Der Mond der Meuterer - David Weber - E-Book

Der Mond der Meuterer E-Book

David Weber

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Beschreibung

Für Lt. Commander Colin MacIntyre begann alles als Routineflug über dem Mond. Für Dahak hingegen, ein Kriegsschiff mit eigenem Bewusstsein, begann alles Jahrtausende zuvor: Damals zettelte ein Teil seiner Besatzung eine Meuterei an - im Angesicht einer feindlichen außerirdischen Spezies. Dahak musste die Meuterer auf der Erde aussetzen, zusammen mit allen loyalen Crewmitgliedern. Seither wartet das Schiff hilflos im Erdmond ab.

Doch nun kehren die Außerirdischen erneut zurück, und Dahak gerät in Zugzwang: Das Schiff bestimmt Colin MacIntyre zu seinem Kommandanten. Er soll die Menschheit mobilisieren - oder die Erde wird im galaktischen Konflikt untergehen ...

Erster Band der Trilogie.

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Seitenzahl: 592

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Buch Eins

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Buch Zwei

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Buch Drei

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Buch Vier

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Über den Autor

David Weber ist ein Phänomen: Ungeheuer produktiv (er hat zahlreiche Fantasy- und Science-Fiction-Romane geschrieben), erlangte er Popularität mit der HONOR-HARRINGTON-Reihe, die inzwischen nicht nur in den USA zu den bestverkauften SF-Serien zählt. David Weber wird gerne mit C. S. Forester verglichen, aber auch mit Autoren wie Heinlein und Asimov. Er lebt heute mit seiner Familie in South Carolina.

David Weber

Der Mondder Meuterer

Roman

Ins Deutsche übertragen vonUlf Ritgen

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Multineer's Moon

Copyright © 1991 by David Weber

Published by arrangement with

Baen Publishing Enterprises, Wake Forest, NC

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2006/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln

This work was negotiated through the Literary Agency

Thomas Schlück GmbH; 30827 Garbsen

Lektorat: Beate Ritgen-Brandenburg / Ruggero Leò

Titelillustration: David Mattingly / Agentur Schlück

Umschlaggestaltung: Gisela Kullowatz

E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-0956-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Buch Eins

Kapitel Eins

Auf dem riesigen Kommandodeck herrschte Ruhe, es lag im gleichen friedlichen Halbdunkel wie sonst auch, still war es hier, von den leisen Hintergrundgeräuschen der Aufzeichnungsgeräte einmal abgesehen. Die Panzerstahlschotten verschwanden hinter der Projektion eines sternübersäten Alls und eines blauweißen Planeten, auf dem zweifelsohne Leben existierte. Es war so friedlich, wie es sein sollte, genauso wie es immer gewesen war – friedlich, wohl geordnet, und so weit vom Chaos geschieden wie nur möglich.

Doch das Gesicht von Flottenkapitän Druaga, der neben seinem Kommandosessel stand, war zu einer grimmigen Grimasse verzerrt, während über Druagas Neuralzugang unablässig Daten in sein Gehirn eingespeist wurden. Er spürte das flackernde Blitzen der Energiewaffen wie glühende Eisen auf der Haut, der Maschinenraum reagierte nicht mehr – was nicht überraschend war –, und Druaga hatte die Bio-Erhaltungssysteme Eins und Drei verloren. Die Hangar-Decks gehörten jetzt niemandem mehr; Druaga hatte sie abgeriegelt, damit die Meuterer sie nicht erreichen konnten, doch die Schlächter im Dienste von Anu hatten die Transitschächte mit Fesselfeldern blockiert, die an schwere Geschütze gekoppelt waren. Der Kommandant hatte noch die Feuerleitsysteme des Schiffes selbst unter Kontrolle und ebenso einen Großteil der externen Systeme, doch die Kommunikationszentrale war vorrangiges Ziel der Meuterer gewesen. Schon die erste Explosion hatte diese zerstört, und selbst ein Schiff der Utu-Klasse verfügte nur über ein einziges HyperCom. Nun konnte Druaga weder Fahrt aufnehmen noch irgendjemandem berichten, was geschehen war, und seine Loyalisten standen kurz davor, in diesem Gefecht endgültig zu unterliegen.

Druaga zwang sich, die Kiefermuskeln zu entspannen, um nicht mit den Zähnen zu knirschen. In den siebentausend Jahren, die vergangen waren, seit das Vierte Imperium ausgehend von der letzten Welt des Dritten Imperiums, die überlebt hatte, im Schneckentempo das All wiedererobert hatte, hatte es an Bord eines Großkampfschiffes der Raumflotte niemals eine Meuterei gegeben. Bestenfalls würde er, Druaga, nun als der Kommandant in die Geschichte eingehen, dessen Mannschaft gegen ihn den Aufstand gewagt hatte, den er dann schonungslos hatte niederschlagen lassen. Schlimmstenfalls würde Druaga gar nicht in die Geschichte eingehen.

Der Lagebericht endete, und Druaga schüttelte seufzend den Kopf.

Zahlenmäßig waren die Meuterer deutlich unterlegen, doch sie hatten das unschätzbare Überraschungsmoment auf ihrer Seite, und Anu hatte sorgsam geplant. Druaga stieß ein verächtliches Schnauben aus: Zweifelsohne wären dessen Lehrer von der Akademie stolz darauf gewesen, welche Taktik er ersonnen hatte. Doch wenigstens – dem Schöpfer sei Dank dafür! – war er nur der Leitende Ingenieur, kein Brückenoffizier. Es gab Überrangcodes, von denen er nichts wusste.

»Dahak«, sagte Druaga.

»Jawohl, Kommandant?« Die ruhige, freundliche Stimme kam von überall und nirgends gleichermaßen, erfüllte das ganze Kommandodeck.

»Wie viel Zeit bleibt noch, bis die Meuterer Kommando-Eins erreichen?«

»Drei Standard-Stunden, Kommandant, plus oder minus fünfzehn Prozent.«

»Man kann sie nicht aufhalten?«

»Negativ, Kommandant. Sie haben alle Zugänge zu Kommando-Eins in ihrer Gewalt, und sie drängen die loyalen Truppen bei nahezu allen Kontakten zurück.«

Natürlich ist das so!, dachte Druaga verbittert. Sie verfügten über Kampfpanzerungen und schwere Waffen; beim weitaus größten Teil seiner Loyalisten war das nicht der Fall.

Erneut schaute Druaga sich auf dem ansonsten unbemannten Kommandodeck um. Der Geschützstand war nicht besetzt, ebenso wenig die Ortung, der Maschinenraum, die Taktik und die Astrogation … Als die Alarmsirenen zu schrillen begonnen hatten, war es einzig ihm, dem Kommandanten, gelungen, seinen Posten zu erreichen, bevor die Meuterer sämtlichen Transitschächten die Energieversorgung gekappt hatten. Nur ihm allein. Und um seinen Posten zu erreichen, hatte er zwei Mitglieder seines eigenen Stabes töten müssen, die zur Gegenseite gewechselt hatten, als diese sich auf ihn gestürzt hatten wie gedungene Mörder.

»Also gut, Dahak«, erklärte er der allgegenwärtigen Stimme grimmig, »wenn wir nur noch Bio-Zwo und die Waffensysteme einsetzen können, dann müssen wir eben die verwenden! Nimm Bio-Eins und Bio-Drei aus dem Kreislauf!«

»Befehl ausgeführt«, bestätigte die Stimme sofort. »Aber die Meuterer werden nicht mehr als eine Stunde benötigen, um sie von Hand wieder zu aktivieren.«

»Das mag sein. Aber das ist Zeit genug. Geh auf Alarmstufe Rot-Zwo – Intern!«

Eine kurze Pause trat ein, und Druaga verkniff sich ein bitteres Lächeln.

»Sie tragen keinen Schutzanzug, Kommandant«, stellte die Stimme völlig emotionslos fest. »Wenn Sie auf Alarmstufe Rot-Zwo gehen, werden Sie sterben.«

»Ich weiß.« Druaga wünschte, er wäre tatsächlich so ruhig, wie seine Stimme das vermuten ließ; doch er wusste, dass die Biometriedaten der Dahak seine vermeintliche Ruhe schon längst Lügen gestraft hatten. Und doch war das die einzige Chance, die er – oder eher: das Imperium – in dieser Situation besaß.

»Du gibst einen zehnminütigen Vorwarnungs-Countdown an«, fuhr er fort und setzte sich in den Kommandosessel. »Das sollte allen genügend Zeit lassen, die Rettungskapseln zu erreichen. Sobald erst einmal alle evakuiert sind, setzt du unsere externen Waffen ein. Du wirst sofort die Dekon einleiten, aber du wirst nur loyalen Truppen gestatten, wieder an Bord zu gehen, bis du gegenteilige Befehle von … deinem neuen Kommandanten empfängst. Solange loyale Offiziere das Schiff noch nicht wieder übernommen haben, werden sämtliche Meuterer, die sich dem Schiff auf weniger als fünftausend Kilometer nähern, abgeschossen.«

»Verstanden.« Druaga hätte schwören können, dass die Stimme jetzt noch sanfter klang. »Allerdings fordern die Kernprogramme des Zentralen Kommandocomputers für diesen Befehl eine Verifizierung an.«

»Alpha-Acht-Sigma-Neun-Neun-Sieben-Delta-Vier-Alpha«, erwiderte Druaga sofort nüchtern.

»Authentifizierungscode bestätigt und akzeptiert«, erwiderte die körperlose Stimme. »Bitte geben Sie den Zeitpunkt der gewünschten Ausführung an!«

»Augenblicklich«, sagte Druaga und fragte sich, ob er wohl so schnell sprach, um zu verhindern, dass er doch noch die Nerven verlor.

»Bestätigt. Möchten Sie den Zehner-Countdown hören, Kommandant?«

»Nein, Dahak«, antwortete Druaga sehr leise.

»Verstanden«, erwiderte die Stimme, und Druaga schloss die Augen.

Es war eine wahrhaft drakonische Lösung … wenn man es überhaupt als ›Lösung‹ bezeichnen konnte. Rot-Zwo, Intern, war das vorletzte Mittel, sich gegen Eindringlinge zu verteidigen. Dabei wurde jeder Lüftungsschacht geöffnet – was nur auf den ausdrücklichen, verifizierten Befehl des Kommandanten des betreffenden Schiffes geschehen konnte –, und dann wurde der gesamte Innenraum des riesenhaften Schiffes mit Chemikalien und radioaktivem Material geflutet. Es gehörte zum Grundkonzept eines Rot-Zwo-Alarms, dass keine einzige Sektion des Schiffes dabei verschont blieb … auch nicht die Brücke. Das Schiff wäre danach nicht mehr betretbar, hätte sich in eine echte Todesfalle verwandelt, und nur der Zentrale Kommandocomputer, dem gegenüber ausschließlich der jeweilige Kommandant weisungsbefugt war, konnte die Dekontamination anordnen.

Für den derzeit gegebenen Fall war dieses System in keiner Weise gedacht, aber es sollte trotzdem funktionieren. Meuterer und Loyalisten gleichermaßen wären gezwungen zu fliehen, und keine Rettungskapsel, egal, wie sie auch konstruiert worden sein mochte, würde in der Lage sein, den Waffensystemen der Dahak zu widerstehen. Natürlich würde Druaga das Endergebnis nicht mehr miterleben, doch er würde auf diese Weise dafür sorgen, dass dieses Schiff weiterhin in der Hand des Imperiums bliebe.

Und wenn Rot-Zwo scheitern sollte, blieb ja immer noch Rot-Eins.

»Dahak«, sagte er dann plötzlich, ohne die Augen zu öffnen.

»Jawohl, Kommandant?«

»Eine Anordnung der Kategorie Eins«, fuhr Druaga förmlich fort.

»Aufzeichnung beginnt«, bestätigte die körperlose Stimme.

»Nachdem ich, Leitender Flottenkapitän Druaga, Kommandant des Imperialen Flottenschiffs Dahak, Kennung Eins-Sieben-Sieben-Zwo-Neun-Eins«, sagte Druaga, jetzt noch förmlicher, »mich in hinreichendem Maße davon vergewissert habe, dass sich an Bord meines Schiffes eine Bedrohung der Klasse Eins für das Imperium befindet, verfüge ich nun gemäß Flottendienstvorschrift Sieben-Eins, Absatz Eins-Neun-Drei, Unterabschnitt Sieben-Eins, eine Anordnung der Kategorie Eins an den Zentralen Kommandocomputer der Dahak. Authentifizierungscode Alpha-Delta-Acht-Sigma-Neun-Neun-Sieben-Delta-Vier-Omega.«

»Authentifizierungscode bestätigt und akzeptiert«, ließ sich die Stimme kühl vernehmen. »Bereit zur Entgegennahme von Anordnungen der Kategorie Eins. Bitte spezifizieren!«

»Wichtigstes Ziel dieser Einheit ist nun die Eindämmung des Aufruhrs eines Teiles der Besatzungsmitglieder, in Übereinstimmung mit bisher erteilten Anweisungen«, erklärte Druaga knapp. »Wenn die bisher spezifizierten Maßnahmen nicht ausreichen, den loyalen Besatzungsmitgliedern wieder die Kontrolle über dieses Schiff zu verschaffen, dann sind besagte aufrührerische Elemente mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auszuschalten, einschließlich notwendigenfalls dem Umstellen auf Alarmstufe Rot-Eins-Intern, und der vollständigen Zerstörung dieses Schiffes. Diese Anweisungen unterliegen der Prioritätsstufe Alpha.«

»Bestätigt«, entgegnete die Stimme, und Druaga ließ den Kopf gegen die gepolsterte Rückenlehne seines Sessels sinken. Es war geschafft. Selbst wenn es Anu irgendwie gelingen sollte, Kommando-Eins zu erreichen, würde er nicht in der Lage sein, den Befehl zu widerrufen, den die Dahak gerade bestätigt hatte.

Der Kommandant entspannte sich. Wenigstens, dachte er, soll es ja relativ schmerzlos sein.

»… eun Minuten«, meldete die Computerstimme, und Flottenkapitän (M) Anu, Leitender Ingenieur des Schlachtschiffes Dahak, stieß einen Fluch aus. Dieser verdammte Druaga! Anu hatte nicht damit gerechnet, dass es dem Kommandanten gelingen könnte, die Brücke zu erreichen, und damit hatte er nun schon gar nicht gerechnet! Druaga hatte immer so fantasielos gewirkt – ein pflichtbewusster, gehorsamer Automat.

»Was machen wir jetzt, Anu?«

Selbst durch den Visor ihrer Panzerung konnte er die Angst in Kapitän Inannas Blick erkennen, und er konnte es ihr auch nicht verübeln.

»Rückzug zu Hangar Einundneunzig«, krächzte er unwirsch.

»Aber das ist …«

»Ich weiß, ich weiß! Wir werden sie eben selber nutzen müssen! Und jetzt sorgen Sie dafür, dass sich unsere Leute in Bewegung setzen, Kapitän!«

»Jawohl, Sir!«, bestätigte Kapitän Inanna, und Anu sprang in den Haupt-Transitschacht. Die Wände des Schachtes rasten an ihm vorbei, obwohl sein Körper keinerlei Bewegung verspürte, und Anu verzog zornig den Mund. Sein erster Versuch war gescheitert, doch er kannte auch noch den einen oder anderen Trick! Tricks, die nicht einmal Druaga kannte – der Zerstörer sollte den holen!

Winzige, kupferfarbene Fische jagten von der Dahak fort in alle Richtungen. Rettungskapseln voller loyaler Besatzungsmitglieder verteilten sich über die vereiste Oberfläche des fremden Planeten, suchten Zuflucht, und zwischen ihnen jagten andere, größere Schatten umher. Im Vergleich zum Schlachtschiff selbst waren auch sie nur Staubkörnchen, und doch betrugen ihre Massen tausende und abertausende von Tonnen; gemeinsam stürzten sie auf den Planeten zu und überholten dabei die kleineren Rettungskapseln.

Anu hatte nicht die Absicht, in diesem Raumabschnitt zu bleiben, damit Druaga – vorausgesetzt, er lebte noch – in Erfahrung bringen können würde, dass Anu und seine Anhänger das Schiff nicht mit Hilfe von Rettungskapseln verlassen hatten, um dann die Waffen der Dahak dafür einzusetzen, die Unterlicht-Parasiten zu erledigen – mit der Leichtigkeit und Sorglosigkeit, mit der ein Kind nach Fliegen schlägt.

Der Leitende Ingenieur saß im Kommandosessel des Parasiten Osir und schaute zu, wie der riesenhafte Rumpf des getarnten Mutterschiffes in der Ferne verschwand; sein Gesicht war zu einem boshaften Grinsen verzogen. Er brauchte dieses Schiff, um sein Schicksal zu erfüllen, doch noch hatte er es nicht verloren. Sobald die Programme, die er in den Computern des Maschinenraums versteckt hatte, ihre Arbeit aufnahmen, würde schon bald jede einzelne Energiewache an Bord der Dahak in Trümmern liegen. Die Notversorgung sollte den Zentralen Kommandocomputer noch eine Zeit lang laufen lassen; doch wenn schließlich auch die Notversorgung versiegte, dann würde auch der Zentrale Kommandocomputer sterben.

Und dann gehörte die Dahak ihm.

»Eintritt in die Atmosphäre, Sir«, meldete Kapitän Inanna, die im Sessel des Ersten Offiziers Platz genommen hatte.

Kapitel Zwei

»Papa-Mike Control, hier ist Papa-Mike One-X-Ray, empfangen Sie mich?«

Das Radar von Lieutenant Commander Colin MacIntyre gab ein leises ›Ping‹ von sich, als der Copernicus-Massetreiber einige weitere Tonnen Mondgestein in Richtung der Fangschiffe des Habitats Eden-Drei schleuderte, und Colin schaute zu, wie das Signal langsam auf dem Schirm verblasste; er genoss seinen Solo-Flug, während er darauf wartete, dass die Sekundär-Leitstelle von Tereshkova antwortete.

»One-X-Ray, Papa-Mike Control«, bestätigte eine sonore Stimme.

»Papa-Mike Control, One-X-Ray hat die Zündung zum Eintritt in den Orbit abgeschlossen. Von hier aus sieht’s gut aus. Over.«

»Bestätigt, One-X-Ray. Wollen Sie erst ein paar Umkreisungen, um sich einzugewöhnen, bevor Sie das Manöver einleiten?«

»Negativ, Control. Es geht doch schließlich darum, dass ich das hier allein durchziehe, oder?«

»Bestätigt, One-X-Ray.«

»Dann legen wir los! Ich habe hier alle Systeme auf Grün, Pasha – wird das bestätigt?«

»Eindeutig bestätigt, One-X-Ray. Und wir sehen auch, dass Sie sich unserem Funkhorizont nähern, Colin. Kontaktabbruch in zwanzig Sekunden. Sie sind freigegeben für die Übung.«

»Papa-Mike Control, One-X-Ray hat verstanden. Wir sehen uns bald, Jungs!«

»Roger, One-X-Ray. Die nächste Runde zahlst ja sowieso du.«

»Das wüsst ich aber!«, lachte MacIntyre, doch was Papa-Mike Control auch zu erwidern versuchen mochte, wurde nicht mehr empfangen, als One-X-Ray den Mond-Horizont hinter sich brachte und so von jeglicher Funkverbindung abgeschnitten war.

Mit besonderer Sorgfalt ging MacIntyre seine letzte Checkliste durch. Es hatte sich für die Planer dieser Mission als bemerkenswert schwierig herausgestellt, eine Umlaufbahn für ihn zu berechnen, auf der er nicht dem planmäßigen Schiffsverkehr auf der erdzugewandten Seite des Mondes in die Quere kam und von der aus er gleichzeitig ein bisher völlig unerforschtes Gebiet der Rückseite würde untersuchen können. Doch auf der erdabgewandten Seite befanden sich nur einige Oberservatorien und Gruppenantennen zur Erforschung des Tiefenraums, und bei der Kurswahl, die es ihm ermöglichte, bisher unberührtes Territorium zu erreichen und zugleich den engen Orbit einzuhalten, den die Vermessungsinstrumente benötigten, würde er, MacIntyre, dann wohl eine Zeit lang vom gesamten Rest der Menschheit abgeschnitten sein, und das war selbst in diesen modernen Zeiten eine neuartige Erfahrung – sogar für Astronauten.

Nachdem MacIntyre die Liste vollständig abgearbeitet hatte, aktivierte er die Instrumente, dann lehnte er sich zurück und summte leise vor sich hin, trommelte mit den Fingerspitzen auf die Armlehne seines Beschleunigungssessels, um im Takt zu bleiben, während seine Bordcomputer die einzelnen Programme der Mission durchgingen. Es war immer möglich, irgendwo auf einen Glitch zu stoßen; aber wenn das jetzt tatsächlich passieren sollte, dann würde er nur wenig dagegen unternehmen können. Er war Pilot, bestens vertraut mit den elektronischen Eingeweiden seines Ein-Mann-Vermessungsfahrzeugs Beagle-3, aber er hatte nur eine sehr grobe Vorstellung davon, wie diese spezielle Geräteeinheit funktionierte.

Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts in den siebzig Jahren, die seit Armstrong vergangen waren, hatte so rapide zugenommen, dass jeder Nicht-Spezialist außerhalb seines eigenen Fachgebiets hoffnungslos abgehängt wurde, und das Geowissenschaftlerteam von Shepherd Center hatte einige wirklich wunderliche Wege eingeschlagen, um ihre aktuelle Generation an esoterischen Späh- und Schnüffelgerätschaften hervorzubringen. ›Gravitonenresonanz‹ war ein Wort, das einfach umwerfend klang … und MacIntyre hatte sich schon oft gefragt, was genau man sich darunter eigentlich vorzustellen hatte. Aber es interessierte ihn dann doch nicht genug, als dass er bereit gewesen wäre, weitere sechs bis acht Jahre zu studieren und noch einen Abschluss zu erwerben, um dann endlich zu verstehen, wie dieses ›planetare Proktoskop‹, wie ein unbekannter Witzbold es irgendwann getauft hatte, genau funktionierte, statt nur zu wissen, wie man es zu bedienen hatte.

Steuerdüsen brachten seine Beagle auf die exakt korrekte Höhe, und MacIntyre warf einen Blick auf seine Displays – da verstand er wenigstens, was das alles zu bedeuten hatte. Und das war auch gut so, schließlich war er als Erster Vermessungspilot für die Prometheus-Mission eingeteilt und …

Er hörte auf zu summen, brach die Melodie mitten im Ton ab und hob die Augenbrauen. Das war ja nun doch sonderbar! Eine Fehlfunktion?

Er drückte einige Tasten, und jetzt wurde aus den hochgezogenen Augenbrauen ein ernstes Stirnrunzeln. Den Diagnoseprogrammen zufolge arbeiteten alle Systeme einwandfrei, aber was man auch sonst über den Mond alles sagen können mochte, hohl war er jedenfalls nicht.

MacIntyre zupfte sich an der auffallend großen Nase und schaute zu, wie immer weitere schlichtweg absurde Daten auf den Displays erschienen. Neben ihm spuckte der Drucker eine graphische Darstellung der unbereinigten Daten aus, und das brachte MacIntyre dazu, sich umso kräftiger an der Nase zu zupfen. Diesen schwachsinnig gewordenen Instrumenten zufolge musste jemand dort unten wirklich beachtlich emsig gewesen sein: Es sah aus, als befänden sich dort, unter einer achtzig Kilometer dicken Schicht aus massivem Mondgestein ein gewaltiges, wirklich riesenhaftes Labyrinth aus Tunneln, Verbindungsgängen und wer weiß was noch allem!

MacIntyre gestattete sich selbst, eine leise Verwünschung auszustoßen. Die eigentliche Mission sollte in weniger als einem Jahr starten, und eines ihrer wichtigsten Vermessungsinstrumente – und dann auch noch eines, das hauptsächlich von der NASA entwickelt worden war! – hatte plötzlich beschlossen, völlig verrückt zu spielen! Aber bei den Atmosphärentests über Nevada und Sibirien hatte das Ding doch wunderbar funktioniert, also bitte was zum Teufel geschah denn hier gerade?!

Er zupfte sich immer noch an der Nase, als der Annäherungswarnanzeiger ihn plötzlich zusammenzucken ließ. Hölle und Verdammnis! Er war hier draußen, auf der Rückseite des Mondes, ganz allein, also was zu Teufel war das denn jetzt schon wieder?!

›Das‹ war ein Radarecho in weniger als einhundert Kilometern Entfernung hinter seinem Heck, und es näherte sich schnell. Wie hatte es etwas derart Großem gelingen können, so nah an ihn heranzukommen, ohne von seinem Radar erfasst worden zu sein? Seinen Instrumenten zufolge war das Ding mindestens so groß wie eine der Zündstufen der alten Saturn V!

Colin MacIntyre blieb der Mund vor Staunen offen stehen, als der Fremdflieger plötzlich in einem sauberen rechten Winkel abschwenkte. Anscheinend waren für dieses Ding sämtliche Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt – was für ein Ding auch immer das war! Aber was immer sonst noch so etwas tun konnte: Es änderte auch eindeutig den Kurs, um sich dem Orbit von Colins Schiff anzupassen. Noch während er zuschaute, bremste der Fremde ab, um sich auch noch Colins Geschwindigkeit anzupassen.

Colin MacIntyres nüchterne Art war einer der Gründe dafür gewesen, dass er für die erste interstellare Besatzung ausgewählt worden war, die sich aus US-Amerikanern und Russen zusammensetzte, doch seine Nackenhaare stellten sich auf, als sein Schiff plötzlich erzitterte. Es fühlte sich an, als hätte irgendetwas den Rumpf seiner Beagle berührt – irgendetwas, das massig genug war, um ein Raumschiff von einhundert Tonnen Gewicht, das auch für den Atmosphärenflug geeignet war und eine flexible Geometrie besaß, erzittern zu lassen.

Das riss ihn aus seinem momentanen Schockzustand. Was auch immer das sein mochte, niemand hatte ihm gesagt, dass er damit würde rechnen müssen, und das bedeutete, dass es weder der NASA noch den Russen gehörte! Seine Finger flogen regelrecht über das Steuerpult, ließen die Korrekturtriebwerke aufflammen, und die Beagle erbebte. Sie erbebte, aber sie rührte sich nicht, und nun trat MacIntyre kalter Schweiß auf die Stirn, als sein Schiff weiter auf der vorgegebenen Umlaufbahn blieb, die Flughöhe nicht im Mindesten änderte. Das konnte unmöglich passieren – doch andererseits: Nichts voll alledem hier konnte passieren, oder?

Er verwarf diesen Gedanken und drückte weitere Tasten. Etwas, worüber er reichlich verfügte, war Reaktionsmasse - Beagles waren auch auf längere Einsätze ausgelegt, und er hatte an der Gagarin-Plattform der Russkies aufgetankt, bevor er zu seinem Trans-Lunar-Flug aufgebrochen war –, und nun erzitterte das Schiff noch heftiger, als er das Haupttriebwerk zündete.

Diese Zündung mit voller Leistung hätte ihn in den Sessel pressen und das Schiff einen regelrechten Satz nach vorn machen sollen, doch der Hauptantrieb hatte keine größere Wirkung als seine Steuerdüsen, und nun sackte Colin in seinem Sitz zusammen. Seine Kiefer begannen zu mahlen, als die Beagle sich schließlich tatsächlich in Bewegung setzte – aber nicht von diesem Fremden fort, sondern geradewegs auf ihn zu! Was auch immer dieses Ding auf seinem Radar sein mochte, Colin bildete es sich auf jeden Fall nicht ein!

Seine Gedanken überstürzten sich. Die einzige Erklärung für das, was hier gerade geschah, wäre, dass dieser Echoimpuls ihn mit einer Art … Traktorstrahl eingefangen hatte, und das hätte mehr als nur einen Quantensprung auf dem Gebiet der angewandten Physik, wie diese auf der Erde bekannt war, bedeutet. Er ließ sich nicht dazu herab, Worte wie ›unmöglich‹ oder ›unglaublich‹ hervorzustoßen, denn es war ja nur zu offensichtlich, dass es eben sehr wohl möglich war. Dank einer unvorstellbaren Laune des Schicksals war genau in dem Augenblick ›Irgendjemand‹ die Menschheit besuchen gekommen, als die sich darauf vorbereitete, selbst in die Tiefen des Alls vorzustoßen.

Doch wer auch immer dieser ›Irgendjemand‹ sein mochte: MacIntyre konnte einfach nicht glauben, dass er ausgerechnet in dem Moment auftauchte, da er, Colin MacIntyre, sich auf der Rückseite des Mondes befand, ausgerechnet dort, wo gerade jegliche Möglichkeiten der Kommunikation unterbrochen waren. Sie mussten auf ihn gewartet haben, oder auf jemanden wie ihn, also mussten sie die Erde bereits seit geraumer Zeit beobachtet haben. Doch wenn dem so war, dann hätten sie auch reichlich Zeit gehabt, ihre eigene Anwesenheit kundzutun – und sämtliche Kommunikationssysteme der Erde zu überwachen. Also war davon auszugehen, dass sie zwar wussten, wie man mit ihm in Kontakt hätte treten können, sie aber bewusst darauf verzichtet hatten, und das wiederum ließ eine ganze Menge an Vermutungen zu, und nicht eine davon klang sonderlich angenehm. Der springende Punkt jedoch war, dass sie offensichtlich beabsichtigten, ihn aufzulesen, komplett mit seiner Beagle und allem, was noch dazugehörte, wobei sie irgendwelche eigenen Ziele verfolgten; und Colin MacIntyre hatte nicht die Absicht, sich auflesen zu lassen, wenn er das irgendwie verhindern konnte.

Die ausgiebigen Einsatzbesprechungen zur Prometheus-Mission, in denen es um potentielle Erstkontakte gegangen war, schossen ihm durch den Kopf, vor allem der ausdrückliche Befehl, auf jegliche Form feindseliger Handlungen zu verzichten; doch es war etwas völlig anderes, ob man sich selbst als ›entbehrlich‹ einstufte, wenn es darum ging, eine Form der Kommunikation mit irgendwelchen Außerirdischen zu finden, die zu besuchen man sich ohnehin vorgenommen hatte, oder ob genau diese Außerirdischen plötzlich ins System hereingeschneit kamen und anfingen, einen wie einen Fisch an der Angel einzuholen!

Colins Miene versteinerte, und er ließ die Plastikabdeckung des Bedienfeldes aufschnappen. Einige hatten beunruhigt die Hände gerungen, als es darum gegangen war, ob ein ›friedliches‹ interstellares Sondenschiff mit Waffen hatte ausgestattet werden sollen; doch das Militär, aus dessen Reihen ein Großteil der Piloten stammten, hatte in dieser Hinsicht das letzte Wort gehabt, und nun dankte MacIntyre lautlos dafür, dass dies hier ein Trainingsflug mit voller Ausrüstung war, als sich nun seine Waffensysteme aktivierten. Er gab die Zielkoordinaten aus seinem Radar ein und streckte bereits die Finger nach dem Feuerknopf aus, da hielt er plötzlich inne. Sie hatten nicht versucht, Funkkontakt mit ihm aufzunehmen, aber das Gleiche galt eben auch für ihn selbst.

»Unbekanntes Raumschiff, hier spricht NASA Papa-Mike One-X-Ray«, sagte er laut und deutlich in sein Mikrophon. »Geben Sie mein Schiff frei und ziehen Sie sich zurück!«

Er erhielt keine Antwort, und nun bedachte er das Signal auf seinem Display mit einem finsteren Blick.

»Geben Sie mein Schiff frei, oder ich werde das Feuer eröffnen!«

Immer noch keine Antwort. Er presste die Lippen zusammen. Also gut! Wenn diese Dreckskerle nicht einmal reden wollten …

Drei kleine, leistungsstarke Raketen jagten von der Beagle davon. Es waren keine Nukleargeschosse, doch jedes einzelne war mit einem Dreihundert-Kilogramm-Gefechtskopf ausgestattet, und sie hatten ihr Ziel optimal erfasst. MacIntyre verfolgte ihren Kurs auf dem Radarschirm.

Und es geschah absolut nichts.

Commander MacIntyre sackte in seinem Beschleunigungssessel noch tiefer in sich zusammen. Diese Geschosse waren nicht durch wie auch immer geartete elektronische Gegenmaßnahmen abgelenkt worden, und sie waren auch nicht kurz vor dem Ziel explodiert. Sie waren einfach nur … verschwunden, und was das bedeutete, das war … verstörend. Zutiefst verstörend.

Colin deaktivierte seinen Antrieb. Es war ja völlig sinnlos, hier Treibstoff zu verschwenden, und er und seine Häscher würden sowieso bald den Funkhorizont von Heinlein Base überqueren.

Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, ob irgendeine der anderen Beagles gerade unterwegs war. Angesichts seines eigenen Scheiterns würden vermutlich auch sie sich als nicht allzu erfolgreich diesem Wer-Auch-Immer gegenüber erweisen, doch sonst war nichts, was sich hier in der Nähe befand, überhaupt bewaffnet. MacIntyre war sich fast sicher, dass Vlad Chernikov sich in Tereshkova befand; in letzter Zeit allerdings waren die Flugpläne für alle Mitglieder des Prometheus-Teams so hektisch geworden, dass es fast unmöglich war, sie alle noch im Kopf zu behalten.

Seine Beagle bewegte sich weiter auf das fremde Schiff zu und schwenkte herum, sodass die beiden Schiffe sich Kopf an Kopf aufeinander zubewegten. So lässig wie möglich lehnte sich MacIntyre zurück und schaute durch das Kanzeldach hinaus. Er sollte das fremde Schiff eigentlich bald sehen können, ungefähr … jetzt.

Ja, da war es. Und es war irgendwie auch sehr enttäuschend. Er wusste nicht genau, was er eigentlich erwartet hatte, ganz gewiss aber keinen abgeflachten, nichts sagenden Zylinder, der an beiden Enden abgerundet war. Sie waren jetzt noch kaum einen Kilometer voneinander entfernt, aber abgesehen davon, dass dieses Ding ganz offensichtlich künstlichen Ursprungs war, erwies sich der Anblick doch als geradezu enttäuschend undramatisch. Es waren keine Antriebe zu erkennen, keine Luken, keine Geschützpforten, keine Funkantennen … nichts, außer glattem, gleißend spiegelndem Metall. Zumindest vermutete er, dass es Metall war.

Er warf einen Blick auf sein Chronometer. Jetzt sollte jeden Moment wieder die Funkverbindung stehen, und er verzog die Lippen zu einem humorlosen Lächeln, als er sich vorstellte, wie Heinlein Base wohl reagieren würde, wenn die beiden Schiffe über den Radar-Horizont kämen. Das sollte doch …

Sie hielten an. Einfach so, ohne dass er das Gefühl des Abbremsens gehabt hätte, ohne dass der Zylinder eine Düse gezündet hätte, ohne … irgendetwas.

Ungläubig starrte Colin das fremde Schiff an. Aber eigentlich war ›ungläubig‹ das falsche Wort. Er hatte vielmehr das Bedürfnis, ungläubig sein zu müssen. Vor allem, als er bemerkte, dass sie relativ zur Mondoberfläche stillstanden, weder davon fortdrifteten, noch weiter hinabtrudelten. Die Tatsache, dass dieses fremde Schiff etwas Derartiges zu bewirken im Stande war, empfand MacIntyre als viel entsetzlicher als alles andere, was bisher geschehen war – durch die völlige, banale Vertrautheit seines Cockpits wurde dieses Entsetzen nur noch gesteigert –, und er umklammerte die Armlehnen seines Sessels und kämpfte gegen diese völlig irrationale Überzeugung an, er müsse doch jetzt fallen!

Doch dann setzten sie sich wieder in Bewegung, schossen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, und das mit einer Geschwindigkeit, die jeglicher Vorstellungskraft spottete, und wieder spürte MacIntyre nicht die geringste Beschleunigungskraft. Erneut veränderte sich seine Höhe relativ zu diesem Zylinder; jetzt lag er hinter ihm, die abgerundete Spitze kaum einhundert Meter von seinen Triebwerken entfernt, und er schaute zu, wie die Mondoberfläche unter ihm verschwamm.

Ruckartig sanken seine Beagle und sein Häscher tiefer, jagten geradewegs auf einen der kleineren Krater zu, und in seinen Stiefeln verkrampfte MacIntyre die Zehen, während seine Hände wie von allein versuchten, die Armlehnen seines Sessels abzureißen. Nachdem er gesehen hatte, welche Dinge dieser Zylinder alles zu bewirken vermochte, erklärte ihm sein Verstand, dass sie nicht abstürzen würden; seine Instinkte aber sagten ihm etwas völlig anderes. Stur kämpfte er gegen die aufsteigende Panik an, weigerte sich schlichtweg, ihr zu erliegen, und doch keuchte er erleichtert auf, als der Boden dieses Kraters sich plötzlich öffnete.

Der Zylinder bremste auf eine Geschwindigkeit von wenigen hundert Kilometern in der Stunde ab, und MacIntyre spürte, wie tröstliche Katatonie ihn lockte, doch irgendetwas brachte ihn dazu, dieser Versuchung ebenso zu widerstehen wie zuvor der Panik. Wer auch immer ihn hier gefangen genommen hatte: Niemand sollte ihn hier zusammengerollt und sabbernd vorfinden, wenn sie schließlich irgendwann einmal anhielten, bei Gott!

Ein gewaltiger Tunnel verschluckte sie, mit einem Durchmesser von gut zweihundert Metern, beleuchtet von gleißenden Start- und Landefeuern. Steinerne Wände glitzerten merkwürdig, als sei das Gestein glasartig glatt geschmolzen; doch auch das gab sich sehr schnell wieder. Sie glitten durch eine Mehrfach-Luke, die groß genug war, um zwei Transportern Platz zu bieten, und plötzlich wirkten die Tunnelwände metallisch. Es war ein bronzeartiges Metall, das im Lichtschein glitzerte, und es erstreckte sich so weit vor ihm, dass selbst dieser gewaltige Tunnel mit seinen riesenhaften Ausmaßen in der Ferne zu einem winzigen Lichtpunkt zusammenschmolz. Sie verloren immer weiter an Fahrt, weitere Luken schossen an ihnen vorbei. Dutzende von Luken, die meisten davon so riesenhaft wie die, durch die sie in diesen unmöglichen metallischen Schlund überhaupt erst hineingelangt waren. Colin schwindelte angesichts der Größe dieser Anlage, doch sein Verstand war noch klar genug, um sich in Gedanken bei den Konstrukteuren des Proktoskops zu entschuldigen.

Eine der gewaltigen Luken öffnete sich, blitzschnell wie eine zustoßende Schlange. Wer auch immer ihren Kurs hier bestimmte, ließ sie jetzt aus dem Haupttunnel herausschwenken, brachte sie dann dazu, geradewegs durch die inzwischen offen stehende Luke zu schweben und ließ seine Beagle dann ohne jeglichen Ruck auf dem Boden aufsetzen – der ebenfalls aus dieser bronzefarbenen Legierung bestand.

Nun befanden sie sich in einer nur matt beleuchteten Höhle, die einen Durchmesser von mindestens einem Kilometer aufwies; der Boden war übersät mit säuberlich geparkten Gegenstücken zu dem Zylinder, der ihn eingefangen hatte. Mit offenem Mund starrte er aus seiner Kanzel und wünschte sich, auf der Liste der Ausrüstungsgegenstände einer Beagle stünden auch Handfeuerwaffen. Nach dem Misserfolg mit den Geschossen ging er davon aus, dass eine Handfeuerwaffe wohl nicht sehr viel bewirken würde. Aber er hätte es doch als sehr beruhigend empfunden, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, es wenigstens zu versuchen.

Colin leckte sich die Lippen. Wenn man auch sonst daraus nichts hätte ableiten können, so schloss doch das gewaltige Ausmaß dieser Anlage hier aus, dass die Fremden das Sonnensystem erst kürzlich entdeckt hatten; doch wie war es ihnen gelungen, all das hier zu bauen, ohne dass es irgendjemandem aufgefallen war?

Und dann erwachte endlich sein Funkgerät zum Leben.

»Guten Abend, Commander MacIntyre«, sagte eine tiefe, sanfte Stimme höflich. »Ich bedauere die doch recht unorthodoxe Art und Weise Ihrer Ankunft hier, aber mir blieb keine andere Wahl. Und ich muss mit Bedauern hinzufügen, dass es sich für Sie ebenso verhält.«

»W … wer sind Sie?«, verlangte MacIntyre ein wenig heiser zu wissen, dann stockte er und räusperte sich. »Was wollen Sie von mir?«, fragte er nun mit deutlich festerer Stimme.

»Ich fürchte, diese Fragen zu beantworten, wird ein wenig komplizierter werden«, erwiderte die Stimme gelassen, »aber nennen Sie mich ›Dahak‹, Commander.«

Kapitel Drei

MacIntyre holte tief Luft. Wenigstens sprachen ›Die‹ wer auch immer ›Die‹ sein mochten endlich mit ihm. Und dann auch noch auf Englisch. Was ihn dazu brachte, wenigstens in gewissem Maße seiner Empörung Ausdruck zu verleihen.

»Ihre Entschuldigung wäre deutlich glaubwürdiger, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, Kontakt zu mir aufzunehmen, bevor Sie mich entführt haben«, meinte er kühl.

»Dessen bin ich mir bewusst«, erwiderte sein Häscher, »aber das war nicht möglich.«

»Ach ja? Seitdem scheinen Sie Ihre diesbezüglichen Probleme ja prächtig in den Griff bekommen zu haben.« Es tröstete MacIntyre festzustellen, dass er immer noch in der Lage war, gehässig zu klingen.

»Ihre Kommunikationsmittel sind recht primitiv, Commander.« Es klang fast, als wolle sein Gesprächspartner sich entschuldigen. »Mein Mutterschiff war nicht darauf ausgelegt, dazu ein Interface aufzubauen.«

»Bei Ihnen klappt das doch ganz prima! Warum haben Sie nicht zu mir gesprochen?«

»Das war nicht möglich. Die Tarnvorrichtungen des Mutterschiffes haben sowohl Sie als auch das Schiff selbst in ein Energiefeld gehüllt, das für Funkwellen undurchlässig ist. Mit Hilfe meiner eigenen Kommunikationssysteme war ich in der Lage, zum Mutterschiff Kontakt zu halten, aber an Bord befinden sich keine Geräte, mit denen es möglich gewesen wäre, meine Worte zu Ihnen zu übertragen. Ich entschuldige mich noch einmal für jegliche Unannehmlichkeit, die Ihnen entstanden sein mag.«

MacIntyre verkniff sich ein Kichern angesichts dieser netten, eintausendprozentigen Untertreibung, die das Wort ›Unannehmlichkeit‹ darstellte, und als er bemerkte, dass man seiner Stimme bereits anzuhören vermochte, wie nahe er der Hysterie war, half ihm das dabei, wieder ernst zu werden. Mit zitternden Händen fuhr er sich durch die Haare und fühlte sich, als hätte er einen oder zwei Schläge zu viel gegen den Schädel bekommen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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