Der Quantengott - Lotte Ingrisch - E-Book

Der Quantengott E-Book

Lotte Ingrisch

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Beschreibung

Der Physiker und die Grenzgängerin Wer von Schrödingers Katze gehört hat, kennt bereits die jenseitigen Gedankenexperimente und Paradoxien, mit denen auch die Wissenschaft beschäftigt ist. Übernatürliche Erfahrungen und Erkenntnisse der modernen Physik lassen vermuten: Gott würfelt vielleicht doch, zumindest der Quantengott, mit dem die Unendlichkeit fassbar wird und Widersprüche Sinn ergeben. Der renommierte Physiker Helmut Rauch und die Jenseitsforscherin Lotte Ingrisch diskutieren über Raum und Zeit hinweg philosophisch und entgrenzt, sinnlich und übersinnlich, wissenschaftlich und literarisch. Ein fesselnder Austausch, bei dem die Theorien der Quantenphysik hinzugezogen werden, um die großen Fragen nach Leben und Tod zu vertiefen. - Ein unterhaltsamer Gedankenaustausch, in dem Wissenschaft auf das Übersinnliche trifft - Koryphäe der Quantenphysik Prof. Dr. Helmut Rauch

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Seitenzahl: 268

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www.nymphenburger-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook:

2017 nymphenburger in der

F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-485-06142-1

Inhalt

Vorbemerkung

Ich bin eine jenseitige Spaziergängerin

Der Tote in der Straßenbahn

Ein Geist tritt, ohne zu klopfen, in mich ein

Die Länder hinter den Spiegeln

Die tote Barfrau

Physik und Erkenntnis

Ich treffe Giordano Bruno, 1600 verbrannt …

Des Experimentes Mühen

Der Tulifant

Der Wolf und die Eule

Hat der Grundzustand Geschichte?

Frau mit Vergangenheiten

Ich bin nicht verloren

Der Deus ludens

Der Regenbogenkörper

Vergnügen ist es keines gewesen

Ich lache jede Nacht

Das Antiquariat

Doppelnatur

Was kann der Quantengott?

Ein dualer Schluss

Vorbemerkung

Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass eine Schriftstellerin und ein Physiker gemeinsam ein Buch schreiben. In den folgenden Ausführungen soll ein Bogen von der Mystik bis zu den Naturwissenschaften geschlagen werden. Wir widmen uns Naturphänomenen, die dem normalen Menschenverstand entgegenlaufen, aber dennoch als physikalisch existent und als experimentell bewiesen angesehen werden können. Unter diesen Vorzeichen wird die Kombination aus Schriftstellerin und Physiker plausibel.

Es soll zunächst versucht werden, eine halbwegs einheitliche Terminologie zu finden und gleichzeitig die Wunder der Natur verständlicher zu machen. Die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik stellen dabei die Eckpfeiler unseres derzeitigen Naturverständnisses dar, und diese dienen daher als Orientierungsbogen für alle anstehenden Fragen der menschlichen Erkenntnis. Diese beiden Theorien gelten bisher als unwiderlegt. Trotzdem sollten wir vergegenwärtigen, dass Theorien nie voll bestätigt, sondern dem Wissenschaftsphilosophen Sir Karl R. Popper folgend höchstens falsifiziert werden können (Karl R. Popper »Alles Leben ist Problemlösung«). So müssen wir auch davon ausgehen, dass wir unser Sein nicht wirklich verstehen können, aber die Naturwissenschaft bietet uns die Möglichkeit, zumindest einen Teil davon beschreiben zu können. Oftmals führen Anwendungen derartiger Beschreibungen zu dem Gefühl, Teile auch wirklich verstanden zu haben. Dieses Gefühl sollte uns jedoch nicht überheblich machen, und es soll uns bewusst bleiben, dass wir nur ein kleines Rädchen im Universum darstellen.

Die Möglichkeiten unserer Erkenntnis bleiben auch begrenzt, da wir existierende Phänomene nur teilweise wahrnehmen können. Für viele Phänomene haben wir einfach keine passenden Sinnesorgane, Detektoren oder Antennen, um uns mit ihnen auseinandersetzen zu können. Das bedeutet, dass vieles im Dunkeln bleibt und uns weiterhin als mystisch erscheinen wird. Wir können diesen Zustand auch als jenseitig bezeichnen, zumindest solange wir keine Antennen dafür verfügbar haben. Diese Grenze mag sich mit der Zeit verschieben und für verschiedene Personen verschieden sein, zumal die Qualität von Antennen unterschiedlich entwickelt sein kann. Daher ist es nicht sehr überraschend, dass mystische Phänomene von verschiedenen Individuen verschieden wahrgenommen werden.

Es soll versucht werden, mystische Erscheinungen, für deren Beobachtung und Untersuchung Lotte Ingrisch bekannt ist, einer naturwissenschaftlichen Kritik zu unterziehen und physikalische Beschreibungen anzubieten in Fällen, in denen es möglich ist, und dort, wo das nicht möglich ist, diese im Bereich der Transzendenz zu belassen.

Lotte Ingrisch hat im Laufe der Jahre und unserer Bekanntschaft viele wichtige und interessante Fragen an mich gerichtet. Einige dieser Geschichten sollen im Folgenden erzählt werden. Zur besseren Übersicht sind meine Einwürfe und Erörterungsversuche in leicht geänderter Schrift und etwas eingerückt zwischen die Darstellungen von Lotte Ingrisch gesetzt.

Wenn die Differenzen zwischen Naturwissenschaft und Jenseitsdenken für den Leser spürbar abgebaut werden können und sich die Chancen eines Austauschs von Physik und Metaphysik etwas erhellt haben, ist ein wichtiges Anliegen dieses Buches bereits erfüllt.

Helmut Rauch

Liebe Leserinnen und Leser, dazu brauchen wir Sie, und zwar sehr! Dieses Buch ist ein Theater, und Sie spielen mit. Ihre Rollen sind keineswegs stumm. Reden Sie über den Quantengott! Er ist die Verlobung von Physik und Metaphysik. Möge es zur Hochzeit kommen! Sie alle sollen Trauzeugen sein. Wird die Ehe glücklich, könnten Kinder einer schöneren Gattung geboren werden, und die Welt würde nicht mehr dieselbe sein.

Auf der Bühne dieses Buchs sprechen und mailen Helmut Rauch und Lotte Ingrisch wild durcheinander – und entschuldigen sich dafür. Aber für beide ist es eine abenteuerliche Reise in ein fremdes Land.

Lotte Ingrisch

Ich bin eine jenseitige Spaziergängerin

Ich bin eine jenseitige Spaziergängerin. Dabei gerate ich in sonderbare Gegenden. Tote reden mit mir. Manchmal gehe ich durch eine unsichtbare Tür aus mir selbst heraus. Und ich

erscheine an Orten, an denen ich gar nicht bin.

»Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können«, so Heisenberg, »ist nie die Wirklichkeit an sich.« Aber gerade die hab ich mein Leben lang gesucht. Also schrieb ich in einem meiner Bücher (»Die doppelte Lotte«) ein SOS an die Wissenschaft: »Gestatten, ich bin ein Riesenteilchen, das gleichzeitig an zwei Orten sein kann. (…) Halten Sie es für möglich, dass wir a) in verschiedenen Zuständen (Doppelgänger), b) auf verschiedenen Ebenen (Paralleluniversen) existieren könnten?«

Berühmte Wissenschaftler hielten es für möglich. Mit einem von ihnen schreibe ich dieses Buch. Der Physiker und die Grenzgängerin auf der Spur einer anderen Wirklichkeit … Und der schöne Titel ist von ihm!

Auf meine Frage antwortete damals Helmut Rauch:

»Bilokation ist gemäß der Quantenphysik durchaus möglich. Wir sprechen von sogenannten Schrödinger-Katzen-Zuständen, wo ein Objekt in zwei Zuständen gleichzeitig sein kann (zum Beispiel: lebend oder tot).«

Genauso ist es möglich, dass ein unteilbares Objekt über zwei verschiedene Wege ein Ziel findet, wie das mit dem Skifahrer (siehe hier) im Bild dargestellt ist. Diese Phänomene wollen wir auf den folgenden Seiten besprechen.

Schrödingers Katze! Für mich das wichtigste Tier auf der Welt. So sehr ich unsere Katzen liebe, die Schafe, den Ziegenbock, das Kaninchen, die Taube. Aber Schrödingers Katze sitzt für mich nicht in der Kiste sondern auf einem Altar. Denn sie ist tot und lebendig zugleich, je nachdem, wie man sie anschaut.

»Das gilt«,fuhr Professor Rauch damals in seiner Antwort fort, »auch für ein anderes (unteilbares) Objekt, das gleichzeitig an mehreren Orten sein kann. Wir haben dazu erste Experimente mit Neutronen gemacht, das heißt mit Elementarteilchen, die grundsätzlich nicht teilbar sind.«Dasselbe wie der Physiker sagte mir der Componist Gottfried von Einem nach seinem Tod: »Ich kann jetzt gleichzeitig überall sein!«

Und wieder Professor Rauch:

Wir haben derartige Experimente mit Neutronen durchgeführt und die Vorhersage voll bestätigt gefunden. Alle Materie und damit auch wir Menschen bestehen zu circa 50% aus Neutronen, die in den Atomkernen gebunden sind. Bei Atomspaltungsprozessen können diese freigesetzt werden und stehen so für Experimente zur Verfügung. Neutronen sind an sich unteilbare Elementarteilchen, können aber über zwei weit voneinander getrennte Wege gehen, wie wir das im folgenden Bild mit dem Skifahrer darzustellen versuchen. Derartige Vorgänge gibt es in der Natur, und der Grund, warum wir derartige Vorgänge nicht ständig im Alltagsleben beobachten, liegt daran, dass wir ein makroskopisches Objekt, wie einen Skifahrer, nicht vollständig von der Umwelt trennen können. Mit Neutronen, Atomen und Molekülen kann man derartige Phänomene tatsächlich verifizieren und vielleicht in Bälde auch mit biologischen Systemen. Davon mehr später im Buch.

Abb. 1: Der Quantenskifahrer von Charles Addams. Schematisierte Doppelspaltsituation, bei der ein unteilbares System gleichzeitig über zwei verschiedene Wege zum Ziel kommen kann. © 1940 Charles Addams, Renewed 1967. With permission of Tee and Charles Addams Foundation

Ein faszinierendes Bild, das Professor Rauch mir gezeigt hat. Der Skifahrer fährt gleichzeitig zwei Spuren um den Baum? Teilt er sich? Nein, er bleibt ganz. Ich bin auch ganz geblieben, obwohl ich immer wieder getrennte Wege ging. Bin also weder ein Monstrum noch verrückt. Sondern kann streng wissenschaftlich zur selben Zeit an verschiedenen Orten auftauchen, von Australien bis Lunz am See.

In der Hoffnung auf seinen quantenphysikalischen Segen folgte ich dem Professor fortan wie ein Schaf seinem Hirten. Eigentlich begann es mit dem Tod, der mich mein Leben lang fasziniert hat. Was passiert, wenn man auf einmal nicht mehr man selbst ist? Entweder gar nichts mehr oder etwas anderes. Da es mich immer wieder aus dem Leib zog, wusste ich, dass dieser Leib nicht unser einziges Medium ist und Leben nicht unser einziger Zustand.

Der Tote in der Straßenbahn

Aber mit sechzehn wusste ich es noch nicht. Tiefer Winter, tiefer Schnee. Die Straßenbahnen fuhren nicht mehr. Die Leute an den Haltestellen machten sich zu Fuß auf den Weg. Ich stapfte vom Schottenring bis in die Billrothstraße, wo mein Gymnasium lag, neben einem sehr schönen und gescheiten älteren Herrn, buschiges rostbraunes Haar, buschige Augenbrauen, Pelzmütze. Wir redeten die ganze Zeit miteinander. Später bekam ich von ihm die Einladung zu seiner Lesung in der Nationalbibliothek. Aha, ein Dichter, und ein berühmter dazu! Vergnügt schwänzte ich die Tanzstunde, setzte mich in den großen Saal – und erschrak. Der Herr am Podium war kahl. Kein Haar, keine Augenbrauen.

Und was war mit seiner Stimme passiert? Bald darauf las ich in der Zeitung, er wäre verstorben.

Der Winter ging zu Ende, ich fuhr mit der Straßenbahn, Ringwagen, und stand wie gewöhnlich auf der Plattform. Mit einem anderen Fahrgast. Jetzt drehte er sich um … Buschiges Haar, buschige Augenbrauen, Pelzmütze. Ganz langsam kam er näher, und dabei schaute er mich bohrend an. Ich war vor Angst wie gelähmt. Als er mich fast schon berührte, sprang ich aus der fahrenden Straßenbahn. Es war vor der Universität, und ich hätte mir das Genick brechen können. Aber ich fiel nur hin und stand wieder auf. Aber seinen Blick konnte ich nicht vergessen.

Wieso gab es den Toten noch? Wieso konnte ich ihn sehen und er mich auch? Was bedeuten Sterben und Tod? Ist der Lebende real und der Tote virtuell? Oder ist es genau umgekehrt? Ich fing an, den Professor zu fragen, zu fragen, zu fragen. Und mit Engelsgeduld antwortete er mir.

Sehr geehrte gnädige Frau!

Von der Physik aus betrachtet ist eher der Tod als Grundzustand zu bezeichnen. Das Leben entsteht durch einen Schöpfungsprozess (biologisch, chemisch), der von einem höheren Wesen gesteuert ist oder auch nicht, und bringt die Materie in einen »angeregten Zustand«, der dann mit einer bestimmten Halbwertszeit wieder zerfällt, d.h. in den »Grundzustand« (Tod) übergeht und von diesem durch eine weitere Anregung wieder erweckt werden kann. Auch kollektive An- und Abregungen sind möglich, was in den Bereich der Laserphysik führt.

Obwohl man nicht alles über den Tod wissen kann, wollte ich alles über den Tod wissen. Physikalisch. Denn in die Länder hinter den Spiegeln hab ich mich schon immer wie im Traum verirrt. Lewis Carroll hat ihre Wunder und Geheimnisse längst vor der Quantenphysik entdeckt. Fast jeder kennt »Alice im Wunderland«. Doch der Mathematikprofessor am Christ Church College von Oxford schrieb auch »Sylvie und Bruno«. Darin steht, wenn ich mich recht erinnere, jeder Lebendige wäre zugleich auch ein Toter und ein Elb. Die Figuren verwandeln sich, gehen ineinander über, spalten sich auf. Wie im wirklichen Leben, denke ich. Ich vermute, dass ich tatsächlich lebendig bin, tot bin, und eine Fee. Und glaube Lewis Carroll aufs Wort, dass »der Tod kein Schatten ist, sondern Licht; kein Ende, sondern ein Anfang«. Was sagt Helmut Rauch dazu?

Kurzbemerkung zu Diskussionen mit Frau Lotte Ingrisch im Herbst 2011 über Leben und Tod: Frau Ingrisch hat spezielle Ansichten über den Tod, vor allem, was mögliche Kommunikation mit Toten betrifft, und möchte dazu eine wissenschaftlich begründete Aussage. Die Frage »tot« oder/und »lebendig« wird in der Quantenphysik auch im Zusammenhang mit der Schrödinger Katze diskutiert, so dass ein spezieller Diskurs zwischen Geistes- und Naturwissenschaften möglich erscheint. Hier einige Eckpunkte aus der Sicht eines Physikers:

• »Tot oder/und lebendig« kann man wahrscheinlich mit den Begriffen »Grundzustand« und »angeregter Zustand« eines physikalischen Systems in Verbindung bringen, wobei »tot« dem Grundzustand und »lebendig« dem angeregten Zustand entspricht.

• Wird ein physikalisches System vom Grundzustand in einen angeregten Zustand gebracht (z.B. durch thermische Anregung oder Absorption von Licht o.ä.), kann dieses durch Emission eines Lichtquantums mit einer dem System typischen Halbwertszeit in den Grundzustand zurück zerfallen.

• Der Grundzustand (Tod) kann als stabil angesehen werden, bis durch irgendeine Störung (Wärmebewegung, Lichtquantum, kosmische Strahlung o.ä.) das System durch Energiezufuhr in einen angeregten Zustand übergeführt wird. Hier handelt es sich also um eine Art Schöpfungsprozess, der als Befruchtung oder auch als Stimulierungsprozess verstanden werden kann.

• Nachdem jedes System dem Zustand niedrigster Energie zustrebt, zerfällt der angeregte Zustand mit einer spezifischen Wahrscheinlichkeit (Halbwertszeit) wieder in den Grundzustand, was dann einem Sterbeprozess entspricht.

• Die Erzeugung des angeregten Zustandes ist durch verschiedene Prozesse möglich, weswegen es auch eine Unzahl von angeregten Zuständen (»Leben«) gibt, d.h. verschiedene Spezies mit verschiedenen Eigenschaften. Die Mittelwerte dieser Eigenschaften ergeben eine gewisse Spezies, die Fluktuationen davon die jeweiligen Individuen.

• Man erkennt, dass die angeregten Zustände weitgehend verschwinden (»das Leben erlischt«), sobald keine Anregungsmöglichkeiten mehr vorhanden sind, z. B. nach dem Erlöschen der Sonne.

• Es gibt Schwebungsprozesse zwischen Grund- und angeregten Zuständen (zwischen tot und lebendig), diese sind allerdings äußerst selten und unterliegen ebenfalls einem langfristigen Zerfallsprozess. Dieses Verhalten ist für mikroskopische Objekte zu realisieren (Schrödinger-Katzen-Systeme), aber für makroskopische Systeme (z.B. Lebewesen) aus statistischen Gründen praktisch nicht realisierbar. Das ist am ehesten damit zu erklären, dass ein makroskopisches System wie die Schrödinger-Katze nicht vollständig von der Umgebung getrennt werden kann. Luftmoleküle stoßen selbst bei bestem Vakuum an das Objekt, und auch Restphotonen bleiben bei extremer Dunkelheit vorhanden. Auch verschiedene elektromagnetische Wellen (Radio oder Fernsehen) sowie Neutrinos und andere Strahlungsarten durchdringen den Raum.

03. November 2011, Helmut Rauch

Ich las und schluckte. Zwar hatte ich mit der Seele immer schon meine Probleme. Aber als physikalischer Zustand hab ich mich noch nie gefühlt. Weder an- noch abgeregt. Müsste man nicht sämtliche Religionsgründer in den Physikunterricht schicken?

Aber je öfter ich Rauchs Text las, umso aufgeregter wurde ich. Eine physikalische statt Darwins biologischer Evolutionstheorie! Die Entstehung der Arten, ja Individuen ein energetischer Prozess ... Evolutionisten wie Kreationisten sind damit aus dem Spiel ... Der Affe entspricht einem bestimmten Anregungszustand, einem bestimmten Evolutionszustand. Ebenso wie die Amöbe, die Butterblume, das Krokodil. Oder Jesus, der erleuchtete Revolutionär.

Und Gott, wie ist das eigentlich mit Gott?

Aber noch hatten wir andere Themen. Zum Beispiel Aristoteles. »A ist A oder non A«, hat der griechische Philosoph gelehrt! Das Gefängnis der Logik. Aber A ist auch B! Die Quantenphysik hat die paradoxen Gesetze dieser Welt erkannt.

»Das Gegenteil einer großen Wahrheit kann wieder eine tiefe Wahrheit sein«, bestätigte der dänische Physiker Niels Bohr. Gottfried von Einem, mein Mann, hat Bohrs Einsicht in seinem Chorwerk »Gute Ratschläge« vertont.

Gesetze der Logik, Gesetze des Glaubens, Gesetze der Moral ... Ich bin immer schon eine Anarchistin gewesen, und anarchistisch wurde zu meiner großen Freude auch Newtons Physik. »Verzeih, Newton!«, schrieb Einstein und schuf die Relativitätstheorie, nach der, wie Rauch mir erklärte, Raum und Zeit äquivalent sind, miteinander verschränkt.

Große Mystiker allerdings glaubten weder an den Raum, noch die Zeit. Kleine Kinder vielleicht auch nicht. Gustav Mahlers Urenkelin Anna war fünf, als sie ihre Mutter Alma, die Tochter des Verlegers Paul Zsolnay, fragte: »Gelt, Raum und Zeit gibt es nicht wirklich?«

Rauch widersprach nicht. Es gibt nur »Raumzeit«, wie wir später noch diskutieren werden. Wir trafen einander, selten zuerst und dann immer öfter, im Café Bräunerhof. Gesprächsthema war fast immer der Tod. Irgendwann fingen wir an, uns Helmut und Lotte zu nennen.

Ich habe vor fast einem halben Jahrhundert einen »Reiseführer ins Jenseits« geschrieben. Das Thema meines Lebens ist der Tod. Es gab einmal eine Ars moriendi. Sie blieb auf dem Friedhof der Aufklärung (die natürlich auch eine Geburtsstätte war) zurück. Ich versuche, die Menschen wieder die schöne Kunst des Sterbens zu lehren.

Einstein nannte die Trennung in Zukunft und Vergangenheit eine Illusion. Wenn er recht hat, sind wir gleichzeitig lebendig und tot! »Als Physiker«, so Rauch, »kann ich dir nicht widersprechen, Überlagerungszustände sind möglich.« Sind Leben und Tod einander überlagernde Zustände des Bewusstseins, die immer wieder ineinander übergehen?

Wir brauchen dringend eine zweite Aufklärung. »Du musst«, bedrängte ich Helmut, »ein neues Weltbild auf der Bühne der Staatsoper verkünden!« – »Weißt du«, dämpfte er meine Begeisterung, »was die Bühne der Staatsoper kostet?« Nein, ich wusste es nicht. Aber wann und wo immer ich ihren Direktor traf, bat ich ihn spätestens nach dem dritten Glas Wein, an seinem Haus nicht nur Sänger singen, sondern auch Quantenphysiker sprechen zu lassen. Er lächelte jedes Mal freundlich. Aber einmal sagte er auch: »Machen Sie ein Konzept!« Wunderbarer Dominique Meyer ...

»Lieber Helmut!«, klagte ich in einem Mail: »Wir unterwerfen uns seit der Aufklärung einer Diktatur der linken, für Ratio und Rechnen zuständigen Hirnhemisphäre.«

»Oft aber«, wendete ich gegen diesen Standpunkt Lottes ein, »ist die Ratio das Einzige, was uns bleibt. Wir verstehen zwar wenig, aber was wir zu verstehen glauben, hilft uns, ansonsten könnten wir auch Deinen weiteren Gedanken nicht folgen.«

Wie wir schon früher ausgeführt haben, ist der Begriff des Verstehens jedoch vorsichtig zu gebrauchen. Eigentlich beschreiben wir nur die Phänomene, und durch oftmalige Bestätigung der Vorhersagen behaupten wir, die Phänomene verstanden zu haben. In der Tat erhalten wir dabei keine Bestätigung existierender Theorien, sondern eine Bestätigung dafür, dass diese bisher nicht falsifiziert wurden (siehe Karl R. Popper). Wir vergessen dabei, dass wir nur Phänomene beschreiben können, für die wir Sinnesorgane oder andere Antennen haben, alle übrigen Phänomene bleiben uns verborgen oder wir betrachten sie als mystisch. Der Schlüssel zum Verstehen der menschlichen Existenz ist wahrscheinlich nur im Rahmen der kosmischen Evolution zu finden. Die Darwin’sche Evolutionstheorie ist dabei eine Weiterführung der molekularen und biologischen Evolution.

»Aber die Ratio«, klage ich an, »hat uns in Todesangst und Lebensgier versetzt. Ich war immer eine Anwältin, ja geradezu Märtyrerin der rechten irrationalen Hirnhälfte. Morddrohungen und unfreundliche Einladungen in die Psychiatrie waren die Folge. Der Humor, mit dem ich das überstanden habe, war nicht immer ganz echt. Das hat sich im Lauf der Jahre geändert.

Die rechte Hemisphäre unseres Gehirns kehrt aus dem Exil zurück, und mit ihr unsere Intuition, Inspiration, Sensitivität. Gleichzeitig ist die Esoterik, der große Persönlichkeiten wie Giordano Bruno angehörten, zum Jahrmarkt und der Geist zum Geschäftsgeist geworden. Ich bin darüber sehr unglücklich. Am liebsten möchte ich euch Physiker zur Gründung einer wissenschaftlichen Quantenreligion verlocken.

Möchte ich? Wie ich Dir schon sagte, hab ich immer wieder das Gefühl, dass etwas Anderes, Wesentlicheres mich steuert. Ich bin nur eine Art Bote. Ein Briefträger Gottes, so es ihn gibt. Ein anderes Weltmodell könnte Mensch und Welt völlig verändern. ICH, LEBEN, TOD – das gehört, nach dem materialistischen Aberglauben, neu definiert. Jetzt! Denn wir sind mitten im Chaos zwischen zwei Ordnungen. Und können nicht ausschließen, dass die nächste Ordnung eine noch schlimmere als die gegenwärtige sein wird.«

Diesem Schreiben Lottes fügte ich als Hinweis hinzu: »Ich bin nicht so pessimistisch, zumindest nicht was das Universum betrifft, da diesem ›schlimm‹ und ›nicht-schlimm‹ keine oder eine andere Bedeutung innewohnt. Was den Menschen betrifft, kann es so sein. Wir sollten begreifen, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der/die/das Wichtigste im Universum sind. Sicherlich sind wir nicht die intelligentesten und mit den besten Antennen ausgestatteten Wesen.«

Da waren Helmut und ich einer Meinung. »Wir sind ein Tier unter Tieren. Gehören zur Weltfamilie wie auch die Gräser, die Bäume, das Gestein. Wenn Du mit diesem Zukunftsmodell vor die Öffentlichkeit trittst, wäre das vielleicht der Flügelschlag eines Schmetterlings. Schon lang vor der Chaostheorie hat Paracelsus erkannt: Der Duft einer Rose kann die Welt verändern.«

»Das Leben ist ein Nichtgleichgewichtszustand, das heißt ein angeregter Zustand, und jeder Schmetterlingsschlag kann es in eine andere Richtung bringen. Dem steht kein Naturgesetz entgegen. Nicht ›richtige‹ oder ›falsche Richtung‹, denn das erfordert eine ›menschliche‹ Bewertung und bringt wieder den Menschen in den Mittelpunkt. Deshalb nicht gleich die Staatsoper! Wir könnten mit individuellen Gesprächen beginnen. Darf ich Dich zu einem kleinen Mittagessen ins Griensteidl einladen?«

Schon Hans-Peter Dürr plädierte für ein entsprechendes Miteinander: »Physik und Transzendenz stehen in der Vorstellung der heutigen Physiker nicht mehr in einem antagonistischen, sondern eher in einem komplementären Sinn einander gegenüber. Max Planck ... steht auf der Schwelle von der alten zur neuen Ära.«

Es folgten fünf Jahre lang Physikunterricht vom Feinsten und der Beginn einer seltsamen Freundschaft zwischen einem naiven Naturwissenschaftler und einer sensitiven Spinnerin.

Ein Geist tritt, ohne zu klopfen, in mich ein

Ich hab Helmut die traurige Geschichte von meinem Schmetterling erzählt, der seit mehr als vierzig Jahren mit den Flügeln schlägt, ohne die Welt zu verändern, und das kam so: Ich gehe eines Abends durch die Singerstraße und überlege, ob ich als Nächstes eine Komödie schreiben soll oder einen Kriminalroman. »Du schreibst«, befahl eine äußerst energische Stimme in mir, »eine Schmetterlingsschule.«

Ich schreibe w a s? Für Pädagogik hatte ich mich nie interessiert und bin dreimal in Mathematik sitzen geblieben. Nein, mit Schule hatte ich nichts, aber schon gar nichts am Hut.

Zwei Monate später war das Buch fertig. »Schmetterlingsschule oder die Veränderung der Welt im Kopf«. Nein, ich hab es bestimmt nicht geschrieben. Dieser Meinung war auch der Verleger Dr. Manfred Schmid, der es in der Edition S der Österreichischen Staatsdruckerei publizierte. »Allein für die Zitate – von Simon dem Magier bis Erwin Chargaff – hätte Ihre Frau ein halbes Jahr lang in Bibliotheken suchen müssen«, erklärte er meinem Mann.

Gottfried von Einem, der mich besser kannte, widersprach erzürnt. Tatsächlich griff ich damals blind in diverse Bücherregale, schlug ohne zu suchen eine Seite auf und hatte exakt, was ich brauchte. Dabei hatte ich viele der zitierten Autoren selbst nie zuvor gelesen.

»Lernen lebenslänglich« heißt das erste Kapitel und beginnt: »Das Zeitalter der Arbeit geht dramatisch zu Ende. Vollbeschäftigung ist eine Vokabel der Vergangenheit. Jeder von uns wird lernen müssen, einen großen Teil seiner Zeit selbst zu programmieren. Leere Zeit wird zur Depression, und leere Zeit wird zur Aggression. Noch sind wir nicht vorbereitet auf das Paradies! Rasch verwandelt die Hierarchie von Besitz, Prestige und Konsum sich in eine Hierarchie der Information.«

Zu diesem Auszug aus Lottes Buch möchte ich gern bemerken: Informationen können selbst in einzelnen Atomen und nicht nur in Menschen gespeichert werden, was in Zukunft zur Entwicklung von Quantencomputern führen kann. An diesen Forschungen sind auch österreichische Wissenschaftler speziell aus Innsbruck und Wien an vorderster Front tätig (siehe dazu den Artikel »Die bizarre Welt der Quanten« von Florian Aigner und Franziska Dzugan in der österreichischen Zeitschrift »Profil« vom 12. August 2016, Seite 71).

Hab ich wieder einmal von der Zukunft abgeschrieben? »Lernen lebenslänglich« ist heute ein selbstverständlich gewordenes Programm. Unsere künftige Arbeit ist, wie ich prophezeite, die am eigenen Bewusstsein Diese lebenslängliche Arbeit ist kein Fluch, und sie kennt keine Arbeitslosen. Die Arbeit der Zukunft ist unsere eigene, bewusste Evolution. Mögen wir das erkennen, bevor es zu spät ist!

Die »Schmetterlingsschule« – mein Plädoyer für das Irrationale gegen die Ratio – schlug ein wie eine Bombe. Hatte mehrere Auflagen, im Schloss Pötzleinsdorf musste ich vor der versammelten Lehrerschaft sprechen, und Kurt Scholz, damals Präsident des Stadtschulrats, ließ in den Schulen danach unterrichten. Doch wurde er ein Opfer der Politik, und meine »Schmetterlingsschule« auch. Die linke Hirnhemisphäre hatte gewonnen.

»Deine Argumentation mit der unterschiedlichen Funktion der beiden Gehirnhälften finde ich interessant«, schrieb Rauch. »Ich habe erst vor kurzem eine Arbeit gefunden, in der das Verhalten der verschiedenen Gehirnhälften auch mittels ortsauflösender NMR-Tomografie bestätigt wurde.«

Lieber Helmut! Könntest du nicht auch Unterrichtsminister sein? Newton wohnt in der linken, aber du und die Quantenphysik, ihr residiert auf einem goldenen Thron in der rechten Hemisphäre unseres Gehirns.

2006 rief die deutsche Pädagogin Vera F. Birkenbihl mich an und bestellte eine zweite Schmetterlingsschule bei mir, zur Lösung der neuen Probleme Asylantenkinder und Aggressivität. Diesmal brauchte ich ein halbes Jahr, dann war »Die neue Schmetterlingsschule oder die Rückkehr der Seele in den Unterricht« fertig. – »Unsere Adresse, die Milchstraße«, war ihr Motto. Ich habe Vera Birkenbihl, sie ist inzwischen gestorben, leider nie persönlich kennengelernt.

Die neue Unterrichtsministerin Claudia Schmied stellte das Buch selbst an der Universität vor. Der große Saal war fast leer. Ihr Pressechef hatte mich und den Verlag gebeten, niemanden einzuladen, dies würde er selbst tun. Er unterließ es. Die zweite Schmetterlingsschule war tot, bevor sie geboren wurde. Wahrscheinlich hatte sich die Politik gegen eine Blumenwiese und für den englischen Rasen entschieden. Ein englischer Rasen ist, wie der genormte Schüler, pflegeleicht und nicht aufmüpfig.

Die zehn Gebote der neuen Schule wurden nicht befolgt, mein Traum von einer schöneren Zukunft war ausgeträumt. Noch einmal darf ich sie in den Wind streuen, vielleicht verirrt sich irgendwann ein Samenkorn in das Herz eines Ministers? Aber nein, ich träume schon wieder.

Man erkennt die Welt nicht, indem man sie auswendig lernt.Die Welt ist ein Prozess. Nichts steht fest, kein Wissen ist endgültig.Die Welt ist eine lebendige Ganzheit. Als solche ist sie nicht nur mehr, sondern etwas anderes als die Summe ihrer Teile und soll nicht in einzelne Lehrfächer kanalisiert werden.Der menschliche Leib ist im Leib der Erde enthalten, der Leib der Erde im kosmischen Leib, und der kosmische Leib worin?Die Schule soll die Grundbegriffe der Ökologie, der biologischen Landwirtschaft, den Umgang mit Heilkräutern und der Wünschelrute lehren. Die Schule soll mit dem Entstehen und Vergehen der Formen vertraut machen, der Biologie und Theologie des Todes und dem Plural der Religionen.Der bisherige Unterricht basiert auf der linken, rationalen Hirnhälfte und amputiert praktisch die rechte, irrationale. So ist die Seele zuerst aus der Schule verschwunden und dann aus dem Leben. Das radikal andere Programm der Schmetterlingsschule bewirkt eine Harmonie beider Hirnhemisphären und mit ihr auch der beiden Hemisphären des Seins – der sichtbaren und der unsichtbaren Welt.Die Schule soll die Welten und Weltbilder der Seele lehren, den gleichen mystischen Kern aller Religionen und ihre unterschiedlichen Biografien. Mythen, Märchen und Künste sind, wie auch die Wissenschaften, Sprachen und Dialekte des Seins. Verstümmeln wir sie nicht durch Ideologien!Liebe verbindet die Teile zur Ganzheit: Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine, Dinge. Mikro- und Makrokosmos. Liebe ist kein Gefühl sondern der Zustand der Einheit. Liebe ist der Akt der Erkenntnis schlechthin, und alles Wissen bleibt ohne sie tot. Die Schule soll uns nicht lehren, zu antworten. Die Schule soll uns lehren, zu fragen. Nicht von Antwort zu Antwort wachsen wir, sondern von Frage zu Frage. Die Frage ist wichtiger als die Antwort.

Diese »10 Gebote« von Lotte finde ich durchaus interessant, wünsche mir aber bei dieser Darstellung keine Diskriminierung der Antworten. Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich kann die Antwort wichtiger sein als die Frage, z.B.: Ist eine Brücke tragfähig oder nicht? Eine begründete Antwort entscheidet, ob ich sie überschreite oder nicht! Ich würde daher eher sagen: Sowohl Fragen als auch Antworten sind wichtig. Bei Punkt 9) würde ich statt »Liebe verbindet die Teile zur Ganzheit« sagen »Verschränkung verbindet die Teile zur Ganzheit«. Was aber inhaltlich äquivalent ist.

Aber jetzt fängt die Geistergeschichte erst an! Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen, die Festrede zum Montessori-Kongress am Tegernsee zu halten. Wer Montessori war, wusste ich inzwischen, hatte aber nichts von ihr gelesen. Beim Verfassen meines Textes kam ich wieder auf die Mystik zurück, die selbstverständlich in den Schulunterricht gehört. Strich die Passage aber dann, man hielt mich sowieso schon für verrückt.

Der Kongress fand in einem Schloss statt, und überall lagen Zettel mit Montessori-Zitaten herum. Ich nahm eines und las: »Mystik gehört in jeden Schulunterricht!« Da war ich doch etwas verwirrt. Durch die verschiedenen Referate lernte ich dann die Montessori-Pädagogik kennen, wurde immer verwirrter und erkundigte mich nach ihrer Person.

Sie war Buddhistin. Ich las bereits in der Volksschule die gesammelten Reden von Gautama Buddha und verstand bestimmt kein einziges Wort. Allerdings war ich danach für eine Weile überzeugte Buddhistin und prügelte mich im ersten Gymnasialjahr wegen der Wiedergeburt mit den anderen Kindern.

Der Tiefpunkt ihres Lebens, die Ausweisung, überraschte Montessori in Barcelona. Als ich, ein fröhliches Gemüt, einmal in diese Stadt kam, wurde ich total depressiv und wollte mich aus dem Hotelfenster stürzen.

Jetzt wurde ich aber sehr aufmerksam! Ich studierte ihre Fotografien. Nein, ähnlich schauten wir uns nicht. Aber sind wir in Wirklichkeit nicht Bewusstseinsfelder? Informationsfelder? Und unterscheiden sich Bewusstseinsfelder Lebender von denen der Toten?

Ich glaube, ich bin auf eine Weise, die ich nicht verstehe, in das Bewusstseinsfeld der Montessori geraten, und sie war es auch, die mir die Schmetterlingsschule zu schreiben befahl.

Fortzusetzen, was sie so genial begonnen hatte und wobei der Tod, da war sie bereits 83 und noch voller Pläne, sie unterbrach.

Ich war ihr Werkzeug, weiter nichts, und bin es geblieben. Kein Unterrichtsminister, keine Unterrichtsministerin blieb von mir beziehungsweise der Montessori verschont. Bei allen bin ich gewesen. Aber sie haben entweder nicht verstanden oder durften nicht verstehen.

Was mir mit der Montessori passierte, ist einer von Helmut Rauchs »Schwebungsprozessen« zwischen Grund- und angeregten Zuständen (zwischen tot und lebendig). Diese sind allerdings äußerst selten und unterliegen ebenfalls einem langfristigen Zerfallsprozess.

Wenn ich Rauch von meinen Grenzerfahrungen berichtete, nickte er. »Du bist sehr verschränkt«, sagte er. Aber verschränkt sind wir alle. »Schon durch den Urknall«, erklärte er mir. »Am Anfang waren wir eine Einheit.« – »Sind«, fragte ich, »Lebende und Tote auch noch verschränkt?« Zu meiner Freude bejahte er es. »Aber man muss Antennen dafür haben.« Darüber sprachen wir oft. »Was wir an Wirklichkeit wahrnehmen, hängt von unseren Antennen ab. Hätten wir andere Antennen, fänden wir uns in einer vielleicht völlig anderen Welt.«

Ich habe bestimmt eine Antenne zu viel, und mein Mann Gottfried von Einem mindestens zwei. »Somnambul«, nannte er mich, aber er selbst wandelte auch im Schlaf und auf dem Mond. Was wir erlebt haben, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, den ich sowieso für eine Krankheit halte. Aber es widerspricht nicht der Quantenphysik!

Einer ihrer wesentlichen Aspekte ist die Verschränkung. Zwei verschränkte Teilchen können als ein einzelnes physikalisches Objekt betrachtet werden, selbst wenn sie Lichtjahre voneinander entfernt sind. »Man hat jetzt entdeckt«, sagte Rauch mir eines Tages, »dass die Gesetze des Mikrokosmos auch im Makrokosmos gelten.« Denn es gibt keine festzulegende Grenze; eine Katze ist für eine Maus groß, für einen Menschen aber klein.

Hat Hermes Trismegistos, der mythologische Weise, schon vor Jahrtausenden gewusst. »Wie oben – so unten. Wie unten – so oben.« Zwei verschränkte Teilchen oder zwei verschränkte Menschen. Selbst durch Lichtjahre voneinander getrennt, bleiben sie so miteinander verbunden, dass eine Veränderung des Einen sofort vom Anderen widergespiegelt wird. Ob die ganze Mystik, unsere Sehnsucht nach der Einheit, nicht die Erinnerung an den Urknall ist? Von dem Helmut überzeugt ist, ich nicht ganz.

Der Urknall stellt ein Ereignis dar, bei dem zunächst Raum und Zeit und damit im Zusammenhang später auch Materie geschaffen wurde, was wir in der heutigen Terminologie als »Einstein’sche Raumzeit« betrachten. Es gibt eine Reihe überzeugender Hinweise, dass es den Urknall vor ca. 14,7 Milliarden Jahren gegeben hat. Dazu zählen der Nachweis der Mikrowellenhintergrundstrahlung und die Fluchtbewegung der Galaxien. Zu diesen Hinweisen gehören auch die im Jahre 2015 entdeckten, von Einstein bereits vorausgesagten Gravitationswellen, die uns ein Signal von kosmischen Ereignissen senden, die in einem Abstand von 1,3 Milliarden Lichtjahren stattgefunden haben. Mit immer leistungsfähigeren Observatorien können wir deutlich mehr Details des Urknalls verstehen beziehungsweise beschreiben. Von einer Singularität der »Raumzeit« ausgehend, haben sich Raum und Zeit entwickelt, blieben aber verschränkt, was in der beobachtbaren Raumkrümmung, speziell in der Nähe schwerer Massen, nachweisbar ist. Von diesem singulären Ereignis des Urknalls ausgehend, kann man eine generelle »Verschränkung« (»entanglement«) postulieren. Das Wesentliche beim Verstehen des Urknalls ist deswegen, dass dabei Raum und Zeit erst geschaffen wurden. Das bedeutet, dass die Frage nach einer Zeit vor dem Urknall oder einem Raum außerhalb der Singularität ins Leere geht, im wahrsten Sinne des Wortes.

Vielleicht ein Schöpfungsmythos unserer Zeit? Einmal saß ich in der Akademie der Wissenschaften neben ihrem Ehrenmitglied, dem Relativisten und Kosmologen Wolfgang Rindler. »Glauben Sie an den Urknall?«, fragte ich. Und er, lächelnd: »Urknälle.«Rauch sagt, dass es derzeit keine experimentellen Hinweise auf mehrere Urknälle gibt, aber solche durchaus denkbar sind.

Viele Jahre später saß ich, so ein Glück, noch einmal neben Rindler: »Was bleibt übrig von einem System? Gleich, ob explodierender Stern oder sterbender Mensch.« Rindler: »Photonen. Nur Photonen!« Also Licht.

Alle Zeitalter, alle Kulturen berichten vom Licht, das die Sterbenden sehen und für ihren jeweiligen Gott halten. Aber dieses Licht sind sie selbst! Es tritt aus ihren eigenen Zellen. Man nennt es Biophotonen, und es könnte der Mittler zwischen Seele und Körper sein.

Einmal las ich das ägyptische Totenbuch – ich habe die Totenbücher aller Religionen gelesen – mit dem Untertitel »Das Eintreten der Seele ins Tageslicht«. Gottfried schaute mir über die Schulter, schüttelte den Kopf und sagte: »Das ist falsch. Richtig müsste es heißen, das Austreten des Lichtes.«

Woher wusste er das? Er hat sich nie mit Photonen beschäftigt. »Ahnung«, sagte er einmal, »ist das Höchste, dessen wir fähig sind.« Er war ein großer Ahnender.

Zurück zur Ratio, die Helmut verteidigt, und der menschlichen Arroganz: