er wieder zu Atem kommen würde, sondern verließ nun ebenfalls rasch die Kirche, um Duster von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten und von ihm meine Stute Dolly zurückzuverlangen... oder beim Versuch zu sterben. Gewiss, ich war bestimmt langsamer als Duster, und er würde mir garantiert zuerst eine Bleipille verpassen, aber man stirbt ja nicht immer gleich an der ersten Kugel. Und ich traute mir durchaus zu, Duster ebenfalls heißes Blei zu kosten zu geben, bevor er imstande sein würde, einen zweiten Schuss auf mich abzufeuern.

So jedenfalls war mir zumute, als ich den Schuppen neben der Kirche betrat.

Duster hatte schon wieder seine dünnen, gelben Wildlederhandschuhe angezogen und band gerade die Zügel des Gespanns los. Als er mich kommen sah, lächelte er und grüßte. Dann kam er zurück und schüttelte mir die Hand, während er die Zügel aufnahm und sich anschickte, den Wagen zu besteigen. Er hatte mich abermals mit Mr. Wye angesprochen.

»Sie scheinen mich ja schon gänzlich vergessen zu haben, Duster«, sagte ich. »Was soll das heißen... Mister?«

»Weil ich die Spitznamen leid bin«, sagte er. »Vor allem meinen eigenen.« Er wartete, hielt die Zügel in der Hand und sah mich an. Der Blick mancher Männer kann einen wie Blei belasten und niederdrücken. Duster war einer dieser Männer. Wer ihm einmal in seine hellblauen Augen gesehen hatte, konnte sie nie wieder vergessen.

»Hm...«, machte ich. »Ich habe 'ne schlechte Nachricht für Sie. Diese Stute da vor Ihrem Wagen gehört nämlich mir!«

Duster sah erst Dolly, dann mich an.

»Tut mir leid, das zu hören«, sagte er. »Aber ich werde keinen großen Beweis dafür verlangen.«

Ich war überrascht, ihn das sagen zu hören. Aber ich war auch schrecklich froh. Ich trat noch ein bisschen näher heran und sprach leise den Namen der Stute aus. Wie sie sofort zusammenzuckte und sich nach mir umdrehte... also, das hätte man mal sehen sollen! Natürlich erkannte sie mich und zeigte es auch so deutlich, dass niemand daran zweifeln konnte.

»Für diese Stute habe ich vierhundert Dollar bezahlt«, sagte Duster und biss sich dabei doch ein wenig auf die Unterlippe.

Ich beobachtete ihn natürlich wie ein Habicht. Zugegeben, er schien bei guter Laune zu sein, aber bei ihm würde ich mich niemals auf das Aussehen allein verlassen. Ich rechnete jede Sekunde damit, seine Hand blitzschnell zucken zu sehen. Aber er tat es nicht. Er blieb ganz ruhig. Ich wusste, dass der Kaufpreis, den er mir eben genannt hatte, der Wahrheit entsprach.

»Dann muss der Kerl, der Ihnen diese Stute verkauft hat, ein ausgemachter Dummkopf gewesen sein!«, sagte ich. »Sie ist nämlich gut und gerne ihre tausend Dollar wert!«

»Ein gutes Pferd ist sie schon«, sagte Duster. »Und diese Stute gehört Ihnen, sagen Sie?«