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Der Faszination auf den Grund gehen Kein Mensch kann wirklich sicher sagen, wie ein Fußballspiel ausgehen wird. Nicht zuletzt darin liegt die Faszination dieses Sports, und genau deshalb macht es so ungeheuren Spaß, Spiele zu analysieren oder zu tippen. Wie man sich dabei auf halbwegs sicherem Grund bewegt, wie man die richtigen Schlüsse aus Statistiken zieht und so Phänomenen wie Heimstärke und Trainerkarussell auf den Grund gehen kann, das zeigt Andreas Heuer in diesem spannenden Buch. Den Kern freilegen Der Autor ist Professor für Physikalische Chemie an der Universität Münster, Experte für die Theorie komplexer Systeme - und Fußballkolumnist für Spiegel Online. Er versteht es wie kaum ein anderer, seine Leser mit der Analyse von Statistiken gleichzeitig zu unterhalten und zu verblüffen, indem er den sachlichen Kern des jeweiligen Zahlenwerks sichtbar macht. Ist ein Turnierverlauf vorhersagbar? Welchen Sinn haben Trainerwechsel? Welche Rolle spielt der Zufall? Heuer widmet sich den großen Fragen des Fußballs - mit Hilfe der Wissenschaft. Die Ergebnisse werden anschaulich dargestellt. Statistik-Freunde können im Anhang weiterlesen... Mythen entzaubern Dabei entzaubert er auch einige Mythen. Fans und Sportjournalisten werden sich hin und wieder ertappt fühlen, wenn Heuer ihnen zeigt, wie scheinbare Fußball-Wahrheiten sich bei einer genaueren statistischen Untersuchung in Luft auflösen. Auch wenn sich deswegen die Fußball-Berichterstattung wohl nicht revolutionieren wird - den Blick des Lesers auf die schönste Nebensache der Welt wird dieses Buch garantiert verändern.
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Seitenzahl: 397
Contents
Geleitwort
Der perfekte Tipp – die Statistik des Fußballspiels
I Einführung
1 Fußball: Hobby und Wissenschaft
1.1 Warum dieses Buch?
1.2 Zielgruppen
1.3 Aufbau
2 Statistik der Tore
2.1 Wie viele Tore schießt eine Mannschaft?
2.2 Wie wichtig ist der Zufall in einem Spiel?
2.3 Die Glockenkurve im Fußballspiel
II Statistische Eigenschaften der Bundesliga
3 Basis zur Prognose: Tore, Chancen, Siege
3.1 Extremereignisse
3.2 Bundesliga im Laufe der Zeit
3.3 Prognosen und Leistungsstärken
3.4 Prognose einer Halbsaison
3.6 Torchancen und deren Verwertung
4 Der Marktwert: Geld schießt viele Tore
4.1 Datenbasis und Fragestellung
4.2 Vom Marktwert zu Logarithmen
4.3 Marktwerte als wichtige Informationsquelle
5 Zufall, Leistung und Fluktuationen
5.1 Leistungskonstanz innerhalb einer Saison
5.2 Ausmittelung des Zufalls im Laufe der Saison
5.3 Von der scheinbaren zur wahren Leistung
5.4 Was zeichnet relevante Kenngrößen aus?
5.5 Der »wahre« Deutsche Meister und andere Anwendungen
5.6 Wie wichtig ist die Tagesform?
5.7 Leistungsänderungen zwischen den Saisons
6 Mythen und Erstaunliches
6.1 Heimvorteil und Heimstärke
6.2 Positiv- und Negativserien: ein Lauf?
6.3 Das Geheimnis der Torchancenverwertung
6.4 Das Leiden der Neulinge
6.5 Leistungssteigerung oder -Abbau nach der Halbzeit?
III Prognose in der Praxis: Chancen und Grenzen
7 Bestimmung der Leistungsstärke
7.1 Prognose á la Bayes
7.2 Vom optimale Informationsmix zum Vorhersagefehler
7.3 Verbesserung der Prognose im Saisonverlauf
7.4 Wie sinnvoll ist ein Formbarometer?
7.5 Die Leistungsstärke im Saisonverlauf
7.6 Wird die beste Mannschaft Deutscher Meister?
8 Prognose einzelner Fußballspiele
8.1 Wie oft gewinnt der Bessere?
8.2 Die Fußball-Formel zur Berechnung des mittleren Spielergebnisses
8.3 Gibt es Angstgegner?
8.4 Die sieben Schritte zur Spielvorhersage
8.5 Poisson und der achte Schritt
8.6 Qualität der Spielvorhersage
8.7 Vergleich mit Buchmacher-Quoten
9 Saisonvorhersagen: Wahrscheinlichkeiten für Meisterschaft und Abstieg
9.1 Die Bundesliga auf dem Computer
9.2 Der geschätzte Saisonausgang im Verlauf der Spieltage
10 Prognose von internationalen Turnieren
10.1 Das Elo-Schema
10.2 Von der Elo-Zahl zur Leistungsstärke eines Nationalteams
10.3 Vorhersagbarkeit einer Weltmeisterschaft
IV Das Spiel und das Drumherum unter der Statistik-Lupe
11 Trainerentlassung: Rettungshalm oder Ausdruck von Verzweiflung?
11.1 Statistik der Trainerentlassungen
11.2 Der scheinbar positive Effekt von Trainerentlassungen
11.3 Wann werden Trainer entlassen?
11.4 Trainerwechsel im Sommer: neue Besen kehren gut?
11.5 Trainerbeschäftigungen allgemein betrachtet
12 Spieldaten: interessante oder unnütze Details?
12.1 Die neue Datenflut
12.2 Informationsgehalt von Spieldaten
13 Sportnoten (kicker und Impire): Spiegelbild der gezeigten Leistung?
13.1 Ideale Sportnoten
13.2 Summe der Mannschaftsnoten: Vorteil kicker
13.3 Informationsgehalt der Noten
13.4 Differenz der Mannschaftsnoten: Vorteil Impire
13.5 Kombi-Noten: der geeignete Kompromiss
14 Spielgeschehen: Dramatik der letzten Minuten
14.1 Tore schießen am Ende leicht gemacht
14.2 Das Spielverhalten im Laufe des Spiels
14.4 Rote Karten zum Wachrütteln?
14.5 Einfluss des Schiedsrichters
V Zusammenfassung und Ausblick
15 Zum Zufallsbegriff im Fußball
15.1 Was ist Zufall?
15.2 Zufall im Spiel
16 Vergleich der Bundesliga mit anderen Ligen und Sportarten
16.1 Statistik anderer internationaler Ligen
16.2 Nationaler Vergleich (Zweite Bundesliga, Dritte Liga, Frauen-Bundesliga)
16.3 Handball statt Fußball: nur mehr Tore?
17 Was bleibt?
VI Anhang, Literaturverzeichnis
Anhang
A2.1 Mittelwert und Varianz
A2.2 Herleitung und Bedeutung des statistischen Fehlers
A2.3 Vergleich zweier Messwerte
A2.4 Binomial-, Poisson- und Gauß-Verteilung
A2.5 Abschätzung des statistischen Fehlers in einer Häufigkeitsverteilung
A3.1 Ausgleichsgerade
A3.2 Korrelationskoeffizient
A3.3 Korrelationskoeffizient als Maß für die Prognosequalität
A3.4 Normierung der Torchancen
A3.5 Berechnung effektiver Torchancen
A5.1 Korrelationsfunktion
A5.2 Die Varianz nach Mittelung
A5.3 Varianz der Differenz von Zufallsgrößen
A5.4 Berechnung der Minderungskorrektur
A5.5 Halbspiel-Korrelationen
A5.6 Modell zur Beschreibung der Leistungsänderung zwischen zwei Saisons
A6.1 Untersuchung der möglichen Existenz der Heimstärke
A6.2 Leistungssteigerung oder –abbau nach der Halbzeit?
A7.1 Anwendung des Bayes-Theorems
A7.2 Partieller Korrelationskoeffizient
A7.3 Multivariate Regression
A7.4 Vorhersagequalität der Leistungsstärke
A7.5 Zeitgewichtung
A8.1 Bestimmung von Gewinnwahrscheinlichkeiten
A8.2 Herleitung der Fußball-Formel
A8.3 Bestimmung des Angstgegner-Effekts
A8.4 Von der Poisson-Verteilung zur Tordifferenz
A8.5 Alternative Ansätze zur Vorhersage von Fußballspielen
A8.6 Vergleich von theoretischer und praktischer Vorhersagequalität
A8.7 Optimalität des K-Wertes
A9.1 Erzeugung korrelierter Zufallszahlen
A10.1 Bestimmung der Parameter des Elo-Schemas
A11.1 Mittelung bei Untersuchung zur Trainerentlassung
A14.1 Poisson-Verteilung trotz zeitabhängiger Rate
Literatur
Sachregister
Namensregister
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Autor
Prof. Dr. Andreas Heuer
Universität Münster
Institut für Physikalische Chemie
Corrensstr. 29/30
48149 Münster
Cover Design Simone Benjamin, McLeese Lake, Canada
Satz Mitterweger & Partner, Plankstadt
Druck und Bindung Ebner & Spiegel GmbH, Ulm
Gedruckt auf säurefreiem Papier
1. Auflage 2012
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung
Bibliografische Informationder Deutschen Nationalbibliothek
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Geleitwort
Dumm gelaufen für die Bayern. Im November 2007 verpasste die Mannschaft den vorzeitigen Einzug in die nächste UEFA-Pokal-Runde. Mit einem Sieg gegen Bolton Wanderers hätte man alles klar machen können. Doch das Spiel endete 2:2 – wohl auch, weil Trainer Ottmar Hitzfeld wichtige Spieler wie Philipp Lahm oder Franck Ribéry schonte. Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge war sauer auf Hitzfeld – ein ausgebildeter Mathematiklehrer – und erklärte: »Fußball ist keine Mathematik.« Das klang plausibel. Warum sollten ausgerechnet Mathematiker eines der größten Mysterien der Neuzeit, den Fußball, erklären können?
Ich selbst hatte lange Zeit Zweifel, ob man dem Spiel auf dem grünen Rasen wirklich mit Mathematik beikommen kann. Natürlich arbeiten Trainer und Sportreporter schon seit längerem mit Statistiken. Da wird Stürmern ein guter Lauf attestiert oder Mannschaften eine ausgewiesene Fähigkeit zum Drehen von Spielen angedichtet. Dabei weiß jeder: Irgendwann endet auch die schönste Serie, Prognosen sind auf dieser Basis kaum möglich.
Anfang 2008 hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Andreas Heuer. Er behauptete damals, ein Modell gefunden zu haben, mit dem er die Zahl der Tore in einem Spiel vorhersagen kann. Zwei Jahre später hatte Heuer das Modell so weit entwickelt, dass er damit ausrechnen konnte, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Bundesliga- Team Meister wird oder absteigt. Irgendwann hat der Physiker aus Münster die Prognosen seines Modells auch mit den Quoten von Wettanbietern verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass seine Vorhersagen im Mittel etwas besser waren als jene, die sich aus den Quoten ergaben.
Das Grundprinzip von Heuers Modell finde ich vollkommen einleuchtend: Es gibt gute Mannschaften und schlechte. Die Guten erarbeiten sich mehr Torchancen als die Schlechten. Ob aus einer Möglichkeit ein Tor wird oder nicht, ist dann jedoch Glückssache. Im Grunde vergleicht er das Tore Schießen mit dem Werfen von Würfeln: Nur wenn eine Sechs fällt, zappelt der Ball im Netz. Wie oft ein Team würfeln darf, hängt von der eigenen Spielstärke und der des Gegners ab. Damit ist auch klar: Wenn Bayern 20 Mal würfelt, aber keine Sechs darunter ist, dann kann auch ein Drittligist ein Spiel gegen die Münchner gewinnen. Er braucht bei seinen drei, vier Würfelversuchen, die er höchstens hat, eben etwas Glück.
Bei SPIEGEL ONLINE habe ich mehrfach über das Bundesligamodell berichtet, ein mehrseitiger Artikel erschien in »Spektrum der Wissenschaft«. Inzwischen liefert Andreas Heuer mehrmals im Laufe einer Saison auf SPIEGEL ONLINE seine Prognosen für die Tabelle am 34. Spieltag. Sie werden im Laufe einer Saison immer präziser.
Ich finde es toll, wenn Forscher sich so in ein Thema hineinknien wie Andreas Heuer. Er verbindet die Begeisterung für den Fußball mit seiner wissenschaftlichen Arbeit. Denn sie liefert die raffinierten statistischen Methoden für das Bundesligamodell. So ist aus einer Leidenschaft, die Hunderttausende weltweit jede Woche ins Stadion zieht, dieses spannende Buch entstanden.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu Karl Heinz Rummenigge: Natürlich kommen Trainer und Profis wunderbar ohne Algebra, Differentialgeometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung aus. Wenn man das Spiel aber so gründlich analysiert wie in diesem Buch, dann kann es keinen Zweifel mehr geben: Fußball ist Mathematik. Ottmar Hitzfeld formulierte das etwas diplomatischer, als er Rummenigge entgegnete: »Ich hoffe, dass ich das Fußball-Einmaleins kann.«
Holger Dambeck(Wissenschaftsredakteur bei SPIEGEL ONLINE)
Der perfekte Tipp – die Statistik des Fußballspiels
Es gibt viele Menschen, die mich auf dem Weg vom Fußball-Hobby über die immer ernsthaftere Beschäftigung mit den statistischen Eigenschaften bis hin zum Schreiben dieses Buchs begleitet haben. Zunächst möchte ich Oliver Rubner meinen besonderen Dank aussprechen für die vielen Diskussionen und seine vielfältigen Beiträge, die zum Gelingen und zur inhaltlichen Breite dieses Buchs wesentlich beigetragen haben. Ebenso sind vielfältige sportstatistische Auswertungen von Christian Müller (Trainerwechsel), Dennis Riedl (Spieldaten, internationale Ligen) und Jens Smiatek (Notenqualität, Handball-Vergleich) in dieses Buch eingeflossen, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Die Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Bernd Strauss aus den Sportwissenschaften hat mir sehr geholfen, Theorie und Praxis noch weiter zusammenzuführen. Viele Verbesserungsvorschläge bei der Korrektur des Manuskripts kamen von Andreas Christian, Stefan Hopp, Christian Rehwald und Dennis Riedl. Der WWU Münster möchte ich für die Unterstützung des Projekts danken und hier insbesondere die umsichtige und vielfältige Hilfe von Andrea Staubermann erwähnen. Dem Verlag Wiley-VCH möchte ich herzlich für die gute Zusammenarbeit danken und Holger Dambeck für die Erstellung des Geleitworts und für sein wissenschaftsjournalistisches Interesse an unseren Projekten.
Mein Vater hat mich durch den gemeinsamen Besuch meines ersten Spiels (1:5 Heimniederlage meiner anschließenden Lieblingsmannschaft) und, solange es ihm möglich war, durch das Sammeln vieler interessanter Informationen beim Fußball-Thema immer wieder begleitet. Ganz besonders möchte ich zum Schluss meiner Frau Susan für ihre liebevolle Geduld und die konstruktiven Vorschläge in den verschiedenen Phasen der Manuskripterstellung herzlich danken.
Fußball als vielleicht liebste Nebenbeschäftigung ist scheinbar allgegenwärtig: auf den Titelseiten der Zeitungen, als wichtiges Thema bei Fernsehsendern und in der Werbung, beim mittäglichen Gespräch mit Kollegen und für viele natürlich am Wochenende im Stadion oder Wohnzimmer. Fußball führt auch zu einem speziellen Montags-Phänomen: Menschen, die sich über die aktuelle Tabelle der Bundesliga beugen und sich mittels Anwendung intuitiver statistischer Verfahren fragen, ob ihr Lieblingsverein in dieser Saison noch Meister werden kann. Doch was würde eine objektive Sichtweise liefern? Welchen Informationsgehalt besitzen Tore und Punkte für die Wahrscheinlichkeit der Meisterschaft? Eine Mannschaft, die wie Mainz in der Saison 2011/12 nach zwei Spieltagen an der Tabellenspitze steht, ist sicherlich noch kein Meisterschaftsfavorit.
Zur sprachlichen Vermittlung hat sich ein fußballspezifisches Vokabular gebildet. Eigenschaften wie »Lauf«, »Heimstärke« oder »Angstgegner« werden Mannschaften in speziellen Situationen zugewiesen. Das spiegelt eine allzu menschliche Tendenz wider, Beobachtungen in ein mehr oder weniger sinnvolles Raster einzuordnen. Doch gibt es wirklich einen Lauf, der eine Mannschaft an die Tabellenspitze spült? Oder ist eine Siegesserie vielmehr wie ein mehrfaches Würfeln derselben Zahl aufzufassen, also reiner Zufall? Kurzum: Was sind Mythen und was sind Tatsachen?
Wenn es keine Zufälligkeiten im Fußballspiel gäbe, könnten diese Fragen leicht beantwortet werden. Wenn eine Mannschaft zum Beispiel zu Hause weniger Punkte als auswärts erreicht hat, dürfte man diese Mannschaft durchaus als heimschwach bezeichnen. Nun kann aber ein Ball von der Unterkante der Latte entweder vor oder hinter der Linie landen – der Paradefall eines wembleyartigen Zufallspro-zesses. Das letztliche Ergebnis kann deswegen manchmal so ungerecht sein. Das gilt für ein Fußballspiel viel mehr als zum Beispiel für ein Handballspiel. Ein Aluminiumtreffer mehr und dafür ein Tor weniger haben im Handball bei den wenigsten Spielen einen relevanten Effekt. In der Fußball-Bundesliga hingegen werden wir sehen, dass ein typischer Spielausgang zu 86% durch Zufall bestimmt wird, also nur schwer vorhersagbar ist. Aber letztlich ist es gerade die daraus resultierende Spannung, deretwegen sich so viele Menschen für Fußball begeistern lassen. Oder mit den Worten von Gerd Delling: »40.000 im Häuschen sind aus demselben«.
In diesem Buch geht es insbesondere um die 14% des Spielergebnisses, die nicht Zufall sind und eine Top-Mannschaft von einem Abstiegskandidaten unterscheiden lassen. Durch geeignete statistische Betrachtungen können wir genau diesen Anteil identifizieren. Dieses Buch möchte nun versuchen, mit möglichst wenigen Formeln und durch Betonung der unterliegenden Konzepte für viele Leser eine neue Sicht auf das Phänomen Fußball zu vermitteln. Viele der Schlussfolgerungen erscheinen dann hoffentlich ähnlich eindeutig wie die tiefschürfende Erkenntnis vom Bundesligatrainer Reinhold Fanz, dass es ganz schwer zu gewinnen ist, wenn man keine Tore macht. Machen Sie sich darauf gefasst, althergebrachte Vorstellungen zu revidieren – zumindest erging es mir gelegentlich so.
Bei Zufallsexperimenten wie dem Münzwurf sind keine sicheren Vorhersagen (»als nächstes kommt die Zahl«), aber immerhin perfekte Vorhersagen (»als nächstes kommt die Zahl mit 50% Wahrscheinlichkeit«) möglich. Ist der perfekte Tipp, so wie im Buchtitel angekündigt, auch beim Fußball realisierbar? Tatsächlich werden Sie sehen, wie weit man sich der perfekten Fußball-Vorhersage annähern kann. Mindestens genauso spannend ist aber der Weg zum Ziel. Dort kann der Leser viel über die Eigenschaften eines Fußballspiels und dessen Mythen kennenlernen. So wie auch Christoph Biermann in der »Fußball-Matrix« (2009) auf der »Suche nach dem perfekten Spiel« viele interessante Bausteine des Fußballgeschehens beleuchtet hat.
Wieso schreibt ein Naturwissenschaftler, der sich ansonsten mit der Theorie komplexer Systeme im physikalischen und chemischen Kontext beschäftigt, ein Buch über Fußballstatistik? Es begann vor einigen Jahren mit einer Frage, die mein Kollege Metin Tolan (»So werden wir Weltmeister« – hoffentlich zumindest 2014) gestellt hatte. Woher wissen wir überhaupt, dass der Meister besser ist als der Absteiger? Wird nicht vielleicht alles durch Zufall bestimmt? Diese Frage ist ausbaufähig: Kann man grundsätzlich zufällige und leistungsabhängige Anteile trennen? Um wie viel besser sind die guten im Vergleich zu den schlechten Mannschaften? Es eröffnete sich eine riesige »Spielwiese«, auf der ich zusammen mit Kollegen aus Münster meine beruflichen Erfahrungen bei der Aufarbeitung und Interpretation von Zahlenkolonnen einbringen konnte. Es entstand ein Hobbyprojekt, in dem wir unser Dasein als ganz normale Fußballfans mit unserer Tätigkeit als Wissenschaftler verbinden konnten. Inzwischen haben wir einige wissenschaftliche Publikationen zu diesem Themenbereich veröffentlicht. Zudem habe ich die Möglichkeit, die Ergebnisse der Saisonvorhersage regelmäßig bei SPIEGEL ONLINE zu veröffentlichen. Schließlich entstand die Idee, die vielen einzelnen Resultate in Form eines Buches zusammenzuführen. Die meisten Themenbereiche werden durch konkrete Analysen untermauert. Im Anhang finden sich dann für interessierte Leser weitergehende Details. Fußball lebt von den Emotionen. Nichtsdestotrotz kann eine Besinnung auf Fakten sowohl für Fußball-Interessierte als auch für die dort handelnden Personen durchaus nützlich sein.
Zunächst einmal richtet sich dieses Buch an die vielen Leser mit Interesse am Sportgeschehen und insbesondere natürlich am Fußball. Mit vielen Beispielen und ausführlichen Erklärungen können die verschiedenen Aspekte, die mit dem Fußballspiel verbunden sind, ganz neu erfahren werden. Ist die Meisterschaft aufgrund der unterschiedlichen Marktwerte der Mannschaften schon zu Saisonbeginn entschieden? Wie real ist der Bayern-Dusel? Wie wirken sich Tore auf den Spielverlauf aus? Sollten ab und zu die Trainer entlassen werden, oder ist das ehemalige Freiburger Finke-Modell zu bevorzugen? Wie gut kann man grundsätzlich Fußballspiele vorhersagen?
Die Struktur dieses Buches soll aber auch dazu dienen, noch spezifischere Zielgruppen anzusprechen:
Leser mit Interesse an Mathematik und Statistik: Durch zahlreiche Graphiken und vom Haupttext getrennte Anhänge mit den genauen mathematischen bzw. statistischen Analysen können die einzelnen Überlegungen Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Tatsächlich entsprechen viele der Ansätze denen, die bei psychologischen Testverfahren angewandt werden.
Leser, die z.B. in Tippgemeinschaften aktiv sind: Ein Schwerpunkt dieses Buches besteht darin, die Leistungsstärke von Mannschaften zu charakterisieren und entsprechend abzuschätzen. Mit solchen Informationen können dann die nächsten Spiele oder gar die gesamte Restsaison prognostiziert werden. Welche Prognosequalität ist erreichbar, gerade auch im Vergleich zu Buchmachern? Wie sieht das konkrete Prognoseverfahren aus?
Leser mit Interesse an Managementfragen: Einige der hier untersuchten zentralen Themenbereiche (z.B. Nutzen von Trainerentlassungen, Auswirkung zusätzlicher Investitionen oder Beurteilung des Einflusses konkreter Handlungen) können auch auf andere Bereiche wirtschaftlichen und personellen Handelns übertragen werden.
Lehrer und Schüler: Dieses Buch kann für viele Schüler einen hoch motivierenden Einstieg in statistische Themen bieten. Da fast alle verwendeten Zahlen zum Themenbereich Fußball direkt im Internet zur Verfügung stehen, können viele der Untersuchungen selbst reproduziert werden. Auch ich verwende für die Mathematik-Ausbildung an der Universität einige der Ergebnisse zur Motivation von Statistik-Themen.
Nach der Einführung in einige grundlegende statistische Ideen in Teil I werden im Teil II verschiedene Größen untersucht, die zur Leistungsdiagnostik einer Mannschaft verwendet werden können. Welche frei verfügbaren Daten (Tore, Punkte, Torchancen, Marktwerte, …) besitzen den größten Informationsgehalt über die Qualität einer Mannschaft? Wie bestimmt man überhaupt den Informationsgehalt? Und gibt es tatsächlich Mannschaften, die viel mehr Torchancen als andere versieben? Im Kapitel »Mythen und Erstaunliches« werden Sie sehen, dass alle Mannschaften praktisch die identische Chancenverwertung aufweisen und genau deswegen die Kenntnis der Torchancen der vergangenen Spiele so wertvoll für gute Vorhersagen sind. Ebenso werden Sie dort erfahren, dass der Begriff des »Laufs« für eine koordinierte Beinbewegung, aber nicht für die Beschreibung einer überlangen Siegesserie dienen sollte und dass es Neulinge erstaunlich schwer haben, sich von ihrer Außenseiterrolle zu lösen.
Abb. 1.1 Der Weg zur Spielvorhersage im Teil III (s. Haupttext).
In Teil III wird dann aus den vorliegenden Informationen über zwei Mannschaften mit Hilfe der explizit hergeleiteten Fußball-Formel eine möglichst gute Prognose von einzelnen Spielen durchgeführt. So werden Sie sich dem perfekten Tipp am Beispiel des Spiels Köln gegen Dortmund aus der Saison 2009/10 in sieben Schritten nähern. Das Ergebnis 0,9 zu 1,4 ist kein Rechenfehler sondern stellt das eigentlich faire Resultat dar, basierend auf den 14% zufallsfreien Beiträgen zum Spielergebnis. Im 8. Schritt kommen noch die 86% Zufall hinzu, womit dann Aussagen über das tatsächliche Endergebnis formuliert werden können (»Wie wahrscheinlich ist ein 2:3?«, was übrigens das tatsächliche Ergebnis war). Auf diese Art kann man auch Endtabellen abschätzen und ziemlich genau die Wahrscheinlichkeit bestimmen, dass der Lieblingsverein in dieser Saison Meister wird. In Teil IV werden dann viele Fragen geklärt, die Sie sich in der einen oder anderen Weise sicherlich schon gestellt haben. Was bringt der Trainerwechsel? Welche Aussagekraft haben eigentlich die Sportnoten? Sie werden sehen, dass durch kreative Datenanalysen teilweise überraschende Antworten gefunden werden können. In Teil V schließlich wird die Fußball-Bundesliga mit anderen Fußball-Ligen, aber auch mit der viel torreicheren Handball-Bundesliga verglichen und der immer wiederkehrende Begriff des ”Zufalls” näher beleuchtet.
Viel Spaß bei dieser Lektüre!
Tore als das zentrale Element eines Fußballspiels sind natürlich das ideale Beispiel um einige Begriffe kennenzulernen, die in der Fußballstatistik vorkommen werden. Wie auch im weiteren Verlauf des Buches stehen die Details im Anhang, während im Haupttext die wesentlichen Ideen beschrieben werden.
Wir beginnen zunächst mit der Frage, wie viele Tore eine Mannschaft in einem Spiel geschossen hat. In Abb. 2.1 ist die Häufigkeit dargestellt, mit der genau kein Tor oder genau ein Tor oder genau zwei Tore usw. vorkamen. Das Kreuz bei 0 Toren drückt zum Beispiel aus, dass in 20,4% aller Spiele die Heimmannschaft kein Tor geschossen hat.
Abb. 2.1 Verteilung der Tore, die eine Mannschaft in einem Spiel geschossen hat. Unterschieden wird zwischen Heim- und Auswärtsspielen. Die Bedeutung der durchgezogenen Linien wird im Text erläutert. Berücksichtigt werden alle Spiele zwischen den Saisons 1995/96 und 2010/2011.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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