Der Pascha (Abenteuerroman) - Frederick Marryat - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Pascha (Abenteuerroman) E-Book

Frederick Marryat

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Frederick Marryats Der Pascha ist ein fesselnder Abenteuerroman, der die Geschichte eines jungen britischen Seemanns erzählt, der im 19. Jahrhundert in die Sklaverei gerät und ein aufregendes Abenteuer im Osmanischen Reich erlebt. Marryats Schreibstil ist dynamisch und mitreißend, und er schafft es, den Leser in die exotische Welt des Orients zu entführen. Der Pascha ist ein Meisterwerk des Abenteuerromans und steht in der Tradition anderer großer Autoren wie Daniel Defoe und Robert Louis Stevenson. Mit seinen detailreichen Beschreibungen und spannungsgeladenen Handlungssträngen zieht das Buch den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frederick Marryat

Der Pascha

(Abenteuerroman)

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0429-8

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Eilftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebenzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Wer mit den Sitten und Gebräuchen des Morgenlandes bekannt ist, weiß auch zugleich, daß keine hohe Stellung wandelbarer und gefährlicher für ihren Besitzer ist, als die eines Pascha. Vielleicht bietet nichts einen überzeugenderen Beweis von der großen Geneigtheit, ein derartiges jeweiliges Ansehen über die Nebenmenschen anzunehmen, als die Gier, nach der Bestallung von dem Sultan wieder fortzukommen, da der hohe Herr, wie sich der Neuangestellte aus seinen eigenen Erlebnissen erinnern kann, ganze Schocke seiner Vorfahren mit der seidenen Schnur heimsuchen ließ. Es gewinnt fast den Anschein, als ob der Despot ein Haupt nur umdeßwillen aus der Menge erhebe, damit es seinem Scimetar einen besseren Schwung biete, wenn er es abhauen will – ein eigentümlicher Geschmack, der nur durch den des Königs von Dahomy überboten wird; denn der Sage nach ließ Letzterer mit jeder wiederkehrenden Sonne die Stufen seines Pallastes mit frischabgetrennten Köpfen zieren, wie wir etwa die Dekoration unserer Parterrezimmer zu erneuern pflegen. Ich mache diese Bemerkungen; damit man mich nicht einer falschen Chronologie beschuldige, wenn ich nicht ganz genau das Jahr oder die Monate angebe, in deren Verlauf ein Geschlecht blühte, das, wie die Blume des Cistus, an dem einen Morgen in voller Pracht dastand, am andern aber leblos auf den Boden gestreut war, um einer nachfolgenden Platz zu machen. Wenn von solchen ephemeren Schöpfungen die Rede ist, so wird es zureichen, wenn ich sage: »es war einmal ein Pascha.« Fragt man nun, durch welche Mittel er zu dieser Bezeichnung erhoben wurde? Eine eitle Neugierde. In dieser Welt läßt sich die Erhöhung über Andere nur dadurch erringen, daß man sie auf der Laufbahn der Tugend oder des Lasters weit hinter sich zurückläßt. Je nach den Neigungen der Herrscher werden treue Dienste auf dem einen oder dem anderen Pfade stets Ehrenstellen auf die betreffende Person niederregnen lassen, die durch den Hauch der Könige soweit erhoben wird, um auf ihre früheren Standesgenossen herabschauen zu können.

Und da die Welt sich einmal im Kreise dreht, so ist das Warum von geringem Belang. Die Ehrenstellen werden vererbt, nicht aber die guten und schlimmen Thaten oder die Talente, durch welche sie gewonnen wurden. An den Letzteren haben wir nur das Interesse des Lebens, denn das Fideikommiß wird durch den Tod abgeschnitten. Der Adel mit allen seinen Abschaltungen ist so nothwendig für den Zusammenhang der Gesellschaft, wie die verschiedenen Grade zwischen dem General und dem gemeinen Soldaten auf dem Schlachtfelde. Man braucht daher nicht zu fragen, warum dieser oder jener über seine Nebenmenschen erhoben wurde; dagegen mögen wir aber, so oft wir zu Bette gehen, dem Himmel danken, daß wir keine Könige sind.

Man erlaube mir die Abschweifung einer Bemerkung. In unsrem Lande gibt es ein Ehrenzeichen, welches ich nie betrachten kann, ohne daß sich ernste Gedanken in meinem Geiste erheben. Ich meine die blutige Hand in dem rechten Wappenschilde eines Baronets, die jetzt allerdings oft genug von solchen getragen wird, welche vielleicht in ihrem ganzen Leben nie ihre Hände im Zorn erhoben. Aber meine Gedanken kehrten zurück zu den Tagen von ehedem – zu den eisernen Tagen der eisernen Männer, als die vorgedachte Devise des Symbol treuen Dienstes im Feld war – als man sie wirklich der in blutgetauchten Hand verlieh; und es fällt mir stets dabei ein, ob diese Hand, welche man auf Erden mit Jubel zur Schau trägt, nicht in der nächsten Welt sich zitternd erheben mag, um sich selbst das Urtheil zu sprechen.

Und ich kann, wenn mein Gedächtnis von einem gesetzlichen Mord zum andern wandert, trockenen Fußes über den weiten Raum von fünf und zwanzig Jahren hingehen; aber die »verdammten Flecken« wollen nicht heraus – so stecke ich denn meine Hände in die Taschen und gehe weiter.

Das Gewissen gestattet uns – ich weiß nicht soll ich glücklicher- oder unglücklicherweise sagen – politische und religiöse Glaubensbekenntnisse zu bilden, wie sie eben am besten geeignet sind, unsre Sünden zu bemänteln. Mein Gewissen ist militärisch, und ich theile die Ansicht von Bates und Williams, welche in der Zeit Heinrichs V. blühten und sich dahin aussprachen, »es gehöre ganz dem König.« Das heißt, damals war es so: aber jetzt ist unsre Constitution so unverzeihlich vollkommen geworden, daß »der König nicht Unrecht thun kann.« Es wird ihm nicht schwer Minister zu finden, die, weil sie sich freiwillig zum Pfande hergeben für alle seine Handlungen in dieser Welt, wahrscheinlich den Klauen des großen Auspfänders in der nächsten nicht entgehen werden – Thatsachen, aus denen ich folgende Schlüsse ziehe: –

Erstens, daß Seine Majestät (Gott segne sie) in den Himmel kommen wird.

Zweitens, daß alle Minister Seiner Majestät zum Teufel fahren müssen;

»Drittens, daß ich – – – in meiner Geschichte fortfahren will.

Da eine Kenntniß der früheren Geschichte unseres Pascha für die Entwickelung unserer Erzählung nothwendig seyn wird, so wollen wir hier den billigen Anforderungen unseres Lesers entsprechen. Er wurde zu dem Berufe eines Barbiers erzogen; da er aber großen persönlichen Muth besaß, so stellte er sich zu Gunsten seines Vorgängers an die Spitze einer Volksbewegung und wurde dafür durch einen bedeutenden Posten in der Armee belohnt. Glücklich im detachirten Dienste, während sein General unglücklich im Felde war, wurde ihm befohlen, seinem Befehlshaber den Kopf abzunehmen und an dessen Statt das Haupt der Truppen zu werden – ein paar Dienstleistungen, die er mit gleicher Geschicklichkeit und Schnelligkeit ausführte. Es ging ihm Alles gut von Statten, und da der Pascha, sein Vorgänger, sowohl in seiner, als in des Sultans Meinung, ungewöhnlich lange Zeit im Amte blieb, so wußte er durch eine Anklage, welcher er durch tausend Beutel Goldes Nachdruck gab, für seinen Wohlthäter eine seidene Schnur zu erringen. Der Firman des Sultan ernannte ihn zu dem erledigten Paschalick. Seine Befähigungen für das Amt bestanden in lauter Superlativen, er war sehr klein, sehr beleibt, sehr unwissend, sehr jähzornig und sehr einfältig.

An dem Morgen nach seinem Amtsantritt befand er sich unter den Händen seines Barbiers, eines schlauen, einsichtsvollen Griechen, Namens Mustapha. Barbiere sind aus vielen Gründen privilegirte Personen. Da sie zu Erringung ihres Lebensunterhaltes von einem Kunden zum anderen laufen, so gewinnen sie auch Unterhaltungsstoff, welcher, so ungebührlich er auch bisweilen seyn mag, doch dazu dient, die Langeweile einer Operation zu kürzen, welche den Gebrauch eines jeden Organes nur nicht den des Ohres ausschließt. Außerdem stehen wir gern in gutem Verhältniße mit einem Manne, in dessen Macht es gegeben ist, uns, so bald es ihm beliebt, die Kehlen abzuschneiden; und schließlich machen die persönliche Freiheiten, welche der vorliegende Beruf mit sich bringt, alles Andere zu einer Kleinigkeit – denn dem Manne, welcher seinen Souverän an der Nase nimmt, kann nicht wohl die Freiheit der Rede verweigert werden.

Mustapha war ein Grieche von Geburt, welcher die ganze Klugheit und Gewandtheit seiner Race geerbt hatte. Er war als Sklave für sein Gewerbe gebildet worden, begleitete aber in einem Alter von neunzehn Jahren seinen Gebieter an Bord eines Kauffahrers, der nach Scio bestimmt war. Dieses Schiff wurde von einem Seeräuber genommen, und Demetrius (denn so hieß sein eigentlicher Name) schloß sich dieser Bande von Elenden an, getreulich seine Lehrzeit im Gurgelschneiden durchmachend, bis das Schiff von einer englischen Fregatte gekapert wurde. Da er eine thätige, verständige Person war, so wurde ihm auf seine Bitte erlaubt, unter die Schiffsmannschaft einzutreten; er machte mehrere Gefechte mit und kam, nachdem er drei Jahre gedient hatte, nach England, wo das Schiff abbezahlt wurde. Eine Zeitlang versuchte Demetrius sein Glück zu machen, aber ohne Erfolg, und erst als er fast seinen letzten Schilling aufgezehrt hatte, begann er einen Hausirhandel mit Rhabarberpulver, das er in Schächtelchen verkaufte. Diese Spekulation erwies sich so einträglich, daß er in kurzer Zeit auf ein Schiff gehen konnte, welches nach seiner Heimath Smyrna bestimmt war. Das Fahrzeug wurde von einem französischem Kaper genommen. Man setzte ihn ans Land und ließ ihn, da man ihn nicht als Gefangenen betrachtete, handeln, wie ihm gutdünkte. Nach kurzer Zeit erhielt er die Stelle eines Kammerdieners und Barbiers bei einem »Millionär,« welchen er um einige hundert Napoleons bestahl, worauf er nach seinem eigenen Lande entfloh. Demetrius hatte nun einige Kenntniße von der Welt gewonnen und sah die Nothwendigkeit, ein wahrer Gläubiger zu werden ein, weil er durch einen derartigen Schritt weit mehr Aussicht hatte, es in einem türkischen Lande vorwärts zu bringen. Er wünschte den Patriarchen zu allen Teufeln und griff zu dem Turban und Mahomed. Dann verließ er den Schauplatz seines Abfalles und begann sein Barbiergewerbe in dem Territorium des Paschas, dessen Geneigtheit er sich zu gewinnen gewußt hatte, noch ehe dieser das Paschalick angetreten.

»Mustapha,« bemerkte der Pascha, »du weißt, daß ich allen denen, welche ihre Pantoffeln an der Thüre des vormaligen Paschas ließen, die Köpfe stutzte.«

»Allah Kebur! Gott ist höchst mächtig! So gehen die Feinde Eurer erhabenen Hoheit zu Grunde. Waren sie nicht die Söhne von Shitan?« versetzte Mustapha.

»Sehr wahr: aber Mustapha, die Folge davon ist, daß es mir an einem Vezier fehlt. Welchen fähigen Mann könnte ich wohl zu diesem Posten befördern?«

»So lange Eure erhabene Hoheit Pascha ist, muß sogar ein Kind dem Amte gewachsen seyn. Wer könnte straucheln, wenn er durch die nicht irrende Weisheit geleitet wird?«

»Ich weiß das recht wohl,« erwiederte der Pascha; »aber wenn ich ihm immer Anweisungen geben sollte, so könnte ich eben so gut selbst Vezier seyn. Und außerdem – wen hätte ich dann, auf den sich die Schuld schieben ließe, wenn die Angelegenheiten schlecht bei dem Sultan gehen? Insch allah! so Gott will, kann der Kopf des Veziers bisweilen meinen eigenen retten.«

»Sind wir nicht blose Hunde vor Euch?« versetzte Mustapha. »Glücklich ist der Mann, der durch das Opfer seines eigenen Kopfes den von Eurer erlauchten Hoheit retten kann! Es müßte der stolzeste Tag seines Lebens seyn.«

»Jedenfalls wäre es auch der letzte,« entgegnete der Pascha.

»Möge Eure durchlauchtigste Hoheit geruhen,« bemerkte Mustapha nach einer Pause – »wenn Euer Sklave so hoch geehrt würde, in Eurer Gegenwart sprechen zu dürfen, so sollte ein Vezier eine Person von großem Takte seyn; er muß die Linie so genau ziehen können, wie ich, wenn ich Euren durchlauchtigen Kopf rasiere – keine Spur eines Haars darf stehen bleiben, während zugleich auch der leichteste Einschnitt in die Haut vermieden werden muß.«

»Sehr wahr, Mustapha.«

»Er muß ein scharfes Auge haben auf diejenigen, welche mit dem Gouvernement unzufrieden sind, sie auswählen und aus dem Volke entfernen wie ich es mit den wenigen weißen Haaren mir erlaube, welche sich in Euren durchlauchtigen und großartigen Bart mischen.«

»Sehr wahr, Mustapha.«

»Er muß sorgfältig alle Unreinigkeiten aus dem Staate entfernen, wie ich es diesen Morgen mit Euren durchlauchtigen Ohren gehalten habe.«

»Ganz richtig, Mustapha.«

»Er muß wohl bekannt seyn mit den geheimen Triebfedern der Bewegungen, etwa so, wie ich es eben bewiesen habe, indem ich Eurer durchlauchtigen Hoheit den Aermel zuerst zupfte.«

»Sehr wahr, Mustapha.«

»Außerdem sollte er Eurer Hoheit stets dankbar seyn für die ausgezeichnete Ehre, die ihm übertragen wurde.«

»Alles dies ist ganz wahr Mustapha; aber wo soll ich einen solchen Mann treffen?«

»Diese Welt ist in einigen Punkten wohl bequem,« fuhr Mustapha fort; »denn wenn man einen Dummkopf oder einen Schurken haben will; so braucht man nicht weit zu gehen. Aber es ist keine leichte Aufgabe, die Person aufzufinden, die Ihr braucht. Ich kenne nur eine einzige.«

»Und wer wäre diese?«

»Jemand, der seinen Kopf nur als Euren Fußschemel betrachtet,« antwortete der Barbier, sich vor dem Pascha niederwerfend. »Eurer durchlauchtigsten Hoheit unterwürfigster Sklave, Mustapha.«

»Heiliger Prophet! So meinst du also dich selbst – na, wenn ich nur die Sache bedenke, so sehe ich nicht ein, warum ein Barbier nicht Vezier werden könnte, da ein anderer Pascha geworden ist. Aber wie soll ich wieder einen Barbier kriegen? Nein, nein, Mustapha – ein guter Vezier ist leicht zu finden; aber du weißt so gut, wie ich, daß zu einem guten Barbier einiges Talent gehört.«

»Euer Sklave sieht dies wohl ein,« versetzte Mustapha; aber er ist in andern Ländern herumgekommen, wo gar nicht selten der Fall eintritt, daß Leute mehr als ein Regierungs-Amt versehen, welche bisweilen weit unverträglicherer mit einander sind, als die Posten eines Barbiers und eines Veziers, die eigentlich in nahem Zusammenhange stehen. Die Angelegenheiten der meisten Nationen werden von den Machthabern während ihrer Toilette bereinigt. So lange ich den Kopf Eurer durchlauchtigen Hoheit rasiere; kann ich Eure Befehle, Anderen die Köpfe abzurasieren, entgegennehmen, und Ihr habt dann Eure Person und Euren Staat zu ein und derselben Zeit in Ordnung gebracht.«

»Sehr wahr, Mustapha. Unter der Bedingung also, daß Du das Amt des Barbiers fortsetzest, habe ich nichts dagegen, Dir auch das eines Veziers zuzuwerfen.«

Mustapha warf sich, sein Bestecke in der Hand, abermals zur Erde, stand dann wieder auf und setzte seine Verrichtung fort.

»Du kannst schreiben, Mustapha?« bemerkte der Pascha nach einem kurzen Schweigen.

»Min Allah! Gott verhüte, daß ich etwas der Art zugestehen müßte; denn ich würde mich dann für ganz unpassend halten, das Amt zu übernehmen, mit welchem mich Eure durchlauchtige Hoheit bekleidet hat.«

»Obschon es unnöthig für mich ist, habe ich doch geglaubt, es dürfte von einem Vezier gefordert werden,« bemerkte der Pascha.

»Lesen mag nöthig seyn, wie ich zugeben will,« erwiederte Mustapha; »aber ich getraue mir, Eurer Hoheit bald den Beweis zu liefern, daß Schreiben eben so gefährlich, als nutzlos ist. Durch diese unglückselige Kunst sind mehr Menschen zu Grunde gerichtet worden, als durch irgend eine andere. Sie ist nicht nur gefährlich für Alle, sondern insbesondere gefährlich für Männer, welche mit hoher Gewalt bekleidet sind. Eure durchlauchtige Hoheit schickt zum Beispiel eine schriftliche Depesche ab, welche schlimme Aufnahme findet und gegen Euch vorgelegt wird. Wäre der Auftrag mündlich ausgerichtet worden, so könntet Ihr ihn abläugnen und dem Tartaren, welcher sie überbrachte, zum Beweis Eurer Aufrichtigkeit eine Bastonade ertheilen lassen, bis er auf dem Platze bleibt.«

»Sehr wahr, Mustapha.«

»Der Großvater Eures Sklaven,« fuhr der Barbier-Vezier fort, »war Generaleinnehmer im Zollhause und gerieth stets in Wuth, wenn er sich genöthigt sah, die Feder aufzunehmen. Er hielt sich an das Glaubensbekenntniß, daß keine Regierung gedeihen könne, wenn das Schreiben allgemein in Brauch komme. ›Gib Acht, Mustapha‹ sagte er eines Tages zu mir, ›welch' ein Fluch in dem Schreiben liegt. Für alles Geld, welches einbezahlt wird, muß ich eine Quittung geben. Was ist die Folge davon? Daß die Regierung jedes Jahr viele tausend Zecchinen verliert, denn wenn ich die Leuten um nochmalige Zahlung angehe, weisen sie ihre Quittung vor. Wenn nun diese verfluchte Erfindung des Schreibens nicht wäre – Insh-allah! so hätten sie zweimal wo nicht gar dreimal zahlen müssen. ›Merke dir's wohl, Mustapha‹ fuhr er fort, ›daß Lesen und Schreiben nur Hemmeblöcke an den Rädern der Regierung sind.‹«

»Sehr wahr, Mustapha,« bemerkte der Pascha. »Wir wollen also nichts vom Schreiben wissen.«

»Ja, Eure durchlauchtige Hoheit – alles Schriftliche muß von Andern kommen, aber nichts von uns selbst. Ich habe einen jungen griechischen Sklaven, der sich in derartigen Sachen verwenden läßt. Er liest gut. Ich habe ihn letzter Zeit damit beauftragt, mir die Mährchen von tausend und Einer Nacht vorzulesen.«

»Mährchen?« rief der Pascha. »Von was handeln sie? Ich habe nie etwas davon gehört und bin ein großer Freund von Mährchen.«

»Wenn Eure durchlauchtige Hoheit geruhen wollen, diese Mährchen anzuhören, so wird der Sklave Eurer Befehle gewärtig seyn,« entgegnete der Vezier.

»Bring' ihn diesen Abend Mustapha; wir wollen eine Pfeife rauchen und zuhören. Ich bin ein großer Freund von Mährchen – sie bringen mich stets in einen sanften Schlaf.«

Das Geschäft des Tages wurde durch die beiden quondam Barbiere mit bewunderungswürdiger Genauigkeit und Eile abgethan; sie bewiesen damit, wie leicht es wäre, zu herrschen, wenn es nicht »die drei Stände« gäbe, um die Leute zu verwirren. Sie saßen in dem Divan gleich Räubern an der Landstraße, und bei Allen, die sich blicken ließen, hieß es: »deine Börse oder Dein Leben!«

Um die gewöhnliche Stunde brach der Hof auf, die Wachen zogen sich zurück, das Geld wurde in den Schatz gebracht, der Henker wischte sein Schwerdt ab, und die Unterthanen des Pascha's wiegten sich in vergleichungsweiser Sicherheit, bis die Angelegenheiten des Landes am folgenden Tage wieder zur Verhandlung kommen sollten.

In Gemäßheit des von dem Pascha ausgedrückten Wunsches erschien Mustapha Nachmittags mit dem jungen griechischen Sklaven. Der neue Vezier hatte auf einem Kissen zu den Füßen des Pascha's Platz genommen; die Pfeifen wurden angezündet und der Sklave erhielt die Weisung, in seinem Geschäfte zu beginnen.

Der Grieche war bei dem Ende der ersten Nacht angelangt in welcher Sherezade ihr Mährchen beginnt und der Sultan welcher das Ende derselben zu hören wünscht, ihre Hinrichtung auf den folgenden Tag verschiebt.

»Halt,« rief der Pascha die Pfeife aus seinem Munde nehmend; »Wie lang vor Tagesanbruch weckte diese Person ihre Schwester?«

»Ungefähr eine halbe Stunde, durchlauchtige Hoheit.«

»Wallah! ist das Alles, was sie von ihrem Mährlein in einer halben Stunde erzählen konnte? In meinem Harem ist nicht ein einziges Weib, welches nicht eben so viel in fünf Minuten hätte sagen können.«

Der Pascha erbaute sich so sehr an den Mährchen, daß er sich nicht ein einzigesmal zum Schlafe geneigt fühlte; im Gegentheile sah sich der griechische Sklave genöthigt, jeden Nachmittag zu lesen, bis seine Beine so müd waren, daß er kaum mehr stehen konnte, und seine Lunge ihm fast den Dienst versagte. Das Buch war deßhalb bald durchgemacht, und da Mustapha keine weiteren Mährlein beizuschaffen wußte, so wurden die alten zum zweiten Male gelesen. Dann aber empfand der Pascha den Mangel an Abendunterhaltung empfindlich. Er wußte anfangs nicht, wie er die Zeit hinbringen sollte, wurde dann hypochondrisch und zuletzt so reizbar, daß sogar Mustapha sich ihm zu Zeiten nicht ohne Angst näherte.

»Ich habe nachgedacht,« bemerkte der Pascha eines Morgens, als er sich eben unter Mustapha's Barbierhänden befand, »daß es mir wohl eben so leicht werden müßte, meine eigene Mährchenerzähler zu haben, wie dem Kalifen in den arabischen Nächten.«

»Es wundert mich nicht, daß Eure Hoheit Verlangen darnach tragen. Diese Mährchen gleichen dem Opium der Thereakis; sie erfüllen die Seele für den Augenblick mit entzückenden Gesichten, lassen aber, wenn die Wirkung vorüber ist, durch den Ueberreiz eine Lähmung zurück. Wie gedenken Eure durchlauchtige Hoheit diesen Zweck zu erreichen, und in welcher Weise kann Euch Euer Sklave für Eure Wünsche behülflich seyn?«

»Ich werde es ohne Beistand einzuleiten wissen. Komm diesen Abend, Mustapha, und Du wirst es sehen.«

Mustapha erschien dem Auftrage gemäß. Der Pascha rauchte eine Weile seine Pfeife und schien mit sich selbst zu Rathe zu gehen. Dann legte er seinen Rauchapparat nieder, schlug in die Hände und befahl einem der Sklaven, seiner Favoritin Zeinab zu melden, daß er ihre Gegenwart wünsche.«

Zeinab trat mit niedergelassenem Schleier ein.

»Deine Sklavin harrt der Befehle ihres Herrn.«

»Zeinab,« sagte der Pascha; »liebst Du mich?

»Bete ich nicht den Staub an, auf den der Fuß meines Gebieters tritt?«

»Sehr wahr – dann habe ich also eine Gunst zu erbitten – merke auf, Zeinab – es ist mein Wunsch, daß« – hier that der Pascha einige Züge aus seiner Pfeife – »die Sache verhält sich nämlich so – ich verlange von dir, daß du meinen Harem so bald als möglich entehrest.«

»Wallah sel Nebi!! – Bei Allah und dem Propheten! Deine Hoheit ist heute Abend in einer heiteren Laune,« versetzte Zeinab, indem sie sich umwandte um das Gemach zu verlassen.

»Im Gegentheile, es ist mir völliger Ernst, und ich erwarte, daß du meinen Wünschen willfahren wirst.«

»Ist mein Gebieter von Sinnen, oder hat er zu reichlich geschwelgt in dem Safte der Traube, den unser Prophet verboten hat? Allah Kebur! Gott ist höchst gewaltig – man muß nach dem Hakim schicken.«

»Willst du thun, wie ich dir befehle?« sagte der Pascha zornig.

»Hat mein Herr nach seiner Sklavin geschickt, um sie zu kränken? Mein Blut wird wie Wasser bei dem schrecklichen Gedanken. Den Harem entehren! Min Allah! Gott verhüte! Würde da nicht schnell der Eunuch bereit seyn und der Sack?«

»Allerdings, ich gebe es zu – aber dennoch muß es geschehen.«

»Es soll nicht geschehen,« versetzte die Dame. »Ist mein Herr vom Himmel heimgesucht worden oder von dem Shitan besessen?«

Und die Dame brach in Thränen der Wuth und des Aergers aus, als sie das Gemach verließ.

»Da haben wir die Halsstarrigkeit – Weiber sind nichts als Widerspruch. Will man sie treu haben, so versuchen sie Tag und Nacht, Einen zu täuschen; giebt man aber ihren Begierden Raum und sagt ihnen, sie sollen falsch seyn, so weigern sie sich. Alles war so gut eingeleitet – ich hätte Allen können die Köpfe abschneiden lassen und jede Nacht ein frisches Weib gehabt, bis mir eine in den Wurf gekommen wäre, die Mährchen erzählen konnte. Denn würde ich aufgestanden seyn und ihre Hinrichtung auf den folgenden Tag verschoben haben.«

Mustapha, welcher über den sonderbaren Einfall des Pascha's in's Fäustchen gelacht hatte, wurde demungeachtet nicht wenig unruhig; denn er bemerkte in der festgewurzelten Manie seines Gebieters, daß das Ergebniß sogar für ihn selbst unangenehm ausfallen könnte, wenn er derselben nicht Befriedigung schaffte. Da fiel ihm ein Mittel ein, die Wünsche des Pascha's zu erfüllen, ohne daß zu so gewaltsamen Maßregeln geschritten werden mußte. Er wartete eine Weile, bis sich die Glut des Zorns und Aergers im Gesichte des Pascha's gelegt hatte, und redete ihn dann folgendermaßen an:

»Der Plan Eurer durchlauchtigen Hoheit war so, wie er sich von Eurer unendlichen Weisheit erwarten ließ; aber hat nicht der Prophet gesagt, daß auch die weisesten Männer nur zu oft in der Thorheit und dem Starrsinn des andern Geschlechts Widerspruch finden? Möge es Eurem Sklaven erlaubt seyn, zu bemerken, daß der Kalif Harun und sein Vezier Meßrur viele sehr schöne Mährchen erfuhren, als sie verkleidet durch die Stadt gingen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ließe sich ein ähnliches Resultat erzielen, wenn Eure Hoheit, von den niedrigsten Eurer Sklaven Mustapha begleitet, denselben Schritt einschlagen wollten.«

»Sehr wahr,« versetzte der Pascha, hoch entzückt über diese Aussicht. »Halte ein paar Verkleidungen bereit, und wir wollen in weniger als einer Stunde aufbrechen. Insh-Allah! so es dem Herrn beliebt, haben wir endlich den rechten Weg aufgefunden!«

Mustapha war nicht wenig erfreut, die Ideen des Pascha in einem harmloseren Kanal abgeleitet zu haben, und besorgte zwei Kaufmannsanzüge, weil dies die gewöhnlichen Verkleidungen waren, in denen der Kalif und sein Vezier in Tausend und einer Nacht auszuziehen pflegten; denn er bemerkte wohl, daß die Eitelkeit seines Gebieters sich geschmeichelt fühlen würde durch den Gedanken, eine so berühmte Person nachzuahmen.

Es war bereits dunkel, als sie ihre Abenteuer antraten. Mustapha hatte einigen Sklaven die Weisung ertheilt, ihnen wohl bewaffnet in einiger Entfernung zu folgen, um im Nothfalle mit ihrem Beistande zur Hand zu seyn. Die gemessenen Befehle, welche der neue Pascha bei seinem Amtsantritte erlassen hatte, um Tumulten und Volksaufständen vorzubeugen, wurden durch beharrliche Soldaten Patrouillen eingeschärft, und die Straßen waren daher ganz verlassen.

Eine Zeitlang gingen der Pascha und Mustapha die eine Straße hinauf und die andere hinunter, ohne auf etwas zu treffen, was ihren Wünschen entsprach. Ersterer, der sich in der letzten Zeit nicht viel mit Bewegung zu Fuß bemüht hatte, begann schon zu keuchen und Merkmale von Verdruß und Müdigkeit an den Tag zu legen, als sie an der Ecke einer Straße auf zwei Männer trafen, welche im Gespräche da saßen. Wie sie sich ebendenselben leise näherten, bemerkte der Eine gegen den Andern:

»Ich sage Dir, Coja, glücklich ist der Mensch, dem stets eine harte Kruste, wie diese, die nun meine Zähne abnützt, zu Gebot steht.«

»Ich muß den Grund dieser Bemerkung kennen lernen,« flüsterte der Pascha. »Meßrur – Mustapha, wollte ich sagen – du wirst mir morgen, nachdem der Divan geschlossen ist, diesen Mann bringen.«

Mustapha verbeugte sich unterwürfig, befahl den nachfolgenden Sklaven, den Mann in Haft zu nehmen und folgte dem Pascha nach, welcher, von der ungewöhnlichen Anstrengung erschöpft und durch die Aussicht auf einen endlichen Erfolg zufrieden gestellt, seine Schritte jetzt dem Palaste zulenkte und sich zu Bette begab. Zeinab, welche wach da gelegen hatte, bis sie die Augen nicht mehr offen halten konnte, um der durchlauchtigen Hoheit mit einer Vorlesung über Anstand und Nüchternheit zuzusetzen, war zuletzt eingeschlafen, und der müde Pascha konnte daher ungestört ein Gleiches thun.

Als Mustapha in seiner Wohnung anlangte, ließ er den verhafteten Mann vor sich beugen.

»Mein guter Mann,« begann der Vezier, »du hast diesen Abend eine Bemerkung fallen lassen, welche Seine Hoheit der Pascha mitanhörte. Er wünscht nun zu erfahren, was dich zu der Aeußerung veranlaßte, »glücklich sey der Mann, dem stets eine harte Kruste wie derjenige zu Gebote stehe, die nun deine Zahne abnütze.«

Der Mann fiel zitternd auf seine Kniee nieder und entgegnete mit stockender Stimme:

»Ich betheure Eurer Hoheit bei dem Kameele des heiligen Propheten, daß mir dabei weder Hochverrath noch Mißvergnügen gegen die Regierung zu Sinne kam.«

»Sklave! davon bin ich nicht ganz überzeugt,« versetzte Mustapha mit strenger Miene, indem er hoffte, durch Einschüchterung den Mann willfährig zu Eingehung auf seine Wünsche zu machen. »Es lag etwas sehr Räthselhaftes in diesen Worten. Unter deiner › harten Kruste‹ kannst du Seine durchlauchtige Hoheit den Pascha verstehen, und das › Abnützen der Zähne‹ geht vielleicht auf die scharfen Maßregeln der Regierung. Da du ferner behauptet hast, glücklich sey der Mann, dem die harte Kruste zu Gebot stehe, so kann darin wohl der Sinn liegen, daß du mit Freuden eine Rebellion anfangen würdest.«

»Heiliger Prophet! Möge die Seele Eures Sklaven nie in den ersten Himmel eingehen,« rief der Mann, »wenn er je etwas Andres meinte, als was er sagte. Und wenn Eure Hoheit so oft ohne Mundvoll Brod gewesen wären, wie Euer Sklave, so würdet Ihr in die Wahrheit der Bemerkung einstimmen.«

»Es ist von wenig Belang, ob ich mit Dir einstimme, oder nicht,« erwiederte der Vezier. »Ich habe Dir nur zu sagen, daß Seine durchlauchtige Hoheit, der Pascha nicht zufrieden seyn wird, wenn Du deine Bemerkungen nicht durch ein damit zusammenhängendes Mährchen erklärst.«

»Min Allah! Gott verhüte, daß Euer Sklave ein Mährlein erzählen sollte, um Seine Hoheit zu täuschen.«

»Der Herr habe Erbarmen mit Dir, wenn Du es nicht thust,« entgegnete der Vezier. »Aber, um kurz zu seyn, wenn Du ein gutes und interessantes Mährlein erfinden und so den Argwohn des Pascha beseitigen kannst, so wirst Du wahrscheinlich mit einigen Geldstücken belohnt werden ; andernfalls aber mußt Du Dich auf die Bastonade oder gar auf den Tod gefaßt halten. Du wirst nicht vor Morgen Nachmittag vor der durchlauchtigen Hoheit zu erscheinen haben; es bleibt Dir daher noch hinreichend Zeit, etwas zu erfinden.«

»Wollen Eure Hoheit Eurem Sklaven erlauben, nach Haus zu gehen und sein Weib um Rath zu fragen? Weiber haben großes Talent für's Mährchenerzählen. Mit ihrem Beistand könnte es mir gelingen, Euren Einschärfungen nachzukommen.«

»Nein,« erwiederte Mustapha; »Du mußt in Haft bleiben. Aber da sie Dir in dieser Sache wahrscheinlich am besten an die Hand gehen kann, so magst Du nach ihr schicken. Weiber haben allerdings ein Talent! Wie das junge Krokodil instinktgemäß in den Nil läuft, sobald es die Schaale seines Eis zerbrochen hat, so neigt sich das Weib von Natur aus zur Täuschung, noch ehe ihre Zunge den Lügen, welche ihre fruchtbare Einbildungskraft ersinnt, Worte leihen kann.«

Mit diesem schönen Compliment gegen das zartere Geschlecht ertheilte Mustapha seine Schlußbefehle und begab sich zur Ruhe.

Ob der unglückliche, des Verraths beschuldigte Mann aus dem ihm verwilligten »Anwalte« Nutzen zog, wird aus folgender Geschichte erhalten, welche am anderen Tage dem Pascha erzählt wurde.

Die Erzählung des Kameeltreibers.

Daß Eure Hoheit eine Erklärung wünscht über die sehr zweideutige Bemerkung, die Ihr gestern Nacht mit anhörtet, nimmt mich nicht Wunder; ich hoffe aber, Ihr werdet sie vollkommen gerechtfertigt finden, wenn ich meine Erzählung zu Ende gebracht habe. Wie mein Anzug bekundet, bin ich ein Fellah dieses Landes, obschon ich nicht immer so arm war, als ich jetzt bin. Mein Vater besaß viele Kameele, welche er an die Kaufleute der verschiedenen Karavanen, die alljährlich von dieser Stadt ausziehen, vermiethete. Als er starb, kam ich in den Besitz seines Eigenthums und der Kundschaft, welche er auf's Treueste bedient hatte. Die Folge davon war, daß ich volle Beschäftigung fand; meine Kameele waren stets verliehen, und da ich sie immer begleitete, damit sie keine üble Behandlung erführen, so bin ich auch mehreremale nach Mecca gekommen, wie dieser zerlumpte, grüne Turban bezeugen wird. Mein Leben bestand aus einer Abwechselung von Mühsal und Glück. Nach den Leiden und der Entbehrung meiner Reisen kehrte ich entzückt zu Weib und Kindern zurück und lernte in ihrem Kreise während der kurzen Zeit, die mir von meinem Geschäfte frei blieb, den vollen Werth meiner Heimath würdigen. Ich ließ mir's sauer werden und wurde reich.

Einmal, während eines beschwerlichen Marsches durch die Wüste, brachte eines meiner werthvollsten Kameele ein Junges. Anfangs wollte ich das Fohlen seinem Schicksal überlassen, da meine Kameele bereits viel gelitten hatten; als ich es aber näher untersuchte, zeigte das junge Thier eine solche Kraft und Symmetrie, daß ich beschloß, es aufzuziehen. Ich theilte daher eine halbe Kameellast unter die andern Kameele und band das Fohlen auf das eine Thier, welches ich zu diesem Zwecke theilweise erleichtert hatte. Wir langten wohlbehalten zu Kairo an, und wie das Fohlen heranwuchs, hatte ich mehr als je Grund, mich darüber zu freuen, daß ich sein Leben gerettet hatte. Alle Sachverständigen betrachteten es als ein wahres Wunder von Schönheit und Kraft und prophezeiten, es werde eines Tages zu dem heiligen Kameele erwählt werden, welches in der Pilgerfahrt nach Mecca den Koran zu tragen habe. Dies traf auch fünf Jahre später ein, während welcher Zeit ich die Caravanen wie zuvor begleitete und meinen Reichthum jedes Jahr vergrößerte.

Mein Kameel hatte inzwischen seine größte Vollkommenheit erreicht. Es war fast drei Fuß höher, als jedes andere, und als die Caravane vorbereitet wurde, führte ich es zu den Sheiks, um es als Candidaten für die Ehre anzubieten. Sie würden es auch augenblicklich angenommen haben, wenn nicht ein Marabut, welcher es aus dem einen oder dem andern Grunde nicht verwendet wissen wollte, die Behauptung aufgestellt hatte, die Caravane werde unglücklich seyn, wenn mein Kameel den heiligen Koran trage.

Da man den Mann für einen Propheten hielt, so scheuten sich die Sheiks und wollten keine entschiedene Antwort geben. Aufgebracht über diese Einmengung schimpfte ich auf den Marabut, der nun ein Geschrei gegen mich erhob, und da sich ihm das Volk anschloß, so wurde ich beinahe umgebracht. Wie ich hinwegeilte, warf mir der Elende eine Handvoll Sand nach und rief: »so soll die Caravane zu Grunde gehen durch das Gericht des Himmels, wenn diesem verfluchten Kameel gestattet wird, das heilige Wort des Propheten zu tragen.« Die Folge davon war, daß man ein schlechteres Kameel auswählte und ich in meiner Hoffnung getäuscht wurde. Im folgenden Jahre aber war der Marabut nicht zu Kairo, und da kein Thier dem meinigen an Schönheit glich, so wurde es von den Sheiks einmüthig gewählt.

Hocherfreut über mein gutes Glück, von dem ich hoffte, es werde Segen über mein Haus bringen, kehrte ich zu meinem Weibe zurück. Sie war gleichfalls erfreut und auch mein schönes Kameel schien der Ehre, zu welcher es bestimmt war, bewußt zu seyn, denn es erwiederte unsere Liebkosungen, indem es, den langen Hals krümmend und drehend, seinen Kopf auf unsre Schulter legte.

Die Caravane versammelte sich. Es war die größte, welche seit vielen Jahren Kairo verlassen hatte, da sie im Ganzen aus achtzehntausend Kameelen bestand. Ihr könnt Euch den Stolz denken, mit welchem ich, als die Prozession durch die Straßen zog, meinem Weibe das herrliche Thier mit dem Gold- und Juwelenzügel zeigte, wie es von den heiligen Sheiks in, ihrer grünen Kleidung geführt wurde und auf seinem Rücken die Kiste trug, welche daß Gesetz unsres Propheten enthielt. Es sah sich Weiterziehen stolz nach allen Seiten um, während hinter ihm Musik und der laute Chor der singenden Männer und Weiber erscholl.

Da sich am anderen Tage die Caravane vor der Stadt aufstellen sollte, so kehrte ich zu meiner Familie zurück, um mich bis auf den letzten Augenblick ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Meine übrigen Kameele, welche von den Pilgrimen gemiethet waren, überließ ich der Obhut eines Gehülfen, der mich auf meinen Reisen zu begleiten pflegte. Am andern Morgen sagte ich meinem Weibe und meinen Kindern Lebewohl. Ich wollte das Haus verlassen, als mein jüngstes Kind, welches ungefähr zwei Jahre alt war, mir zurief; es bat mich, einen Augenblick zurückzukehren und ihm eine Abschieds- Liebkosung zu geben. Als ich das Mädchen auf den Arm. nahm, fuhr es wie gewöhnlich mit der Hand in meine Tasche, um, wie ich meinte, nach der Frucht zu langen, die ich ihm gewöhnlich mitbrachte, wenn ich von dem Bazar zurückkehrte. Es war aber nichts vorhanden, und nachdem ich sie ihrer Mutter zurückgegeben hatte, eilte ich hinweg, um nicht zu spät auf meinem Posten einzutreffen. Ich muß nun Euer Hoheit mittheilen, daß wir nicht hintereinander zogen, wie die meisten, Caravanen thun, sondern in einer geraden Linie, Seite an Seite. Die nöthigen Vorbereitungen nahmen den ganzen Tag vor dem Antritt unserer Reise in Anspruch, und letztere fand unmittelbar nach Sonnenuntergang statt. Wir brachen denselben Abend auf und langten nach einem Marsch von zwei Nächten zu Ascheroth an, wo wir drei Tage blieben, um von Suez Wasservorrath beizuschaffen und die Thiere zu erfrischen, ehe wir unsern Weg durch die Wüste el Teih antraten.

Am letzten Tage unserer Ruhe, als ich eben meine Pfeife rauchte und meine Kameele um mich her knieten, sah ich ein Herie Ein schnelles Dromedar. schnellen Laufs aus der Richtung von Kairo kommen. Es flog wie ein Blitz an mir vorbei; aber dennoch hatte ich noch hinreichend Zeit, in seinem Reiter den Marabut zu erkennen, welcher bei der Pilgerfahrt des vorigen Jahres Unheil prophezeit hatte, wenn mein Kameel zum Tragen des Koran verwendet würde. Der Marabut ließ sein Dromedar an dem Zelte des Emirs Hadschi, welcher die Caravane befehligte, Halt machen. Begierig, den Grund zu erfahren, warum er uns gefolgt war, und in einer schlimmen Verahnung, daß sein Erscheinen auf mein Kameel Bezug habe, eilte ich nach dem Platze. Da fand ich nun, wie er den Emir und das umstehende Volk bearbeitete, indem er der ganzen Caravane Weh und Tod ankündigte, wenn mein Kameel nicht augenblicklich umgebracht und ein anderes an seiner Statt gewählt werde. Nachdem er eine Weile in so energischer Weise deklamirt hatte, daß sich durch das ganze Lager Bestürzung verbreitete, wandte er sein Dromedar wieder gen Westen und war nach einigen Minuten außer Sicht.

Der Emir wußte nicht, was er thun sollte. Unter dem Volke kam es nun zu Gemurmel und Beratungen. Ich fürchtete man würde den Andeutungen des Emirs Gehör schenken, und da ich mein Kameel nicht zum Opfer bringen und die ihm übertragene Ehre nicht aufgeben wollte, so machte ich mich einer Lüge schuldig.

»O Emir,« sagte ich, »höre nicht auf diesen Mann, der mein Feind ist. Er kam in mein Haus, aß von meinem Brode und machte sich des schnödesten Undanks schuldig, indem er die Mutter meiner Kinder zu verführen suchte. Ich trieb ihn von meiner Thüre, und jetzt möchte er sich gerne an mir rächen. Möge es mir und der Karavane so ergehen, wie ich die Wahrheit spreche!«

Meine Angabe fand Glauben. Man achtete nichts auf die Warnungen des Marabut, und in derselben Nacht traten wir unsern Marsch durch die Ebene von el Teih an.

Da Eure Hoheit die Pilgerfahrt noch nicht gemacht hat, so könnt Ihr Euch keine Vorstellung von dem Lande bilden, das wir nun zu durchziehen hatten. Es war eine einzige endlose Sandwüste, wo die Spuren der darüber Wandernden von dem Winde ausgelöscht wurden – ein weites Meer ohne Wasser – eine unabsehbare Fläche der Verödung. Wir drangen in die Wüste, und da die ungeheure Anzahl Thiere, welche sich so weit ausdehnte, als das Auge reichte, lautlos weiter zog, so gewann es den Anschein, als bewegten sich Gespenster dahin.

Trotz der Prophezeiungen des Marabut begegnete uns kein Unfall. Wir langten nach sieben Nachtmärschen wohlbehalten zu Nakhel an, wo wir unsere leeren Wasserschläuche wieder füllten. Als ich mit meinen Bekannten an dem Brunnen zusammentraf, scherzten sie mit mir über die falschen Prophezeiungen meines Feindes. Indeß hatten wir noch immer drei erschöpfende Tagmärsche vor uns, ehe wir das Schloß Akaba erreichten, und so begann denn wieder die beschwerliche Reise. Am Morgen des zweiten Tages, ungefähr eine Stunde, nachdem wir unsere Zelte eingeschlagen hatten, traf die verhängnißvolle Prophezeihung des Marabut ein, und Allahs Gericht ging wegen der Lüge, zu deren Bezeugung ich seinen Namen aufgerufen, an mir in Erfüllung.

Eine dunkle Wolke zeigte sich über dem Horizont, die allmählig größer wurde und eine hellgelbe Farbe annahm: Sie hob und hob sich, bis sie die eine Hälfte des Firmaments bedeckt hatte; dann brach plötzlich ein Orkan gegen uns los, der Alles vor sich hinfegte, ganze Sandberge aufhub und sie auf unsere zum Opfer geweihte Häupter schleuderte. Das prachtvolle Zelt des Emirs, auf welches der Windstoß zuerst traf, flog mit der Schnelligkeit des Herie an mir vorbei, während Alles Andere entweder dem Boden gleich gemacht oder in die Luft geschleudert wurde, wo es in wilden Kreisen umherwirbelte. Bewegliche Sandsäulen gingen über uns hin und erstickten Menschen und Vieh. Die Kameele steckten ihre Nasen in den Boden, und ihren Instinkt zum Muster nehmend, thaten wir das Gleiche, in stummem Zittern unserer Geschicke entgegensehend. Aber der Samum hatte noch nicht alle seine Schrecken über uns ausgegossen. Nach einigen Minuten ließ sich nichts mehr unterscheiden. Alles war dunkel – eine schreckliche Finsterniß, die noch schauervoller wurde durch das Rasen sterbender Menschen, das Geschrei der Weiber und das tolle Rennen von Pferden und anderen Thieren, welche ihre Stricke zerrißen und in ihren Bemühungen, der überwältigenden Wuth des Wüstensturmes zu entkommen, tausende niedertraten.

Ich hatte mich neben einem meiner Kameele niedergelegt, den Kopf unter dessen Seite gesteckt, und erwartete meinen Tod mit dem ganzen Entsetzen eines Menschen, welcher fühlt, daß er mit Recht vom Zorne des Himmels betroffen wird. Eine Stunde blieb ich in dieser Lage, und gewiß können die Schmerzen der Hölle nicht größer sehn, als diejenigen, welche ich in jenen Augenblicken empfand. Der brennende Sand wühlte sich in meine Kleider, die Poren meiner Haut wurden verschlossen, und ich wagte es kaum, die heiße Gluth zu athmen, welche sich mir als das einzige Mittel zur Verlängerung meines Daseyns darbot. Endlich konnte ich freier Athem holen, und von dem Geheul des Sturmes war nichts mehr zu hören. Allmählig erhob ich mein Haupt; aber meine Augen hatten ihre Sehkraft verloren – ich konnte nichts mehr unterscheiden, als ein grelles Gelb. Ich meinte, erblindet zu seyn, und welche Aussicht konnte ein Blinder in der Wüste von el Teih haben? Abermals legte ich mein Haupt nieder, dachte an Weib und Kinder und überließ mich unter bitterlichem Weinen der Verzweiflung.

Die Thränen übten eine belebende Wirkung auf meinen Körper. Ich fühlte neue Kraft in mir und erhob mein Haupt abermals – ich konnte sehen! In demüthigem Danke gegen Allah warf ich mich auf die Erde und stand dann wieder auf. Ja, ich konnte sehen – aber welch' ein Anblick bot sich meinen Augen! Wie würde ich Allah gedankt haben, wenn ich sie hätte für immer schließen können! Der Himmel war wieder heiter und die endlose Fernsicht so ununterbrochen, wie zuvor; aber wo befanden sich die Tausende, die mich begleitet hatten, die herrliche Reihe von Menschen und Thieren? Wo waren der Emir Hadschi und seine Garde? wo die Mamelucken, die Agas, die Janitscharen und die heiligen Sheiks – das heilige Kameel, die Sänger und Musiker – die Menschen aus verschiedenen Völkern und Stämmen, die sich der Caravane angeschlossen hatten? – Alle zu Grunde gegangen!! Berge von Sand bezeichneten die Stellen, wo sie begraben lagen, ohne daß sich andere Monumente blicken ließen, als da und dort die Theile eines menschlichen Körpers oder eines Thierleibes, welcher nicht von den Wellen der Wüste bedeckt wurde. Alle, alle waren dahin – bis auf Einen; und dieser Eine, der einzige Schuldige – war ich selbst. Mir war es gestattet worden, zu leben, damit ich Zeuge sein möge des entsetzlichen Unglückes, welches ich durch meine Vermessenheit und meine Sünde herbeigeführt hatte.

Einige Minuten betrachtete ich die Scene mit verzweifelnder Gleichgültigkeit, denn ich glaubte, ich sey blos verschont geblieben, um eines noch schrecklicheren Todes zu sterben. Aber mein Weib und meine Kinder traten vor mein geistiges Auge, und um ihretwillen beschloß ich, wo möglich mein Leben zu retten, welches keine andere Bande mehr an diese Erde feßelten. Ich riß ein Stück von meinem Turban ab, reinigte meine blutigen Nasenlöcher von dem Sande und ging über das Feld des Todes.

Zwischen den verschiedenen Hügeln fand ich mehrere Kameele, welche der Sand nicht zugedeckt hatte. Ich bemerkte einen Wasserschlauch und stürzte darauf zu, um meinen brennenden Durst zu stillen; aber der Inhalt war vertrocknet – kein Tropfen übrig geblieben. Ich fand einen zweiten, aber der Erfolg war nicht besser. Nun beschloß ich, einem der Kameele den Leib zu öffnen und mir zudem Wasser zu verhelfen, welches sich vielleicht noch in dessen Magen befand. Nachdem ich in dieser Weise meinen Durst gelöscht hatte – denn sogar das erhitzte Element, welches ich hinuntergoß, brachte mir eine entzückende Labung – beeilte ich mich, ehe die Fäulniß einträte, eine gleiche Verrichtung an den übrigen Thieren vorzunehmen und die spärlichen Vorräthe in den Wasserschlauch zu sammeln. So füllte ich meinen Schlauch mehr als zur Hälfte und kehrte dann zu meinem eigenen Kameel zurück, an dessen Seite ich während des Samums gelegen hatte. Ich setzte mich auf den Körper des Thieres und stellte Betrachtungen an, was ich jetzt wohl am besten vornehmen könne. Es war mir bekannt, daß ich nur eine Tagreise von den Quellen entfernt war; aber wie wenig Aussicht hatte ich, sie zu erreichen! Ich wußte auch, welche Richtung ich einschlagen mußte. Der Tag war beinahe zu Ende, und ich beschloß den Versuch zu machen.

Sobald die Sonne verschwunden war, stand ich auf und trat, den Wasserschlauch auf dem Rücken, meine hoffnungslose Reise an. Ich lief die ganze Nacht durch und meinte, mit Tagesanbruch ungefähr die Hälfte des Karavanenweges zurückgelegt zu haben. Noch einen Tag also sollte ich in der Wüste zubringen, ohne Schutz gegen die verzehrende Hitze; und dann stand mir die Anstrengung einer schweren Nacht bevor. Obgleich ich hinreichend Wasser hatte, fehlte es mir doch an Lebensmitteln. Als die Sonne aufging, setzte ich mich auf einer Anhöhe in dem brennenden Sande nieder und war so zwölf ewige Stunden der sengenden Gluth ausgesetzt. Noch ehe der Mittag herankam, fühlte sich mein Gehirn so erhitzt, daß ich fast den Verstand verlor. Mein Gesichtssinn wurde unvollkommen, oder vielmehr, ich sah, was nicht existirte. Das einemal zeigten sich meinen verlangenden Augen weite Seen, und ich glaubte ihres Vorhandenseyns so gewiß zu seyn, daß ich aufstand und auf sie zuging, bis ich erschöpft zusammenbrach. Ein andermal erblickte ich in der Ferne Bäume, und ich konnte die Akazienzweige in der Luft wehen sehen. Ich eilte, um mich unter ihren Schatten zu werfen, traf aber nur einen kleinen Strauch der sich mir also vergrößert dargestellt hatte.

So quälend und täuschend wurde mir jener ganze schreckliche Tag, der mich noch immer in meinen Träumen verfolgt. Endlich brach die Nacht an; die Sterne funkelten und winkten mir, meine Reise fortzusetzen. Nach einem tiefen Zuge aus meinem Wasserschlauch begann ich meinen einsamen Weg. Ich verfolgte die Fährte nach den Knochen der Kameele und Pferde früherer Karavanen, welche in der Wüste zu Grunde gegangen waren, und als der Tag anbrach, bemerkte ich das Schloß Akaba in kurzer Entfernung. Von neuem Leben beseelt, warf ich den Wasserschlauch weg, verdoppelte meine Eile und warf mich nach einer halben Stunde neben der Quelle nieder, nachdem ich mich zuvor reichlich an der erfrischenden Flüssigkeit gelabt hatte. Wie glücklich fühlte ich mich damals! Welch' ein himmlischer Genuß, unter dem Schatten zu liegen, die kühle Luft zu athmen, auf das Trillern der Vögel zu lauschen und den Wohlgeruch der Blumen einzuathmen, die an jener herrlichen Stelle üppig gediehen. Nach einer Stunde zog ich meine Kleider aus, nahm ein Bad, erfrischte mich wieder mit einem Trunke und sank in tiefen Schlaf.

Ich erwachte neu belebt, litt aber nun unter einem verzehrenden Hunger. Ich war drei Tag ohne Nahrung gewesen; aber bisher hatte ich diesen Mangel nicht empfunden, da der noch lästigere Durst das nagende Gefühl überwältigt hatte. Nachdem das größere Uebel beseitigt war, steigerte sich das geringere und wurde mit jeder Stunde gebieterischer. Ich ging hinaus und spähte an dem Horizont umher, ob sich nicht etwa eine Karavane blicken lasse; aber vergeblich. Dann kehrte ich wieder nach der Quelle zurück. Zwei weitere Tage entschwanden, ohne daß sich Beistand nähern wollte. Meine Kräfte verließen mich und ich fühlte mich dem Tode nah. Die Quelle murmelte zwar, die Vögel sangen und die kühle Luft fächelte meine Wangen; aber ich dachte doch, es wäre weit besser gewesen, der Sand der Wüste hätte mich begraben, als daß ich mich hier in einem Paradies langsam aufreiben sollte. Ich legte mich nieder, um zu sterben, denn ich konnte nicht mehr aufrecht sitzen. Während ich mich aber umwandte, um mein brechendes Auge dem rinnenden Wasser zuzukehren, welches mein Daseyn verlängert hatte, drückte etwas hart gegen meine Seite. Ich meinte, es sey ein Stein, und streckte meine Hand aus, um ihn wegzuschaffen und mir so meine letzten Augenblicke zu erleichtern. Aber als ich hintastete war kein Stein da, sondern ich fühlte einen Gegenstand, der in meiner Tasche stack. Ich konnte mir nicht denken, was es seyn möchte, und griff danach; wie ich aber den belästigenden Körper herauszog und ihn, ehe ich ihn wegwürfe, betrachtete, fand ich, daß es ein Stück harten, trockenen Brodes war. Ich meinte, es sey mir vom Himmel geschickt worden – und wirklich war es auch ein so reines Opfer, als wäre es von dorther gekommen, denn es war die Gabe der Unschuld und Liebe – das Stück Brod, welches mein liebes, kleines Mädchen zum Frühstück erhalten und mir, als ich meinte, es suche nach einer Frucht, vor meiner Abreise in die Tasche gesteckt hatte. Ich kroch nach der Quelle hin, feuchtete es an und aß es, dem Himmel unter Thränen dankend, während sich mein Herz mit der innigsten Vatersehnsucht erfüllte. Die Brodkruste rettete mein Leben, denn am nächsten Tage langte eine kleine Karavane an, welche nach Kairo zog. Die Kaufleute behandelten mich sehr wohlwollend, banden mich auf eines der Kameele, und ich umarmte wieder meine Familie, die ich nimmermehr zu sehen erwartet hatte. Seitdem bin ich arm, aber zufrieden – ich verdiente um meiner Gottlosigkeit willen, daß ich all mein Eigenthum verlor, und füge mich ergebungsvoll in Allahs Willen.

Und nun hoffe, ich, daß Eure Hoheit zugestehen wird, ich sey vollkommen befugt, zu sagen: glücklich der Mann, welchem stets eine Brodkruste zu Gebot steht!«

»Sehr wahr,« bemerkte der Pascha. »Das ist keine üble Geschichte. Mustapha gib ihm fünf Goldstücke und laß ihn ziehen.«

Der Kameeltreiber warf sich vor dem Pascha nieder und verließ dann den Divan, hocherfreut über den glücklichen Ausgang einer Sache, von der er so viele Gefahr befürchtet hatte. Der Pascha blieb eine Weile stumm und rauchte seine Pfeife fort – dann aber begann er:

»Allah Kebur! Gott ist höchst gewaltig! Dieser Mann hat viel gelitten – und was hat er dafür zu zeigen? – Einen grünen Turban. – Er ist ein Hadschi. Ich hätte mir nie gedacht, nie gedacht, daß wir über eine Brodkruste eine so gute Geschichte zu hören kriegen würden. Seine Beschreibung des Samum hat mir alle meine Eingeweide ausgetrocknet. Was meinst du, Mustapha – kann ein wahrer Gläubiger in den Himmel kommen, ohne daß er das Grab des Propheten besucht hat?«

»Der heilige Koran fordert dies nicht ausdrücklich, durchlauchtigste Hoheit; es steht darin nur geschrieben, daß diejenigen, welche in der Lage dazu sind, es thun sollen, um sich den Pfad dahin zu erleichtern. Mie Allah! Gott verhüte! Hat Eure Hoheit je Zeit gehabt, nach Mecca zu gehen – und ist nicht Eure Hoheit auf dem geraden Wege zum Himmel?«

»Sehr wahr, Mustapha; ich habe nie Zeit gehabt. In meiner Jugend mußte ich stets Köpfe rasiren; nachher – Waliah! hatte ich genug zu thun, sie zu spalten, und bin ich nicht jetzt ganz von dem Geschäfte in Anspruch genommen, sie abhauen zu lassen? Ist's nicht so Mustapha, – sind meine Worte nicht der Wahrheit gemäß?«

»Eure Hoheit ist die Weisheit selbst. Es ist nur Ein Gott und Mahomed sein Prophet. Wenn nun der letztere sagt, ein Besuch bei dem heiligen Sarge sey ein Paß für den Himmel, so sollen dadurch nur diejenigen beschäftigt werden, welche nichts zu thun haben, damit sie wahre Gläubige nicht belästigen, welche sich's im Namen des Allerhöchsten sauer werden lassen!«

»Min Allah! Gott behüte! Der Fall ist klar,« entgegnete der Pascha. »Wenn Jedermann nach Mekka gehen wollte, wie stände es denn, Mustapha?

»Eure Hoheit, – wenn dieß stattfinden sollte, so ist es die Ansicht Eures Sklaven, daß alle Narren das Land würden verlassen haben.«

»Sehr wahr, Mustapha. Aber mein Mund ist von dem Sande dieses Samum ganz ausgetrocknet. Scherbet kann ich nicht trinken, den Rakie hat mir der Hakim verboten; was ist da anzufangen, Mustapha?«

»Hat der heilige Prophet den wahren Gläubigen im Falle der Krankheit den Wein verboten? Ist nicht Eure Hoheit krank? Hat Allah den Wein von Schiras gegeben, damit man ihn wegschütte? Allah Kerim! Gott ist höchst barmherzig! Und der Wein mußte wachsen, damit die wahren Gläubigen in dieser Welt einen Vorschmack gewannen von den Freuden, die ihrer in der nächsten harren.«

»Mustapha,« entgegnete der Pascha, indem er seine Pfeife aus dem Munde nahm, »bei dem Wort des heiligen Propheten, deine Worte sind Worte der Weisheit. Soll ein Pascha von Wassermelonen leben? Steffir Allah, glauben wir weniger, wenn wir Wein trinken? Sklave, bring den Krug. Es ist nur Ein Gott und Mahomed ist sein Prophet.«

»Die Worte des Propheten sind klar, durchlauchtige Hoheit. Er sagt: »wahre Gläubige trinken keinen Wein,« was soviel heißen will, – seine Anhänger laufen nicht betrunken wie die Giaurs von Frankistan, welche von ihren Schiffen hieher kommen, in den Straßen umher. Warum ist der Wein verboten? Weil er den Menschen trunken macht. Wenn wir uns also nicht betrinken, so halten wir uns innerhalb des Gesetzes. Warum wurde das Gesetz gemacht? Gesetze können nicht für Alle gemacht werden und haben eben die Leitung der Mehrheit zum Zweck, – ist's nicht so? Aus wem besteht aber diese Mehrheit? Aus den Armen. Wenn man für die Reichen und Mächtigen Gesetze machte, so könnten sie nicht für das Allgemeine passen. Maschallah! Es gibt keine Gesetze für Pascha's, welche blos zu glauben haben, daß es nur Einen Gott gibt und Mahomed sein Prophet ist. Hat Euer Sklave recht gesprochen?«

»Ausgezeichnet gut, Mustapha,« erwiderte der Pascha, indem er den Krug für eine Minute an seinen Mund brachte und ihn dann Mustapha hinüberbot.

»Allah Kerim! Gott ist höchst barmherzig, Euer Sklave muß trinken, denn ist es nicht der Wille Eurer Hoheit? Wie der Wein, der durch Eurer Hoheit Kehle hinunterfloß, durch Euren ganzen Körper bis zu den äußersten Gliedspitzen dringt, so ergießt sich auch Euer Wohlwollen auf Euern Sklaven. Sitze ich nicht in Eurer erhabenen Gegenwart? Kann die Sonne scheinen, ohne Wärme zu verbreiten? Wenn daher Eure Hoheit trinken, muß ich nicht auch trinken? Allah Akbar! wer dürfte sich erdreisten, nicht dem Beispiel des Pascha zu folgen?«

Mit diesen Worten erhob Mustapha den Krug, der einige Minuten lang wie an seine Lippen geleimt zu seyn schien.

»Ich denke, diese Geschichte sollte aufgeschrieben werden,« bemerkte der Pascha nach einer kurzen Pause.«

»Ich habe bereits Anweisung dazu gegeben, durchlauchtige Hoheit, und der griechische Sklave ist eben jetzt damit beschäftigt, die Sprache zu verbessern, um sie angenehmer für die Ohren Eurer durchlauchtigsten Hoheit zu machen, im Falle es Euch belieben sollte, sie Euch künftighin einmal vorlesen zu lassen.«

»Das ist recht, Mustapha. Wenn ich nicht irre, so pflegte der Kalif Harun zu gebieten, daß die Geschichten mit goldenen Buchstaben aufgeschrieben und in dem Archiv niedergelegt werden sollten. Wir müssen das Nämliche thun.«

»Man versteht diese Kunst nicht mehr, durchlauchtige Hoheit.«

»Dann müssen wir uns mit indianischer Dinte begnügen,« erwiederte der Pascha, indem er den Krug wieder an seinen Mund hob und leerte. »Die Sonne wird bald untergegangen seyn, Mustapha, und wir müssen uns auf den Weg machen.«

Zweites Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Der Pascha ließ sich Kaffee reichen und zog einige Minuten nachher wieder, von Mustapha und dem bewaffneten Sklaven begleitet, durch die Stadt, um einen Geschichtenerzähler aufzusuchen. Das Glück begünstigte ihn abermals, denn er war kaum eine halbe Stunde gegangen, als er einen lauten Streit hörte. Er rührte von zwei Männern her, welche an der Thüre eines kleinen, von den in der Stadt lebenden Griechen und Franken häufig besuchten Weinhauses standen, nach welchem man manchen Sklaven schleichen und mit einem vollen Kruge für die Abendunterhaltung seines türkischen Gebieters zurückkehren sehen konnte; denn es gab unter den Gläubigen Viele, welche eben so gut, wie ihre Herrscher, heimlich die Gebote des Korans verletzten.

Der Pascha machte Halt, um zu lauschen, und einer der Streitenden rief nun: »Ich sage dir, Anselmo, es ist das schnödeste Gemisch, welches nur jemals getrunken wurde, und ich denke ich muß es wohl wissen, nachdem ich die Essenz eines Aethiopiers, eines Juden und eines Türken destillirt habe.«

»Ich kümmre mich wenig um deine Destillate, Charis,« versetzte der Andere, »und betrachte mich als einen weit bessern Sachverständigen, als Du bist. Ich bin nicht fünfzehn Jahre Dominikaner-Mönch gewesen, ohne den Werth aller Arten von Weinen kennen zu lernen.«

»Ich möchte doch wissen, was der Kerl mit dem Destilliren von Leuten meint, bemerkte der Pascha, »und warum ein Dominikanermönch sich besser auf Weine verstehen soll, als andere Personen. Mustapha, du mußt diese zwei Männer zu mir bringen.«

Am andern Morgen wurden sie vorgestellt, und der Pascha verlangte eine Aufklärung von dem, der zuerst gesprochen hatte. Der Mann warf sich vor der durchlauchtigen Hoheit nieder, berührte mit dem Kopf den Boden des Divans und sagte:

»Durchlauchtige Hoheit, versprecht mir zuerst, bei dem Schwerte des Propheten, daß mir nichts Leides geschehen soll, wenn ich Eurem Befehle willfahre, und dann will ich Euch mit Vergnügen gehorchen.«

»Maschallah! Vor was fürchtet sich der Kafir? Welche Verbrechen hat er begangen, daß er Begnadigung verlangt, ehe er seine Geschichte erzählt?« sagte der Pascha zu Mustapha.

»Kein Verbrechen gegen Euren Staat, durchlauchtige Hoheit; aber in einem andern Lande bin ich unglücklich gewesen,« fuhr der Mann fort. – »Ich kann meine Geschichte nicht erzählen, wenn sich Eure Hoheit nicht herabläßt, mir das Versprechen zu geben.«

»Eure Hoheit mag es immerhin thun,« bemerkte Mustapha, »da er behauptet, sein Verbrechen sey in einem andern Staate begangen worden. Vielleicht ist es schwer, und ich vermuthe fast, daß sich's um einen Mord handelt. Aber obgleich wir die Blumen beschützen, welche unsere Gärten ziehen, und diejenigen bestrafen, welche sie knicken, so kümmern wir uns doch nicht darum, wer unsere Nachbarn belästigt und beraubt. Ein gleiches Verhältnis trifft meiner Ansicht nach bei den Staaten zu, durchlauchtige Hoheit, und es genügt für die Herrscher, wenn sie über das Leben ihrer eigenen Unterthanen wachen.«

»Sehr wahr Mustapha,« erwiederte der Pascha. »Ausserdem möchten wir die Geschichte nicht gerne verlieren. Kafir, du hast unser Versprechen und magst fortfahren.«

Der griechische Sklave (denn dies war er) stand sodann auf und erzählte seine Geschichte in folgenden Worten:

Geschichte des griechischen Sklaven

Ich bin ein Grieche von Geburt, und meine Eltern waren arme Leute, die zu Smyrna wohnten. Als einziger Sohn wurde ich zu dem Gewerbe meines Vaters, der ein Küfer war, erzogen. Als ich zwanzig Jahre zählte, hatte ich bereits meine Eltern begraben, und ich mußte nun für mich selbst sorgen. Eine Zeitlang stand ich im Dienste eines jüdischen Weinhändlers und blieb bei demselben drei Jahre nach meines Vaters Tode, bis sich ein Umstand zutrug, der zu meinem spätern Wohlstand und meiner nunmehrigen Herabwürdigung führte.

Um die Zeit, von der ich spreche, hatte ich durch Fleiß und Nüchternheit so sehr das Vertrauen meines Brodherrn gewonnen, daß er mich zu seinem Obergehülfen machte, und obgleich ich noch immer die Aufsicht führte und hin und wieder auf dem Küfergewerke arbeitete, wurde mir doch vorzugsweise das Abziehen und Verfeinern der Weine, um sie für den Markt vorzubereiten, überlassen. Wir hatten einen äthiopischen Sklaven im Hause, der unter mir arbeitete, – einen kräftigen, breitschulterigen und höchst boshaften Kerl, den mein Herr fast unmöglich zu bändigen wußte; denn er lachte über die Bastonade wie über jede andern Züchtigung und wurde hintendrein nur unzufriedener und starrsinniger als je. Wenn ich seiner Nachlässigkeit auf den Sprung kam, so leuchtete aus seinen Augen ein so drohendes Feuer, daß ich jeden Tag von ihm ermordet zu werden erwartete, und ich lag meinem Herrn wiederholt an, er möchte ihn aus dem Hause schaffen. Aber der Aethiopier war ein sehr kräftiger Mensch und konnte, wenn er wollte, ein Pipe Wein ohne Beistand weiter tragen, weßhalb sich der geizige Jude nicht bewegen ließ, meinen vielen Bitten Gehör zu schenken.

Eines Morgens trat ich in die Küferei und fand den Aethiopier an der Seite eines Fasses eingeschlafen, das ich schon seit einiger Zeit brauchte und bereit zu finden hoffte. Da ich mich scheute, ihn selber zur Strafe zu ziehen, so holte ich meinen Herrn herbei, damit er Zeuge des ungebührlichen Benehmens sey. Der Jude, über seine Trägheit erbost, schlug ihn mit einer der Dauben auf den Kopf. Der Aethiopier sprang wüthend auf; als er jedoch seinen Gebieter mit der Daube in der Hand dastehen sah, so begnügte er sich, vor sich hinzumurmeln, daß er sich nicht in dieser Weise schlagen lasse, und nahm seine Arbeit auf. Sobald mein Herr die Küferei verlassen hatte, ergoß der Aethiopier seinen Grimm gegen mich, weil ich ihn angegeben hätte, ergriff eine Daube und stürzte auf mich zu, um mir das Gehirn einzuschlagen. Ich schlüpfte hinter das Faß: er folgte mir, und ich hatte eben zu meiner Selbstverteidigung nach einem Dächsel gegriffen, als er über den Schemel fiel, der ihm in dem Wege lag. Er sprang wieder auf, um den Angriff zu erneuern, und nun versetzte ich ihm mit dem Dächsel einen Schlag, der ihm den Schädel zerschmetterte und ihn todt zu meinen Füßen hinstreckte.

Ich erschrack sehr über den Vorfall; denn obgleich ich nur aus Nothwehr gehandelt hatte, wußte ich doch wohl, daß der Herr über den Verlust des Sklaven sehr zürnen würde, und da keine Zeugen zugegen gewesen waren, so konnte es mir schlimm ergehen, wenn ich vor den Kadi gebracht wurde. Nach einiger Ueberlegung entsann ich mich der Worte des Sklaven, daß er sich nicht so schlagen lasse, und beschloß, die Leiche zu verbergen und meinen Herrn auf den Glauben zu bringen, daß er entlaufen sey. Freilich war dies einen große Schwierigkeit, da ich ihn nicht unbemerkt aus der Küferei fortschaffen konnte. Nach einigem Ueberlegen kam ich auf den Gedanken, ihn in das Faß zu stecken und dasselbe wieder aufzustellen. Ich mußte zwar aller meiner Kraft aufbieten, um die Leiche hineinzubringen, aber endlich gelang es mir doch. Nachdem ich den Deckel aufgesetzt und die Reife hinab gehämmert hatte, rollte ich das Faß in das Magazin, wo es für das Bedürfniß des nächsten Jahres mit Wein gefüllt werden sollte. Sobald es dort stand, pumpte ich den Wein aus der Kufe, füllte das Faß und schlug den Spund ein. Es war mir damit eine schwere Last von der Seele genommen, denn ich hatte jetzt wenigstens keine augenblickliche Entdeckung zu befürchten.

Kaum war mein Geschäft abgethan, als mein Herr hereinkam, und nach dem Sklaven fragte. Ich antwortete ihm, er habe die Küferei verlassen und hoch und theuer geschworen, daß er nicht mehr arbeiten wolle. Der Jude, welcher ihn zu verlieren fürchtete, beeilte sich, den Behörden Nachricht zu geben, damit man ihn wieder aufgriffe; aber da man geraume Zeit nichts mehr von dem vermeintlich Entlaufenen hörte, so glaubte man, er habe sich aus Trotz ersäuft, und Niemand dachte mehr an ihn. Mittlerweile fuhr ich fort, wie zuvor zu arbeiten, und da mir die Obhut über Alles vertraut war, so zweifelte ich nicht, zu gelegener Zeit die Mittel zu finden, um die Belästigung ruhig bei Seite zu bringen.