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Der Mörder macht seine Runde: 3 FBI Thriller von Alfred Bekker Über diesen Band: Dieser Band enthält cfolgende Krimis von Alfred Bekker: Die Tour des Mörders Grausame Rache Wettlauf mit dem Killer Einige Männer, die allesamt in dunkle Geschäfte verwickelt sind, werden grausam zu Tode gefoltert. Erst glauben die Ermittler an Machtkämpfe innerhalb des organisierten Verbrechens. Aber schließlich wird klar, dass hier ein persönliches Motiv vorliegen muss. Es geht um ein grausames Verbrechen aus der Vergangenheit - und die ebenso grausame Rache dafür. ALFRED BEKKER wurde vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.
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Seitenzahl: 501
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Der Mörder macht seine Runde: 3 FBI Thriller
von Alfred Bekker
Über diesen Band:
Dieser Band enthält cfolgende Krimis
von Alfred Bekker:
Die Tour des Mörders
Grausame Rache
Wettlauf mit dem Killer
Titelseite
Der Mörder macht seine Runde: 3 FBI Thriller
Copyright
Die Tour des Mörders
Die Tour des Mörders
Copyright
Prolog
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Grausame Rache: Thriller (Alfred Bekker Thriller Edition, #1)
Grausame Rache
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Wettlauf mit dem Killer: Kriminalroman
Wettlauf mit dem Killer
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Einige Männer, die allesamt in dunkle Geschäfte verwickelt sind, werden grausam zu Tode gefoltert. Erst glauben die Ermittler an Machtkämpfe innerhalb des organisierten Verbrechens. Aber schließlich wird klar, dass hier ein persönliches Motiv vorliegen muss.
Es geht um ein grausames Verbrechen aus der Vergangenheit - und die ebenso grausame Rache dafür.
ALFRED BEKKER wurde vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / COVER STEVE MAYER NACH MOTIVEN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Die Tour des Mörders
Alfred Bekker
Published by Alfred Bekker, 2017.
Table of Contents
UPDATE ME
Kriminalroman von Alfred Bekker
––––––––
DER UMFANG DIESES BUCHS entspricht 119 Taschenbuchseiten.
Ein Serienkiller verbreitet Angst und Schrecken. Sein besonderes Kennzeichen: Er scheint regelmäßig dieselbe Tour zurückzulegen. Ermittler Jesse Trevellian und sein Team heften sich an die Fersen des Unbekannten...
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Hotel St. Clair, Washington DC...
Eileen Summers trug ein eng anliegendes Kleid, das ihr nur knapp über die Oberschenkel reichte. In beiden Händen hielt sie je ein langstieliges Champagnerglas. Der Mann, der in der Nähe der Tür stand, war Mitte dreißig und schlank. Sein dreiteiliger grauer Anzug ließ sein Gesicht noch etwas farbloser erscheinen, als es ohnehin schon war.
In der Linken hielt er einen Diplomatenkoffer. „Stehen Sie da doch nicht wie festgewachsen“, sagte Eileen und reichte ihm ein Glas.
Der Mann im grauen Anzug hob abwehrend die Hand. Er hatte seine Autofahrerhandschuhe noch immer nicht ausgezogen. Schon das hätte Eileen misstrauisch machen sollen – genau wie die Ausbuchtung in seiner Jacketttasche.
„Ich trinke nicht“, sagte er.
„Ich habe auch Nicht-Alkoholisches da.“
„Ich trinke gar nichts“, betonte er.
„Dann stellen Sie doch wenigstens den Koffer ab. Und ziehen Sie die Handschuhe aus!“
„Nein“, sagte er. „Die behalte ich an. Ich bin Allergiker. Außerdem mag ich es nicht, mit dem Schweiß anderer Leute in Berührung zu kommen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Eileen runzelte die Stirn. „Ach, so einer sind Sie...“
„Finden Sie es verkehrt, wenn man auf Hygiene achtet?“
„Nein.“
„Dann verstehen Sie mich?“
„Sicher, aber es ist... sagen wir mal selten. Die meisten wollen nicht einmal ein Kondom benutzen und Sie...“
„Ich bin eben anders.“
„Ja, das merke ich.“
„Es riecht hier relativ streng.“
„Das ist ein Duftspender, der für frische Luft sorgen soll. Wenn Sie wollen, dann stelle ich ihn so lange ins Nachbarzimmer.“
„Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.“
Sie drehte sich um und stellte die Gläser ab. Wie werde ich ihn jetzt wieder los?, fragte sie sich. Andererseits – jemand, der so überkorrekt gekleidet war, nahm es sicher auch mit der Bezahlung genau. Aber irgendein Instinkt sagte ihr inzwischen, dass es besser war, diese Sache zu beenden. Sofort. Vielleicht war es sein Blick gewesen. Das Flackern seiner Augen, die so eisgrau wie sein Anzug waren? Vielleicht auch irgendetwas anderes...
Als sie sich wieder umdrehte, war er plötzlich hinter ihr. Er hatte etwas aus der Jackentasche gezogen, was er ihr jetzt blitzschnell gegen die Schulter presste. Das unverkennbare Knistern einer elektrischen Entladung folgte. Der Stromschlag ließ ihren Körper zucken. Sie hatte augenblicklich keine Kontrolle mehr über ihren Körper, krampfte zusammen und fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.
Ihre Muskulatur paralysierte. Sie konnte sich nicht mehr rühren.
Die Ladung war exakt abgestimmt. Ungefähr eine Minute hielt die paralysierende Wirkung an. Zeit genug für den Mann im grauen Anzug, das zu tun, was er sich vorgenommen hatte.
Eileens Gesicht war zur Fratze verzerrt.
„Ja, ich weiß, Sie haben jetzt große Schmerzen. Aber das hört auf“, sagte er. „Ich werde Ihnen Erleichterung verschaffen und dafür sorgen, dass sie sich entspannen.“
Er ging ein paar Schritte zurück, stellte den Diplomatenkoffer auf den Tisch und öffnete ihn.
In aller Seelenruhe zog er eine Spritze auf.
Dann ging er zu ihr, kniete neben ihr, schob das Kleid hoch und versenkte die Spritze im Oberschenkel. Ihre durch den elektrischen Schlag verkrampften Muskeln erschlafften.
Er erhob sich wieder, legte die Spritze zurück in Koffer und kehrte dann zu der regungslos daliegenden Frau zurück. Sie konnte die Augenlider bewegen und flach atmen. Das war alles. Er schleifte sie zum Bett, denn in diesem Zustand ohne jegliche Körperspannung war es schwierig selbst wesentlich leichtere Person einfach zu tragen. Dort hievte er sie auf das Bett und begann damit, sie zu entkleiden.
Bevor er eine halbe Stunde später das Zimmer verließ, holte er einen Plastikbeutel aus dem Koffer. Er enthielt Sand und Zigarettenkippen. Ab und zu auch einen eingetrockneten Kaugummi.
Der Mann im grauen Anzug öffnete den Beutel und verstreute den Inhalt auf dem Boden.
„Seht ihr den Mann mit der grünen Baseball-Kappe?“, fragte Agent Clive Caravaggio über Headset. „Das ist er!“
Clive Caravaggio, flachsblonder Italoamerikaner und der zweite Mann des FBI Field Office New York, leitete diesen Einsatz. Er saß in einem unauffälligen Chevy auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung West 57th Street und 10th Avenue.
Mein Kollege Milo Tucker und ich saßen in unserem Sportwagen. Rechts ragte die Gebäude des St. Luke’s Roosevelt Hospital Centers auf.
Der Mann, den wir im Visier hatten, stand in der Nähe der Ampelanlage. Er hielt unauffällig ein Handy in der Rechten.
Er wartete nur darauf, mit der eingebauten Kamera das abzufilmen, was sich nun bald ereignen würde. Die Filmsequenzen wurden dann sofort ins Internet gestellt.
Das zu erwartende Drama resultierte daraus, dass er die Programmierung der Ampelanlage manipuliert hatte.
Wir waren schon eine ganze Weile hinter ihm her und Anfangs hatte sogar der Verdacht bestanden, dieser Fall könnte einen terroristischen Hintergrund haben. Schließlich war es eine äußerst effektive Methode, in einer Stadt wie New York für allgegenwärtiges Chaos zu sorgen, wenn man die Ampelanlagen umprogrammierte. Entweder stand die Blechlawine dann für eine Stunde still, weil die Ampeln einfach nicht auf grün umsprangen oder man stellte sie so ein, dass die Wagenkolonnen gleich aus mehreren Richtungen aufeinander losfuhren und jeder glaubte, Vorfahrt zu haben.
Der Mann mit der grünen Baseball-Kappe hieß Maxwell Jason Montgomery und er gehörte zu einem Kreis von Hackern, die wir in Verdacht hatten, an dieser Sache beteiligt zu sein.
„Zugriff jetzt!“, sagte Clive Caravaggio. „Die Ampeln stehen noch mindestens eine Stunde lang rot. Den Wagen könnt ihr getrost stehen lassen – aber er darf uns diesmal nicht durch die Lappen gehen!“
„In Ordnung“, sagte ich.
Diese Anweisung galt nicht nur für uns, sondern auch für die anderen an diesem Einsatz beteiligten G-man.
Wir stiegen aus.
Das würde Montgomery noch nicht misstrauisch machen, denn genau darauf hatte er es ja abgesehen: Bilder von entnervten Autofahrern, die mitten in der Rushhour feststeckten, weil eine Ampel nicht umsprang. Wutausbrüche, Verzweiflung... Zur Schau gestellt auf bestimmten Internet-Portalen.
Die härteste Variante war das Provozieren von Unfällen durch eine bestimmte Ampel-Programmierung.
Auch dafür hatten Montgomery und seine Helfershelfer schon gesorgt. Insgesamt gingen drei Tote auf das Konto dieser Hacker Gang – und auch wenn sich der Verdacht eines terroristischen Hintergrundes auch im Laufe der Ermittlungen immer mehr verflüchtigt hatte, drohte den Beteiligten wegen der Unfalltoten trotzdem eine Mordanklage.
Wir gingen zwischen den Stoßstangen der Wagen hindurch und ernteten ein paar verwunderte Blicke.
„Was ist denn los?“, rief ein Mann aus einem Lieferwagen mit dem Logo eines Pizzadienstes. „Wieso geht die Ampel nicht auf grün? Meine Kunden wollen ihr Zeug warm essen!“
„Bleiben Sie im Wagen und verhalten Sie sich ruhig!“, sagte ich. „Wir sind vom FBI.“
Ich zeigte nicht meinen Ausweis oder tat irgendetwas anderes, das mich in den Augen unseres Verdächtigen in irgendeiner Weise verraten hätte.
Was ich sagte, konnte aus dieser Distanz unmöglich verstehen.
Zur gleichen Zeit machten sich unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell von der anderen Seite in Richtung des Mannes mit der grünen Baseball-Kappe auf.
Agent Clive Caravaggio und sein indianischstämmiger Partner Orry Medina waren ebenfalls unterwegs.
Von drei Seiten näherten wir uns. Plötzlich schien Montgomery die Lunte zu riechen. Er machte eine ruckartige Bewegung und spurtete dann los.
Er trug Turnschuhe und war ziemlich schnell.
Wir nahmen die Verfolgung auf und zogen unsere Waffen. Allerdings kam deren Einsatz unter den gegebenen Umständen wohl kaum in Frage. Die Kreuzung war voller Menschen und selbst ein Warnschuss wäre hoch gefährlich gewesen.
„Stehen bleiben! FBI!“, rief Milo.
Montgomery drehte sich kurz um.
Er riss etwas unter seiner Jacke hervor. Eine Waffe. Er feuerte zweimal kurz hintereinander. Die Schüsse waren schlecht gezielt. Einer zischte mir am Kopf vorbei. Der andere fuhr in den Reifen einer Fordlimousine, aus dem daraufhin zischend die Luft entwich.
Montgomery taumelte vorwärts und erstarrte, als ihm von der anderen Seite die Kollegen Kronburg und Morell entgegenkamen.
Jay Kronburg hatte seinen 3.57er Colt Magnum in der Rechten. Der ehemalige Cop aus den Reihen des New York Police Department verwendete als einziger von uns diese Waffe, während ansonsten die Sig Sauer P226 unsere Standardbewaffnung war.
„Keine Bewegung mehr!“ rief Jay.
Montgomery zögerte. Seine Waffe war nach unten gerichtet. Er blickte erst zu Jay, dann zu uns.
„Die Waffe weg!“, rief Milo.
Er schätzte offenbar das Risiko ab und kam zu dem Schluss, dass er tatsächlich keine Chance hatte.
„Nicht schießen!“, rief er.
Vorsichtig legte er die Waffe auf den Boden und ließ sich anschließend widerstandslos festnehmen.
Orry und Clive tauchten inzwischen ebenfalls auf.
„Das Drama auf der Kreuzung muss heute leider ausfallen“, sagte Jay zum Gefangenen, nachdem die Handschellen geklickt hatten.
Wir sicherten das Handy, mussten aber feststellen, dass ein Großteil der Daten bereits gelöscht war.
Aber das war halb so schlimm. Das Gerät war abgehört worden und so hatten wir die Verbindungsdaten ebenso wie den Inhalt der Datenübertragungen.
„Sie haben das Recht zu schweigen“, sagte Jay. „Falls Sie auf dieses Recht verzichten, kann alles, was Sie von nun an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“
„Ja, ja, spart euch eure Sprüche!“, rief Montgomery. „Ich bin schneller wieder draußen, als ihr glaubt!“
„Das glauben wohl nur Sie“, sagte Clive Caravaggio. „Von schnell kann keine Rede sein. Die Frage ist, ob überhaupt. Schließlich haben Ihre Spielchen drei Menschen das Leben gekostet!“
„Ich will einen Anwalt!“
„Den bekommen Sie“, versprach Clive.
„Nichts können Sie mir nachweisen! Gar nichts!“
„Abführen“, sagte Clive und wandte sich an Jay und Leslie. „Nehmt ihr ihn mit? Ihr seid mit dem größten Fahrzeug hier.“
„Machen wir“, bestätigte Jay.
Und Leslie ergänzte: „Wird wohl eine Weile dauern, bis sich dieser Stau hier aufgelöst hat!“
Clive nahm das Handy ans Ohr, um mit den Kollegen des NYPD zu sprechen. Im Moment konnten wir hier zwar ohnehin nicht weg – aber einen Stau von dieser Größenordnung aufzulösen gehörte auch nicht unbedingt zu den Dingen, für die man uns ausgebildet hatte.
„Ich bin froh, dass dieser Spuk endlich vorbei ist“, sagte Milo. Zweimal waren Milo und ich selbst von den üblen Scherzen der Hacker betroffen gewesen. Stundenlang hatten wir festgesteckt, während irgendwer am Rand uns unauffällig beobachtete, eine Handykamera herumschwenkte und sich diebisch darüber freute, welches Chaos er angerichtet hatte.
Zwei Stunden dauerte es, bis unser Sportwagen wieder den ersten Meter fahren konnte.
Wir hatten uns inzwischen einen Hot Dog von der anderen Straßenseite besorgt.
„Ich bin froh, dass dieser Fall endlich abgeschlossen ist“, meinte Milo. „Wenn ich nur daran denke, wie viele personelle Ressourcen durch diesen Wahnsinnigen gebunden worden sind!“
„Der war das nicht allein“, gab ich zu bedenken. „Da gab es eine geölte Maschinerie im Hintergrund, die mitgeholfen hat.“
„Du meinst diejenigen, die die Bilder im Internet veröffentlicht haben?“
„Zum Beispiel.“
Dann erreichte uns ein Anruf von Mr Jonathan McKee, dem Chef des FBI Field Office New York.
Eigentlich hatte ich angenommen, dass Mr McKee anrief, um den am Einsatz beteiligten Beamten wegen der Ergreifung des Ampel-Hackers zu gratulieren. Aber weit gefehlt. Es ging um etwa anderes. Wir sollten einen Tatort aufsuchen, der sich nur zwei Blocks von unserem Standort befand.
„Es handelt sich um Darren W. Hoffman. Er wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden. Das NYPD ist dort und natürlich die Scientific Research Division.“
Der Name Hoffman sagte mir etwas. Ich glaubte, ihn irgendwo schon mal gehört zu haben, konnte ihn aber in Moment nirgendwo einordnen. Mit einem unserer Fälle hatte er jedenfalls nichts zu tun, da war ich mir ziemlich sicher.
„Weshalb wurden wir hinzugezogen?“, fragte ich.
„Hoffman ist Computerspezialist bei SuperSecure Inc., einer Firma in Queens...“
Der Name dieser Firma sagte mir schon eher etwas und dann machte es klick.
„Hat dieser Hoffman nicht diese Fortbildung zur Computersicherheit geleitet, an der sämtliche Agenten innerhalb eines Jahres teilnehmen mussten?“
„Richtig“, bestätigte Mr McKee. „SuperSecure berät unter anderem das FBI und das Pentagon in Sachen Computersicherheit. Die Kollegen am Tatort haben die Todesursache noch nicht komplett ermittelt, aber fest steht, dass das Opfer mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt und ihm dann eine noch unbekannte Substanz injiziert wurde.“
„Vielleicht eine Wahrheitsdroge, um an Informationen heranzukommen“, vermutete Milo.
„Jedenfalls besteht der Verdacht eines terroristischen Hintergrundes. Ich habe einen Anruf aus Washington bekommen, mit der Anweisung, dass wir den Fall übernehmen.“
Mr McKee beendete das Gespräch.
„Was sollen wir jetzt tun? Wir sitzen hier noch ‚ne Weile fest“, stellte Milo klar.
Ich deutete auf den eingebauten TFT-Bildschirm, der zu einer voll funktionsfähigen Computeranlage gehörte. „Wir könnten natürlich die Zeit damit verbringen, uns schon mal gründlich über Mister Hoffman im Internet zu informieren oder gegebenenfalls auch in unseren eigenen Dossiers, falls es darüber welche geben sollte.“
„Die gibt es bestimmt, Jesse“, war Milo recht zuversichtlich. „Wenn er wirklich EDV-Berater des FBI war, dann gibt es auch eine Akte über ihn – und zwar eine, die alles enthält, was irgendwie bedenklich sein könnte...“
„Müsste ja über NYSIS zugänglich sein“, fuhr Milo fort und ließ unseren Computer hochfahren.
„Weißt du was? Schau du dir die Akte an und komm mit dem Wagen nach. Ich werde einfach schon mal zu Fuß zum Tatort gehen.“
„Aber...“
„Das dürfte in diesem Fall wohl einfach das Schnellste sein.“
„Sonst kriegt dich keiner vom Steuer dieses Hybriden weg, aber jetzt...“
„Jetzt er leider dazu verurteilt, im Schneckentempo voranzukommen. Alle Viertelstunde mal einen Meter vorwärts oder so.“
Milo sah mich an und hob dabei die Augenbrauen.
„Dafür habe ich was gut bei dir, Jesse.“
„Aber sicher!“
Ich stieg aus. Die 10th Avenue am St. Luke’s zu überqueren ist normalerweise der reinste Selbstmord. Aber im Moment war das problemlos möglich. Allerdings war der Kerl, der für diese Verkehrsberuhigung gesorgt hatte, alles andere als ein Weltverbesserer oder jemand, der dem Auto aus edlen Motiven heraus den Krieg erklärt hatte.
Montgomery war einfach nur jemand, der Vergnügen dabei empfand, Menschen, die er fast wie in einer groß angelegten Versuchsanordnung in eine Krisensituation geführt hatte, dabei zu beobachten, wie sie reagierten. Wie sie litten, wie sich gegenseitig versuchten, aus den Unfallwagen herauszuholen, weil die Rettungsfahrzeuge einfach nicht bis zum Ort des Geschehens vordringen konnten.
Montgomery war jemand, der die Situation kontrollierte, während er sie gleichzeitig für andere völlig außer Kontrolle brachte.
Während mir das durch die Gedanken hing und ich mich zwischen den Stoßstangen der Wagen herdrückte, versuchte ich nicht daran zu denken, dass Montgomery wahrscheinlich sogar noch mildernde Umstände bekam, weil ein findiger Psychologe eine Persönlichkeitsstörung bei ihm diagnostizierte.
Vielleicht hatte er die sogar.
Allerdings war seine eigenartige Veranlagung, die sich allein schon aus seiner Vorgehensweise ergab, wohl nicht das einzige Motiv für ihn gewesen, seinem verspäteten Spieltrieb freien Lauf zu lassen und in mehr oder minder regelmäßigen Abständen für Chaos auf den Straßen des Big Apple zu sorgen.
Er machte auch Geld damit.
Um die schärferen Aufnahmen sehen zu können, musste man sich nämlich einloggen und ein paar Dollar auf ein Konto auf den Cayman Inseln überweisen. Der Weg der Daten war heutzutage so gut zu tarnen, dass man ihm kaum folgen konnte. Aber glücklicherweise war Geld da etwas schwerfälliger und vor allem hinterließ es deutlichere Spuren.
Und diese Spuren waren eines der Indizien gewesen, das uns auf Montgomery gebracht hatte.
Ein paar weitere Verhaftungen folgten zeitgleich oder würden noch folgen, denn ich nahm nicht an, dass alle aus dieser Gang einen Deal mit der Justiz gegen eine umfassende Aussage prinzipiell verweigern würden.
Ich erreichte schließlich die andere Straßenseite und versuchte den Ampel-Hacker aus meinem Bewusstsein zu verbannen. Wir hatten jetzt einen neuen Fall. Und das bedeutete, ich musste alles aus meinen Gedanken löschen, was mit dem altem zu tun hatte. Denn, dass es zwischen Hoffman und Montgomery einen Zusammenhang gab, war nun wirklich nicht anzunehmen.
Ich ging ziemlich schnellen Schrittes die Straße entlang. Auch hier stauten sich Autos wahrscheinlich auf über eine Meile. Die Kollegen der City Police, die schon am Tatort waren, mussten Glück gehabt haben und schon vor Montgomerys Aktion in der Gegend gewesen sein.
Ich hoffte, dass sie schon etwas herausgefunden hatten.
Schließlich stand ich vor der Adresse, die Mr McKee uns angegeben hatte. Es war ein gut erhaltener und gepflegter Brownstone-Bau.
Schon am Eingang begrüßte mich ein Officer des NYPD.
An seiner Uniform standen sein Name und sein Rang. Lieutenant O. McCafferty war da zu lesen.
„Sir, ich darf im Moment niemanden ins Haus lassen“, sagte er.
Ich zeigte ihm meine ID-Card. „Ich werde hier erwartet.“
„In Ordnung. Gehen Sie durch, dann drei Treppen hoch. Der Aufzug wird im Moment erkennungsdienstlich untersucht, den können Sie also nicht benutzen.“
„Naja, Bewegung tut gut“, seufzte ich.
Ich betrat das Haus. Es gab Videokameras und außerdem patrouillierte ein Mann in der Uniform eines Security Service auf und ab. Er schien ziemlich nervös zu sein. Er wollte mich schon ansprechen und wahrscheinlich hinauswerfen, als ich auch ihm meine ID-Card entgegenhielt.
„Nichts für ungut, Sir.“
„Sagen Sie, sind diese Kameras eigentlich in Betrieb?“, fragte ich.
„Sie sind doch wegen Mister Hoffman hier, oder?“
„Bin ich“, bestätigte ich.
„Sehen Sie, das ist ja gerade die Tragik! Mister Hoffman ist Computerspezialist und in unserer Überwachungsanlage war – wie soll ich sagen? – der Wurm drin. Das meine ich jetzt ganz wörtlich. Computerwürmer sind eine fiese Sache und ich habe bis heute keine Erklärung dafür, wie es soweit kommen konnte. Jedenfalls hat sich Mister Hoffman bereit erklärt, die Anlage wieder in Gang zu bringen. Leider war es dazu nötig, sie abzuschalten.“
„Jetzt sagen Sie nicht, Hoffman ist genau in dem Zeitraum ermordet worden.“
„Doch genauso ist es. Wer immer auch zu ihm in die Wohnung gegangen ist und ihn umgebracht hat, wir haben keine Bilder von ihm.“
„Vielleicht brauche ich nachher noch mal Ihre Hilfe“, sagte ich.
Nachdem ich die drei Treppen hinter mich gebracht hatte, gelangte ich zu Hoffmans Wohnung. Man ließ mich passieren, nachdem ich meine ID-Card noch ein paar Mal vorzeigen musste. Dann entdeckte mich der Einsatzleiter, ein grauhaariger, kleiner Mann mit krausen Haaren und einem breiten Gesicht. Ich schätze ihn auf nicht jünger als 45 und nicht älter als 55 Jahre ein. Dazwischen schien mir alles möglich zu sein.
„Ich bin Captain Josh Belcona von der Homicide Squad des zuständigen Reviers“, stellte er sich vor.
„Special Agent Jesse Trevellian. Mein Kollege wird nachkommen, sobald er einen Parkplatz gefunden hat.“
„Da draußen ist ja wirklich der Teufel los“, nickte Belcona.
„Das wird so schnell nicht wieder passieren.“
„Heißt das, Sie haben den Kerl, der sich einen Spaß daraus macht, Ampeln zu manipulieren?“
„Richtig.“
„Glückwunsch, Agent Trevellian! Die ganze Stadt wird dem FBI dankbar sein.“
Captain Belcona führte mich durch die Wohnung, wo bereits einige Kollegen der Scientific Research Division seit ein paar Stunden ihrem Job nachgingen. Die Wohnung beeindruckte zunächst mal durch ihre schlichte Größe.
„Ich schätze, das sind gut zweihundert Quadratmeter“, stellte ich fest.
„Zweihundertfünfzig“, korrigierte mich Captain Belcona. „Habe ich von der Hausverwaltung. Jedenfalls muss man schon einiges verdienen, um sich eine Wohnung dieser Größenordnung in New York leisten zu können.“
Belcona führte mich ins Wohnzimmer.
„Wir haben den Tathergang einigermaßen rekonstruieren können. Die Leiche trägt das charakteristische Brandmal eines Elektroschockers. Genau hier wurde Darren W. Hoffman damit außer Gefecht gesetzt.“ Captain Belcona streckte den Arm aus und deutete auf den Handlauf eines ziemlich klobigen Sessels. Der Handlauf war aus Holz. An der Kante klebte etwas Dunkelrotes. Getrocknetes Blut. „Dort ist er mit dem Kopf aufgekommen“, fügte Belcona hinzu.
Es gibt keine einzige anerkannte wissenschaftliche Veröffentlichung über die genaue Wirkung von handelsüblichen Elektroschockern. Genau das macht diese Waffe auch so umstritten, denn der Effekt scheint höchst unterschiedlich zu sein. Höllische Schmerzen und der sofortiger Verlust der Kontrollfähigkeit über die Muskulatur scheinen allerdings gesichert zu sein. Auf manche Personen wirkt die Waffe aber auch tödlich.
„Gab es Anzeichen für ein gewaltsames Öffnen der Tür?“, fragte ich.
„Nein“, sagte Belcona.
„Dann wurde der Mörder hereingelassen. Es muss also jemand sein, den Hoffman kannte“, schloss ich.
Captain Belcona nickte. „Das sehen wir genauso. Dafür spricht auch, dass der Mörder mit dem Schocker auf Armlänge an das Opfer heran musste. Es gibt keine Spuren eines Kampfes oder dergleichen.“
„Also Hoffman liegt kampfunfähig auf dem Boden. Was geschah dann?“, fragte ich.
„Ihm wurde eine Injektion verabreicht. Wir wissen noch nicht genau, was diese Injektion bewirkt hat. Dazu bedarf es weiterer Untersuchungen. Genauso wenig können wir sagen, welche Substanz benutzt wurde. Abgesehen davon waren es insgesamt zwei Injektionen. Aber dazu wird Ihnen Dr. Claus vielleicht Näheres sagen können. Er ist drüben im Schlafzimmer.“
Dr. Brent Claus von der Scientific Research Division, kannte ich sehr gut. Der Gerichtsmediziner in Diensten des von allen New Yorker Polizeieinheiten in Anspruch genommenen Erkennungsdienstes hatte bei zahlreichen Ermittlungen mit uns zusammengearbeitet und ich schätzte seine Arbeit sehr.
So manchen Fall hatten wir schon lösen können, weil die Untersuchungsergebnisse des Pathologen uns auf die richtige Spur gebracht hatten.
Ich folgte Captain Belcona ins Schlafzimmer. „Die Schleifspuren sind längst gesichert“, sagte er.
Im Schlafzimmer befand sich ein großes Doppelbett. Darauf lag der Tote. Dr. Brent Claus war bei ihm. Hoffman trug ein T-Shirt und eine Jeans. Die Schuhe, die er getragen hatte, standen fein säuberlich nebeneinander vor dem Bett.
Ich begrüßte Dr. Claus.
„Tja, im Moment komme weder ich hier weg, noch hat der Leichenwagen eine reelle Chance bis zu dieser Adresse vorzufahren“, stellte Dr. Claus fest.
Ich nickte. „Wem sagen Sie das!“
„Wie haben Sie es denn geschafft?“
„Ich bin zu Fuß hier!“
Dr. Claus lachte. „Anders ist es im Moment wohl auch gar nicht möglich.“
„Sie sagen es.“
„Naja, jedenfalls habe ich schon ein bisschen mit der Arbeit begonnen. Aufschneiden kann ich Mister Hoffman hier zwar nicht, aber der erste Schritt ist sowieso immer, dass man seine Augen benutzt.“
Ich deutete auf die Schuhe. „Haben Sie die so hingestellt, Dr. Claus?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Die Schuhe haben wir so vorgefunden. Das muss der Täter gewesen sein, nachdem er das Opfer auf das Bett geschafft hat.“
„So etwas habe ich ehrlich gesagt noch nie gesehen! Der Täter muss ganz schön kaltblütig sein“, ergänzte Captain Belcona. „Ich meine, dass er an so etwas wie die Schuhe überhaupt gedacht hat, nachdem er gerade einen Menschen umgebracht hat...“
Ich hob die Augenbrauen. „Dann scheinen wir es wohl mit einem sehr ordentlichen Menschen zu tun zu haben“, vermutete ich.
Dr. Claus stellte nun dar, wie seiner Meinung nach alles abgelaufen war.
„Der Täter hat zwei Injektionen gesetzt“, erklärte er. „Eine davon subkutan – also in den Muskel. Die andere intravenös.“ Claus zog das T-Shirt etwas hoch. Um einen kleinen roten Punkt hatte sich ein Hämatom gebildet. „Diese Spritze in den Muskel wurde vermutlich noch drüben im Wohnzimmer gesetzt, nachdem Hoffman kampfunfähig zusammengebrochen ist. Ich kann natürlich nur vermuten, wie sie gewirkt hat, aber...“
„Was vermuten Sie?“, hakte ich nach.
„Dass es sich um eine lähmende, extrem muskelentspannende Substanz gehandelt hat, die dafür sorgte, dass das Opfer paralysiert bleibt.“
„Und die zweite Injektion?“
„Ich vermute, deren Inhalt hat den Tod ausgelöst. Eine intravenös gesetzte Giftspritze.“ Dr. Claus deutete auf die Einstichstelle in der Armbeuge.
Ich kratzte mich am Kinn. „Eine ziemlich seltsame Vorgehensweise“, musste ich zugeben.
„Aber eine, die zu jemandem passt, der auf Nummer Sicher gehen will“, sagte Belcona. „Er wollte offenbar verhindern, dass es zu einem Kampf kommt...“
„Aber ganz hat er das nicht geschafft“, stellte Dr. Claus fest. „Das Opfer hat etwas unter den Fingernägeln der rechten Hand gehabt, das möglicherweise getrocknetes Blut und Hautpartikel des Täters enthält...“
„Er hat ihn gekratzt?“, fragte ich.
Claus nickte. „Ein Kollege von uns hat die Spuren schon gesichert. Sie müssen also nicht befürchten, dass ich durch meine Arbeit hier irgendetwas kaputtmache.“
Ich hob beschwichtigend die Hände. „Das hätte ich bei Ihrer Erfahrung ohnehin nie vermutet, Dr. Claus!“
„Es gibt noch einen interessanten Aspekt“, erklärte Captain Belcona.
Ich sah ihn an. „Ich bin ganz Ohr, Captain.“
„Kommen Sie. Das ist etwas, das in New York so exotisch geworden ist, dass man es schon mit eigenen Augen gesehen haben muss.“
Er führte mich zurück ins Wohnzimmer und von dort aus in die Küche. Dort befand sich ein Tisch, auf dem die Kollegen der SRD mehrere Proben sorgfältig in Plastik verpackt isoliert und abgelegt hatten.
Zwei dieser Tütchen enthielten tatsächlich etwas, dessen Anblick in dieser Stadt ausgesprochen selten geworden war.
„Zigarettenkippen“, stieß ich hervor.
„Lagen auf dem Boden verstreut herum. Außerdem war da noch etwas, das man als Sand bezeichnen könnte.“
„Long Island ist ein bisschen weit weg, um Sand vom Strand hier her zu tragen“, meinte ich.
„Der Sand hat etwas mit den Zigarettenkippen zu tun, denn er wurde nur dort gefunden, wo auch Kippen verstreut waren...“
„Sie sagten verstreut?“, fragte ich.
Captain Belcona nickte. „Genauso sieht es aus. Der Tote ist Nichtraucher gewesen. Und selbst bei oberflächlicher Prüfung sieht man schon, dass die Stummel von unterschiedlichen Zigarettensorten stammen...“
„Sollte der so auf Sicherheit bedachte Pedant, der Hoffman auf dem Gewissen hat, vielleicht eine schmutzige Seite haben?“
Auf Milo wartete ich zunächst vergebens. Der Stau auf der 10th Avenue war offenbar noch weit aus hartnäckiger, als ich es mir hatte vorstellen können. Gelegentlich warf ich einen Blick aus den Fenstern von Hoffmans Wohnung, von wo aus man einen guten Überblick über diesen Teil der 10th Avenue hatte. Die Fußgängerwege waren zum Teil mit Autos verstopft. Es war furchtbar. Ich empfand allerdings auch eine gewisse Genugtuung bei dem Gedanken, dass derjenige, der für dieses Chaos verantwortlich war, jetzt nicht mehr mitbekam, ob seinetwegen ein paar Verkehrsteilnehmer die Kontrolle über sich verloren.
Captain Josh Belcona führte mich in das Arbeitszimmer des Computerspezialisten. Hoffman verfügte selbst über einen privaten, sehr luxuriös ausgestatteten Rechner samt Internetzugang.
Ich wurde Barry McCluskey vorgestellt, der vor zwei Monaten bei der Scientific Research Division angefangen war und im Rahmen seiner Tätigkeit vor allem Computern auf den Zahn fühlte.
„Haben Sie schon etwas herausgefunden?“, fragte Belcona.
McCluskey – ein schlaksig wirkender Mann mit aschblonden Locken, die ihm ziemlich weit im Gesicht hingen – schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Erst dachte ich, er hätte vielleicht Arbeit mit nach Hause genommen und an Daten gearbeitet, die sicherheitstechnisch sensibel sind.“
„Und das hat er nicht?“
„Nein. Es gibt nicht eine einzige verdächtige Datei auf diesem Rechner.“
„Könnte des nicht sein, dass er gründlich gesäubert wurde?“, fragte ich.
„Vom Täter?“, fragte McCluskey.
„Von wem auch immer.“
„Nein, dagegen spricht, dass Hoffman offenbar nichts dabei fand, mit anderen Daten recht sorglos umzugehen. Zum Beispiel sind seine Mail- und Telefonkontakte alle noch da!“
„Es wäre gut, wenn ich davon einen Ausdruck oder eine Kopie der Daten bekommen könnte“, sagte ich.
„Natürlich“, nickte McCluskey. „Und ob nicht doch etwas an dem Rechner gemacht wurde, bekommen wir natürlich auch heraus – das dauert nur etwas...“
Eine Frau im blauen Kleid trat in den Raum. Sie war sehr edel gekleidet, auch wenn ihr Rock ein paar Zentimeter zu hoch endete, als dass sie noch wirklich seriös hätte wirken können. Sie wurde von einem der Lieutenants des NYPD hereingeführt.
„Captain, das ist Tamara Jordan, von SuperSecure Inc.“, sagte der Lieutenant. Seine ID-Card hing ihm am Revers. Darauf war zu lesen, dass sein Name Jennings war.
„Kann ich hier vielleicht mal jemanden sprechen, der verantwortlich ist?“, fragte Tamara Jordan. Ihre Körperhaltung war betont gerade, ihr Kinn ziemlich hoch. Offenbar war sie es gewöhnt, dass in ihrem direkten Umfeld alles auf ihr Kommando hörte.
Captain Josh Belcona beeindruckte das nicht weiter. Er blieb ruhig und sachlich. „Wir gehen in einen der Räume, die schon spurentechnisch restlos abgegrast sind“, bestimmte er. „Da können wir uns unterhalten.“ Er deutete auf mich. „Das ist ist übrigens Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Und mein Name...“
„Ich erinnere mich an Ihre Stimme von unserem Telefongespräch her“, sagte Tamara Jordan kühl und wandte sich an mich. Sie stellte sich als Executive Manager von SuperSecure vor – was auch immer diese Bezeichnung genau bedeuten mochte.
Wir gingen in einen Raum, den die Kollegen der SRD schon komplett untersucht hatten. Es gab eine Sitzgruppe und eine Spielkonsole.
„Es schön, dass sich das FBI um die Sache kümmert“, sagte Tamara Jordan. „Dann besteht ja vielleicht die Hoffnung, dass der Fall auch ernst genug genommen wird.“
„Sie brauchen Sie in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen“, sagte ich.
„Ach, nein?“
„Wir nehmen jeden Mord sehr ernst und werden alles dafür tun, herausfinden, wer Ihren Mitarbeiter umgebracht hat.“
„Als ich gestern bei der Homicide Squad des zuständigen Polizeireviers anrief, hatte ich nicht den Eindruck, als würde man mich besonders ernst nehmen.“ Sie wandte einen tadelnden, herablassenden Blick in Captain Belconas Richtung und fuhr dann fort: „Wissen Sie, Mister Hoffman ist – war – nicht irgendein Mitarbeiter. Er war wirklich ein Spezialist auf seinem Gebiet. Es ging gestern darum, mit einer sehr großen Flugzeugfirma einen Kooperationsvertrag abzuschließen und Mister Hoffman sollte den Vertretern unseres Kunden den Eindruck vermitteln, dass ihre Entscheidung richtig war und sie ihre Computersicherheit getrost in unsere Hände legen könnten. Schließlich hat Darren – Mister Hoffman – auch für das Pentagon und das FBI ein solches Konzept erstellt und seitdem danach gearbeitet wird, ist es ja auch nicht wieder vorgekommen, dass ein paar Witzbolde die Gesichter von Verbrechern auf der FBI-Website durch die Köpfe von Mickey Mouse und Donald Duck ersetzen!“ Tamara Jordan atmete tief durch. Sie kramte in ihrer Handtasche herum, fand aber nicht, was sie suchte. Nach einem weiteren Durchatmen fuhr sie dann fort: „Wie auch immer, der überaus korrekte, überaus penible und überaus pünktliche Darren W. Hoffman, der in der Lage war, sich die ersten 200 Stellen der Zahl Pi zu merken und der mehrere Programmiersprachen besser beherrscht als jede Sekretärin des FBI das zehn Finger-System, kam einfach nicht. Dieser Mann hat noch nie einen Termin vergessen. Er verfügte privat über den letzten Schrei an mobilen Kommunikationssystemen und hätte bestimmt gemeldet, wenn er sich auf der Treppe ein Bein gebrochen hätte oder dergleichen. Aber als ich bei den geschätzten Vertretern des New York Police Department anrief, da musste ich mich mit dem Hinweis abspeisen lassen, dass es für eine Vermisstenanzeige einfach zu früh sei! Die werde frühestens nach 24 Stunden angenommen und nicht nach zwei!“
„Aber Sie haben nicht locker gelassen“, vermutete ich.
„Natürlich nicht! Parallel dazu haben wir natürlich unsere Kanäle nach Washington spielen lassen und wie Ihr Auftauchen hier beweist, war das ja auch nicht ganz erfolglos.“ Sie sah mich abschätzig an, verzog etwas das Gesicht und fügte dann noch hinzu: „Obwohl – das Ihre Behörde nur mit einem einzigen Agenten hier ist, spricht natürlich auch nicht gerade dafür, dass Sie die Sache richtig angehen und ich mir keine Sorgen mehr zu machen brauche.“
„Es sind weitere Kollegen unterwegs“, erwiderte ich. „Und Sie können wirklich sicher sein, dass wir den Fall nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber Sie werden ja auch gesehen haben, was da draußen los ist.“
„Wenn Ihre Leute Schwierigkeiten mit dem Verkehr haben, sollten sie vielleicht die U-Bahn benutzen – so wie ich!“ Sie hatte jetzt endlich gefunden, was sie die ganze Zeit in ihrer Handtasche gesucht hatte. Zigaretten. Sie zog eine davon aus der Packung heraus und steckte sie zwischen ihre Lippen.
Als sie Josh Belconas große Augen sah, hob sie die Augenbrauen.
„Was ist? Was glotzen Sie mich so an? Haben Sie etwas dagegen, wenn ich dafür sorge, dass mein Puls wieder Normalwerte bekommt? Sie sind Beamter mit Pensionsanspruch, Mister Belcona...“
„Captain Belcona. So viel Zeit muss sein, Ma’am.“
„...aber ich muss heute Nachmittag erklären, wie wir diesen so überaus wichtigen Großkunden doch noch bei der Stange halten!! Einen Großkunden, der in erster Linie auf Grund von Darrens Konzept geworben werden konnte! Da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel und wer was noch alles... Aber solche Sorgen brauchen Sie sich ja nicht zu machen! Sie können schon zufrieden sein, wenn Sie mal wieder einen Bürger, der den Verdacht äußert, dass eine Straftat geschehen ist, am Telefon abwimmeln können, damit sich auf Ihrem Schreibtisch auch nichts ansammelt – außer Staub!“
„Sie werden jetzt unhöflich“, stellte Belcona fest.
Tamara Jordan griff nach dem Feuerzeug, knipste damit herum, aber sie war zu nervös, als dass sie eine Flamme zu erzeugen vermochte.
„Und rauchen dürfen Sie hier nicht. Dies ist zwar kein öffentliches Gebäude, aber Ihre Ausdünstungen würden die Spurenlage verfälschen.“
Tamara Jordan verzog das Gesicht. Und ließ das Feuerzeug wieder in der Handtasche verschwinden.
Barry McCluskey, der Computerspezialist der Scientific Research Division kam herein. „Captain Belcona, ich möchte Ihnen etwas zeigen.“
„Bin gleich wieder da“, versprach Belcona und ging hinaus.
Vielleicht war es besser, wenn ich mich mit Tamara Jordan allein unterhielt.
„Man wird als Raucher inzwischen richtig verfolgt“, beschwerte sie sich. „Finden Sie das in Ordnung?“
„Ich habe aufgehört“, sagte ich.
„Am gesündesten wär’s wahrscheinlich. Wenigstens arbeite ich in einer Firma, die da etwas toleranter ist und keinen Kreuzzug gegen die eigenen Mitarbeiter führt.“
„Können Sie mir ein paar Namen von Menschen nennen, die Hoffman privat gut kannten?“, fragte ich. „Hatte er vielleicht eine Beziehung?“
Sie wirkte jetzt etwas ruhiger. Ihre Stimmlage senkte sich. „Es gab da eine Arlene O’Donovan, mit der er liiert war – wenn das im klassischen Sinn überhaupt zutrifft. Darren war sehr verschlossen. Er öffnete sich nicht leicht und hatte Schwierigkeiten, Beziehungen zu knüpfen. Zumindest im privaten Bereich. Ich glaube nicht, dass es einen einzigen Mitarbeiter von SuperSecure gibt, der gesagt hätte, er sei mit Darren befreundet gewesen. Er war irgendwie unnahbar...“
„Und diese Arlene O’Donovan?“
„Die Adresse lasse ich Ihnen zukommen, wenn Sie mir Ihre Mailadresse geben. Außerdem eine Liste aller Mitarbeiter, die enger mit Darren zusammengearbeitet haben. Diese Arlene ist Immobilienmaklerin. Wir habe sie überprüfen lassen. Ich glaube nicht, dass sie in irgendwelche krummen Sachen verwickelt war oder von jemandem auf ihn angesetzt wurde...“
„Sie lassen Ihre Mitarbeiter überwachen?“, fragte ich erstaunt.
„Überprüfen“, korrigierte sie. „Ja, wir wir überprüfen auch das private Umfeld von Mitarbeitern, wenn sie so wichtig sind wie Darren W. Hoffman.“
„Und Mister Hoffman wusste davon?“
„Er hat sogar eine Erklärung unterschrieben, die besagte, dass er damit einverstanden war. Es diente letztlich auch seiner persönlichen Sicherheit. Sehen Sie, Darrens Wissen war Millionen wert. Und für manche Interessenten vielleicht sogar unbezahlbar. Ausländische Geheimdienste, Terror-Organisationen oder auch das organisierte Verbrechen – suchen Sie sich aus, wen Sie wollen. Da gibt es genügend Leute, die gerne gewusst hätten, wie Hoffman die EDV-Sicherheit des Pentagon gewährleistet hat.“
„Durch wen sind diese Überwachungen durchgeführt worden?“
„Durch einen Sicherheitsdienst, mit dem wir zusammenarbeiten und der auch unsere Firmengelände abschirmt.“
Ich gab Tamara Jordan meine Karte. „Wenn Ihnen irgendetwas einfällt, sagen Sie mir Bescheid oder mailen Sie mir.“
„Das werde ich tun“, versprach sie und gab mir dafür ihre Karte. „Ich sorge dafür, dass Sie jederzeit zu mir durchgestellt werden, auch wenn ich im Meeting sitzen sollte.“
Milo traf schließlich doch noch am Tatort ein – und mit ihm unsere Kollegen Mell Horster und Sam Folder, zwei Erkennungsdienstler, die die Kräfte des SRD unterstützen sollten. Eine halbe Stunde später bekamen wir dann auch noch Unterstützung durch die Kollegen Fred LaRocca und Josy O'Leary, die damit begannen, die anderen Bewohner des Hauses und die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes systematisch zu befragen. Möglicherweise war ja jemandem etwas aufgefallen.
Die Telefon- und Mailkontakte, die sich anhand von Hoffmans Rechner nachvollziehen ließen, schienen fast ausschließlich privater Natur zu sein.
„Hoffman hat sich in mehreren Chatrooms eingeloggt und dort offenbar sein Kontaktbedürfnis unter Verwendung diverser Pseudonyme befriedigt“, erklärte Barry McCluskey. „Leider ist nichts dabei, was uns irgendeinen Hinweis liefert. Und was diese Chatrooms angeht, scheint auch nichts dabei zu sein, wo man von vorn herein gleich die Ohren spitzen müsste... Aber eine Sache ist merkwürdig.“
„Und was?“, hakte ich nach.
„Es dreht sich nicht um den Rechner, sondern um Hoffmans Mobiltelefone.“ McCluskey führte uns zu einem niedrigen Glastisch, dessen Fuß wie ein Bonsai geformt war. Offenbar ein Designer-Stück. Auf der Glasfläche lagen mehrere Mobiltelefone, darunter ein Communicator mit vollständiger Mini-Tastatur und ein Gerät, das nur über einen Touchscreen bedient werden konnte.
Insgesamt waren es fünf Modelle.
„Der Mann war wirklich immer erreichbar“, staunte Milo.
McCluskey deutete auf das letzte Modell in der Reihe. Es war dem Funkgeräten der Raumschiffbesatzung der ersten Star Trek-Staffel nachempfunden. „Interessant ist dieses Ding dort. Sieht auf den ersten Blick wie ein Spielzeug aus, aber man kann damit telefonieren. Es läuft mit einer Prepaid-Karte. Ich habe die Daten ausgelesen und dabei hat sich folgendes herausgestellt: Hoffman muss damit regelmäßig telefoniert haben, denn das Guthaben auf der Karte war schon ziemlich verbraucht. Aber es finden sich keinerlei Kontaktdaten.“
„Sie meinen, er hat sie gelöscht?“, fragte ich.
McCluskey nickte. „Ja, er scheint eine Komplettlöschung durchgeführt zu haben.“
„Könnte das nicht auch der Täter gemacht haben?“, hakte Milo nach, den ich inzwischen in groben Zügen über die bisherigen Erkenntnisse aufgeklärt hatte.
Aber McCluskey schüttelte den Kopf. „Nein, der hätte doch viel leichter die Handys einfach mitnehmen können, falls er befürchtet hätte, dass sich darauf irgendwelche Daten befinden, die ihn kompromittieren konnten.“
„Gibt es noch irgendeine Möglichkeit diese Kontaktdaten wiederherzustellen?“, fragte ich.
„Ja, aber das ist aufwendig und ich brauche etwas Zeit dazu. Aber sobald ich etwas weiß, melde ich mich.“
Als wir den Tatort verließen, dämmerte es schon. Die Ermittlungen hatten sich ziemlich hingezogen und waren leider ziemlich ergebnislos verlaufen.
Weder die Befragungen der andere Hausbewohner noch die Überprüfung der ermittelbaren Kontaktpersonen, mit denen Hoffman via Internet oder Handy in Kontakt gestanden hatte, führte zu irgendeinem Ergebnis, das einen Ermittlungsansatz geboten hätte.
Jetzt waren wir auf die weitergehenden Ermittlungsergebnisse des Erkennungsdienstes angewiesen.
Der Stau in der 10th Avenue war inzwischen Vergangenheit und in den Lokalnachrichten war die Verhaftung des Ampel-Hackers der große Aufmacher. Der Tenor dieser Berichte war dahingehend, dass die New Yorker Autofahrer endlich wieder aufatmen konnten.
Nachdem wir kurz mit dem Field Office im Bundesgebäude an der Federal Plaza 26 Kontakt aufgenommen hatten, um Mr McKee einen kurzen Zwischenbericht geben zu können, fuhren wir noch zur Adresse von Arlene O’Donovan.
Sie wohnte in einem schmucken Apartment Haus im Cast Iron Stil in Chelsea. Ihre Immobiliengeschäfte schienen also recht erfolgreich zu laufen, sonst hätte sie sich dies kaum leisten können.
Uns öffnete eine Frau von etwa dreißig Jahren mit roten Haaren, die ihr offen über die Schultern fielen.
Sie trug noch ihr Business-Kostüm – allerdings ohne die dazugehörigen Schuhe.
„Jesse Trevellian, FBI, dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen über Mister Darren W. Hoffman stellen...“
Sie sah uns stirnrunzelnd an, bat uns dann herein und bot uns einen Platz an. Das Wohnzimmer enthielt kaum persönliche Gegenstände. Weder Bücher noch Blumen oder Bilder. Die Einrichtung war wie geleckt. Man hätte denken können, dass es sich um eines jener Objekte handelte, die Arlene O’Donovan solventen Kunden zum Verkauf anbot. Die Wohnung einer Frau, die offenbar viel arbeitete und wenig zu Hause war.
„War er bei Ihnen?“, fragte Arlene.
Ich hob die Augenbrauen. „Sie meinen Darren?“
„Ja. Ich habe ihm gesagt, er soll sich an das FBI oder die Cops wenden, denn...“ Sie brach plötzlich ab und sah mich mit einem Blick an, in dem sich ihr aufkommendes Entsetzen spiegelte. Sie schluckte und ihr sehr helles, sommersprossiges Gesicht wurde nun von einer sanften Röte überzogen. „Sie sind gar nicht hier, weil er sich an Sie gewandt hat.“
„Mister Darren W. Hoffman wurde ermordet. Es tut mir Leid, Ihnen das auf diesem Weg mitteilen zu müssen“, sagte ich.
„Nein!“, flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht mit den Händen. Sie schluchzte kurz auf und schüttelte dann verzweifelt den Kopf. Als sie die Hände wieder fortnahm und sich einigermaßen gefangen hatte, war das Make-up verschmiert. „Ich habe es gewusst! Ich habe es gewusst, dass da was faul war!“
„Ma’am, es wäre ausgesprochen hilfreich, wenn Sie uns genauer sagen könnten, was Sie damit meinen“, mischte sich Milo in das Gespräch ein. „Wir sind hier, weil wir herausfinden wollten, wer Mister Hoffman umgebracht hat. Jeder Hinweis kann uns da weiterhelfen.“
Sie nickte, atmete tief durch und schloss für ein paar Augenblicke die Augen, so als müsste sie erst einmal innerlich Kraft schöpfen. „Sie wissen ja, dass Darren in einer Branche arbeitete, in der ein sehr hoher Sicherheitsstandard gilt. Computersicherheit für das Pentagon – so was ist ja auch interessant für alle möglichen dunklen Gestalten. Vor einer Woche waren wir essen, da ist Darren fast überfahren worden. Er hatte etwas im Wagen vergessen, ist noch mal zurück über die Straße und dann kam dieser Wagen plötzlich an.“
„Sind Sie sicher, dass es kein Unfall war?“
„Das war in der Avenue A vor Nolan’s Restaurant. Da ist es nun wirklich nachts so hell wie am Tag! Es ist unmöglich, dass der Fahrer Darren nicht gesehen hat! Außerdem hat der Kerl beschleunigt und direkt auf ihn zugehalten, so als wollte er ihn absichtlich überfahren. Um ein Haar hätte er das ja auch geschafft. Darren konnte sich nur mit viel Glück durch einen Sprung retten...“
„Können Sie sich an das Fabrikat des Wagens erinnern?“, fragte ich.
„Ich kenne mich nicht gut mit Automarken aus, Agent Trevellian. Tut mir Leid. Aber es war ein Van mit getönten Gläsern, das weiß ich genau. Und vorne hatte er diese Vorrichtung, die man auch bei Geländewagen hat. Kuhfänger oder so nennt man das doch! Ich habe gehört, die sollen ziemlich gefährlich sein, wenn das Fahrzeug einen Unfall mit einem Fußgänger hat.“
Eine besonders detailreiche Beschreibung, die unsere Fahndung irgendwie weiter brachte war das natürlich nicht. Die steigenden Energiepreise sorgten zwar dafür, dass Vans und Geländewagen im Big Apple an Popularität verloren, aber es gab immer noch viel zu viele davon, um anhand einer solchen Beschreibung eine sinnvolle Eingrenzung vornehmen zu können. Und was den so genannten Kuhfänger anging, so war deren Verwendung leider trotz der katastrophalen Auswirkungen für Fußgänger völlig legal.
„Hat Mister Hoffman diesen Vorfall gemeldet?“, fragte ich.
„Nein, das hat er nicht. Ich wollte das ja. Aber er war daraufhin ganz seltsam, hat sich dauernd umgedreht, so als ob er sich verfolgt fühlte. Und dann meinte er, wir sollten uns ein paar Tage nicht sehen.“
„Er hat Ihnen keine weitere Erklärung gegeben?“, vergewisserte ich mich.
„Nein. Er ließ da auch nicht mit sich reden. In meinen Augen war das ein Mordanschlag – aber Darren meinte ich solle das Ganze nicht überdramatisieren. Andererseits zeigte mir doch sein Verhalten, dass irgendetwas faul gewesen sein musste...“
„Und Sie haben den Vorfall dann ebenfalls nicht gemeldet“, stellte ich fest.
„Ich wollte – aber Darren hat mich beschworen, es nicht zu tun.
„Wann haben Sie Darren zum letzten Mal gesehen?“
„Vorgestern. Er hatte mir zwar gesagt, ich sollte ihn auf keinen Fall in seiner Wohnung aufsuchen, aber mir wurde das ganze einfach zu dumm. Er nahm das Telefon nicht ab – weder eines seiner zahllosen Handys noch das Festnetz. Naja, und ich habe mir einfach Sorgen gemacht. Ein bisschen James-Bond-Theater war ich schon gewöhnt...“
„Was meinen Sie mit James-Bond-Theater?“, fragte Milo.
„Er wies mich mal auf jemanden hin, der in einem Wagen auf jemanden zu warten schien und meinte, dass sei jemand, den seine Firma beauftragt hätte, uns zu beobachten. Ich sollte mir also keine Sorgen machen, wenn ich diesen Kerl noch einmal irgendwo scheinbar zufällig sehen würde.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Solche Sachen halt. Ich habe das nicht sonderlich ernst genommen.“
„Schildern Sie uns Ihre kurze Begegnung – vorgestern“, forderte ich.
„Da ist nicht viel zu schildern“, sagte sie. „Ich bin hinauf in seine Wohnung. Schließlich habe ich einen Schlüssel und der Sicherheitsdienst ist autorisiert, mich passieren zu lassen. Aber Darren war nicht zu Hause.“
„Aber Sie sind ihm doch noch begegnet?“
„Ja. Ich sah ihn durch das Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem Mann sprechen.“
„Können Sie ihn beschreiben?“
„Dunkle Lederjacke, graues Haar, grauer Schnauzer, Anfang 50 und etwa ein Meter achtzig groß. Schätzungsweise.“
„Was geschah dann?“
„Die beiden haben nur kurz miteinander geredet. Der Grauhaarige muss Darren abgepasst haben, nachdem er seinen Wagen abstellte. Wo Darren vorher war, das weiß ich nicht.
Jedenfalls kam Darren dann herauf in die Wohnung und hat mich gleich wieder fort geschickt und mit fadenscheinigen Erklärungsversuchen abgespeist.“
„Noch eine Frage. Wissen Sie, wofür er das Mobiltelefon verwendete, dass aussah wie ein Funkgerät der ersten Star Trek Staffel?“
„Das war nur ein Gag“, sagte sie. „Ich habe es ihm geschenkt. Wir sind beide Star Trek Fans. Zum Telefonieren ist das eigentlich eher unpraktisch.“ Sie rieb die Hände gegeneinander. Ihr Blick wirkte jetzt nach innen gekehrt. „Ich weiß nicht, worin Darren da vielleicht verwickelt gewesen ist. Aber da er nicht mehr lebt, brauche ich auch auf Nichts und Niemanden Rücksicht nehmen! Ich will wissen, wer ihn umgebracht hat...“
„Wir versprechen Ihnen, alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um das herauszufinden und den oder die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen“, versprach ich.
Sie schluckte, hob den Blick und sah mich einige Augenblicke lang schweigend an. Die Blicke von Menschen, die einen nahen Angehörigen durch ein Gewaltverbrechen verloren haben, lässt sich nur schwer ertragen, das gehört zu den Dingen, an die man sich in unserem Beruf trotz aller Routine und Berufserfahrung einfach nicht gewöhnen kann.
„Sagen Sie mir genau, wie es passiert ist“, verlangte sie.
„Ich weiß nicht, ob es richtig wäre, wenn...
„Ich möchte es wissen, Agent Trevellian. Jede Einzelheit – oder zumindest das, was Sie schon wissen und mir nicht aus fahndungstaktischen Gründen verschweigen müssen...“
Nachdem wir die Wohnung von Arlene O’Donovan verlassen hatten, knurrte uns der Magen und so gingen wir noch auf einen Hot Dog in eine Snack Bar.
„Diese Frau scheint wirklich etwas für Hoffman empfunden zu haben“, meinte Milo.
„Ja, sein Tod hat sie zweifellos sehr getroffen. Aber ihre Aussage bringt uns leider bis jetzt keinen Zentimeter weiter.“
Wir hatten mit Arlene O’Donovan vereinbart, dass unser Zeichner Agent Prewitt am nächsten Tag bei ihre vorbei schauen sollte, um ein Phantombild des grauhaarigen Mannes anzufertigen, mit dem sich Darren Hoffman am Tag vor seiner Ermordung unterhalten hatte. Vielleicht war das ein wichtiger Zeuge. Aber insgesamt glichen unsere Ermittlungen bis jetzt nur einem Herumgestochere im Nebel.
Über die Art und Weise, auf die Hoffman umgebracht worden war, hatte ich Arlene O’Donovan gegenüber trotz ihrer drängenden Nachfrage nur das Nötigste gesagt. Die Art und Weise, in der dieser Mord begangen worden war, war einfach so speziell, dass es für uns einen fahndungstaktischen Vorteil bedeutete, dieses Wissen zurückzuhalten.
Einen Vorteil, den wir nicht aus der Hand geben durften.
Nur den Elektroschocker hatte ich erwähnt.
„Ab morgen werden wir uns die Mitarbeiter von SuperSecure der Reihe nach vornehmen müssen“, sagte ich.
Milo grinste. „Na, dann wünsche ich dir viel Spaß dabei, dich mit dieser Tamara Jordan auseinander setzen zu dürfen...
„Ich hatte eigentlich gedacht, dass du mit deiner diplomatischen Ader...“
Aber Milo schüttelte energisch den Kopf. „Kommt nicht in Frage, Jesse. Außerdem hast du gesagt, ich hätte was gut! Schließlich musste ich stundenlang in einer Blechkarosse sitzen, ehe es unsere Kollegen vom NYPD endlich geschafft haben, den Verkehrsinfarkt an der 10th Avenue aufzulösen.“
„Milo...“
„Nein, das wird dein Job sein. Meine Güte, die Frau hatte Haare auf den Zähnen. Aber wahrscheinlich war das noch ihre höfliche Seite – warte erstmal ab, wenn du sie im Umgang mit ihren Mitarbeitern erlebst!“
„Auf jeden Fall ist es sicher noch interessant, zu hören, was dieser Sicherheitsdienst so an Daten angesammelt hat“, meinte ich.
„Ehrlich gesagt wundert es mich, dass Tamara Jordan dir nicht gleich das entsprechende Dossier überreicht hat. Für meine Begriffe ist das selbstverständlich.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Das scheint eine von Misstrauen geprägte Branche zu sein, in der wir da ermitteln.“
„Du meinst, SuperSecure misstraut auch uns?“
„Zumindest Tamara Jordan.“
Ich trank mein Glas leer. Wir verließen die Snack Bar und fuhren mit dem Sportwagen Richtung Upper West Side.
An der bekannten Ecke setzte ich Milo ab und fuhr weiter, um in meinem Apartment noch ein paar Stunden zu schlafen.
Bar Excelsior, 2311 Temperton Road, Philadelphia...
„Für mich nur ein Mineralwasser!“, sagte der Mann im grauen Dreiteiler.
„Sie trinken keinen Alkohol?“, fragte die junge Blondine mit dem sportlichen Kurzhaarschnitt. Sie war schätzungsweise 25, trug ein Kleid, das gleichermaßen praktisch wie elegant war und halbhohe Schuhe. Ein paar Ohrringe glitzerten im dämmrigen Licht der Bar. Sie trug an allen Fingern außer dem Daumen einen Ring, was etwas übertrieben wirkte. Sie hatte eine Mappe mit Unterlagen bei sich und war offenbar direkt vom Job hier her gekommen.
„Ist das eine Überzeugung von Ihnen? Ich meine keinen Alkohol zu trinken?“
„Nein. Ich tue es nur einfach nicht, weil...“
„Ja?“
„Man verliert die Kontrolle dabei. Ich habe die Zügel gerne selbst in der Hand, wenn Sie verstehen, was ich meine, Sara.“
Sie nippte an ihrem Glas und runzelte dabei die Stirn.
„Woher wissen Sie, dass ich Sara heiße?“
„Steht auf Ihrer Mappe. Sara Miles – ich habe einfach angenommen, dass Sie das sind.“
„Ach so...“
Er hob auch sein Glas und nahm dann einen Schluck.
„Sie reisen auch herum?“
„Ja.“
„Darf ich raten, Sara?“
„Bitte, wenn Sie wollen.“
„Sie sind Vertreterin in der Gesundheitsbranche. Wahrscheinlich ein Pharma-Unternehmen oder eins für medizinische Hilfsmittel. Na?“
„Langsam wird mir das aber unheimlich, im Übrigen haben Sie mir Ihren Namen noch nicht gesagt.“
„Nennen Sie mich Allan.“
„Allan...“
Er lächelte überlegen. Ein Ausdruck tiefer Zufriedenheit zeigte sich in seinem Gesicht.
Währenddessen rätselte Sara immer noch, woher dieser Mann das von ihr wissen konnte. Hatte ihr Job sie etwa schon so sehr geprägt, dass man ihr ihn von der Nasenspitze ablesen konnte?
„Habe ich recht?“, fragte er.
Sein Lächeln wirkte sympathisch auf sie, seine Stimme auch. Aber da war etwas in seinen Augen, das sie nicht richtig einzuordnen vermochte. Etwas, das irgendwie anders war. Sie hatte kein besseres Wort, um zu beschreiben, was sie empfand. Und das irritierte sie.
Sie blickte unwillkürlich auf seine Hände, die in dunkelbraunen Autofahrerhandschuhen steckten.
„Sie haben recht“, sagte sie. „Ich reise tatsächlich als Handelsvertreterin eines Pharma-Unternehmens kreuz und quer durch das Land und versuche, meine Ware an Drogerieketten und Ärzte zu bringen.“
„Dann könnte man also sagen, Sie sind eine Art Drogendealerin!“
Sie lachte.
„Ja, aber ich handele nur mit legalen Dogen!“
„Natürlich.“
„Aber jetzt haben Sie geschickt vom Thema abgelenkt, Allan.“
„So?“
„Sie wollten mir sagen, woher Sie soviel über mich wussten. Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie Gedankenleser sind und sich Ihr Geld mit Zaubershows verdienen oder so was?“
Der Mann im grauen Anzug lächelte. „Nein, natürlich nicht. Die Wahrheit?“
„Ich bitte darum.“
„Sie haben im Flieger eine Reihe vor mir gesessen und ich konnte nicht umhin, Ihr Gespräch mitzubekommen. Das ist das ganze Geheimnis...“
„In welcher Branche reisen Sie denn?“
„Kann man nicht mit einem Wort umschreiben“, sagte Allan.
Ihr Gespräch plätscherte dahin. Sie nahm noch einen Drink und wurde zunehmend lockerer. Das seltsame Etwas in seinen Augen fiel ihr nicht mehr auf. Sie erzählte von Geschäftsabschlüssen und Beinahe-Abschlüssen und er schien sich tatsächlich für all das zu interessieren.
Später stellten sie fest, dass sie im selben Hotel abgestiegen waren.
„Sie sehen fast so aus, als hätten Sie auch das schon vorher gewusst.“
„Nein“, sagte er. „Wie hätte ich das wissen sollen. Schließlich bin ich ja nun wirklich kein Gedankenleser.“
Aber das war eine Lüge.
Er hatte es sehr wohl vorher gewusst. Er war sogar extra im selben Hotel abgestiegen wie sie.
Irgendwann rief der Mann im grauen Anzug ein Taxi für sie beide.
„Wieso trägt einer, der gar keinen Wagen dabei hat eigentlich Autofahrerhandschuhe, Allan?“
Er wich der Frage aus, indem er sie einfach ignorierte und Sara war nach dem dritten Drink nicht mehr in der Lage dazu, sich genügend zu konzentrieren, um mit der nötigen Hartnäckigkeit eine Antwort einzufordern.
„Kommen Sie noch für einen Kaffee zu mir rauf?“, fragte sie ihn im Foyer.
Er stand etwas steif da mit seinem überkorrekt sitzende Anzug, der sorgfältig gebundenen Krawatte und dem Diplomatenkoffer in der Rechten. Vielleicht reist er für eine Versicherung, dachte sie. Das würde zu ihm passen.
„Ich trinke um diese Zeit keinen Kaffee mehr“, sagte er.
„Na, dann kommen Sie einfach so mit rauf...“
„Gerne.“
Auf dem Flur, an dem ihr Zimmer lag, hatte sie ihre Schritte nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle. Als sie seitlich gegen ihn stieß, spürte sie etwas Hartes unter seinem Jackett.
„Tragen Sie eine Pistole?“
„Nein. Nur ein Handy.“
„Ach so.“
Als sie das Zimmer betraten, schloss Allan gleich die Tür. Sara zog sich gleich die Schuhe aus und murmelte etwas davon, dass die Dinger sie umbringen würden. Sie holte zwei Gläser und warf einen Blick in die Minibar. „Hier ist auch was ohne Alkohol“, sagte sie.
„Danke, ich bin nicht mehr durstig.“
„Sie haben mir immer noch nicht gesagt, weshalb Sie Handschuhe tragen.“
„Das sind spezielle Autofahrerhandschuhe. Gegen den Schweiß am Lenkrad.“
„Aber Sie sind gar nicht mit dem Wagen hier!“
„Ich mag auch sonst keinen Schweiß“, sagte er. „An allem, was Sie anfassen ist menschlicher Schweiß. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht? An jedem Türgriff, an jedem Glas, an jedem...“
„Ach, das ist doch krank, was Sie da sagen.“
Sie hatte sich ihr Glas gefüllt, drehte sich um - und da stand er plötzlich sehr dicht vor ihr.
Der Gegenstand, den er aus der Jackentasche geholt hatte, war weder eine Pistole noch ein Handy.
Es knisterte, als der Mann im grauen Anzug den Schocker aktivierte und ihr an die Schulter drückte. Mit einem dumpfen Geräusch schlug ihr Körper zu Boden. Er wich einen Schritt zurück, damit sie frei fallen konnte, den er wollte auf keinen Fall, dass sie sich in einer letzten, krampfhaften Bewegung an ihm festhielt.
Das Glas zersprang.
Den Koffer hatte Allan auf dem kleinen Tisch abgelegt. Er ging jetzt hin, öffnete ihn und zog anschließend die Spritze auf.
„Du wirst gleich Erleichterung spüren“, sagte er, während ihre weit aufgerissenen Augen ihn anstarrten.
Am nächsten Morgen fanden wir uns im Büro von Mr McKee ein. Unsere Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina waren schon dort, außerdem noch Agent Max Carter, ein Innendienstler aus unserer Fahndungsabteilung.
Die genetischen Untersuchungen der Zigarettenkippen, die am Tatort gefunden worden waren, ließen noch auf sich warten. Wir rechneten frühestens am nächsten Morgen damit. Dafür lag inzwischen ein vorläufiger Obduktionsbericht vor. Dr. Brent Claus hatte bis in die späten Abendstunden noch obduziert. Danach war der Tathergang weitgehend so, wie er bereits ermittelt worden war. Hoffman war durch einen elektrischen Schlag außer Gefecht gesetzt und dann mit einer zweiten Substanz völlig gelähmt worden. Dann war er auf das Bett gelegt und hatte eine zweite – intravenöse – Injektion bekommen.
„Eine sehr seltsame Mordmethode“, sagte ich. „Ich meine, das mit dem Elektroschock verstehe ich noch, aber warum um Himmels Willen hat er dann nicht gleich die tödliche Injektion gesetzt und stattdessen diesen komplizierten Weg gewählt?“
„Er wollte auf Nummer sicher gehen“, lautete Mr McKees Ansicht. „Man kann nicht genau abschätzen, wie lange die Wirkung eines elektrischen Schlages anhält und der Täter wollte wohl unter allen Umständen vermeiden, dass es doch noch zu einem Kampf kommt.“
„Was ihm in diesem Fall ja nicht gelungen ist“, sagte Max Carter. „Wir haben DNA unter den Fingernägeln gefunden. Gegenwärtig wird sie aufbereitet und dann durch den Computer gejagt. Vielleicht landen wir ja einen Treffer. Was die Art der Tat angeht, gibt es auffällige Parallelen zu einem anderen Fall, der die Justiz seit mehreren Jahren beschäftigt. Es geht um den sogenannten Aschenbecher-Killer.“
Max warf den Beamer seines Laptops an, um uns ein paar Tatortfotos zu zeigen. „Der sogenannte Aschenbecher-Killer hinterlässt am Tatort stets ein Gemisch aus Sand, Zigarettenkippen und Asche, das er dort verstreut.“
„Genau wie in diesem Fall!“, stieß ich hervor.
„Richtig.“
„Dann hat der Täter tief in einen dieser Sandkübel gegriffen, in denen man früher als Rauchen noch politisch korrekt war seine Asche und die Stummel lassen konnte“, meinte Milo. „Und das alles vermutlich um uns an der Nase herumzuführen...“
Seit TV-Serien Furore gemacht haben, die die Vorgehensweise des Erkennungsdienstes bis in alle Details veranschaulicht haben, kommt es leider immer häufiger vor, dass Täter bewusst falsche Spuren zu hinterlassen versuchen. Darunter auch fremdes genetisches Material, das die jeweiligen Ermittler in die Irre führen soll. Zigarettenkippen, abgeschnittene Fingernägel, Haar, Blutplasma... Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Täter mindestens genauso viel Aufwand betrieben haben müssen, um irgendwie an dieses irreführende DNA-Material heranzukommen, wie bei der Planung der eigentlichen Tat.
Häufig hat sich das allerdings nicht ausgezahlt, denn was die Täter vergessen, ist, dass auch eine falsche Spur letztlich immer noch eine Spur ist.