Der programmierte Mensch - Thomas R Köhler - E-Book

Der programmierte Mensch E-Book

Thomas R Köhler

4,6

Beschreibung

Programmieren oder programmiert werden? Hand aufs Herz! Würden Sie einen Tag ohne Online-Zugang aushalten? Ohne dass wir uns dessen bewusst sind, hat sich unser Leben im Zeitalter von Internet und Smartphone bereits nachhaltig geändert. Wir überlassen den Suchmaschinen das Denken und vergessen systematisch Informationen, die man im Internet wiederauffinden kann. Und die nächste Revolution steht bereits in den Startlöchern: "Personal Analytics", "Quantified Self" und "Gamification" sind zu wesentlichen Schlagworten einer Debatte geworden, deren Reichweite bisher kaum zu überblicken ist. Die fortschreitende Digitalisierung unseres Alltags liefert die Grundlage für die Steuerung von menschlichem Verhalten in einer bisher ungekannten Weise. Thomas R. Köhler zeigt die Zusammenhänge zwischen den neuen Technologien und den Anwendungen für das "digitalisierte Ich". Dabei animiert er den Leser zu einem bewussten Umgang mit dem eigenen "Selbst" im Online-Zeitalter, um mögliche Manipulation und Fremdsteuerung durch Dritte besser erkennen und sich davor schützen zu können. Mit einer verständlichen, spannenden Analyse der Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Risiken unserer digitalisierten Lebenswelt und ihrer Anwendungen. Empfehlungen für einen bewussten Umgang mit dem durch die umfassende Vernetzung ausgelösten gesellschaftlichen Wandel. Das Buch bietet einen zukunftsweisenden Ausblick und eine Anleitung für die aktive Nutzung und den Schutz des "digitalisierten Ichs" im Online-Zeitalter.

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Thomas R. Köhler

Der programmierte Mensch

Thomas R. Köhler

Der programmierte Mensch

Wie uns Internet und Smartphone manipulieren

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de

abrufbar.

Thomas R. Köhler

Der programmierte Mensch

Wie uns Internet und Smartphone manipulieren

F.A.Z.-Institut für Management-,

Markt- und Medieninformationen GmbH

Mainzer Landstraße 199

60326 Frankfurt am Main

Geschäftsführung: Volker Sach und Dr. André Hülsbömer

Frankfurt am Main 2012

ISBN 978-3-89981-522-1

Bookshop und weitere Leseproben unter:

www.fazbuch.de

Copyright

F.A.Z.-Institut für

Management-,

Markt- und Medieninformationen GmbH

60326 Frankfurt am Main

Umschlag

Anja Desch

Satz

Wolfgang Barus

Titelbild

©

thinkstock

Alle Rechte, auch des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Inhalt

Einleitung

Immer online – Immer in Kontakt

Der „Supercomputer“ in der Tasche – Mein Smartphone

Tablets – Es kommt doch auf die Größe an

TV – Der vierte Schirm

I          Was bisher geschah – Die Neuerfindung unseres Lebens

1.   Lebenszeichen vom PC

2.   Die Arbeitswelt im Zeichen des Technologiewandels

3.   Unsere Lebenswelt im Zeichen des Technologiewandels

4.   Und die „Leiche im Keller“…

II         Wie uns Internet und Smartphone manipulieren

1.   Digitale Eingeborene – Gibt es sie?

2.   Die Do-it-yourself-Gesellschaft

3.   Das Märchen vom Multitasking

4.   Die Änderung der Lesegewohnheiten

5.   Die Verschriftlichung der Kommunikation und die Folgen

III        Unsichtbare Fesseln – Dem Manipulationspotential von Internet und Smartphone auf der Spur

1.   Was uns motiviert

2.   Mein innerer Schweinehund und ich

3.   Der Schubs in die „richtige“ Richtung?

4.   Permanente Kontrolle – Die Vermessung des Selbst

5.   Auf dem Weg zur Selbstvermessung

IV       Sich messen mit den Besten – Die Quantified-Self-Bewegung

1.   „Da gibt es eine App für …“ – Quantified Self vor dem Durchbruch

V         Das Leben ist ein Spiel

1.   Der Spieleboom: Gründe – Fakten – Folgen

2.   Warum Spielen gut ist

3.   Warum Spielen schlecht ist

VI       Gamification

1.   Die wesentlichen Elemente von Gamification

2.   Nichts ist perfekt – Kritik an Gamification

VII       Programmieren oder programmiert werden?

1.   Sie spielen nicht mit?

2.   Sie vermessen sich nicht?

3.   Mit guten Vorsätzen … in die Hölle

4.   Soll ich programmieren lernen?

5.   Risiken und Nebenwirkungen des neuen Zugangs zum „Ich“

6.   Auf dem Weg in die infantile Gesellschaft?

7.   Überwachungssoftware: Die elektronische Hundeleine

8.   Tendenziöse Systeme

9.   Die Macht der Standardeinstellungen

10.  Bösartige Nutzerschnittstellen

VIII     Die neuen Möglichkeiten positiv nutzen – Empfehlungen für das Onlinezeitalter

1.   Erkenne den Unterschied zum echten Leben

2.   Manipulationsstrategien erkennen und parieren

3.   Gefangen in der Endlosschleife – Ausbruchsmöglichkeiten finden

4.   Die Zukunft des „Ich“ im Onlinezeitalter

5.   Die Zukunft gehört den virtuellen Agenten

Anmerkungen

Glossar

Der Autor

Einleitung

Keine zwei Jahrzehnte nach Einführung des Mobilfunks für Privatkunden (1992) und der Verbreitung des Internets über die akademische Welt hinaus (circa 1995) hat sich unser Kommunikationsverhalten radikal gewandelt. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind online, längst gibt es mehr Mobilfunkanschlüsse als Staatsbürger.

Immer online, immer in Kontakt mit anderen zu sein ist längst selbstverständlich geworden. Dazu hat auch die massenhafte Verbreitung von Smartphones in den letzten Jahren beigetragen, die sich anschicken zum wichtigsten Internetzugangsgerät zu werden.

Die Folgen sind bereits heute unübersehbar: Lehrer und Dozenten beklagen verkürzte Aufmerksamkeitsspannen ihrer Schüler und Studenten, TV-Sender müssen sich damit abfinden, mit ihrem Programm immer mehr zum Hintergrundrauschen zu werden, weil die Zielgruppe parallel im Internet surft, den Facebook-Status updatet, sich per SMS oder Instant Messenger untereinander austauscht oder entzückende kleine Kälbchen auf einem virtuellen Bauernhof großzieht.

Beinahe alle Branchen sind von diesem Wandel betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Dass diese Veränderungen nicht ohne Rückwirkungen auf das menschliche Miteinander und jedes einzelne Individuum vonstattengehen, kann jeder Leser zumindest in ersten Ansätzen im eigenen Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis und vielleicht auch an sich selbst beobachten.

Kritik an dieser Entwicklung wurde und wird vielfach geäußert. Jedoch ist diese zumeist pauschalisierend und sieht eine allgemeine Verdummung als bevorstehend beziehungsweise bereits eingetreten an oder kreist um einzelne willkürlich herausgegriffene Aspekte. Sicher ist es richtig, dass die als „Auslagerung des Gedächtnisses“ erlebte Erkenntnis, dass man sich viele Dinge nicht mehr merken muss, wenn man diese online jederzeit nachschlagen kann, Veränderungen bringt. Aber letztendlich ist diese genauso müßig wie die vor Jahrzehnten eingeführte Debatte um die Auswirkungen der Einführungen des Taschenrechners auf die Kopfrechenfähigkeit.

Die derzeit geführte öffentliche Diskussion verkennt, dass die bereits absehbaren Entwicklungen noch viel weiter gehende Auswirkungen haben werden. Sie übersieht insbesondere das manipulative Potential, das in Internet und Smartphones sowie deren Anwendungen steckt.

Dabei lassen sich Ausgangslage und Rahmenbedingungen bereits heute klar erkennen. Das Problem ist dabei nicht, dass wir Dinge nachschlagen, sondern dass wir uns auf eben diese Dinge verlassen, als wäre etwa eine Suchmaschine eine neutrale Instanz mit dem Anspruch auf Objektivität der Ergebnisse. Je mehr sich neue Anwendungen zu persönlichen Assistenten entwickeln, für uns navigieren und den Alltag organisieren, umso größer wird die Gefahr, dass uns die Kontrolle über unser eigenes Leben entgleitet. Paradoxerweise gilt dies auch für diejenigen Anwender, die sich per Personal Analytics aktiv um die Vermessung der eigenen Aktivitäten kümmern, die sogenannte Quantified-Self-Bewegung. Und auch die bei Millionen Nutzern so beliebten Computerspiele sind nicht ohne Tücken, beinhalten sie doch Mechanismen, die – unter dem Schlagwort Gamification – an anderer Stelle eingesetzt, gefährliche Nebenwirkungen aufweisen können.

Je näher der Anwender mit Internetzugang und Smartphone an die digitale Welt heranrückt und je mehr er sein Leben auf Onlinedienste delegiert, umso größer sind die Risiken.

Dieses Buch schreibt – ausgehend vom Status quo – die Entwicklung fort und zeigt die Zusammenhänge sowie Wechselwirkungen zwischen den neuen Technologien und deren Rückwirkungen für das „Ich“ im Onlinezeitalter. Es identifiziert die Grenzen und beleuchtet die auf dieser Basis absehbaren Risiken und Nebenwirkungen der umfassenden Vernetzung – für heute und eine Zukunft, die näher ist, als wir es uns alle vorstellen können.

Der Leser erhält zudem eine detaillierte Anleitung für einen bewussteren Umgang mit dem eigenen „Selbst“ im Onlinezeitalter und erfährt, wie derartige Konzepte für die Steuerung und Manipulation von Dritten – etwa im Arbeitsumfeld, bei Kaufentscheidungen oder politischer Willensbildung – genutzt werden können, wie man diese Strategien erkennen und sich davor schützen kann.

Hier finden Sie sämtliche Links zum Buch.

Immer online – Immer in Kontakt

Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schwappte die Internetwelle über den Rand der akademischen Welt hinaus und eroberte zunächst technikaffine Teile der Bevölkerung. „Sind Sie schon drin?“ – ein Satz aus der Werbung eines Onlinedienstes – wurde zum geflügelten Wort.

Aber das Internet ist längst keine reine Spielwiese von „Techies“ mehr: Eine Visitenkarte ohne E-Mail-Adresse ist inzwischen genauso wenig vorstellbar wie eine Firma ohne Website – das Internet ist zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft geworden. Dies beweisen inzwischen auch offizielle Statistiken: Für Deutschland liefert der „(N)Onliner Atlas“ der Initiative D21 zuverlässige Angaben über die Zahl der Onlinenutzer.1 Die repräsentative Untersuchung der Initiative D21 wurde von Infratest mit mehr als 30.000 Befragten durchgeführt: Gut drei Viertel der Bevölkerung (76,6 Prozent) sind demnach „online“. Das bedeutet jedoch auch, dass mehr als 14 Millionen Menschen hierzulande „offline“ sind und weder beruflich noch privat das Internet nutzen. Betrachtet man nur die nackten Zahlen, so muss man konstatieren, dass die Zeit der großen Reichweitezuwächse vorbei ist. Vergleicht man die Ergebnisse der Studie aus dem Jahr 2012 mit dem Vorjahr, beträgt der Zuwachs weniger als 1 Prozent. Die vielfach beklagte „Digitale Kluft“ schließt sich, wenn auch nur langsam.

Bemerkenswert ist auch, dass in der Altersklasse der 20- bis 29-Jährigen rund 3 Prozent offline bleiben. Diese Gruppe lehnt die neuen Technologien schlicht ab. Gehobene Altersklassen sind nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, wenngleich die Nutzung ansteigt: bei den über 70-Jährigen auf insgesamt 28,2 Prozent, ein Plus von 3,6 Prozent; bei den 60- bis 69-Jährigen sind demnach 60,4 Prozent online. Noch viel höher ist die Akzeptanz bei der Nutzung des Mobiltelefons. Hier hat – statistisch gesehen – jeder Deutsche längst mehr als ein Mobiltelefon. Die Bundesnetzagentur verzeichnete Ende 2011 für Deutschland 114,3 Millionen Mobilfunkanschlüsse.2

Etwas mehr als eineinhalb Jahrzehnte haben genügt, dass weite Teile der Bevölkerung ihr Kommunikationsverhalten signifikant verändert haben. Dank Internet und Mobilfunk sind wir heute immer online – immer in Kontakt.

Der „Supercomputer“ in der Tasche – Mein Smartphone

Einen wesentlichen Anteil an der Nutzung digitaler Medien hat das sogenannte Smartphone.

Im Sommer 1992, also vor etwas mehr als 20 Jahren, wurde der Mobilfunk auf Basis des weitverbreiteten GSM-Standards eingeführt. Seither hat das „Handy“, wie es im deutschsprachigen Raum genannt wird, eine beispiellose Erfolgsgeschichte erlebt. Bereits 2002 gab es weltweit mehr Mobiltelefone als Festnetzleitungen (Quelle: ITU), seit 2006 beobachtet die ITU sogar einen Rückgang bei den Anschlusszahlen im Festnetz.

Eine besondere Rolle spielt dabei die relativ junge Gattung der Smartphones. Ihre Verbreitung und Nutzung wächst rasant. Nach Angaben des IT-Branchenverbandes Bitkom (2012) wurden 2011 in Deutschland rund 12 Millionen Smartphones gekauft. Jenseits von Telefonfunktionen haben Smartphone-Nutzer die Möglichkeit, damit E-Mails zu senden und zu empfangen, weitere Internetdienste zu nutzen und – ähnlich wie am Computer – Applikationen zu installieren. Diese Programme – sogenannte Apps – erlauben die Nachrüstung aller möglichen und unmöglichen Funktionen: von der Wasserwage über Kalorienzähler oder einem Personal Fitness-Trainer bis hin zur Taschenlampe und zum Navigationssystem.

Erwähnt werden muss hier auch der Markterfolg von Apple mit dem 2007 eingeführten iPhone, von dem in den vergangenen fünf Jahren 250 Millionen Exemplare weltweit verkauft werden konnten. Seine einfache Bedienung verhalf dem Konzept des „Mobiltelefons mit Mehrwert“ und damit auch der mobilen Internetnutzung zum Durchbruch. In dessen Windschatten startete das von Google initiierte Android-Betriebssystem und wurde – dank der Unterstützung durch eine Vielzahl von Herstellern – zum Welterfolg. Rein nach Stückzahl hat es das iOS, das Betriebssystem von Apples iPhone, lange hinter sich gelassen. Weltweit wurden (nach Angaben der Marktforscher von Gartner, Mai 2012) allein in den ersten drei Monaten im Jahr 2012 mehr als 36 Millionen Geräte mit Android-Betriebssystem verkauft; das sind mehr als die Hälfte aller Smartphones. Zum Vergleich: Vom mit viel Marketingaufwand gestarteten „Windows Phone“-Betriebssystem verkauften sich im gleichen Zeitraum nur rund 1,495 Millionen Geräte – was nicht einmal 2 Prozent des Marktanteils entspricht.

Apples iOS und Googles Android dominieren auch bei den Zusatzanwendungen: den Apps. Für deren Entwickler ist die Sache klar: Je mehr Nutzer eine Plattform hat, umso besser sind die Geschäftschancen für die Vermarktung von Anwendungen. In Folge dessen entstehen mehr Apps für Apple und Android, während die anderen Plattformen darunter leiden, dass viele interessante Anwendungen nicht oder nur verspätet bereitstehen. Wenn man nun davon ausgeht, dass sich Anwender bei ihrer Kaufentscheidung auch von App-Verfügbarkeiten leiten lassen, dann wird klar, warum die beiden großen Plattformen zu Lasten der anderen weiter wachsen. Aus ökonomischer Sicht würde man von einem natürlichen Monopol (oder hier Duopol) sprechen. Ähnlich wie im Internetmarkt ziehen einige wenige große Plattformen die Mehrzahl der Nutzer an. Das beste Beispiel hierfür ist Ebay. Auktionen einstellen kann man fast überall günstiger, dennoch sind die meisten Käufer und Verkäufer auf Ebay des großen Angebots beziehungsweise der meisten Nachfrager wegen aktiv.

Die genannten Smartphone-Apps sind – neben dem mobilen Zugriff auf Internetseiten – der wesentliche Grund für die Nutzung der Geräte. Die Mehrzahl dieser Anwendungen benötigt eine Datenverbindung, um überhaupt sinnvoll funktionieren zu können. Die Folge dieser Entwicklung: Bereits Ende 2009 überholte das mobile Datenvolumen (nach „Ericsson Traffic and Market Data Report, November 2011) das Sprachvolumen. Ebenfalls bemerkenswert: 2010 war der mobile Daten-Traffic weltweit dreimal so hoch wie der gesamte Internet-Traffic im Jahr 2000 (ebenda). Im Mai 2012 waren rund 10 Prozent des globalen Internet-Traffics mobiler Traffic (Stat Counter Global Stats). In Indien ist mittlerweile mehr als die Hälfte des Internetverkehrs mobiler Traffic (ebenda).

Erstaunlich sind in diesem Zusammenhang auch die bereits feststellbaren Auswirkungen auf unser Verhalten: Fast 40 Prozent der Smartphone-Besitzer gehen online, bevor sie morgens aus dem Bett aufstehen (nach „Ericsson Traffic and Market Data Report“, November 2011). Selbst Begrenzungen im Datenvolumen, wie sie alle Mobilfunkprovider eingeführt haben, scheinen die Nutzer kaum zu schrecken. Denn auch die notorisch bandbreitenhungrige Videoplattform YouTube bekommt (nach Angaben von ABI Research) 200 Millionen Views durch mobile Endgeräte. Fest steht: Wir befinden uns mitten in einem Umbruch des Kommunikationsverhaltens. 2013 werden weltweit mehr Nutzer mobil ins Internet gehen als über fixe Leitungen (Morgan Stanley 2011). Nach Angaben von Google werden 2012 bereits 20 Prozent aller Suchanfragen von mobilen Geräten kommen (jeweils eine Verdopplung zu 2010 und 2011). Ähnlich wie es mit dem Mobiltelefon zur Gewohnheit geworden ist, überall und jederzeit telefonieren zu können, erlaubt das Smartphone Internetzugang und App-Nutzung jederzeit. Ohne – wie am PC – lange „booten“ zu müssen, kann man beinahe sofort ins Netz.

Obwohl dieser Zustand der Dauervernetzung bisher nicht mit Studien belegt werden kann, ändert sich durch diese ubiquitäre Verfügbarkeit nicht nur das Verhalten beim Aufwachen. Jede Zwangspause – etwa in Form einer Schlange an der Supermarktkasse – wird sofort zum Anlass genutzt, das Smartphone zu zücken und was – ja, was eigentlich? – damit zu machen.

Der Netzbetreiber O2 hat das Phänomen, wie die Kunden ihr Smartphone den Tag über nutzen, in einer Studie in Großbritannien untersucht:3

Aktivität

Minuten

Internetsurfen

24,81

Nutzung sozialer Netzwerke

17,49

Spiele spielen

14,44

Musik hören

15,64

Telefonieren (!)

12,13

Emails schreiben/lesen

11,1

Kurznachrichten schreiben/lesen

10,2

Videos ansehen

9,39

E-Books lesen

9,3

Fotos machen

3,42

Gesamtnutzungsdauer pro Tag

128,00

Dieser „Immer-dabei“-Effekt ist eine der großen Stärken der Smartphones, legt aber gleichzeitig die Grundlage für das hohe manipulative Potential der Geräte.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für die hohe Akzeptanz ist die überall anzutreffende bequeme und intuitiv verständliche Steuerung per Touchscreen. Von den ersten breit verfügbaren Anwendungen für intelligente Sprachsteuerung (Apple SIRI) ist dabei noch gar nicht die Rede. Aktuelle Mobiltelefone, ganz gleich ob auf Basis von Android, iOS oder Windows Phone, versprechen Hochleistung in jeder Disziplin. Sie ermöglichen Webbrowsing, Videos in HD-Qualität und bieten ganz nebenbei auch ein Navigationssystem.

Auch andere Anbieter wie IBM arbeiten an einer sprachgesteuerten Schnittstelle zu ihren Superrechnersystemen – genannt Watson.6 Watson versteht Sprache nicht nur akustisch, sondern inhaltlich bereits so gut, dass er in der US-Quizshow Jeopardy! gleich mehrere der erfolgreichsten menschlichen Spieler schlug, darunter einen vormaligen 74-fachen Gewinner der Show.7

Ein Smartphone macht heute bereits das Wissen der Welt zugänglich und ist unser wesentliches Werkzeug für die Organisation von Berufs- und Privatleben. In Zukunft wird es uns darüber hinaus helfen, auch neue Fragen zu beantworten. SIRI und Watson zeigen, wohin die Reise gehen wird. Das Smartphone wird zum intelligenten Helfer.

So verwundert es kaum, dass das Universalgerät Smartphone als eine Art „Schweizer Messer“ der Kommunikation zunehmend auch andere Geräte ersetzt. Die oben zitierte Studie von O2 aus Großbritannien berichtet in diesem Zusammenhang von ganz erstaunlichen Substitutionseffekten:

Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) geben an, ihr Smartphone anstelle eines Weckers einzusetzen.

Etwas weniger als die Hälfte (46 Prozent) geben an, ihre Uhr zugunsten des Smartphones aufgegeben zu haben.

39 Prozent verwenden nur noch ihr Telefon anstelle ihres bisherigen Fotoapparats.

Ein gutes Viertel (28 Prozent) setzen das Smartphone anstelle eines Laptops ein.

Mehr als jeder Zehnte (11 Prozent) verzichtet auf die eigene Spielkonsole zugunsten des Smartphones.

Jeweils 6 Prozent geben sogar an, dass das Smartphone ihren Fernseher und das Lesen von Büchern ersetzt.

Interessanterweise zeigt die Studie von O2 keinen Rückgang der Anzahl der Telefonate oder der Telefonminuten bei den Nutzern, auch wenn dieses Ergebnis im Widerspruch zu den Ergebnissen von anderen unter vergleichbaren Vorzeichen entstandenen Studien steht. Im Wesentlichen gilt: Die neuen Anwendungen sind praktisch durchgängig zusätzliche Beschäftigungen, die belegen, dass das Mobiltelefon in Form des Smartphones eine sehr viel größere Rolle im Leben eines Nutzers spielt als bisher angenommen. Es bildet dort möglicherweise die wesentliche Medienschnittstelle. Im Vergleich behält beispielsweise der TV-Konsum bei einer reinen Betrachtung der Zeitdauer der täglichen Nutzung zwar noch die Führung, wird aber zunehmend zum „Nebenbei“-Medium.

Tablets – Es kommt doch auf die Größe an

Es wäre falsch, in einem Zeitalter, in dem der durchschnittliche Nutzer mehrere Endgeräte unterschiedlicher Bauform besitzt, die Diskussion auf Smartphones zu verkürzen. Einen besonderen Boom haben in den letzten Jahren nämlich auch Tablet PCs erlebt. Wie überdimensionale Smartphones bedient man diese ebenfalls per Touchscreen. Telefonieren ist mit den meisten dieser Geräte aber nicht oder nur mit zusätzlichen Kopfhörern möglich.

Innerhalb der Gruppe der Tablets ist Apple mit dem iPad unangefochtener Marktführer. Sowohl die Marktforscher von IDC als auch die Spezialisten von NPD Displaysearch sehen das Unternehmen mit rund zwei Dritteln des Marktanteils als klaren Marktführer.8 Damit bestimmt Apple auch die Displaygröße. Im Falle des iPads sind das unverändert 9,7 Zoll Displaydurchmesser (also 24,6 Zentimeter). Daneben gibt es aber auch Tablets im 10-Zoll-Format (unter anderem von Samsung, Medion oder Lenovo), 7-Zoll-Format (Blackberry Playbook, Amazon Kindle Fire et cetera) und kleinere Formate im Bereich von 5-Zoll-Displaygröße (Samsung Galaxy Note). Interessant ist aber hier weniger der Marktanteil oder das Betriebssystem, sondern die Nutzung (mit Ausnahme des Blackberry Playbooks sind die meisten Geräte mit Android ausgerüstet). Hier ergeben sich erhebliche Unterschiede, wenn man etwa die Webnutzung nach Displaygröße aufgliedert, was der US-Marktforscher Comscore im Februar 2012 getan hat:9

310 Zoll:

125 Seitenaufrufe

39 Zoll:

116 Seitenaufrufe

37 Zoll:

90 Seitenaufrufe

35 Zoll:

79 Seitenaufrufe

Bei Smartphones, die typischerweise eine kleinere Bildschirmgröße als 5 Zoll haben, ist anzunehmen, dass die Seitenabrufzahl unter der von Tablets liegt, auch wenn diese nicht von der Studie erfasst wurden. Die von den Analysten ermittelten Zahlen bestätigen damit, dass der mit abnehmender Displaygröße gefühlt unangenehmer werdende Webbetrieb Auswirkungen auf die Nutzung hat. Je kleiner das Display, desto seltener die Nutzung.

In keiner bisher bekannt gewordenen Studie ist zudem die Substitution von Apps im Verhältnis zur Webnutzung berücksichtigt. Denn viele Apps ersetzen mittlerweile den Besuch einer Website: So wird ein Nutzer der Bahn-App auf seinem Smartphone wohl kaum zusätzlich die Homepage der Bahn besuchen.

Im Allgemeinen dürfte gelten: Je kleiner das Display und je kleiner entsprechend auch die Bedienelemente der Website, umso eher greift der Nutzer zur App.

Ein direkter Vergleich von Tablet oder Smartphone verbietet sich aber aus anderen Gründen. Es gibt zahlreiche Indizien, die darauf hindeuten, dass Tablets überwiegend im häuslichen Umfeld oder innerhalb des Unternehmens eingesetzt werden und nicht den gleichen Mobilitätsgrad aufweisen wie Smartphones, die vielen Besitzern sichtlich so ans Herz gewachsen sind, dass sie davon kaum ablassen können. Das US-Marktforschungsunternehmen Nielsen hat im Jahr 2011 für die Vereinigten Staaten Daten erhoben, die diese These stützen. Demnach erfolgen – zeitlich betrachtet – mehr als 50 Prozent der Nutzung von Tablets parallel zum Fernsehkonsum oder im Bett.

Interessant ist auch die Frage nach den bevorzugten Anwendungen. Nielsen hat Tabletanwender nach deren Nutzungsgewohnheiten befragt.10 Die Befragten – allesamt iPad-Anwender – gaben an, dass das Gerät überwiegend für Medienkonsum genutzt würde, mit Ausnahme von gelegentlicher Nutzung für das Abrufen und selten auch für das Beantworten von E-Mails. Selbst für das Onlineshopping bevorzugten die meisten Befragten den PC, aufgrund der einfacheren Nutzbarkeit. Dieser Befund deckt sich mit Beobachtungen des Autors „in der freien Wildbahn“. Auch Anwender, die ein Tablet im Unternehmenseinsatz verwenden, nutzen es weniger als Ersatz für ein Notebook, sondern praktisch ausschließlich zu konsumtiven Zwecken. Diese These lässt sich jederzeit in einem beliebigen ICE oder einer Flughafenlounge eigener Wahl nachprüfen.

TV – Der vierte Schirm

Bisher spielt das TV-Gerät eine untergeordnete Rolle als Zugangsweg zum Internet. Nach dem Boom bei Flachbild-TV-Geräten der letzten Jahre und immer weniger wahrgenommenen Unterschieden in der Bildqualität forcieren die Hersteller nun vernetzte Geräte. Nicht wenige Anbieter ermöglichen es, Apps zu installieren, um auf bestimmte Informationen zugreifen zu können, andere erlauben Webbrowsing, das Ansehen von YouTube-Videos oder den Abruf von E-Mails. Aber wer liest schon E-Mails auf dem Fernseher im Wohnzimmer? Wer möchte schon mit der TV-Fernbedienung Webadressen mühsam eintippen?

Allen Beteuerungen der Hersteller zum Trotz sind Internet und Apps auf dem Fernsehgerät bisher ein Flop. Auch die Standardisierungsbemühungen der Industrie zur HbbTV-Plattform sehen bisher nicht nach Erfolg aus. Fraglich bleibt auch, ob etwa der GoogleTV-Ansatz, der in der ersten Runde gescheitert war, in der Neuauflage mit Industriepartnern wie Sony erfolgreicher wird.

Nicht vergessen werden sollte bei der Betrachtung, dass sich insbesondere Spielkonsolen für TV-Geräte wie die Xbox als Internetzugangsgerät eignen und zunehmend mit entsprechenden Funktionen ausgestattet werden. Neben der Vernetzung der Spieler, von der später noch die Rede sein wird, werden Spielkonsolen auch schon mal umgewidmet und dienen als PC-Ersatz zum Surfen im Netz und zum Zugang in Soziale Netzwerke und Co.

Eine Cisco-Studie (vgl. S. 22 ff.) sieht jedoch voraus, dass bis 2016 der Anteil des privaten Internetverkehrs, der von Fernsehgeräten verursacht wird, bei nur 6 Prozent liegen wird. Über den Datenverkehr von mit TV-Geräten verbunden Konsolen macht die Studie jedoch keine separaten Angaben.

Tatsächlich boomt aber – den schwachen Erwartungen zum Trotz – die Internetnutzung beim Fernsehen. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich beim Blick in ein Wohnzimmer technikaffiner Konsumenten schnell auf. TV wird immer mehr zum Begleitmedium, währenddessen man per Tablet-PC oder Notebook auf Webseiten surft, Onlinespiele spielt oder seinen Facebook-Status aktualisiert.

Wie weit diese Doppelnutzung bereits verbreitet ist, zeigt ein Bericht des E-Marketer aus 2012. Demnach konsumiert der durchschnittliche erwachsene US-Bürger mehr als 11 Stunden Medieninhalte jeden Tag – ein Drittel davon ist der Internet- und Smartphone-Nutzung zuzuschreiben. Besonders interessant erscheint dabei der hohe Anteil an simultaner Nutzung, wie etwa die Nutzung von Tablet-PC oder Notebook während des Fernsehens. Derartiges Multitasking macht beim Gesamtmedienkonsum rund 2,4 Stunden aus.

Für Deutschland hat der Branchenspezialist Goldmedia ermittelt, dass 77 Prozent der Fernsehzuschauer vor dem laufenden TV-Gerät noch anderweitige Medien nutzen.11 Das spannende Potential liegt daher weniger im Transport von Internetinhalten auf „den großen Schirm“, sondern mehr in der intelligenten Verknüpfung der unterschiedlichen Geräte.

Die großen Drei, diejenigen Unternehmen, die unsere PC-, Online- und Smartphone-Erfahrungen dominieren – Microsoft, Google und Apple –, haben diesen Zusammenhang längst erkannt. So bietet Apple – ausgehend vom iPhone und iPad – natürlich MAC Computer an, die auf intelligente Weise mittels Cloud Services mit allem gekoppelt und synchronisiert werden können, solange es im Apple-Universum vorgesehen ist. Mit mäßigem Erfolg bietet Apple außerdem ein Zusatzgerät für den heimischen Fernseher an, mit dem sich auch einzelne Videoinhalte aus dem Netz wiedergeben lassen. Auch von einem künftigen eigenen Apple-TV-Gerät ist in der Gerüchteküche der Online-Nachrichtendienste die Rede. Von einer engen Integration in das Apple-Universum ist jedoch in jedem Falle auszugehen.

Microsoft dominiert weiterhin die PC-Umwelt und baut seine Spielekonsole zur TV-Plattform aus, während Windows 8 das Tablet-PC-Geschäft starten und bei den Smartphones endlich Erfolg haben soll.

Google bietet natürlich keine PCs. Der Dreh- und Angelpunkt des Unternehmens ist neben der Suchmaschine ein bunter Strauß von Onlinediensten, gerne betrieben mit dem hauseigenen Chrome-Browser, der auch Basis für das bisher kaum Verbreitung gefundene Chrom-OS Betriebssystem ist. Mit dem Betriebssystem Android dominiert Google zusätzlich den Smartphone-Markt rein nach Stückzahlen und schlägt sich wacker bei Tablet-PCs. Den Weg auf die Bildschirme im Wohnzimmer soll schließlich GoogleTV bringen – im zweiten Anlauf … ein erster war kläglich gescheitert.

Nicht vergessen werden sollte darüber hinaus, dass auch Google zunehmend auf eigene Hardware setzt. So hat das Unternehmen mit Motorola einen eigenen Hersteller für Mobiltelefone und im Sommer 2012 einen eigenen Tablet-PC vorgestellt.

Vierter im Bunde der Systemanbieter könnte mittelfristig Amazon werden. Unter gänzlich anderen Voraussetzungen als Buchhändler gestartet, bietet das Unternehmen inzwischen nicht nur Streaming-Videodienste (Lovefilm) an, sondern baut den bisherigen E-Book-Reader (Kindle) zur Tablet-Plattform (Kindle Fire) aus. Von einem Amazon-Smartphone hat jedoch noch niemand etwas gehört.

IWas bisher geschah – Die Neuerfindung unseres Lebens

Der tägliche Umgang mit Internet und Smartphone ist für die meisten Menschen hierzulande längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Nicht nur Vertreter der sogenannten Internetgeneration können sich ein Leben ohne Internet und Smartphone nicht mehr vorstellen. Wir werden Zeugen und sind gleichzeitig Beteiligte einer Revolution, die eine Vielzahl von Lebensbereichen umfasst – vom täglichen Einkauf über den Alltag bis hin zur medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Grund genug, kurz wesentliche Entwicklungen zu skizzieren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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