Der Mond über der Eisbahn - Alice Munro - E-Book

Der Mond über der Eisbahn E-Book

Alice Munro

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Beschreibung

Endlich wieder lieferbar, der wunderbare Band der Nobelpreisträgerin Alice Munro Wie plötzlich die Haut des Augenblicks aufbrechen kann: Während des Geburtstagsfests ihres Mannes lernt Isabel einen Piloten kennen, der am nächsten Tag ihr Liebhaber wird. In elf wunderbar lakonischen Geschichten erzählt die große Alice Munro in diesem Band von den komplizierten Verstrickungen in Beziehungen, von Missverständnissen, die aus zu viel Nähe entstehen, aber auch vom Glück des Moments und seinen Bedingungen.

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Alice Munro

Der Mond über der Eisbahn

Erzählungen

Aus dem Englischen von Helga Huisgen

FISCHER E-Books

Inhalt

Für meine Schwester Sheila [...]Das Wachsen der LiebeFlechtenMonsieur les Deux ChapeauxMiles City, MontanaAnfälleDer Mond über der Eisbahn in der Orange StreetJesse und MeriBethEskimoNicht ganz bei TrostI. Anonyme BriefeII. BesessenheitDer GebetskreisSchneebergIIIIII

Für meine Schwester Sheila

Das Wachsen der Liebe

Ich erhielt im Büro einen Anruf, und es war mein Vater. Das war kurz nach meiner Scheidung, als ich gerade begonnen hatte, in der Immobilienfirma zu arbeiten. Meine beiden Söhne waren in der Schule. Es war ein ziemlich heißer Tag im September.

Mein Vater war sehr höflich, selbst innerhalb der Familie. Er nahm sich Zeit zu fragen, wie es mir gehe. Ländliche Sitten. Auch wenn dich jemand anruft, um dir zu sagen, dass dein Haus in Flammen steht, wirst du zuerst nach deinem Befinden gefragt.

»Mir geht’s gut«, sagte ich. »Und dir?«

»Nicht so besonders, muss ich sagen«, antwortete mein Vater in seiner vertrauten Art – entschuldigend und zugleich stolz. »Ich glaube, deine Mutter hat uns verlassen.«

Ich wusste, dass »hat uns verlassen« »gestorben« bedeutete. Ich wusste es. Aber einen Augenblick sah ich meine Mutter mit ihrem schwarzen Strohhut die Straße hinuntergehen. Aus den Worten »hat uns verlassen« schien nichts als tiefe Erleichterung und sogar eine Erregung zu sprechen – die Erregung, die man empfindet, wenn eine Tür zufällt und das Haus wieder in den Normalzustand sinkt und man sich in all dem leeren Raum ringsum auszubreiten beginnt. Auch das schwang in der Stimme meines Vaters mit – neben dem Entschuldigenden –, ein seltsamer Ton, der wie ein verschlucktes Aufatmen klang. Dabei war meine Mutter keine Last – sie war nicht einen Tag krank gewesen –, und mein Vater fühlte sich durch ihren Tod keineswegs erleichtert, sondern war schwer getroffen. Er habe sich nie ans Alleinleben gewöhnt, sagte er. Und zog gar nicht ungern ins Seniorenheim von Netterfield County.

Er schilderte mir, wie er meine Mutter auf dem Sofa in der Küche gefunden hatte, als er mittags nach Hause kam. Sie hatte ein paar Tomaten gepflückt und wollte sie zum Reifen auf die Fensterbank legen; da musste sie eine Schwäche gespürt haben und hatte sich hingelegt. Jetzt, während er mir das erzählte, schwankte seine Stimme – erwartungsgemäß – vor Fassungslosigkeit auf und ab. Ich sah das Sofa vor mir, die alte Flickendecke, die zum Schutz darauf lag, direkt unter dem Telefon.

»Und daher dachte ich, ich ruf dich besser gleich an«, sagte mein Vater und wartete darauf, dass ich ihm sagte, was er jetzt tun solle.

 

Meine Mutter fiel mittags, abends und morgens früh als Erstes auf die Knie, um zu beten. Für sie tat sich jeder Tag als Gelegenheit auf, Gottes Willen auszuführen. Jeden Abend zählte sie zusammen, was sie getan, gesagt und gedacht hatte, und glich es mit ihm ab. Das sei eine eintönige Art zu leben, meinen die Leute, doch sie übersehen dabei etwas. Zum einen kann so ein Leben nie langweilig werden. Und es kann einem nichts widerfahren, aus dem man keinen Nutzen ziehen könnte. Selbst wenn man mit Sorgen überhäuft, krank und arm und hässlich ist, kann man die eigene Seele wie einen Schatz auf einer Silberplatte durchs Leben tragen. Wenn sie nach dem Mittagessen zum Beten nach oben ging, war meine Mutter immer voll Energie und Erwartung, und auf ihren Lippen lag ein ernstes Lächeln.

Zum Heil gefunden hatte sie mit vierzehn bei einer Zeltmission. Das war im selben Sommer, in dem ihre Mutter – meine Großmutter – starb. Ein paar Jahre lang besuchte meine Mutter Versammlungen mit vielen anderen Leuten, die zum Heil gefunden hatten, einige davon immer wieder aufs Neue, begeisterte alte Sünder. Sie erzählte oft Geschichten darüber, was auf diesen Versammlungen vor sich ging, über das Singen und Schreien und die Raserei. Sie erzählte von einem alten Mann, der aufstand und schrie: »Komm herab, o Herr, komm zu uns herab! Komm durchs Dach zu uns herab, ich bezahl auch die Schindeln!«

Als meine Mutter heiratete, war sie wieder schlicht eine Anglikanerin, die ihren Glauben ernst nahm. Sie war damals fünfundzwanzig, und mein Vater war achtunddreißig. Ein großes, gutaussehendes Paar, gute Tänzer, gute Kartenspieler, gesellig. Aber ernste Menschen – so würde ich sie zu beschreiben versuchen. Ernst in einem Sinn, wie es heutzutage kaum noch jemand ist. Mein Vater war nicht im gleichen Maße religiös wie meine Mutter. Er war Anglikaner, Orangist und konservativ, weil er dazu erzogen worden war. Er war der Sohn, der auf der Farm bei den Eltern blieb und bis zu ihrem Tod für sie sorgte. Er lernte meine Mutter kennen, er wartete auf sie, sie heirateten; er schätzte sich glücklich, eine Familie zu haben, für die er arbeiten konnte. (Ich habe zwei Brüder, und ich hatte noch eine kleine Schwester, die gestorben ist.) Mein Gefühl sagt mir, dass mein Vater nie mit einer Frau geschlafen hat, bevor er meine Mutter kannte, und auch mit ihr erst, nachdem sie geheiratet hatten. Und er musste sich gedulden, weil meine Mutter erst heiraten wollte, wenn sie ihrem Vater auf Heller und Pfennig zurückgezahlt hätte, was er seit dem Tod ihrer Mutter für sie ausgegeben hatte. Sie hatte über alles genau Buch geführt – Kost und Logis, Bücher, Kleidung –, damit sie es zurückzahlen konnte. Als sie heiratete, hatte sie keinen Notgroschen zurückgelegt wie Lehrerinnen sonst gewöhnlich, sie hatte keine Aussteuertruhe, kein Bettzeug, kein Geschirr. Mit scheinbar ernster Miene bemerkte mein Vater des Öfteren, er hätte gehofft, eine Frau mit Geld auf der Bank zu bekommen. »Aber wenn man das Geld auf der Bank nimmt, muss man auch das Gesicht nehmen, das dazugehört«, sagte er, »und das ist manchmal kein gutes Geschäft.«

 

Das Haus, in dem wir wohnten, hatte große, hohe Räume mit dunkelgrünen Jalousien an den Fenstern. Wenn die Jalousien gegen die Sonne heruntergelassen waren, bewegte ich gerne den Kopf, um die Lichtstrahlen zu erwischen, die durch die Löcher und Ritzen blitzten. Auch die Flecken am Kamin betrachtete ich gern, alte oder frische, die ich in Tiere verwandeln konnte, in Menschengesichter oder sogar in ferne Städte. Als ich meinen beiden Söhnen davon erzählte, meinte Dan Casey, ihr Vater: »Da hört ihr’s, die Familie eurer Mama war so arm, dass sie sich keinen Fernseher leisten konnte, darum hatten sie diese Flecken an der Decke – eure Mama musste die Flecken an der Decke gucken!« Er zog mich immer gern damit auf, dass ich Armut für etwas Rühmliches hielt.

 

Wie ich feststellte, störte es meinen Vater im hohen Alter weniger, dass die Leute neuartige Dinge taten – dass ich mich scheiden ließ zum Beispiel –, als dass sie neuartige Gründe dafür hatten.

Gott sei Dank musste er nie von der Kommune erfahren.

»Es war nicht der Wille des Herrn«, war seine stehende Rede. Wenn er mit den anderen alten Männern im Heim herumsaß, auf der langen, dämmrigen Veranda hinter den Geißbartsträuchern, sprach er davon, dass es nie der Wille des Herrn gewesen sei, dass die Menschen mit Motorrädern und Schneemobilen durchs Land rasten. Oder dass Krankenschwestern im Dienst Hosen trügen. Die Schwestern störte das überhaupt nicht. Sie nannten ihn »schöner Mann« und meinten zu mir, er sei ein echter Schatz, ein frommer alter Herr, wie er im Buche stehe. Sie bewunderten sein dichtes schwarzes Haar, das ihm bis zu seinem Tod erhalten blieb. Sie wuschen und frisierten es schön und legten ihm mit den Fingern Wellen, wenn es nass war.

Manchmal war er trotz all ihrer Fürsorge ein wenig bedrückt. Er wollte nach Hause. Er machte sich Sorgen wegen der Kühe, der Zäune und darüber, wer morgens aufstand, um Feuer zu machen. Dann und wann blitzte Gehässigkeit auf – sehr selten. Einmal warf er mir, als ich eintrat, einen verschlagenen, unfreundlichen Blick zu und sagte: »Ein Wunder, dass du dir nicht schon die ganzen Knie aufgescheuert hast.«

Ich lachte. »Wie denn? Beim Bodenschrubben?«

»Beim Beten!«, sagte er in einem Ton, als spuckte er aus.

Er wusste nicht, mit wem er redete.

 

Ich kann mich nicht entsinnen, dass das Haar meiner Mutter je anders als weiß gewesen wäre. Sie war schon in ihren Zwanzigern ergraut und hatte nie etwas von ihrem Jugendhaar aufgehoben, das braun gewesen war. Ich versuchte immer, aus ihr herauszubekommen, was für ein Braun.

»Dunkel.«

»Wie Brent oder wie Dolly?« Das waren unsere zwei Arbeitspferde, ein Gespann.

»Ich weiß nicht. Es war kein Rosshaar.«

»War es so wie Schokolade?«

»So ähnlich.«

»Warst du nicht traurig, als es weiß wurde?«

»Nein, ich war froh.«

»Warum?«

»Ich war froh, dass ich nicht mehr dieselbe Haarfarbe hatte wie mein Vater.«

Hass ist immer eine Sünde, erklärte mir meine Mutter. Vergiss das nicht. Ein Tropfen Hass in deiner Seele wird sich ausbreiten und alles verfärben wie ein Tropfen schwarzer Tinte in weißer Milch. Das beeindruckte mich sehr, und ich hatte immer vor, es auszuprobieren, aber ich wusste, dass ich keine Milch vergeuden sollte.

 

All diese Dinge habe ich in Erinnerung. All das, was ich über Menschen, die ich nie gesehen habe, weiß oder erzählt bekommen habe. Ich wurde Euphemia getauft, nach der Mutter meiner Mutter. Ein schrecklicher Name, wie ihn heutzutage kein Mensch mehr trägt. Zu Hause wurde ich Phemie gerufen, aber als ich zu arbeiten anfing, nannte ich mich Fame. Mein Mann, Dan Casey, nannte mich Fame. Jahre später, nach meiner Scheidung, in der Bar des Shamrock Hotels, sagte ein Mann, als ich gerade im Gehen war, zu mir: »Was ich Sie immer schon fragen wollte, Fame, wofür genau sind Sie eigentlich berühmt?«

»Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht, außer vielleicht dafür, dass ich meine Zeit darauf verschwende, mit Schwachköpfen wie Ihnen zu reden.«

Danach erwog ich, einen ganz neuen Namen anzunehmen, einen wie Joan vielleicht, aber wie sollte das gehen, wenn ich nicht von hier wegzog?

 

Im Sommer 1947, als ich zwölf war, half ich meiner Mutter beim Tapezieren des Schlafzimmers im Erdgeschoss, des Gästezimmers. Beryl, die Schwester meiner Mutter, hatte ihren Besuch angesagt. Die beiden Schwestern hatten sich viele Jahre nicht gesehen. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater sehr bald wieder geheiratet. Mit der neuen Frau und seiner jüngeren Tochter Beryl zog er nach Minneapolis und später nach Seattle. Meine Mutter weigerte sich mitzukommen. Sie blieb in der kleinen Stadt Ramsay, wo die Familie bis dahin gelebt hatte. Sie wurde bei einem kinderlosen Ehepaar untergebracht, die ihre Nachbarn gewesen waren. Sie und Beryl hatten sich nur ein- oder zweimal gesehen, seit sie erwachsen waren. Beryl lebte in Kalifornien.

Die Tapete hatte ein Muster aus Kornblumen auf weißem Grund. Meine Mutter hatte sie billiger bekommen, weil es ein Restposten war. Deswegen hatten wir Mühe, das Muster aneinanderzupassen, und mussten hinter der Tür mit Restchen und Streifen kunstvoll stückeln. Das war noch vor der Zeit vorgeleimter Tapeten. Im Wohnzimmer hatten wir einen Tapeziertisch aufgestellt, und wir rührten den Leim an und strichen ihn schwungvoll mit breiten Pinseln auf die Rückseite der Tapete und achteten darauf, dass sich keine Klumpen bildeten. Wir arbeiteten bei hochgeschobenen Fenstern, in die Fliegengitter eingepasst waren, die Haustür stand offen, die Fliegentür war zu. Das Land, das wir durch das Gittergeflecht und das wellige alte Fensterglas sehen konnten, flirrte vor Hitze und stand in voller Blüte – Wolfsmilch und wilde Möhren auf den Weiden, wuchernde Senfpflanzen im Klee, einzelne Felder rahmig weiß vom Buchweizen, der damals angebaut wurde. Meine Mutter sang. Sie sang ein Lied, das, wie sie erzählte, ihre eigene Mutter schon gesungen hatte, als sie und Beryl klein waren.

»Ich hatt’ einen Liebsten, doch jetzt nicht mehr.

Er hat mich verlassen, da weinte ich sehr.

Er hat mich verlassen, doch schick’ ich mich drein.

Denn ich find einen neuen, der besser wird sein!«

Ich war aufgeregt, weil Beryl kommen sollte, Besuch von so weit her, aus Kalifornien. Außerdem war ich aufgeregt, weil ich Ende Juni in die Stadt gefahren war, um die Aufnahmeprüfung zu schreiben, und bald Nachricht zu erhalten hoffte, dass ich mit Auszeichnung bestanden hatte. Jeder, der auf einer Landschule die achte Klasse absolviert hatte, musste in die Stadt fahren, um diese Aufnahmeprüfung zu schreiben. Ich genoss das Ganze – die raschelnden Papierbögen, das bedeutsame Schweigen, das große Steingebäude der Highschool, die vielen alten, von der Politur nachgedunkelten Initialen, die in die Pulte geritzt waren. Draußen das erste Lodern des Sommers, das grüngelbe Licht, die städtisch wirkenden Kastanienbäume und Geißblatt. Und dabei war es nichts anderes als eben die Stadt, in der ich nun über die Hälfte meines Lebens zugebracht hatte. Ich war voll des Staunens. Auch über mich selbst, wie ich mit Leichtigkeit Landkarten zeichnete und Aufgaben löste, Antworten auf Unmengen von Fragen wusste. Ich fand mich so klug. Aber ich war nicht einmal klug genug, um das Einfachste zu begreifen. Denn ich begriff nicht, dass die Prüfung in meinem Fall gar keine Bedeutung besaß. Ich würde nicht auf die Highschool gehen. Wie sollte ich auch? Damals gab es noch keine Schulbusse; man musste sich in der Stadt einmieten. Dafür hatten meine Eltern kein Geld. Wie viele Farmer damals wirtschafteten sie mit sehr wenig Bargeld. Die Zahlungen der Käsefabrik waren so ziemlich die einzigen regelmäßigen Einnahmen. Außerdem schwebte ihnen nicht vor, dass mein Leben in diese Richtung, die Richtung Highschool, gehen würde. Sie stellten sich vor, dass ich zu Hause bleiben und meiner Mutter helfen würde, vielleicht auch in der Nachbarschaft etwas verdienen würde, indem ich den Frauen zur Hand ging, die krank waren oder ein Kind bekamen. Bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich heiratete. Das war die Nachricht, mit der sie aufwarten wollten, wenn ich die Ergebnisse der Prüfung bekam.

Man möchte annehmen, dass meine Mutter andere Vorstellungen gehabt hätte, da sie selbst einmal Lehrerin gewesen war. Aber sie sagte, Gott sei das gleichgültig. Gott interessiere sich nicht für den Beruf oder die Ausbildung eines Menschen, erklärte sie mir. Auf so etwas gebe er keinen Pfifferling, und nur was Ihm wichtig sei, darauf komme es an.

Damals begriff ich zum ersten Mal, dass Gott auch ein echter Gegner sein konnte, nicht bloß ein Ärgernis oder eine große Zier.

 

Meine Mutter hieß als Kind Marietta. Sie hieß natürlich auch weiterhin so, aber bis zu Beryls Besuch hatte ich nie gehört, dass sie so genannt wurde. Mein Vater sagte immer Mutter zu ihr. Ich war der kindischen Ansicht – ich wusste sehr wohl, dass sie kindisch war –, dass Mutter besser zu meiner Mutter passe als zu anderen Müttern. Mutter, nicht Mama. Wenn ich nicht bei ihr war, konnte ich mich nicht entsinnen, wie ihr Gesicht aussah, und das machte mir Angst. Während ich in der Schule saß, nur durch einen Hügel von unserem Haus getrennt, versuchte ich, mir das Gesicht meiner Mutter vorzustellen. Manchmal glaubte ich, wenn ich es nicht könne, bedeute das vielleicht, dass meine Mutter tot sei. Spüren konnte ich sie jedoch immer und fühlte mich durch die unsinnigsten Dinge an sie erinnert – durch ein Klavier oder ein hohes Kastenweißbrot. Das ist lächerlich, aber wahr.

In meiner Vorstellung war Marietta ein eigenes Wesen, nicht im erwachsenen Körper meiner Mutter aufgegangen. Marietta lief immer noch frei in ihrer Heimatstadt Ramsay am Ottawa River herum. In dieser Stadt waren die Straßen voller Pferde und Pfützen und schwarz vor Männern, die an den Wochenenden aus den Wäldern kamen. Holzfäller. Es gab elf Hotels an der Hauptstraße, in denen die Holzfäller nächtigten und tranken.

Das Haus, in dem Marietta wohnte, lag auf halber Höhe an einer steilen Straße, die vom Fluss her anstieg. Es war ein Doppelhaus mit zwei Erkerfenstern an der Vorderseite und einem Rankgitter, das die beiden Veranden abtrennte. In der anderen Hälfte des Hauses wohnten die Sutcliffes, die Leute, bei denen Marietta unterkam, nachdem ihre Mutter gestorben war und ihr Vater die Stadt verlassen hatte. Mr Sutcliffe war Engländer, er arbeitete im Telegraphenamt. Seine Frau war Deutsche. Sie machte immer Kaffee statt Tee. Sie buk Strudel. Der Strudelteig hing über die Tischkanten wie ein dünnes Tuch. Manchmal sah er aus wie eine Haut, fand Marietta.

Mrs Sutcliffe war diejenige, die es Mariettas Mutter ausredete, sich aufzuhängen.

Marietta war an jenem Tag nicht in der Schule, weil Samstag war. Sie wachte spät auf und hörte die Stille im Haus. Davor – einem stillen Haus – hatte sie von jeher Angst und rief deswegen nach der Schule immer gleich, wenn sie die Tür aufmachte: »Mama! Mama!« Häufig antwortete ihre Mutter nicht. Aber sie war da. Erleichtert vernahm Marietta dann das Klappern des Ofenrosts oder das gleichmäßige Klatschen des Bügeleisens.

An jenem Morgen hörte sie gar nichts. Sie ging hinunter und holte sich ein zusammengeklapptes Brot mit Butter und Rübenkraut. Sie öffnete die Kellertür und rief hinunter. Dann ging sie ins Wohnzimmer und spähte durch den Zierspargel aus dem Fenster. Sie sah ihre kleine Schwester Beryl und ein paar Nachbarskinder das kurze Stück Grashang zum Bürgersteig hinunterrollen, sich aufrappeln, hochklettern und wieder hinunterrollen.

»Mama?«, rief Marietta. Sie ging durchs Haus nach hinten in den Garten. Es war später Frühling, der Tag war bewölkt und mild. Die Erde in den sprießenden Gemüsebeeten war feucht, und die Blätter an den Bäumen schienen mit einem Mal voll entfaltet; Tropfen rannen an ihnen ab, die noch vom Regen der vergangenen Nacht stammten.

»Mama?«, ruft Marietta unter den Bäumen, unter der Wäscheleine.

Am Ende des Gartens steht ein kleiner Schuppen, in dem Brennholz, einige Geräte und alte Möbel verwahrt werden. Ein Stuhl, ein Holzstuhl mit gerader Lehne, ist durch die offene Tür zu sehen. Auf dem Stuhl sieht Marietta die Füße ihrer Mutter, die schwarzen Schnürschuhe ihrer Mutter. Dann das lange Sommerarbeitskleid aus bedruckter Baumwolle, die Schürze, die aufgekrempelten Ärmel. Die weißen Arme, Hals und Gesicht ihrer Mutter, die zu glänzen scheinen.

Ihre Mutter stand auf dem Stuhl und gab keine Antwort. Sie sah Marietta nicht an, aber sie lächelte und tippte mit der Fußspitze auf, als wollte sie sagen: »Hier bin ich also. Was willst du dagegen tun?« Irgendetwas an ihr wirkte verkehrt, ganz abgesehen davon, dass sie auf einem Stuhl stand und so sonderbar verkrampft lächelte. Auf einem alten Stuhl mit durchgebrochener Lehne, den sie in die Mitte des Schuppenbodens gezerrt hatte, wo er auf dem holprigen Boden wackelte. Auf ihrem Hals lag ein Schatten.

Der Schatten war ein Strick, eine Schlinge am Ende eines Stricks, der von einem Dachbalken herunterhing.

»Mama?«, sagt Marietta, leiser jetzt. »Mama. Komm runter, bitte.« Sie spricht leise, weil sie befürchtet, dass jedes Schreien oder Rufen ihre Mutter zu einer plötzlichen Bewegung veranlassen, sie dazu bringen könnte, vom Stuhl zu steigen und sich mit vollem Gewicht ans Seil zu hängen. Doch selbst wenn Marietta schreien wollte, wäre sie dazu gar nicht in der Lage. Ihr ist nichts als dieser jämmerliche dünne Faden an Stimme geblieben – genau wie im Traum, wenn ein wildes Tier oder eine Maschine auf einen zukommt.

»Geh und hol deinen Vater.«

Das war es, was ihre Mutter ihr auftrug, und Marietta gehorchte. Sie rannte los, mit panischer Angst in den Beinen. Sie rannte im Nachthemd am helllichten Samstagmorgen. Sie rannte an Beryl und den anderen Kindern vorbei, die immer noch den Abhang hinunterpurzelten. Sie rannte den Gehweg entlang, der damals ein Holzsteg war, dann weiter auf der ungepflasterten Straße, die übersät war mit den Pfützen der vergangenen Nacht. Die Straße führte über die Bahngleise. Am Fuß des Hügels kreuzte sie die Hauptstraße des Ortes. Zwischen der Hauptstraße und dem Fluss standen einige Lagerhäuser und die Gebäude kleinerer Betriebe. Dort hatte Mariettas Vater seine Wagnerei. In ihr wurden Fuhrwerke, Einspänner und Schlitten angefertigt. Mariettas Vater hatte sogar eine neue Art von Schlitten zum Transport von Stämmen durch unwegsames Gelände erfunden. Die Erfindung war patentiert worden. Sein Geschäft in Ramsay befand sich noch im Aufbau. (Später, in den Vereinigten Staaten, verdiente er Geld. Ein Mann mit einer Vorliebe für Hotelbars, Friseursalons, Trabrennen, Frauen, aber nicht arbeitsscheu – das musste man ihm lassen.)

An jenem Tag fand Marietta ihn nicht im Betrieb. Das Büro war leer. Sie rannte hinaus auf den Hof, wo die Angestellten bei der Arbeit waren. Sie stolperte im frischen Sägemehl. Die Männer lachten und schüttelten den Kopf. Nein. Nicht da. Im Moment nicht. Nein. Versuch’s mal ein paar Häuser weiter. Warte. Warte mal kurz. Solltest du dir nicht lieber vorher was anziehen?

Sie meinten es nicht böse. Sie hatten nicht den Verstand zu merken, dass etwas los sein musste. Aber Marietta konnte lachende Männer noch nie ausstehen. Es gab viele Orte, an denen sie nicht vorbei-, und in die sie schon gar nicht hineingehen mochte, und das war der Grund. Männer, die lachten. Deswegen hasste sie Friseursalons, hasste ihren Geruch. (Als sie später mit meinem Vater tanzen ging, bat sie ihn, keine Frisiercreme zu benutzen, weil der Geruch sie daran erinnerte.) Eine Traube von Männern auf der Straße vor einem Hotel erschien Marietta wie ein Klumpen Gift. Man gab sich Mühe, nicht hinzuhören, was sie sagten, aber man konnte sicher sein, dass es Unflätigkeiten waren. Wenn sie nichts sagten, dann lachten sie und strömten die Unflätigkeit – das Gift – trotzdem aus. Erst nachdem Marietta zum Heil gefunden hatte, konnte sie einfach an ihnen vorbeigehen. Mit Gott gerüstet ging sie mitten durch sie hindurch, und nichts blieb an ihr haften, nichts versengte ihr die Haut; sie war unverletzbar wie Daniel.

Jetzt drehte sie sich um und rannte auf dem gleichen Weg zurück. Im Laufschritt den Hügel hinauf und nach Hause. Sie glaubte, einen Fehler gemacht zu haben, indem sie ihre Mutter allein gelassen hatte. Warum hatte ihre Mutter sie ausgeschickt? Warum sandte sie nach Mariettas Vater? Möglicherweise, um ihn mit dem Anblick zu empfangen, wie ihr warmer Körper am Strick baumelte. Marietta hätte bleiben sollen – sie hätte bleiben und ihrer Mutter das Vorhaben ausreden sollen. Sie hätte zu Mrs Sutcliffe oder irgendeiner Nachbarin laufen sollen, anstatt auf diese Weise Zeit zu verschwenden. Sie hatte nicht nachgedacht, wer helfen, wer überhaupt glauben könnte, wovon sie redete. Sie hatte die Vorstellung, dass alle Familien außer ihrer eigenen in Frieden lebten, dass Elend und Drohungen in den Häusern anderer Leute nicht vorkamen und dort auch nicht zu erklären waren.

Ein Zug fuhr in die Stadt ein. Marietta musste warten. Passagiere sahen durch die Fenster zu ihr hinaus. Vor den Augen dieser Fremden brach sie in lautes Weinen aus. Als der Zug vorbei war, lief sie weiter bergan – wild anzusehen mit ihren ungekämmten Haaren und ihren nackten, schlammbespritzten Füßen, in ihrem Nachthemd, mit ihrem verstörten, nassen Gesicht. Als sie schließlich in den heimischen Garten rannte und den Schuppen sah, brüllte sie aus vollem Leib. »Mama!«, brüllte sie, »Mama!«

Es war niemand da. Der Stuhl stand genau, wo er vorher gestanden hatte. Über seiner Lehne baumelte der Strick. Marietta war sicher, dass ihre Mutter es getan hatte. Ihre Mutter war schon tot – man hatte sie heruntergeholt und weggebracht.

Doch da legten sich warme, dicke Hände auf ihre Schultern, und Mrs Sutcliffe sagte: »Marietta. Hör auf mit dem Lärm. Marietta. Kind. Lass das Weinen. Komm ins Haus. Sie ist wohlauf, Marietta. Komm ins Haus, du wirst schon sehen.«

Mrs Sutcliffes fremdländische Stimme sagte »Mari-etcha« und gab dem Namen einen vollen, bedeutsamen Klang. Sie hätte nicht freundlicher sein können. Als Marietta später bei den Sutcliffes lebte, wurde sie wie die Tochter des Hauses behandelt, und es war ein Haus, so friedlich und behaglich, wie sie sich die Häuser anderer Leute vorgestellt hatte. Und trotzdem fühlte sie sich dort nie wie eine Tochter.

In Mrs Sutcliffes Küche saß Beryl auf dem Boden und spielte mit der schwarzweißen Katze, die Dickie hieß, und aß ein Rosinenplätzchen. Mariettas Mutter saß am Tisch mit einer Tasse Kaffee vor sich.

»Sie hat eine Dummheit gemacht«, sagte Mrs Sutcliffe. Meinte sie Mariettas Mutter oder Marietta selbst? Sie kannte nicht viele englische Worte, um Dinge zu beschreiben.

Mariettas Mutter lachte, und Marietta wurde schwarz vor Augen. Sie wurde ohnmächtig, nachdem sie heulend den ganzen Weg bergauf gerannt war, an diesem schwülen, feuchten Morgen. Das Erste, was sie wieder wahrnahm, war, dass sie süßen schwarzen Kaffee von einem Löffel schlürfte, den Mrs Sutcliffe ihr hinhielt. Beryl hob Dickie an den Vorderpfoten hoch und bot ihn ihr als aufheiterndes Geschenk an. Mariettas Mutter saß immer noch am Tisch.

 

Ihr Herz war gebrochen. Das waren die Worte, die ich meine Mutter immer sagen hörte. Das war das Ende. Diese Worte erhöhten die Geschichte und versiegelten sie. Ich fragte nie: Wer hat es gebrochen? Ich fragte nie: Was sagten die Männer für giftige Sachen? Was bedeutete das Wort »Unflätigkeit«?

Mariettas Mutter lachte, nachdem sie sich nicht erhängt hatte. Sie hatte damals in Mrs Sutcliffes Küche gesessen und gelacht. Ihr Herz war gebrochen.

Bei allem, was meine Mutter sagte und erzählte, hatte ich ein Gefühl, als ballte sich dahinter etwas zusammen. Wie eine Wolke, durch die man nicht hindurchsehen, der man nicht auf den Grund gehen kann. Es gab eine Wolke, ein Gift, mit dem das Leben meiner Mutter in Berührung gekommen war. Und wenn ich meiner Mutter Kummer bereitete, wurde ich Teil davon. Dann schlug ich den Kopf gegen ihren Bauch und ihre Brüste, gegen ihre hohe feste Vorderseite, und verlangte, dass sie mir verzieh. Meine Mutter sagte darauf immer, ich solle Gott um Verzeihung bitten. Aber ich musste nicht mit Gott, sondern mit meiner Mutter ins Reine kommen. Es war, als wüsste sie etwas über mich, das schlimmer, viel schlimmer war als gewöhnliche Lügen und Streiche und Schäbigkeit: irgendeine wahrhaft grauenvolle Schande. Um sie die vergessen zu lassen, drosch ich auf den Leib meiner Mutter ein.

Meine Brüder waren von alledem unbehelligt. Das glaube ich jedenfalls. Sie schienen mir wie vergnügte Wilde, die frei herumlaufen und nicht viel zu lernen haben. Und als ich selbst nur die beiden Söhne hatte, keine Töchter, da hatte ich das Gefühl, nun könne mit etwas Schluss sein – den Geschichten und Kümmernissen, den alten Rätseln, die sich einem immer wieder stellen, ohne dass man sie lösen kann.

 

Tante Beryl sagte, sie wolle nicht mit Tante angeredet werden. »Ich bin es nicht gewöhnt, eine Tante zu sein, mein Goldkind. Ich bin nicht einmal eine Mama. Ich bin einfach ich. Nenn mich Beryl.«

Beryl hatte als Stenographin angefangen, und jetzt hatte sie ihr eigenes Stenotypisten- und Buchhaltungsunternehmen, das viele junge Frauen beschäftigte. Sie war mit einem Freund gekommen, der Mr Florence hieß. In ihrem Brief hatte gestanden, dass sie mit jemandem mitfahren könne, aber sie hatte nicht geschrieben, ob dieser Jemand bleiben oder weiterreisen würde. Sie hatte nicht einmal erwähnt, ob es ein Mann oder eine Frau war.

Mr Florence blieb. Er war ein großer, schlanker Mann mit einem langen, gebräunten Gesicht, sehr hellen Augen und einer Art, den Mundwinkel zu verziehen, die vielleicht ein Lächeln darstellte.

Er war es, der in dem Zimmer einquartiert wurde, das meine Mutter und ich tapeziert hatten, weil er der Fremde war und ein Mann. Beryl musste bei mir schlafen. Anfangs fanden wir Mr Florence ziemlich unhöflich, weil er nicht an unsere Art zu reden gewöhnt war und wir nicht an seine. Am ersten Morgen sagte mein Vater zu ihm: »Na, ich hoffe, Sie haben auf dem alten Bett da drin einigermaßen geschlafen.« (Das Bett im Gästezimmer war himmlisch, mit einem echten Federbett.) Es war das Stichwort, das Mr Florence die Gelegenheit geben sollte zu sagen, dass er nie besser geschlafen habe.

Mr Florence zuckte mit dem Mundwinkel. Er sagte: »Ich habe schon auf schlechteren Betten geschlafen.«

Sein bevorzugter Aufenthaltsort war sein Auto. Das war ein königsblauer Chrysler aus der ersten Serie, die nach dem Krieg hergestellt wurde. Innen war alles perlgrau, die Sitzbezüge, der Bodenbelag und die Verkleidung von Decke und Türen. Mr Florence legte Wert auf die Namen der Farben und verbesserte einen, wenn man nur »blau« oder »grau« sagte.

»Mir sieht es aus wie Mäusefell«, sagte Beryl übermütig. »Ich sag ihm immer, es ist einfach mausfellgrau!«

Das Auto stand unter den Robinien neben dem Haus. Mr Florence saß bei hochgekurbelten Scheiben drinnen in dem herrlichen Neuwagenduft und rauchte.

»Ich fürchte, wir tun nicht viel, um deinen Freund zu unterhalten«, sagte meine Mutter.

»Um den würde ich mir keine Sorgen machen«, meinte Beryl. Sie redete immer von Mr Florence, als gäbe es einen Witz über ihn, den nur sie zu würdigen verstand. Lange Zeit später fragte ich mich, ob er eine Flasche im Handschuhfach verwahrte und von Zeit zu Zeit einen Schluck daraus nahm, um sich bei Laune zu halten. Er hatte immer seinen Hut auf.

Beryl selbst bekam genug Unterhaltung für zwei. Anstatt im Haus zu bleiben und mit meiner Mutter zu reden, wie es für Damenbesuch üblich war, verlangte sie, dass man ihr alles zeigte, was es auf einer Farm zu sehen gab. Sie sagte, ich müsse sie herumführen und ihr alles erklären und aufpassen, dass sie nicht in irgendwelche Misthaufen falle.

Ich wusste nicht, was ich ihr zeigen sollte. Ich führte Beryl ins Eishaus, wo Eisblöcke, so groß wie Kommodenschubladen oder noch größer, in Sägemehl lagen. Alle paar Tage hackte mein Vater ein Stück Eis ab und brachte es in die Küche, wo es in einer aluminiumbeschichteten Büchse schmolz und Milch und Butter kühlte.

Beryl sagte, sie habe nie geahnt, dass es Eis in so großen Blöcken gebe. Sie schien darauf erpicht zu sein, Dinge sonderbar oder grässlich oder komisch zu finden.

»Wo in aller Welt kriegt ihr so große Eisstücke her?«

Ich war nicht sicher, ob das ein Scherz war.

»Aus dem See«, gab ich zur Antwort.

»Aus dem See! Gibt es denn bei euch Seen, die den ganzen Sommer über zugefroren sind?«

Ich erzählte ihr, dass mein Vater jeden Winter das Eis aus dem See heraushackte, nach Hause schleifte und in Sägemehl vergrub, weil das verhinderte, dass es schmolz.

Beryl sagte: »Wie erstaunlich!«

»Na ja, ein bisschen schmilzt es schon«, sagte ich. Ich war tief enttäuscht von Beryl.

»Das ist wirklich erstaunlich.«

Beryl begleitete mich, wenn ich die Kühe von der Weide holte. Eine Vogelscheuche in langen weißen Hosen (so nannte mein Vater sie hinterher), mit einem weißen Sonnenhut, den sie mit einem flatternden roten Band unterm Kinn befestigte. Ihre Finger- und Fußnägel – sie trug Sandalen – waren passend zum Hutband lackiert. Sie trug eine schmale dunkle Sonnenbrille, wie man sie damals hatte. (Allerdings nicht die Leute, die ich kannte – die besaßen keine Sonnenbrillen.) Sie hatte einen großen roten Mund, ein lautes Lachen, Haare von unnatürlicher Farbe und starkem Glanz, wie Kirschbaumholz. Sie war so laut und schillernd, so glamourös aufgemacht, dass sich schwer sagen ließ, ob sie hübsch war oder glücklich oder sonst was.

Auf dem Kuhpfad fand kein Gespräch zwischen uns statt, da Beryl gebührenden Abstand zu den Kühen hielt und damit beschäftigt war, wo sie hintrat. Sobald ich die Kühe alle in ihren Boxen angebunden hatte, kam sie näher. Sie zündete sich eine Zigarette an. Niemand rauchte im Stall. Mein Vater und andere Farmer kauten stattdessen Tabak. Ich sah nicht, wie ich Beryl bitten konnte, Tabak zu kauen.

»Kannst du die Milch aus ihnen rausholen, oder muss dein Vater das tun?«, fragte Beryl. »Ist es schwierig?«

Ich ließ ein wenig Milch aus der Zitze einer Kuh spritzen. Eine der Stallkatzen kam herüber und wartete. Ich schoss ihr einen dünnen Strahl ins Maul. Wir gaben beide an, die Katze und ich.

»Tut das nicht weh?«, fragte Beryl. »Stell dir vor, das würde man mit dir machen.«

Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass die Zitze einer Kuh irgendeinem Teil meines Körpers entsprechen könnte, und ich war von dieser unanständigen Vorstellung erschüttert. Seither konnte ich nie wieder eine warme höckerige Zitze so selbstverständlich und fest in die Hand nehmen.

 

Beryl schlief in einem pfirsichfarbenen, mit ecrufarbener Spitze besetzten Kunstseidennachthemd. Dazu hatte sie einen passenden Morgenrock. Sie war ebenso peinlich auf das Wort »ecru« bedacht wie Mr Florence auf sein Königsblau und Perlgrau.

Ich brachte es fertig, mich auszuziehen und in mein Nachthemd zu schlüpfen, ohne dass irgendeine Stelle an mir je unbedeckt war. Eine umständliche Prozedur. Meine Unterhose behielt ich an und hoffte, dass Beryl es ebenso gemacht hatte. Die Vorstellung, mein Bett mit einer erwachsenen Person zu teilen, war mir eine Qual. Aber dafür bekam ich den Inhalt von dem zu sehen, was Beryl ihren Schönheitskoffer nannte. Handbemalte Glastiegel enthielten Wattebällchen, Talkumpuder, milchige Lotion, eisblaues Gesichtswasser. Kleine Döschen mit rotem und malvenfarbenem Rouge – dem Aussehen nach ziemlich schmierig. Blaue und schwarze Stifte. Nagelfeilen, ein Bimsstein, Nagellack, der betäubend nach Bananen roch, Gesichtspuder in einer muschelförmigen Zelluloiddose, der wie ein Nachtisch hieß – Aprikosenschnee.

Ich hatte etwas Wasser auf dem Petroleumofen heiß gemacht, den wir im Sommer benutzten. Beryl schrubbte sich das Gesicht, und die Veränderung war derart verblüffend, dass ich fast erwartete, die Schminke in Streifen in der Waschschüssel liegen zu sehen wie die alte Tapete, die wir aufgeweicht und abgelöst hatten. Beryls Haut war jetzt blass, durchzogen von feinen Rissen, ähnlich der glänzenden Schlammschicht am Grund von Pfützen, wenn sie im frühen Sommer allmählich eintrocknen.

»Schau, was mit meiner Haut passiert ist«, sagte sie. »Durch das Abnehmen. Ich wog über hundertfünfzig Pfund und habe zu schnell abgenommen, und dabei ist mir das Gesicht eingefallen. Aber jetzt habe ich diese Creme. Sie wird nach einem geheimen Rezept hergestellt, und man kann sie nicht einmal im Laden kaufen. Riech mal. Merkst du’s? Sie riecht überhaupt nicht parfümiert. Sie riecht seriös.«

Sie tupfte sich die Creme mit Wattebäuschchen aufs Gesicht und klopfte sie so lange ein, bis nichts mehr auf der Haut zu sehen war.

»Sie riecht nach Schweineschmalz«, sagte ich.

»Himmelherrgott, ich hoffe, ich habe nicht so eine Stange Geld gezahlt, um mir Schweineschmalz ins Gesicht zu schmieren. Sag deiner Mutter nicht, dass ich fluche.«

Sie goss sauberes Wasser in das Trinkglas und machte ihren Kamm nass; dann kämmte sie sich die Haare mit Wasser, wickelte jede Strähne um den Finger und steckte die eingedrehte Haarsträhne mit zwei gekreuzten Haarnadeln auf dem Kopf fest. Ein paar Jahre später machte ich es genauso.

»Dreh dir die Haare immer nass ein, sonst kannst du es genauso gut bleiben lassen«, sagte Beryl. »Und wickle es immer nach innen, auch wenn es nach außen aufspringen soll. So, siehst du?«

Wenn ich mir Locken drehte – wie ich es jahrelang tat –, erinnerte ich mich manchmal daran und dachte, dass ich von allen Ratschlägen, die man mir im Leben erteilt hatte, diesen am gewissenhaftesten befolgte.

Wir löschten das Licht und legten uns ins Bett, und Beryl sagte: »Ich habe gar nicht gewusst, dass es so dunkel werden kann. Ich habe noch nie eine Dunkelheit erlebt, die so dunkel war.« Sie flüsterte. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass sie die Nacht auf dem Land mit der Nacht in der Stadt verglich, und ich fragte mich, ob die Dunkelheit in Netterfield County wirklich so viel schwärzer sein konnte als in Kalifornien.

»Goldkind?«, flüsterte Beryl. »Sind draußen irgendwelche Tiere?«

»Kühe«, sagte ich.

»Ja, aber wilde Tiere? Gibt es Bären?«

»Ja«, sagte ich. Mein Vater hatte einmal Bärenspuren und Bärenkot im Wald gefunden, und von einem wilden Apfelbaum waren alle Äpfel heruntergerissen. Das war vor vielen Jahren, als mein Vater noch jung war.

Beryl stöhnte und kicherte. »Stell dir vor, Mr Florence muss in der Nacht raus und läuft einem Bären über den Weg!«

 

Der nächste Tag war ein Sonntag. Beryl und Mr Florence fuhren meine Brüder und mich im Chrysler zur Sonntagsschule. Das war um zehn Uhr morgens. Um elf Uhr kamen sie wieder und lieferten meine Eltern an der Kirche ab.

»Steig ein«, sagte Beryl zu mir. »Ihr auch«, wies sie die Buben an. »Wir machen eine Spazierfahrt.«

Beryl hatte sich feingemacht, sie trug ein seidig glänzendes elfenbeinweißes Kleid mit roten Tupfen und einer rotpaspelierten Rüsche über den Hüften und dazu rote Stöckelschuhe. Mr Florence hatte einen blassblauen Sommeranzug an.

»Wollt ihr nicht in die Kirche gehen?«, fragte ich. Nach meiner Erfahrung war das der Grund, warum Leute sich feinmachten.

Beryl lachte. »Für Mr Florence ist der Glaube hier nichts, Goldkind.«

Ich war gewohnt, gleich nach der Sonntagsschule in die Kirche zu gehen und dort noch einmal eineinhalb Stunden abzusitzen. Im Sommer drang durch die offenen Fenster der Kiefernduft des Friedhofs und hin und wieder das fast gotteslästerliche Geräusch eines auf der Straße vorbeirauschenden Autos. Heute verbrachten wir diese Zeit damit, durch eine Gegend zu fahren, die ich noch nie gesehen hatte. Ich hatte sie noch nie gesehen, obwohl sie weniger als zwanzig Meilen von zu Hause entfernt war. Unser Pick-up fuhr ins Käsewerk, zur Kirche und am Samstagabend in die Stadt. Das Höchste an Spazierfahrt war der Weg zur Müllkippe. Das nahe gelegene Ende von Bell’s Lake kannte ich nur deshalb, weil mein Vater dort im Winter das Eis sägte. Im Sommer kam man nicht an den See heran; der Ufersaum war ganz mit Schilf zugewuchert. Ich hatte geglaubt, das andere Ende des Sees sähe ziemlich ähnlich aus, aber als wir nun dorthin fuhren, sah ich Häuschen, Stege und Boote, dunkles Wasser, in dem sich Bäume spiegelten. Und von alledem hatte ich nichts gewusst. Das war also auch Bell’s Lake. Ich war froh, diesen Teil endlich gesehen zu haben, aber meine Freude an der Überraschung war irgendwie nicht ganz ungetrübt.

Schließlich kamen wir zu einem weißen Holzhaus, mit Veranden und Topfpflanzen und schimmernden Pappeln davor. Das Wildwood Inn. Heute ist das Gebäude mit Stuck und Balken im Tudorstil verkleidet und nennt sich »The Hideaway«. Die Pappeln sind einem Parkplatz gewichen.

Als wir zur Kirche zurückfuhren, um meine Eltern abzuholen, bog Mr Florence bei der Farm neben der unseren ein, die den McAllisters gehörte. Die McAllisters waren katholisch. Unsere beiden Familien hatten ein nachbarschaftliches, aber kein enges Verhältnis.

»Los, Jungs, raus mit euch«, sagte Beryl zu meinen Brüdern. »Du nicht«, sagte sie zu mir. »Du bleibst sitzen.« Sie führte die kleinen Jungen auf die Veranda, wo ein paar der McAllister-Kinder zuschauten. Sie hatten ihre zerlumpten Haussachen an, weil ihre Kirche oder Messe oder was immer schon früh aus war. Mrs McAllister kam heraus und hörte sich einigermaßen verblüfft Beryls lachenden Redeschwall an.

Dann kam Beryl allein zum Wagen zurück. »So«, sagte sie. »Sie werden mit den Nachbarskindern spielen.«

Mit den McAllister-Kindern spielen? Abgesehen davon, dass sie katholisch waren, waren sie bis auf den Säugling allesamt Mädchen.

»Sie haben immer noch ihre Sonntagssachen an«, bemerkte ich.

»Na und? Können sie nicht auch in ihren Sonntagssachen Spaß haben? Ich kann das!«

Auch meine Eltern erlebten eine Überraschung. Beryl stieg aus dem Auto und wies meinem Vater den Platz auf dem Vordersitz zu, wegen der Beinfreiheit. Sie selbst stieg hinten ein, zu meiner Mutter und mir. Mr Florence nahm wieder die Straße zum Bell’s Lake, und Beryl verkündete, dass wir alle zum Mittagessen in das Wildwood Inn fahren würden.

»Ihr seid alle fein angezogen, warum nicht die Gelegenheit nutzen?«, sagte sie. »Die Jungen haben wir bei euren Nachbarn abgesetzt. Ich dachte, sie sind vielleicht noch zu klein, um Spaß daran zu haben. Die Nachbarn haben sie gerne aufgenommen.« Mit besonderem Nachdruck erklärte sie noch, dass sie uns einladen wollten. Sie und Mr Florence.

»Tja, also –«, sagte mein Vater. Wahrscheinlich hatte er keine fünf Dollar in der Tasche. »Tja, also – ob die Farmer dort überhaupt reinlassen?«

Er machte mehrere Scherze in diesem Tenor. Im Speisesaal des Hotels, der ganz in Weiß gehalten war – weiße Tischdecken, weißbemalte Stühle –, mit beschlagenen Wasserkaraffen und surrenden Ventilatoren unter der Decke, nahm er eine Serviette von der Größe einer Windel vom Tisch und flüsterte mir laut zu: »Kannst du mir sagen, was ich mit diesem Ding anstellen soll? Darf ich es mir zum Schutz gegen die Zugluft über den Kopf ziehen?«

Natürlich hatte er schon öfter in Hotelspeiseräumen gegessen. Er kannte sich aus mit Servietten und Kuchengabeln. Und auch meine Mutter kannte sich aus – sie stammte ohnehin nicht vom Land. Trotzdem war es ein Riesenereignis. Nicht unbedingt ein Vergnügen – als das Beryl es wohl geplant hatte –, aber ein riesiges, verunsicherndes Ereignis. Eine Mahlzeit in der Öffentlichkeit einzunehmen, nur ein paar Meilen von zu Hause entfernt; in einem großen Saal voller Leute zu essen, die man nicht kannte; das Essen von einer unbekannten Person serviert zu bekommen, einem schnippisch aussehenden jungen Mädchen, das wahrscheinlich Studentin am College war und hier in den Ferien aushalf.

»Ich hätte gerne den Gockel«, sagte mein Vater. »Wie lange war der denn schon im Topf?« Nach seiner Vorstellung gehörte es zum guten Ton, mit den Leuten zu scherzen, die ihn bedienten.

»Wie bitte?«, fragte das Mädchen.

»Gebratenes Hähnchen«, sagte Beryl. »Ist das allen recht?«

Mr Florence machte ein finsteres Gesicht. Vielleicht hatte er nichts für Scherze übrig, wenn das Geld aus seiner Tasche kam. Vielleicht hatte er mit etwas Besserem als Eiswasser gerechnet, um die Gläser zu füllen.

Die Kellnerin stellte eine Schale Sellerie und Oliven auf den Tisch, und meine Mutter sagte: »Einen Moment, während ich Dank sage.« Sie senkte den Kopf und sagte leise, aber vernehmlich: »Segne, o Herr, uns und diese deine Gaben, die wir von deiner Güte empfangen werden, durch Christum, unsern Herrn. Amen.« Erfrischt richtete sie sich auf und reichte mir die Schale mit der Mahnung: »Pass auf bei den Oliven. Die haben einen Stein.«

Beryl lächelte rundum in den Saal.

Die Kellnerin kam mit einem Korb Brötchen.

»Parker House!« Beryl beugte sich vor und sog den Duft ein. »Die müsst ihr essen, solange sie noch so heiß sind, dass die Butter schmilzt!«

Mr Florence verzog den Mundwinkel und starrte in das Butterschälchen. »Ach, das ist es also – Butter? Und ich dachte, es wären Shirley Temples Locken.«

Seine Miene war kaum weniger finster als zuvor, aber es war ein Scherz, und dass er ihn machte, schien uns ein wenig von genau dem zu spenden, um das eben öffentlich gebeten worden war – einem Segen.

»Wenn er eine witzige Bemerkung macht«, sagte Beryl – die von Mr Florence oft als »er« sprach, selbst wenn er direkt neben ihr saß –, »dann macht er immer ein todernstes Gesicht, habt ihr das bemerkt? Das erinnert mich an Mama. Ich meine, unsere Mama, die von Marietta und mir. Daddy, wenn der einen Witz machte, dann wusste man immer schon Stunden vorher, was kam – sein Gesicht verriet ihn jedes Mal –, aber bei Mama war das ganz anders. Sie konnte so griesgrämig dreinschauen. Aber sie konnte noch auf dem Totenbett Witze machen. Und genau das hat sie getan. Marietta, weißt du noch, wie sie in dem Frühjahr, bevor sie starb, im Wohnzimmer im Bett lag?«

»Ich erinnere mich, dass sie dort im Bett lag«, erwiderte meine Mutter. »Ja.«

»Nun, Daddy kam rein, als sie in ihrem sauberen Nachthemd gerade aufgedeckt dalag, weil die deutsche Frau von nebenan ihr beim Waschen geholfen hatte und noch dabei war, das Bett glattzuziehen. Deswegen wollte Daddy heiter wirken und sagte: ›Der Frühling muss im Anzug sein. Ich habe heute eine Krähe gesehen.‹ Das muss im März gewesen sein. Und Mama sagte wie aus der Pistole geschossen: ›Dann solltest du mich besser zudecken, ehe die hier zum Fenster reinschaut und auf dumme Gedanken kommt!‹ Daddy erzählte, die deutsche Frau hätte beinahe die Waschschüssel fallen lassen. Es stimmte nämlich, Mama war nur noch Haut und Knochen; sie lag im Sterben. Aber Witze machen konnte sie.«

Mr Florence sagte: »Warum auch nicht, wenn Weinen doch nichts nützt?«

»Aber sie konnte Scherze auch zu weit treiben, die Mama. Einmal, einmal wollte sie Daddy einen Schrecken einjagen. Der interessierte sich angeblich für irgendein Mädchen, das immer in den Betrieb kam. Nun ja, er war ein großer, gutaussehender Mann. Da hat Mama gesagt: ›Ich bringe mich einfach um, dann kannst du mit ihr weitermachen und sehen, wie’s dir gefällt, wenn ich als Gespenst zurückkomme und dich verfolge.‹ Er sagte, sie solle sich nicht so anstellen, und ging in die Stadt. Und Mama ging in den Schuppen, stieg auf einen Stuhl und legte sich einen Strick um den Hals. War’s nicht so, Marietta? Marietta ging sie suchen und hat sie so gefunden!«

Meine Mutter senkte den Kopf und legte die Hände in den Schoß, fast so, als wollte sie noch einmal ein Tischgebet sprechen.

»Daddy hat mir alles genau erzählt, aber ich kann mich sowieso erinnern. Ich weiß noch, wie Marietta im Nachthemd den Hügel hinuntergerast ist, und vermutlich hat die deutsche Frau sie laufen sehen und ist rausgekommen, um Mama zu suchen, und irgendwie sind wir schließlich alle in der Scheune gelandet – ich auch und ein paar Kinder, mit denen ich gerade spielte –, und da stand Mama oben auf einem Stuhl und machte Anstalten, Daddy den Schreck seines Lebens einzujagen. Sie hatte Marietta nach ihm geschickt. Und die deutsche Frau fängt an zu lamentieren: ›O Missus, kommen Sie da runter, Missus, denken Sie an Ihre kleinen Kindren‹ – ›Kindren‹ heißt das nämlich auf Deutsch –, ›denken Sie an Ihre Kindren‹ und so weiter. Bis ich schließlich – ich war ja noch ganz klein –, aber ich war es, die das Seil bemerkte. Mein Blick folgte dem Seil immer weiter nach oben, und da sah ich, dass es nur über den Balken gelegt war, einfach drübergeworfen war – es war überhaupt nicht befestigt! Marietta hatte das gar nicht bemerkt, und die deutsche Frau auch nicht. Aber ich hab einfach geradeheraus gefragt: ›Mama, wie willst du dich denn aufhängen, wenn du den Strick nicht am Balken festmachst?‹«

Mr Florence meinte: »Das war ’ne echte Kunst.«

»Ich hab ihr das Spiel verdorben. Die deutsche Frau hat Kaffee gekocht, und wir sind mit zu ihr rüber und haben was zu naschen bekommen, und du, Marietta, hast Daddy gar nicht gefunden, oder? Man konnte Marietta schon von weitem heulen hören, wie sie den Hügel heraufkam.«

»Ist doch ganz natürlich, dass sie aus dem Häuschen war«, sagte mein Vater.

»Ja klar. Mama ist zu weit gegangen.«

»Sie hat es ernst gemeint«, sagte meine Mutter. »Sie hat es viel ernster gemeint, als du ihr zugestehst.«

»Sie wollte Daddy einen Schreck einjagen. So sah ihr ganzes Zusammenleben aus. Er sagte immer, es sei ein Kreuz gewesen, mit einer Frau wie ihr zu leben, aber sie habe Charakter gehabt. Ich glaube, das hat ihm bei Gladys gefehlt.«

»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte meine Mutter mit jener besonders festen Stimme, mit der sie immer von ihrem Vater sprach, »was er gesagt oder nicht gesagt hat.«

»Die Leute sind inzwischen tot«, sagte mein Vater. »Uns steht kein Urteil zu.«

»Ich weiß«, sagte Beryl. »Ich weiß, dass Marietta immer anderer Ansicht war.«

Meine Mutter sah Mr Florence an und lächelte ganz strahlend und gelöst. »Sie wissen bestimmt nicht, was Sie von diesen ganzen Familiengeschichten halten sollen.«

Bei dem einen Besuch, den ich Beryl machte, als sie eine alte Frau war, ganz krumm und schief durch Arthritis, sagte sie: »Marietta hat Daddys gutes Aussehen geerbt. Und sie hat nie etwas aus sich gemacht. Weißt du noch, wie sie das alte dunkelblaue Kreppkleid anhatte, als wir damals im Hotel gegessen haben? Sicher, ich weiß, dass sie wahrscheinlich nichts anderes hatte, aber warum musste das so sein? Weißt du, ich hatte irgendwie Angst vor ihr. Ich konnte nicht allein mit ihr in einem Zimmer sein. Aber sie sah auffallend gut aus.« Als ich versuchte, mich an eine Gelegenheit zu erinnern, bei der ich bemerkt hatte, wie meine Mutter aussah, fiel auch mir der Besuch im Hotel ein, der helle Olivton ihrer Haut, der sich von ihren vollen weißen Locken abhob, ihr offenes, hübsches Gesicht, das Mr Florence zulächelte – als sei er es, dem man verzeihen müsse.

 

Beryls Geschichte stürzte mich zunächst nicht in Konflikte. Zum einen war ich ausgehungert und gierig, und meine Aufmerksamkeit galt weitgehend dem Brathähnchen mit Soße und Kartoffelbrei, der zu einer Kugel geformt war wie Eiskrem, und den leuchtend bunten Gemüsewürfeln aus der Dose, die mir weit besser schienen als das frische Gemüse aus dem Garten. Zum Nachtisch bestellte ich einen Eisbecher mit Karamellsoße, eine qualvolle Entscheidung gegen den mit Schokoladensoße. Die anderen bestellten einfaches Vanilleeis.

Warum sollte Beryls Version des Erlebten nicht anders sein als die von meiner Mutter? Beryl war in jeder Beziehung sonderbar – alles an ihr war schräg, ihr Blickwinkel immer neu. Die Version meiner Mutter blieb die gültige, für eine gewisse Zeit. Sie schluckte Beryls Geschichte auf, verschloss sie in sich. Aber Beryls Geschichte verschwand nicht; sie blieb jahrelang verschüttet, aber sie war nicht aus der Welt. Es war mit ihr so ähnlich wie mit dem Wissen um dieses Hotel mit seinem Speisesaal. Ich kannte es jetzt, auch wenn es für mich nichts war, zu dem ich zurückkehren würde. Das war ohne Beryls oder Mr Florence’ Geld ohnedies nicht möglich. Aber ich wusste von seiner Existenz.

Ins Wildwood Inn kam ich tatsächlich erst wieder, als ich verheiratet war. Der Lions Club veranstaltete dort ein Bankett und einen Ball. Der Mann, den ich geheiratet hatte, Dan Casey, war Mitglied bei den Lions. Zu der Zeit wurde dort schon Alkohol ausgeschenkt. Dan Casey wäre nirgendwo hingegangen, wo das nicht der Fall war. Dann wurde das Lokal zum ›Hideaway‹ umgebaut, und heute gibt es dort jeden Abend außer sonntags Striptease. Donnerstagabends tritt ein männlicher Stripper auf. Ich besuche das Lokal mit Kollegen aus der Immobilienfirma, wenn Geburtstage oder andere große Dinge zu feiern sind.

 

Die Farm wurde 1965 für fünftausend Dollar verkauft. Gekauft hat sie ein Mann aus Toronto, als Hobbyfarm oder einfach als Investition. Nach ein paar Jahren verpachtete er sie an eine Kommune. Sie blieb rund ein Dutzend Jahre bestehen, mit wechselnder Besetzung. Die Leute hielten Ziegen und verkauften die Milch an den Naturkostladen, der in der Stadt eröffnet hatte. Sie malten einen Regenbogen an die Scheunenwand, die zur Straße zeigte. Sie hängten Batiktücher vor die Fenster und ließen im Hof wieder hohes Gras und blühendes Unkraut wachsen. Meine Eltern hatten schließlich Strom legen lassen, aber die Leute von der Kommune machten keinen Gebrauch davon. Sie gaben Öllampen und dem Holzofen den Vorzug und brachten ihre schmutzige Wäsche lieber in die Stadt. Es ging die Rede, sie könnten mit Lampen und Holzfeuern nicht umgehen und würden eines Tages noch den Hof abbrennen. Aber das geschah nicht. Im Gegenteil, sie kamen gar nicht schlecht zurecht. Sie hielten Haus und Scheune einigermaßen instand, und sie bestellten einen großen Garten. Sie behandelten sogar ihre Kartoffeln gegen die Braunfäule – obwohl es darüber irgendwie Streit gegeben haben soll, wie mir zu Ohren kam, und einige der orthodoxeren Mitglieder die Kommune verließen. Der Hof war tatsächlich viel besser in Schuss als viele der umliegenden Farmen, die noch im Besitz der alteingesessenen Familien waren. Der Sohn der McAllisters hatte auf der elterlichen Farm ein Abbruchunternehmen aufgemacht. Meine Brüder waren längst fort.

Ich wusste, dass ich ungerecht war, aber im Grunde meines Herzens hätte ich es lieber gesehen, wenn die Farm schlichtweg verkommen wäre. Ich hätte sie lieber in der Hand von Dieben und Schmarotzern gesehen als diesen Regenbogen an der Scheune und diese ägyptisch aussehenden Schriftzeichen, die an die Hauswand gemalt waren. Das wirkte wie glatter Hohn. Selbst der Anblick dieser Leute, wenn sie in die Stadt kamen, war mir zuwider – die Männer mit ihren Pferdeschwanzfrisuren und den Löchern in den Arbeitshosen, die ich für absichtlich hineingeschnitten hielt; und die Frauen mit langen Haaren und ungeschminkt, mit ihrem sanftmütigen, überlegenen Gesichtsausdruck. Was wisst ihr denn schon vom Leben, hätte ich sie gerne gefragt. Woher nehmt ihr das Recht, hierherzukommen und meinen Vater und meine Mutter zu verhöhnen, ihr Leben und ihre Armut? Doch wenn ich über den Regenbogen und diese Schriftzeichen nachdachte, war mir klar, dass sie das Leben meiner Eltern weder verhöhnen noch nachahmen wollten. Sie hatten dieses Leben verdrängt, fast ohne davon zu wissen. Sie hatten ihre eigenen Überzeugungen und Lebensgewohnheiten an seine Stelle gesetzt, und ich hoffte, dass sie damit scheitern würden.

Das geschah auch mehr oder weniger. Die Kommune löste sich auf. Die Ziegen verschwanden. Einige der Frauen zogen in die Stadt, schnitten sich die Haare, schminkten sich und fanden Arbeit als Kellnerinnen oder Kassiererinnen, um ihre Kinder zu ernähren. Der Mann aus Toronto bot die Farm zum Verkauf an, und nach etwa einem Jahr wechselte sie für mehr als das Zehnfache von dem Preis, den er dafür gezahlt hatte, den Besitzer. Ein junges Paar aus Ottawa kaufte sie. Sie haben die Fassade hellgrau gestrichen und schiefergrau abgesetzt, sie haben Dachfenster und eine schöne Haustür mit Wagenlampen zu beiden Seiten eingebaut. Im Hausinnern sollen sie so viel umgebaut haben, dass ich es nicht wieder erkennen würde, sagt man mir.

Bevor dies geschah, habe ich das Haus noch ein einziges Mal betreten, und zwar in dem Jahr, als es leer stand und zum Verkauf angeboten wurde. Die Firma, für die ich arbeitete, hatte das Objekt übernommen, und ich hatte einen Schlüssel, obwohl ein anderer Makler die Besichtigung des Hauses betreute. An einem Sonntagnachmittag schloss ich mir auf. Ich war in Begleitung eines Mannes, keines Kunden, sondern eines Freundes – Bob Marks, mit dem ich damals viel zusammen war.

»Das ist doch dieses Hippiezentrum«, sagte Bob Marks, als ich den Motor abstellte. »Hier war ich schon mal.«

Er war Rechtsanwalt, Katholik, von seiner Frau getrennt. Er wollte sich eigentlich hier in der Stadt niederlassen und eine Anwaltskanzlei aufmachen. Aber es gab schon einen katholischen Anwalt. Das Geschäft ging schleppend. Mehrmals die Woche war Bob Marks schon vor dem Abendessen ziemlich betrunken.

»Es ist mehr als das«, sagte ich. »Es ist der Ort, an dem ich geboren bin. Wo ich aufgewachsen bin.« Wir gingen über das Unkraut, und ich schloss die Tür auf.

Er meinte, nach meinen Schilderungen habe er sich vorgestellt, dass es weiter außerhalb liege.

»Damals schien es weiter.«

Alle Räume waren leer und die Böden sauber gefegt. Die Fensterrahmen waren frisch gestrichen – ich war überrascht, dass keine Farbspritzer auf dem Glas zu sehen waren. Einige neue Fensterscheiben, ein paar von den alten welligen. In einigen Zimmern waren die Tapeten entfernt und die Wände gestrichen. Eine Wand in der Küche war tiefblau gestrichen, mit einer riesigen Taube darauf. An einer Wand im Wohnzimmer stießen wir auf gewaltige Sonnenblumen und auf einen Schmetterling von beinahe derselben Größe.

Bob Marks stieß einen Pfiff aus. »Hier hat sich jemand als Künstler betätigt.«

»Wenn du es so nennen willst«, sagte ich und ging zurück in die Küche. Dort stand immer noch derselbe Holzofen. »Meine Mutter hat einmal dreitausend Dollar verbrannt«, sagte ich. »In diesem Ofen hat sie dreitausend Dollar verbrannt.«

Er stieß wieder einen Pfiff aus, in einem anderen Ton. »Wie meinst du das? Sie hat einen Scheck hineingeworfen?«

»Nein, nein. Es war Bargeld. Sie hat es mit voller Absicht getan. Sie fuhr in die Stadt zur Bank und ließ sich alles ausbezahlen, in einer Schuhschachtel. Dann brachte sie es nach Hause und steckte es in den Ofen. Sie warf immer nur ein paar Scheine auf einmal rein, damit das Feuer nicht zu hoch aufloderte. Mein Vater stand daneben und sah ihr zu.«

»Was erzählst du da?«, fragte Bob Marks. »Ich dachte, ihr wart so arm.«

»Waren wir auch. Wir waren sehr arm.«

»Woher hatte sie dann dreitausend Dollar? Das wären heute so viel wie dreißigtausend. Leicht. Mehr als dreißigtausend heutzutage.«

»Das war ihre Erbschaft«, sagte ich. »Sie hat sie von ihrem Vater bekommen. Ihr Vater starb in Seattle und hinterließ ihr dreitausend Dollar, und sie hat sie verbrannt, weil sie ihn hasste. Sie wollte sein Geld nicht. Sie hasste ihn.«

»Ganz schön viel Hass auf einmal«, sagte Bob Marks.

»Das ist nicht der Punkt. Es geht nicht darum, dass sie ihn hasste oder ob er wirklich so schrecklich war, dass sie ein Recht hatte, ihn zu hassen. Wahrscheinlich nicht. Aber das ist nicht der Punkt.«

»Geld«, sagte er. »Geld ist immer der springende Punkt.«

»Nein. Dass mein Vater es zuließ, das ist der springende Punkt. Für mich jedenfalls. Mein Vater stand dabei und sah zu und sagte nichts dagegen. Wenn jemand versucht hätte, sie von ihrem Tun abzuhalten, hätte er sie in Schutz genommen. Das nenne ich Liebe.«

»Manche Leute würden es Wahnsinn nennen.«

Ich erinnere mich, dass das Beryls Ansicht gewesen war, genau das.

Ich ging ins Wohnzimmer und starrte den Schmetterling mit seinen rosa- und orangefarbenen Flügeln an. Dann ging ich ins vordere Schlafzimmer und fand dort zwei an die Wand gemalte Gestalten. Ein Mann und eine Frau, die einander an den Händen hielten und geradeaus noch vorn blickten. Sie waren nackt und überlebensgroß.

»Das erinnert mich an dieses Bild von John Lennon und Yoko Ono«, bemerkte ich zu Bob Marks, der mir ins Zimmer gefolgt war. »Diese Schallplattenhülle, oder?« Ich wollte nicht, dass er glaubte, er hätte mich mit seinen Äußerungen in der Küche verletzt.

Bob Marks sagte: »Andere Haarfarbe.«

Das stimmte. Beide Gestalten hatten gelbes Haar, das als einheitliche Masse gemalt war, wie es auf Comicstrips dargestellt wird. Dicke Pferdeschweife von gelbem Haar wellten sich über ihre Schultern, und kleine Schweineschwänzchen von gelbem Haar zierten ihre nicht sonderlich verschämt dargestellte Schampartie. Ihre Haut war in einem stumpfen Beigerosa gemalt und ihre Augen in einem durchdringenden Blau, demselben Blau, mit dem die Küchenwand gestrichen war.

Mir fiel auf, dass sie die Tapete nicht vollständig abgelöst hatten, bevor sie dieses Bild malten. In der Ecke war noch ein kleiner Tapetenrest zu sehen, der zu der Tapete an den übrigen Wänden passte – ein modernistisches Muster aus sich überschneidenden rosafarbenen, grauen und hellvioletten Blasen. Diese Tapete musste der Mann aus Toronto angebracht haben. Die Tapete darunter war nicht entfernt worden, als diese neue verklebt wurde. Ich konnte noch einen schmalen Streifen erkennen, die Kornblumen auf weißem Grund.

»Vermutlich haben sie hier ihre Sexspielchen getrieben«, kommentierte Bob Marks in einem Ton, der mir vertraut war. Diese belegte, traurige, unsichere, aber entschlossene Stimme. Die nicht besonders menschenfreundliche Lust ehrbarer Männer mittleren Alters.

Ich sagte nichts. Ich zog ein kleines Stück von der Blasentapete ab, um mehr von den Kornblumen zu sehen. Plötzlich kam ich an eine unverklebte Stelle und riss einen großen Fetzen herunter. Aber auch die Kornblumentapete löste sich, und mit ihr ein Schwall trockener Putz.

»Wie kommt es nur?«, fragte ich. »Erklär mir mal bitte, wie es kommt, dass kein Mann über einen Ort wie diesen reden kann, ohne binnen zwei Sekunden auf das Thema Sex zu kommen? Kaum fällt das Wort ›Hippie‹ oder ›Kommune‹, da denkt ihr Kerle bloß noch ans Vögeln! Als ob überhaupt nichts anderes dahintersteckte als Orgien und ausgefallene Stellungen und pausenloses Vögeln! Ich finde das zum Kotzen – das ist alles so blöd, dass mir ganz schlecht wird!«

 

Auf der Rückfahrt vom Hotel war die Sitzordnung im Auto dieselbe wie vorher – die Männer auf dem Vordersitz, die Frauen hinten. Ich saß in der Mitte, zwischen meiner Mutter und Beryl. Ihre erhitzten Körper drückten gegen mich, durch Stoff hindurch; ihr Geruch verdrängte die Gerüche des dichten Zedernwäldchens, durch das wir fuhren, und der kleinen Moorweiher, auf denen Beryl die Wasserlilien bestaunte. Beryl roch nach all den Dingen in Tiegeln und Fläschchen. Meine Mutter roch nach Mehl und Kernseife und dem warmen Kreppstoff ihres Sonntagskleids und nach dem Kerosin, mit dem sie die Flecken entfernt hatte.

»Ein wunderbares Essen«, sagte meine Mutter. »Danke, Beryl. Danke, Mr Florence.«

»Ich frage mich, wer jetzt noch zum Melken in der Lage ist«, sagte mein Vater. »Nachdem wir alle so vornehm diniert haben.«

»Da wir gerade von Geld sprechen«, sagte Beryl – obwohl eigentlich niemand von Geld gesprochen hatte –, »darf man fragen, was ihr mit eurem gemacht habt? Ich habe meins in Grundbesitz gesteckt. Grundbesitz in Kalifornien – da kann man nichts falsch machen. Ich hab mir gedacht, ihr könntet euch einen elektrischen Herd anschaffen, um euch das Feuermachen im Sommer und das Gefummel mit diesem Petroleumding zu ersparen.«

Alle anderen im Wagen lachten, sogar Mr Florence.

»Das ist eine gute Idee, Beryl«, sagte mein Vater. »Wir könnten ihn als Abstelltisch benutzen, bis wir Strom gelegt haben.«

»Ach, du grüne Neune«, sagte Beryl. »Wie blöd kann ich sein?«

»Und außerdem haben wir das Geld auch gar nicht«, sagte meine Mutter fröhlich, als führe sie den Witz fort.

Doch Beryl schlug einen scharfen Ton an. »Du hast mir geschrieben, dass du es bekommen hast. Du hast genauso viel bekommen wie ich.«

Mein Vater drehte sich halb nach hinten. »Von welchem Geld redet ihr?«, fragte er. »Was soll das für Geld sein?«

»Aus Daddys Testament«, antwortete Beryl. »Das ihr letztes Jahr bekommen habt. Hört mal, vielleicht hätte ich nicht fragen sollen. Wenn ihr etwas abbezahlen musstet, dann ist das auch eine gute Verwendung, oder? Das spielt keine Rolle. Wir sind doch eine Familie hier. So gut wie alle.«

»Wir mussten nichts abbezahlen«, sagte meine Mutter. »Ich habe es verbrannt.«