Der magische Feuerring - Sabine Kalkowski - E-Book

Der magische Feuerring E-Book

Sabine Kalkowski

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Beschreibung

Araquitar ist ein friedliches Land. Seine Bewohner leben in Frieden und Harmonie miteinander. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Von zwei Seiten droht schreckliche Gefahr. Der Untergang steht bevor. Nur ein Quitadar kann mithilfe des magischen Feuerrings das Unheil abwenden. Und so beginnt die verzweifelte Suche nach einem Retter für Araquitar... 'Der magische Feuerring' ist ein Fantasyroman über den Mut, sich einem schrecklichen Schicksal entgegenzustellen.

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Seitenzahl: 267

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Der magische Feuerring

Aufzeichnung Band 1658: Die Bedrohung durch die Moraner

Aufzeichnung Band 2912: Die Bedrohung durch die Godronen

Schneegestöber

Unangenehme Wahrheit

Hochmut kommt vor dem Fall

Spiegelbilder

Verzweifelte Suche

Traumgewitter

Die Bürde eines Quitadars

Blitze außer Kontrolle

Pferdebeine und Heilsalben

Angriff der Godronen

Das Paradies jenseits des Gebirges

Pass in Sichtweite

Jirals Albtraum

Rollende Steine

Unerwarteter Widerstand

Flussaufwärts

Die erste Quitadarin

Der Plan nimmt Gestalt an

Lebendige Illusionen

Paradies in Flammen

Neues Zeitalter

Zukunftsträume

Epilog

Prolog

Erst war es nur ein kleiner, heller Punkt am Nachthimmel, von niemandem bemerkt, denn es war niemand da, der ihn bemerken konnte. Die Tiere schenkten dem Himmel keine Beachtung.

Der kleine Punkt wuchs, wurde größer, bis er auch am Tag über dem Meer zu sehen war.

Irgendwann war er kein Punkt mehr. Sein Leuchten füllte den ganzen Himmel aus. Nun nahmen auch die Tiere Notiz, spürten, dass sich etwas näherte, etwas Bedrohliches, etwas, das nicht in diese Welt gehörte.

Mit dem Leuchten kam ein Grollen, erst ganz leise, dann immer lauter. Aber es kam nicht von dem Licht. Es kam aus den Bergen, welche die kleine, fruchtbare, grüne Ebene an drei Seiten begrenzten. Die Tiere waren gefangen zwischen dem Leuchten über dem Meer und den grollenden Bergen. In ihrer Unruhe drängten sie von einer Grenze zur anderen und zurück. Aus dem Licht wurde ein gleißender Blitz, als der Meteorit in den Ozean einschlug. Erst war es totenstill, selbst das Grollen war verstummt. Dann kam die Druckwelle mit ohrenbetäubendem Gebrüll und sengender Hitze, die alles auf der Ebene zu Staub verbrannte. Dann kam die Flut, brandete in riesigen Wellen gegen das Gebirge und begrub die verbrannte Erde unter sich. Was den Feuersturm in einer Höhle in der Erde überlebt hatte, ertrank nun in den Wassermassen. Aber nicht alles starb. Tief im Berg regte sich etwas. Es hatte das Nahen des Meteoriten gespürt und war von ihm in seiner Ruhe gestört worden. Nun regte es sich, tastete die Felsen entlang und fand Silberadern. Es kroch in das Silber, ließ es flüssig werden und formte einen handflächengroßen Ring. Es dehnte das umliegende Gestein, bewegte sich und weckte den schlafenden Vulkan. Mit einem Dröhnen und Krachen brach er aus und schleuderte mit der flüssigen Lava und der Asche auch den Ring heraus, der ins Wasser fiel und auf den Grund sank. Dort sollte er viele tausend Jahre ruhen und warten.

Er sah das Wasser zurückgehen und das Land zu neuem Leben erwachen. Er sah den Vulkan mehrere Male ausbrechen und seine nähere Umgebung in eine Einöde verwandeln. Und schließlich sah er, wie einige Menschen das Gebirge überwanden und sich auf der grünen Ebene niederließen. Sie tauften dieses Stück Land Araquitar, was in ihrer Sprache lebendiges Land bedeutete.

Die Menschen vermehrten sich und breiteten sich immer weiter auf der Ebene aus. Auf der Suche nach Erzen und Edelsteinen kamen sie auch eines Tages zum Vulkan.

Der magische Feuerring

Der erste Quitadar

Beginn der Aufzeichnung

„Nador, komm zurück!“

Nador drehte sich zu seiner Schwester um und winkte. Er spürte, wie sich Steine unter seinen Füßen lösten und zu rutschen begannen. Rasch hörte er auf zu winken und kletterte den Hang noch ein Stück höher.

„Nador!“

Norias Stimme nahm einen schrillen Klang an. Nador ignorierte sie. Er wusste, dass sie, wenn sie zu den anderen zurückkehrten, seinem Vater petzen würde, dass er weiter als erlaubt den Hang hinaufgeklettert war. Aber das war ihm egal. Er konnte sehr gut klettern und das Risiko einschätzen. Seit einigen Tagen zeltete seine Familie am Rand der Steinwüste, die den toten Vulkan umgab. Die Steinwüste grenzte direkt an die Weiden, die zu ihrem Hof gehörten. Vor zwei Wochen hatte sein Vater einen Stein aus dem Huf eines ihrer Ponys entfernt. Und dieser Stein hatte sich als Edelstein entpuppt. Die einzige Erklärung dafür war, dass sich die kleine Stute bei der Nahrungssuche zu weit in die Steinwüste vorgewagt hatte. Vielleicht hatte sie auch etwas aufgeschreckt, ein lautes Geräusch oder eine unerwartete Bewegung in einem der flachen Büsche am Rand der Steinwüste. Oder vielleicht ein Rudel Godros, wilde Hunde, die eigentlich in den Wäldern am Fuß des Gebirges lebten. Immer wieder rissen sie Herdentiere.

„Nador! Ich gehe jetzt zu Papa!“

Nador seufzte. Noria konnte eine wahre Nervensäge sein.

Ein Glitzern erregte seine Aufmerksamkeit. Das Licht der letzten Sonnenstrahlen hatte sich in etwas verfangen. Er kletterte langsam seitwärts über das lose Geröll, Norias forderndes Geschrei ignorierend. An der Stelle angekommen, schob er vorsichtig die Steine und den Sand beiseite und legte einen silbernen, etwa handflächengroßen Ring frei. Er nahm ihn in die Hand. Der Ring fühlte sich merkwürdig warm und lebendig an.

„Nador!“

Norias Gezeter hatte seinen Vater angelockt. Schnell steckte Nador den Ring ein und kletterte, so rasch wie der rutschige Hang es zuließ, zu seinem Vater hinab. Bevor dieser seine Strafpredigt loslassen konnte, zog Nador eine Hand voll Steine aus der Tasche.

„Ich glaube, das könnten welche sein.“

Er gab sie seinem Vater in die Hand und hielt seinem strengen Blick stand. Schließlich sah sich sein Vater die Steine genauer an. Einige sortierte er aus und warf sie weg, aber das Lächeln, das sich in sein Gesicht stahl, ließ keinen Zweifel zu.

„Du hast sie in diesem Hang gefunden?“ Nador nickte.

„Lose im Geröll, ich denke, wir finden noch viel mehr, wenn wir etwas tiefer graben.“

„Gut gemacht.“

Er gab Nador einen Klaps auf die Schulter und gemeinsam gingen sie zur Familie zurück, die an einem anderen Hangabschnitt gesucht hatte.

Noria zog einen Flunsch, weil die erwartete Strafpredigt ausblieb und Nador streckte ihr die Zunge heraus. Schweigend folgten sie ihrem Vater. Nador steckte die Hand in die Tasche, berührte den Ring und fühlte, dass er unter seiner Berührung zu vibrieren begann.

Am Abend saßen sie noch eine Weile am Lagerfeuer zusammen. Nador schaute schläfrig den tanzenden Flammen zu, während er mit halbem Ohr den Unterhaltungen lauschte. Sein Blick fiel auf den alten Tok, der mit Tusche etwas auf das grobe, handgeschöpfte Papier schrieb, das sie sonst für die Aufzeichnungen der Ernteerträge nutzten. Seine Neugier war geweckt und er setzte sich neben Tok, um zu schauen, was er da schrieb.

„Was schreibst du da?“, fragte Nador und versuchte einen Blick auf das Blatt auf Toks Knien zu erhaschen.

Tok lächelte stolz.

„Das ist unsere Geschichte. Sie muss doch für unsere Nachfahren aufgezeichnet werden. Da, lies! Ich bin schon an der Stelle angelangt, wo unser Klan das Ende der Welt überquert.“

Nador wollte erst dankend ablehnen, hatte er die Geschichte doch schon viele Male gehört. Aber das Leuchten in Toks Augen ließ ihn die Seiten nehmen, die ihm entgegengestreckt wurden. ’Aufzeichnung Band 1: Die Entdeckung von Araquitar’ stand in Toks krakeliger Schrift über dem Text. Nador seufzte tief. Lesen und Schreiben war nie seine Lieblingsbeschäftigung gewesen, so sehr seine Mutter sich auch bemüht hatte. Er rückte ein wenig näher an das Feuer, um mehr Licht zu bekommen und begann zu lesen.

’Rau ist das Leben im Quitar-Gebirge und nur die Stärksten überleben. Doch manchmal sind auch die Stärksten zu schwach. Unser Volk lebte in Klans zusammen, die sich das weite, aber trockene Land östlich des Quitar-Gebirges teilten. Jeder Klan beanspruchte sein eigenes Gebiet an den Hängen des Quitar-Gebirges. Die einzelnen Großfamilien eines Klans zogen in ihrem Gebiet im Sommer zu den Weiden, die höher im Gebirge lagen. Im Winter zogen sie in tiefer gelegenes Gebiet. Jede Familie hatte ihre eigenen Weidegründe, sodass sie sich nur zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, versammelten. Dann wurden Neuigkeiten ausgetauscht, Hochzeiten vereinbart und Waren getauscht, bevor die Familien dann weiter zu den Sommer- oder Winterweiden zogen. Der Wolfsklan traf sich immer am roten Berg, der Bärenklan am blauen See, der Adlerklan in der großen Schlucht, der Wieselklan auf der Hochebene am Tafelberg, der Fuchsklan an den klaren Quellen, der Baumklan unter den drei Fichten, der Hasenklan in den großen Höhlen nahe des roten Flusses, der Steinklan an dem Ort, wo man die bunten, glitzernden Steine finden kann. Alle beneideten den Steinklan um diesen Ort. Und mit diesen Steinen begann das Unglück des Wolfsklans. Schon seit einigen Jahren war der sonst schon geringe Regenfall noch spärlicher geworden. Die Mitglieder des Klans litten Hunger, weil sie im Sommer nicht mehr genug Knollen, Getreide- und Grassamen, Wurzeln und Nüsse sammeln konnten. Auch die Weiden gaben nicht mehr genug Gras her. Die Kühe und Stuten gaben weniger Milch. So manches Kalb und so manches Fohlen musste geschlachtet werden, weil auch die Menschen die Milch brauchten. Doch nun fehlten die Tiere. Ein Teufelskreis. Schaffte man es gerade noch, genug zum Überleben zusammenzutragen, blieb doch nichts mehr für die üblichen und notwendigen Tauschgeschäfte. Aber die Tochter des Klanoberhauptes sollte heiraten und für den traditionellen Kopfschmuck brauchte man drei bunte Steine. Doch der Steinklan wollte dem Wolfsklan die Steine nur im Austausch gegen Wurzeln und Grassamen überlassen. Die hatte der Wolfsklan nicht. Doch die Schande, seine Tochter ungeschmückt in die Ehe zu schicken, ließ das Klanoberhaupt des Wolfsklans eine folgenschwere Entscheidung treffen. Er rief die Männer aus allen Familien des Wolfsklans zusammen und sie überfielen die Gebiete der angrenzenden Klans. Die Gebiete des Bärenklans, des Adlerklans, des Baumklans und des Wieselklans. Sie raubten nicht nur die Wurzeln und die Grassamen, um die glitzernden Steine zu bezahlen, sondern viel mehr, denn das Oberhaupt des Wolfsklans hatte den Männern weisgemacht, dass das Gebiet des Wolfsklans das trockenste sei und ihnen die Unterstützung der anderen Klans zustünde. Und da diese ihnen nicht freiwillig helfen würden, müssten sie sich nehmen, was sie bräuchten. Die Männer vertrauten ihrem Klanoberhaupt und so führte er sie ins Verderben. Nach mehreren Überfällen erhoben sich die Klans gemeinsam gegen den Wolfsklan, vertrieben ihn von seinem Land, weit in das Quitar-Gebirge hinein. Viele Mitglieder des Wolfsklans wurden getötet oder starben auf der Flucht. Sie hatten nur die nötigsten Habseligkeiten und einige wenige Pferde und Kühe mitnehmen können. So drangen sie immer tiefer in das Gebirge vor, immer weiter getrieben von ihren unbarmherzigen Verfolgern und kletterten auf den Gebirgsgrat, der das Ende der Welt war. Getrieben von den anderen Klans wagten sie es, über den Rand der Welt zu schauen und anstatt Leere zu finden, erblickten sie ein grünes Land, durchzogen von golden glitzernden Bächen und Flüssen. Ohne zurückzuschauen, überschritten sie die Grenze und zogen in ein neues, besseres Leben. Die anderen Klans folgten ihnen nicht, denn sie glaubten, dass hinter dem Rand der Welt das Nichts war. Und so konnten sich die Überlebenden des Wolfsklans in Frieden ein neues Leben aufbauen.’

Nador schaute auf und blickte in Toks erwartungsvolle Augen. Er gab ihm die Blätter zurück und lächelte.

„Nicht schlecht. Aber du musst gut darauf aufpassen. Das Papier löst sich schon auf, sobald man nur von Regen spricht. Wenn du sie nicht trocken genug aufbewahrst, sind die ersten Seiten von Band 1 deiner Aufzeichnung schon wieder zerfallen, bevor du mit den letzten fertig bist. Vater flucht immer, weil er im Frühjahr kaum noch die Aufzeichnungen der Ernte vom Vorjahr entziffern kann. Immer fehlt eine Ecke.“

Nador grinste und Tok winkte ab.

„Ich weiß, ich weiß. Aber ich habe mir schon ein paar Lederhäute besorgt und sie ordentlich eingefettet. Darin können die Aufzeichnungen in einen Gewitterguss geraten und sie werden trocken bleiben!“

Nador sah ihn nur zweifelnd an, denn genau das taten sie mit den Aufzeichnungen der Ernteerträge ja auch und es nützte nachweislich nichts, aber Tok nickte bekräftigend, strich noch einmal liebevoll über die Seiten und legte sie vorsichtig zur Seite. Er nahm ein neues Blatt und erklärte Nador unaufgefordert:

„Ich hoffe, ich schaffe es noch aufzuschreiben, bevor wir wieder zurückkehren, wie die wenigen Überlebenden des Wolfsklans in ihrer neuen Heimat sesshaft wurden, von Nomaden zu Bauern und Viehzüchtern wurden und ihrer neuen Heimat den Namen Araquitar gaben und sich selbst Araquitaner nannten und so ihre traurige Geschichte hinter sich ließen.“

Nador nickte ernst. So oft er die Geschichte auch gehört hatte, konnte er sich doch nicht vorstellen, als Nomade zu leben. In einem Zelt zu wohnen, so wie sie es taten, wenn sie sich auf den abgelegeneren Weiden aufhielten, fand er gar nicht so schlimm, zumindest nicht im Sommer, aber im Winter? Das war doch viel zu kalt! Und immer unterwegs sein zu müssen. Nein, das wäre nichts für ihn. Seit ungefähr zehn Generationen lebten die Araquitaner nun schon in Araquitar. Sie hatten sich stark vermehrt, denn es mangelte ja nicht an Platz und die fruchtbare Erde konnte noch viele Menschen mehr ernähren. Sie hatten die wenigen Tiere, die sie mitnehmen konnten, erfolgreich weitergezüchtet und mit dem gezielten Anbau von verschiedenen, wilden Getreidesorten und Gemüsepflanzen begonnen. Von Jahr zu Jahr wuchs der Ertrag. Nador wusste das, weil er seinem Vater seit drei Jahren bei der Aufzeichnung der Ernteerträge helfen musste. Eine schrecklich langweilige Aufgabe. Er schaute zu Tok, der schon wieder fleißig schrieb.

„Vergiss auch nicht die Gründung unserer Hauptstadt, Angor. Sie ist zwar immer noch nicht größer als ein Dorf, aber wer weiß?!“, meinte Nador zu Tok.

Der nickte.

„Selbstverständlich nicht. Und ich denke, dass die Aufzeichnungen auch dort gelagert werden sollten.“

Er ließ die Feder sinken und starrte verzückt in das Feuer.

„Stell dir vor Nador: Es bleibt ja nicht bei dem einen Band, es werden ja viele hinzukommen und irgendwann einen ganzen Raum füllen, ja ein ganzes Haus. Die Büchersammlung von Araquitar. Auch Rinta sollte ihr Wissen über die Kräuter aufschreiben und dort lagern. Dann könnte jeder dort hingehen und sich bilden! Das wäre doch toll, oder?“

Tok sah Nador aufgeregt an und Nador nickte zustimmend, da das offensichtlich von ihm erwartet wurde. Tok seufzte tief und wandte sich wieder seinem Blatt Papier zu. Nadors Vater setzte sich zu ihnen und knurrte mit einem finsteren Blick auf den schreibenden Tok:

„Schreibst du immer noch an deiner Geschichte? Ich denke wir sollten die Vergangenheit einfach vergessen und diese Verbrecher, diese räudigen Godros, die uns beinahe alle umgebracht hätten, aus unserem Gedächtnis löschen! Wir sind Araquitaner und das allein zählt!“

Doch Tok ließ sich nicht stören und schrieb unbeirrt weiter. Nadors Vater verdrehte nur die Augen, zwinkerte Nador zu und meinte dann leise zu ihm:

„Das Ganze wird den nächsten Regen sowieso nicht überstehen!“

Später, als alle schon schliefen, schlich sich Nador aus dem Zelt, das er mit seiner Schwester teilte, und setzte sich ein wenig abseits vom Lager unter einen Baum. Er lauschte eine Weile dem Rascheln der Blätter des Baumes in der kühlen Brise, während seine Finger mit dem Ring in der Tasche spielten. Schließlich holte er ihn hervor. Der Ring schimmerte sacht, obwohl der Mond vom Blätterdach verdeckt wurde. Das Leuchten schien aus dem Ring selbst zu kommen. Und je genauer Nador hinschaute, desto heller schien der Ring zu leuchten. Plötzlich hob er sich von seiner Handfläche und begann, sich zu drehen. Je schneller er sich drehte, desto heller wurde das Leuchten, bis es schließlich wie weißes Feuer loderte.

„Nador? Bist du das?“

Im Schein des Ringes sah Nador seine kleine Schwester auf sich zukommen. ’Geh zurück, Noria und schlaf doch einfach’ dachte Nador missmutig und wollte schon aufstehen, als Noria mitten im Schritt anhielt, sich umdrehte und wieder zum Zelt zurückging.

Nador ließ erstaunt die Hand sinken. Der Ring hörte auf, sich zu drehen, und fiel ins Gras. Verwirrt schaute Nador auf ihn hinab. Hatte er Noria eben wieder zurück ins Zelt geschickt? Er ging neben dem Ring in die Hocke und streckte die Hand nach ihm aus. Noch bevor er ihn berührte, hob sich der Ring seiner Handfläche entgegen und begann, sich wieder zu drehen. Nadors Herz klopfte wild. Was war das nur für ein Ding? Er sah sich um. Unweit vom Baum lag ein großer Stein. Ob er wohl? Kaum war ihm der Gedanke gekommen, da hob sich der Stein schon in die Luft. Nador verstand nicht genau, wie es geschah. Aber er spürte wie eine Energie durch ihn hindurch zu seiner Hand floss, über welcher der Ring schwebte. Sein ganzer Körper kribbelte.

„Was bist du?“, fragte er den Ring laut.

In seinem Kopf hörte er eine Stimme antworten: ’Ich bin alt. Ich war schon immer da und habe geruht. Aber mit dir bin ich jemand und durch dich lebe ich.’

Darüber musste Nador nachdenken. Langsam schloss er seine Hand und der Ring ließ sich dabei auf seine Handfläche nieder.

In dieser Nacht fand Nador keine Ruhe. Immer wieder wanderte seine Hand in die Tasche zu dem Feuerring. So hatte er den silbernen Ring getauft, und immer noch hatte er das Bild des leuchtenden Kranzes aus weißem Feuer vor Augen. Wann immer seine Finger den Feuerring berührten, vibrierte er und Nadors Kopf begann, sich mit Gedanken darüber zu füllen, was jetzt alles möglich war.

Als sie am nächsten Morgen wieder zu den Geröllfeldern aufbrachen, warf sein Vater ihm einen scharfen Blick zu. Wenn er das müde Gesicht seines Sohnes auch bemerkt hatte, sagte er doch kein Wort. Kurze Zeit später hatten sie die Hänge erreicht, stiegen ab und banden die Werkzeuge von den Sätteln los. Vorsichtig begann die kleine Gruppe, den Hang hinaufzuklettern.

Nador war so müde, dass er kaum darauf achtete, wohin er trat. Immer wieder rutschte er im losen Geröll ab, bis sein Vater ihn schließlich mit harter Hand festhielt und barsch fragte:

„Was ist denn nur los mit dir? Du bist schon den ganzen Morgen so komisch! Wirst du etwa krank?“

Nador machte sich los und schüttelte den Kopf.

„Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen und bin einfach müde.“

Sein Vater grunzte mürrisch.

„Dann geh zurück zu den Pferden und bereite die Feuerstelle für die Pause vor. In deiner Unachtsamkeit löst du sonst noch einen Steinschlag aus.“

Nador wollte nicht wie ein kleines Kind zurückgeschickt werden und öffnete den Mund, um zu protestieren. Aber die harten Augen des Vaters erstickten jeden Protest und mit gesenktem Kopf kletterte er den Berghang hinab. Der Vater hatte ja Recht. Aber er hatte diese Stelle gefunden und es wäre nur gerecht gewesen, wenn er ebenfalls nach Edelsteinen hätte suchen dürfen. Schmollend erreichte er den Fuß des Hanges und machte sich daran, die mitgebrachten Holzbündel auseinanderzunehmen. Er begann gerade, die Holzscheite zusammenzuschichten, als er ein Rumpeln und aufgebrachte Schreie hörte. Erschrocken blickte er auf und sah, dass nicht weit entfernt von seiner Feuerstelle ein Steinschlag niederging. Keine fünfzig Meter entfernt donnerten Steine den Hang hinunter und rissen loses Geröll mit sich. Nador hatte alle Mühe, die erschrockenen Ponys zusammenzuhalten, damit sie sich nicht losrissen und durchgingen. Trotz des Gepolters hörte er noch immer Schreie und hoffte, dass sich alle in Sicherheit bringen konnten und niemand verletzt wurde. Schließlich ebbte das Gepolter ab und nur noch vereinzelt rollten ein paar Brocken den Hang herunter.

„Nador!“

Nador konnte seinen Vater durch den Staub nur erahnen.

„Schnell, bring deine Hacke. Sato und Tok sind verschüttet. Wir müssen sie schnell ausgraben!“

Nadors Vater hustete und winkte ihm zu, ihm zu folgen. Nador schnürte es die Kehle zu. Unter all diesem Geröll begraben? Das hatten die beiden doch nicht überlebt! Tränen schossen ihm in die Augen. Er kannte Sato und Tok seit er denken konnte. Er straffte entschlossen die Schultern. Noch war nichts verloren, vielleicht waren sie ja nur verletzt.

Mit der Hacke in der Hand kletterte er wieder den Hang empor, zu den anderen, die bereits zu graben begonnen hatten. Aber mit jedem Spatenstich rutschte wieder Gestein nach. Schnell war klar, dass sie so die Verschütteten niemals finden würden. Nador sah die Verzweiflung und die Tränen in den Augen seines Vaters, die er nun nicht mehr zurückhalten konnte. Plötzlich spürte er ein Vibrieren in seiner Tasche. Ob er wohl…? Er holte den Feuerring heraus. Sobald er die Hand öffnete, hob sich der Ring und begann, sich zu drehen.

„Nador! Was…?“

Nador hörte seinen Vater nicht. Seine Gedanken waren im Geröllfeld und suchten die zwei Männer. Er fand sie nicht weit entfernt. Es war noch Leben in ihnen, das konnte er spüren. Vorsichtig schob er Geröll zur Seite, doch es rutschte immer wieder nach. Seine Stirn furchte sich tief, während er nach einer Lösung suchte. Er fand ein paar große Steinblöcke, die er zu einer Barriere oberhalb der Männer aufschichtete, dann konnte er das Geröll über ihnen zur Seite schieben und sie befreien. Langsam ließ er sie auf sich zu schweben und setzte sie vorsichtig am Rand des Steinschlags ab. Er schloss die Hand und Erschöpfung übermannte ihn. Er ging in die Knie und ließ schwer atmend den Kopf hängen. Ein großer Teil der Energie, die er für die Bergung der Männer gebraucht hatte, war aus der Umgebung durch ihn hindurchgeflossen, aber ein Teil war auch aus ihm selbst gekommen. Sein Vater untersuchte die beiden Männer und stellte erleichtert fest, dass sie zwar schwer verletzt waren, aber wahrscheinlich überleben würden. Er kam nun zu Nador und hockte sich vor ihn hin.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte er, doch Nador konnte nur müde den Kopf schütteln.

„Wir reden später. Kannst du laufen?“, fragte der Vater schließlich, als Nador nichts sagte.

Nador nickte und kämpfte sich auf die Beine. Er war sich der Blicke der anderen nur am Rande bewusst, als er ihnen und seinem Vater zurück zu den Pferden folgte. Sie hatten zwei Männer bei den Verletzten gelassen und wollten schnell zum Hof reiten, um Bahren für den Transport der Verletzten zu holen. Nador überließ es seinem Pony, den anderen zu folgen. Er hielt sich am Sattel fest und schaffte es gerade so, sich auf seinem Pony zu halten. Immer wieder drehten sich die anderen zu ihm um und warfen ihm misstrauische und ängstliche Blicke zu. Manche ritten immer wieder dicht nebeneinander und tuschelten leise, mit Seitenblicken auf Nador. Doch Nador bemerkte kaum etwas davon und blickte erst auf, als sein Pony stehen blieb. Sie hatten ihren großen Hof, der eigentlich schon eher ein kleines Dorf war, erreicht und sein Vater lief bereits die schmale Straße hinunter und rief die zurückgebliebenen Männer zusammen. Rasch wurde Material herangeschafft, um Tragen für die Verletzten zu bauen. Sein Vater kam zu Nador, der immer noch auf seinem Pony hockte. Er legte ihm eine Hand auf den Arm und Nador schreckte hoch.

„Geh ins Bett!“, forderte sein Vater ihn auf. Nador nickte nur. Er war zu müde, um zu widersprechen, und es nützte niemandem, wenn er im Stehen einschlief. Er ließ sich vom Pony gleiten und wäre gestürzt, wenn sein Vater ihn nicht gehalten hätte. Sein Vater schwang ihn kurzerhand über die Schulter und brachte ihn ins Haus. Seine Mutter gab einen erschrockenen Laut von sich, beeilte sich dann aber, die Tür zu Nadors Zimmer zu öffnen, sodass sein Vater ihn auf dem Bett ablegen konnte.

„Ist er verletzt?“, fragte sie und begann, Nador zu entkleiden.

„Nein, nur erschöpft“, sagte Nadors Vater und rüttelte ihn wach. Mühsam öffnete Nador die Augen.

„Wirst du sie heilen können?“, fragte sein Vater drängend.

„Weiß ich nicht“, murmelte Nador und schlief wieder ein. Sein Vater schüttelte ihn noch einmal, konnte ihn aber nicht wieder wecken.

„Was ist passiert?“ Nadors Mutter hatte die Stirn vor Sorge in tiefe Falten gelegt.

„Es gab einen Steinschlag. Sato und Tok wurden verschüttet. Wir sind nicht an sie rangekommen, weil das Geröll immer wieder nachgerutscht ist. Aber er hat sie da rausgeholt. Ich weiß nicht wie, aber er hat es geschafft. Es hat ihn erschöpft.“

Nadors Vater sah noch einen Moment ernst auf seinen schlafenden Sohn hinab und blickte dann seine Frau an.

„Sorg dafür, dass er gut isst, wenn er ausgeschlafen hat. Wir werden ihn brauchen, wenn wir mit den Verletzten zurück sind.“

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Nador erwachte erholt und hungrig. Verschwommen konnte er sich erinnern, dass sein Vater im Zimmer gewesen war und versucht hatte, ihn zu wecken, aber er war zu müde gewesen. Mit einem Schlag erinnerte er sich. Er sah an sich herunter und blickte sich dann suchend in seinem Zimmer um. Dann stolperte er aus seinem Bett zu seinen Kleidern, die ordentlich über dem Stuhl hingen. Er griff in die Taschen seines Kittels. Er seufzte schließlich erleichtert, als er den Feuerring in einer der Taschen fand, und holte ihn heraus. Sofort vibrierte dieser wieder. Ein Schauer überlief Nador, als er sich daran erinnerte, wie er die beiden Männer aus dem Geröll befreit hatte. War das wirklich geschehen? ’Sprich mit mir’, forderte er in Gedanken den Feuerring auf. ’Wie habe ich das gemacht?’ Der Feuerring schwieg und Nador wollte ihn schon zur Seite legen, um sich anzuziehen, als er doch antwortete: ’Du kannst mit mir tun, was immer du dir vorstellen kannst, solange es den Gesetzen der Natur nicht widerspricht. Die Kraft dafür kommt von mir.’ Nador dachte darüber nach. ’Wenn die Kraft von dir kommt, warum war ich dann so erschöpft?’ Nador wartete. ’Unsere Verbindung ist noch nicht vollkommen, du bist noch nicht ganz auf mich eingestimmt, aber das Potenzial ist da.’ Das klang logisch. ’Wie stimme ich mich auf dich ein?’ Irgendwie ahnte Nador die Antwort. ’Du musst üben!’ Natürlich, was denn sonst?! Nador seufzte und legte den Feuerring zur Seite, um sich anzuziehen. Bevor er übte, musste er etwas essen, das war im Moment wichtiger als alles andere.

Den Feuerring gut in der Tasche verstaut, verließ er sein Zimmer und ging in die Küche. Er fand dort ein Tablett, auf dem einige Scheiben Brot lagen, dazu Butter, Käse und Wurst. Ohne groß nachzufragen, machte er sich über die Dinge her und schlang sie mit Heißhunger herunter. Er war fast fertig, als sein Vater in die Küche kam. Er sah müde und erschöpft aus. Nador bekam ein schlechtes Gewissen, weil er keinen Gedanken an Sato und Tok verschwendet hatte. Und ein Blick auf das Gesicht seines Vaters sagte ihm, dass es nicht gut um die beiden stand.

„Wie geht es dir?“, fragte sein Vater mit heiserer Stimme. Nador schluckte den letzten Bissen herunter.

„Gut, wie geht es Sato und Tok?“ Nadors Vater senkte den Kopf.

„Sato geht es soweit gut, ein paar gebrochene Knochen, aber die heilen wieder.“

„Tok?“, Nador schnürte es die Kehle zu. Er sah Toks leuchtende Augen vor sich, als er von seiner Geschichte erzählt hatte. War das erst gestern gewesen?

„Wir wissen nicht, was ihm noch fehlt. Er wird immer schwächer.“

Nadors Vater sah seinen Sohn eindringlich an.

„Kannst du was tun?“

Nador sah unsicher zu seinem Vater auf. Dessen Gesicht war ernst, aber frei von dem Misstrauen und der Angst, die er am Rande bei den anderen wahr genommen hatte. Der Feuerring war eine gute Sache, sein Vater schien das zu spüren.

„Ich weiß es nicht. Ich verstehe es selbst noch nicht ganz.“ Nador stockte. Sein Vater verzog enttäuscht das Gesicht und wandte sich zum Gehen. Nador stand auf und schloss sich ihm an.

„Aber ich kann es versuchen!“, sagte er entschlossen und sein Vater nickte grimmig.

Toks Gesicht war leichenblass, als ob alles Blut aus ihm gewichen war. Der Heiler blickte müde auf, als Nador und sein Vater den Raum betraten.

„Es ist immer noch unverändert, er ist nicht aufgewacht und wird es wohl auch nicht mehr tun.“

Die Stimme des Heilers klang traurig und erschöpft. Nador trat an das Bett und nahm Toks kalte Hand in seine. Langsam zog er den Feuerring aus der Tasche. Dieser begann, sich zu drehen und Nador spürte Toks Schmerzen. Der Arm, dessen Hand er hielt, war gebrochen. Schnell legte Nador die Hand wieder hin. Er schob die Decke, unter der Tok lag, zur Seite und begann mit seiner freien Hand, vorsichtig Toks Leib abzutasten. Wie bei dem Geröll versuchte er, in das Innere zu sehen, stellte sich vor, dass Toks Fleisch durchsichtig war. Er sah die gebrochenen Rippen, das schwach schlagende Herz, das Geflecht aus Adern. Fasziniert von dem, was er vor sich hatte, dauerte es eine Weile, bis er registrierte, was er da genau sah. Eine der großen Adern hatte einen kleinen Riss, aus dem sich mit jedem Herzschlag ein kleiner Schwall Blut in den Bauchraum ergoss. Tok verblutete tatsächlich.

Nadors gerade gewonnene Selbstsicherheit geriet ins Wanken. Wie sollte er den Riss schließen? Dass Wunden heilen, war doch eine ganz natürliche Sache oder? Vielleicht … Er stellte sich vor, wie die Ader ohne Riss aussehen würde, und der Riss schloss sich. Nador merkte plötzlich, wie er schwitzte und stieß den angehaltenen Atem aus. Er hielt noch einige Zeit den Blick auf Toks Innerstes gerichtet und merkte wie das Herz kräftiger und ruhiger schlug. Vorsichtig zog er sich zurück und ließ sich auf den nächsten Stuhl plumpsen. Sein Vater sah ihn fragend an. Den skeptischen Blick des Heilers ignorierend sagte er:

„Da war ein Riss in einer großen Ader. Ich habe es geschafft, ihn zu schließen. Ich hoffe er wird jetzt gesund.“

Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter und sah zum Heiler, der den Puls von Tok fühlte. Schließlich nickte dieser zufrieden.

„Sein Herz schlägt wieder kräftiger“, sagte er mit Erleichterung in der Stimme. Dann sah er Nador scharf an.

„Wie hast du das gemacht und was ist das für ein Ding in deiner Hand?“

Nador hielt den Kopf gesenkt und den Feuerring fest in der Hand. Er war etwas müde aber nicht so sehr wie nach dem gestrigen Tag. Was hatte der Ring gesagt? Er musste üben. Vielleicht sollte er sich erst einmal ein paar einfachere Aufgaben suchen und nicht gleich mit den komplizierten Dingen anfangen. Er spürte, dass der Ring sich über seine Gedanken amüsierte.

„Nador?“

Langsam hob Nador den Kopf und sah seinem Vater in die Augen.

„Zeig mir, was du da hast.“

Nador zögerte, legte dann aber den Feuerring in die ausgestreckte Hand seines Vaters. Er erwartete, dass sich etwas tat, aber der Feuerring lag still und regungslos. Er hatte sogar seinen Glanz verloren. Nur mühsam beherrscht sah Nador zu, wie sein Vater den Ring untersuchte, ihn hin und her drehte, an ihm zog und versuchte, ihn zu verbiegen. Beinahe fühlte Nador Schmerzen. Er konnte spüren, dass dem Feuerring die Berührung des Vaters unangenehm war.

„Ich habe ihn dort gefunden, wo ich auch die Steine gefunden habe.“

Nador hielt es nicht mehr aus und nahm seinem Vater den Feuerring aus der Hand. Als er die leichte Vibration spürte, atmete er auf. Er spürte den prüfenden Blick seines Vaters auf sich und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Der Heiler räusperte sich und streckte ebenfalls die Hand aus. Nador ignorierte ihn. Er konnte den Ring nicht noch einmal weggeben.

„Genaugenommen hat er mich gefunden“, sagte er, den Blick immer noch gesenkt.

Der Heiler nahm seine ausgestreckte Hand zurück.

„Es ist dennoch eine interessante Sache, die genau untersucht werden muss. Von jemanden mit Erfahrung!“ Wieder streckte er auffordernd die Hand aus. Nadors Vater nickte seinem Sohn zu. Nador biss die Zähne zusammen und legte den Feuerring in die ausgestreckte Hand des Heilers. Wieder geschah nichts. Die Enttäuschung im Gesicht des Heilers war nicht zu übersehen und bevor auch er den Feuerring eingehend untersuchen konnte, nahm Nadors Vater ihn an sich und gab ihn Nador zurück.

„So wie es aussieht, wird die Erforschung Nadors Aufgabe sein.“ Der Heiler schnaubte.

„Hexenwerk“, murmelte er leise und begann, seine Sachen zusammenzupacken. Nadors Vater lachte.

„Wäre es auch Hexenwerk gewesen, wenn dieses Ding auf deine Berührung reagiert und geleuchtet hätte, alter Freund?“

Der Heiler knurrte nur.

„Es ist gefährlich, das spüre ich!“

Nador schüttelte vehement den Kopf.

„Es ist so gefährlich, wie derjenige, der ihn beherrscht.“

„Sag ich doch, dass er gefährlich ist, in den Händen eines hitzköpfigen Burschen!“

Der Heiler drehte ihm den Rücken zu.

„Es reicht, mein Freund!“, wies Nadors Vater den Heiler zurecht und dieser verließ schweigend den Raum.

„Wenn einer hier hitzköpfig ist, dann wohl er“, meinte er dann an Nador gewandt. Eine Weile herrschte Schweigen und sie lauschten den leisen, aber regelmäßigen Atemzügen des Verletzten.

„Zeig mir noch mal das Leuchten“, sagte Nadors Vater schließlich leise. Nador öffnete die Hand und der Feuerring hob sich und begann, sich langsam zu drehen. Fasziniert starrte Nadors Vater in das Licht, schließlich fragte er:

„Kannst du auch in die Zukunft sehen? Den Steinschlag gestern haben nicht wir ausgelöst. Große Felsbrocken hatten sich gelockert und haben die Lawine ausgelöst. Es wäre wahrscheinlich auch ohne unsere Anwesenheit geschehen.“