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Kann ein Mensch an zwei Orten gleichzeitig sein? Lotte Ingrisch ist davon überzeugt, schließlich hat sie selbst es mehrmals erlebt. Humorvoll und auf charmante Art und Weise erläutert sie das Phänomen der "Bilokalität", das auch von einigen Quantenphysikern erforscht und bestätigt wird. Neben Lotte Ingrischs persönlichen Erfahrungen kommen auch Menschen zu Wort, die Verblüffendes zum Thema Parallelwelten beitragen können. Die Existenz von Doppelgängern lässt sich wissenschaftlich weder beweisen noch widerlegen. Sicher ist eines, alles ist möglich!
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Seitenzahl: 223
Inhalt
Im Namen der MilchstrasseIch weiss nicht, wann ich begann, doppelt zu werdenTeilchen und WelleGleichzeitiges Erscheinen eines Menschen an zwei oder mehreren OrtenDie SpiegelpersonDrei EhemännerAuf der Spur des wilden PendelsWahrscheinlichkeitswolkenKann der Doppelgänger auch in der Zukunft oder Vergangenheit auftreten?Entweder richtig – oder wahrDie Doppelgängerin im HandelsgerichtSchwingende oder Frequenzleiber?Die PalästeVerschiedene Phasen eines einzigen WesensOffenbare und verborgene LeiberWir leben im UnsichtbarenEngel – eine bedrohte ArtQuantenengel-GeschichtenPhantomeIch erscheine mir selbstDie GrenzeWo bin ich, wenn ich verschwinde?Die Person – ein immer wieder neu geschnürtes InformationspaketTänzer im SpiegelDer Unsichtbare im LiftAnleitungen zur UnsichtbarkeitEin zeitreisender DoppelgängerAm Anfang war der TodStrahlt der Tote mehr als nur einen Lebenden aus?Ist das Licht schizophren?Lebt der Doppelgänger?Die GeisterkircheDer SchattenWar Gottfried von Einem ein Mensch?Information ist übertragbarWir verschwinden in der Zeit – und tauchen wieder in der Zeit auf?Wann kommen endlich wieder Geschichten?Das KontinuumIm Garten der Pfade, die sich verzweigenWas ist ein paralleles Universum?Die Tote lebtOsmoseEine fliessende IdentitätDer EulenschwarmDas zweite Pauli-PrinzipDas Gespenstische dieser Szene …Wohin ist Ettore Majorana verschwunden?Das Paralleluniversum besucht eine GalerieDer unsichtbare PfeiferDu Tschapperl!Ich agiere in parallelen UniversenDie Relativitätstheorie des TodesDas ZwielichtÜbersinnlichEin ordentlicher Professor gerät in seine ParalleluniversitätEin Sprung in Zeit und RaumWer war hinter der Tür?Der Tote stellt das Licht einDer Herr im schwarzen AnzugEin aussergewöhnlicher TelefonanrufIch hab eine Erkenntnis!Unsichtbare GesellschaftAndere WeltenDanke, Herr Professor!GrossmütterHat ein Gott alle Welten erschaffen oder gibt es viele Demiurgen?Endliche Positionen im unendlichen BewusstseinEngel, Dämonen und CoWas Teilchen alles dürfenSind Wiedergeborene Parallelpersonen?Es gibt sie, und es gibt sie nichtDie Welt vor der WeltDer Soziologe und die FeenDie Welt nach der WeltEine letzte GeschichteDer FremdeAnhangSOS an die WissenschaftGestatten, ich bin ein RiesenteilchenAntworten und Reaktionen der Wissenschaftler/innenDas Riesenteilchen bedankt sichAdressliste der Zeugen und ZeuginnenLesetippVielleicht habe ich ein Rätsel gelöst. Ein Geheimnis erraten. Ich wiederhole, vielleicht. Aber wenn, wird es Ihr Leben verändern.
Ich bin alt. Die nach mir kommen, sollen forschen, rechnen, experimentieren. Meine privaten Theorien wissenschaftlich bestätigen oder widerlegen. Wenn sie aber bestätigt werden …
Begleiten Sie mich auf meiner Entdeckungsreise. Sie war verblüffend, erschreckend und fast immer komisch. Ich hab mich gewundert, mich gefürchtet, aber viel gelacht. Ich lache gern und wünsche mir, dass Sie es bei der Lektüre auch tun. Schrecken und Komik liegen so nah beieinander.
Materialisten behaupten, dass es nur Materie gibt. Sie berufen sich auf ihre nicht gemachten Erfahrungen, was an einen Maulwurf erinnert, der die Milchstraße leugnet. Der Ärmste, er kann sie nicht sehen. Im Gegensatz zu ihnen erkläre ich aufgrund gemachter Erfahrungen den Kosmos der Maulwürfe für ein Hirngespinst von Blinden. Sinnlos, sich an ihm orientieren zu wollen.
Im Namen der Milchstraße berichte ich von Erfahrungen, welche die Existenz von Doppelgängern und parallelen Universen dokumentieren. Dazu eine kleine Einführung:
Der Doppelgänger ist eine Person, die so ausschaut wie, zum Beispiel, Sie – obwohl Sie es gar nicht sind. Doppelgänger sind aus allen Zeiten und Kulturen bekannt. Sie haben viele Namen. Ob feinstofflicher, siderischer, astraler, Äther- oder Hauchkörper – ich nenne ihn am liebsten Quantenleib. Teilchenkörper und Quantenleib sind Erscheinungen unserer Doppelnatur. Wir sind sowohl materiell als auch immateriell, was nicht erschreckend, sondern ein Segen ist.
Ein paralleles Universum sieht so aus wie unseres – obwohl es das gar nicht ist. Es kann sogar anders ausschauen, was auch für uns gilt, wir sind ebenfalls parallel. Aber langsam! Ein paralleles Universum ist, wie jedes gewöhnliche auch, ein Bereich von Raum und Zeit, der Materie, Galaxien, Sterne, Planeten und Lebewesen enthält. Menschen im parallelen Universum sind womöglich unsere Doppelgänger. Diese Universen können sich, wie auch wir selbst in ihnen, überlappen, durchdringen, miteinander verknüpft sein.
Als Vision reichen sie bis weit über die Vorsokratiker zurück, doch war es der Quantenphysiker Hugh Everett, der 1957 die erste wissenschaftliche Theorie des Multiversums formulierte, derzufolge sich die Welt unaufhörlich in Parallelwelten aufspaltet.
Ich sage Ihnen alles, was ich darüber weiß, theoretisch und praktisch. Ich glaube, ich kann diese Theorie verifizieren. Zwar wird eine veraltete Wissenschaft meine Beweise anzweifeln, weil sie nicht wiederholbar sind. Allerdings müsste sie den Urknall auch anzweifeln, er ist nicht wiederholbar. Oder doch?
Dieses Buch sollte eigentlich postmortalen Biografien gewidmet sein, aber dann kam das Multiversum von allen Seiten auf mich zu. Menschen vereinigten sich wie Buchstaben zu Wörtern, Wörter zu Sätzen oder eigentlich Befehlen. Eine Leserin aus Südfrankreich kann sich plötzlich nach Lektüre meiner Bücher bilokalisieren, eine in Lilienfeld auch, aber schon immer, eine aus Berlin schickt mir »Die verrückte Welt der Paralleluniversen«, und eine Verlegerin schenkt mir einen Krimi, in dem die Heldin in ein anderes Universum verschwindet. Alles binnen drei Tagen. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass ich meine Bücher nicht freiwillig schreibe. Ich gehorche nur, aber wem? Ich weiß es nicht.
Offenbar soll ich die noch immer umstrittene »Vielweltentheorie« ebenso bezeugen wie die Existenz eines Ätherleibes, bekannt und angefochten als Verdoppelung oder Bilokation. Mein Verdacht, dass eins mit dem anderen auf ebenso fantastische wie natürliche Weise zusammenhängt, verdichtet sich.
Physiker der mittleren und unteren Kategorie werden mich, wie gewohnt, unter allen Gürtellinien angreifen. Verteidigen sie doch ihre eigenen Irrtümer. Aber das materialistisch-mechanistische Weltbild ist bankrott. Es war ein trauriges Produkt der linken Hemisphäre unseres Gehirns, die uns seit der Aufklärung dominiert. Intuition, Inspiration, Fantasie wohnen in der von der staatlichen Pädagogik unterdrückten rechten. Die linke Hemisphäre rechnet, und die rechte singt. Unser Geist hat das Singen verlernt.
Meine erste Erinnerung war eine Beschwerde meines Vaters, da war ich schon zwanzig. »Ich hab dich gestern getroffen. Du bist weiter gegangen, als wäre ich Luft. Ich hab dir nachgerufen. Du hast dich nicht einmal umgedreht.« – »Wo war das?« – »Auf dem Tulbinger Kogel.« – »Ich war nicht auf dem Tulbinger Kogel, Papa.«
Vielleicht zwei oder drei Jahre später. Mein lieber Freund, der Dichter Herbert Zand: »Du bist auf der Hauptpost gestanden. Am Geldschalter, ich ging zu dir hin. Du hast durch mich durchgeschaut. Ich hab geglaubt, dein Mann ist vielleicht in der Nähe.« Auf der Hauptpost war ich damals zwar täglich, aber blind für den Herbert? Nein, ausgeschlossen.
Herbert sah uns beide einmal aus den Augenwinkeln in der roten Plüschloge eines Theaters sitzen. Wir waren aber nie zusammen in einem Theater.
In diesen Jahren kam mir täglich in der Schottengasse ein Mädchen mit langen roten Haaren entgegen, das auch sonst genauso aussah wie ich. Es trug sogar den gleichen lichtblauen Arbeitsmantel. Ich wechselte immer schnell auf die andere Straßenseite. Mir war irgendwie mulmig. Jahrzehnte später hat meine unbekannte Doppelgängerin mich aufgestöbert und besucht. Nur war sie es nicht mehr. Während ich schlank blieb, verdoppelte sie ihr Gewicht. Haben Doppelgänger eine reale eigene Biografie, und können sie sich verändern?
Durch meine Auftritte im Fernsehen erkannte man mich fast überall. So kam es, dass Fremde mich auf nie stattgefundene Begegnungen an Orten ansprachen, an denen ich nicht war. Ich gewöhnte mich daran, schrieb es nicht auf und kann nur mehr das Wenige erzählen, an das ich mich noch erinnere. Die Reihenfolge stimmt wahrscheinlich auch nicht.
Als ich mit meinem zweiten Mann Gottfried von Einem ins Waldviertler Rindlberg zog, lernte ich Lisi Buchhöcker aus Weitra* kennen. Sie allerdings kannte mich schon. Ich wäre, sagte sie, als junge Frau in einem langen blauen Kleid aus dem Wald gekommen und hätte etwas in beiden Händen gehalten, eine Schale, eine Blume? Nun, ich war vierzig, trage nur Hosen und nie Blumen in der Hand. Sie zu pflücken, halte ich nämlich für Mord. Meine Doppelgängerin aber erscheint im langen blauen Kleid und ist jung, sogar schön.
* Im Anhang finden Sie eine Liste mit Adressen der Zeugen und Zeuginnen. Diese ist geordnet nach dem Vorkommen im Buch.
Etwa um diese Zeit rief mich eines Tages eine Frau Ernestine Kaltner an. »Ich bin in der Küche gesessen und habe ein Buch von Ihnen gelesen, und auf einmal waren Sie da.« – »Wie hab ich ausgeschaut?« – Langes blaues Kleid, schon wieder. – »In zwei Wochen bin ich mit meinem Mann in Salzburg, Musik von ihm wird gespielt. Gehen Sie ins Konzert und sagen Sie mir in der Pause, ob ich so ausgeschaut habe?« Sie tat es, traf mich in der Pause, und oje! In der Küche war ich viel jünger.
Die Züricher »Buchhandlung im Licht« engagierte mich für ein Seminar. »Sie waren«, sagte eine der Teilnehmerinnen, »schon heute Morgen bei mir.« – »Wohl kaum«, widersprach ich. »Denn ich kam mit dem Nachmittagsflugzeug.« Sie beteuerte, dass ich plötzlich in ihrem Zimmer stand.
In einem anderen Fall brachte ich es nur bis an die Haustür. Meine alte Schulfreundin Trude, jetzt Ruth Tibbey, rief mich aufgeregt aus Australien an. Es hätte geklingelt, ich stand vor der Tür, ganz in Schwarz, aber jung. »Komm, gemma!« (= gehen wir), sagte ich, was sie wunderte. Denn in meiner Jugend sprach ich nie Dialekt. Heute fast nur. Sie ging mit mir, aber wohin? Da verlor sich ihre Erinnerung.
Dr. Ingeborg Dorn, heute im Gefolge des Dalai Lama, lief ich in Irland über den Weg. Zwar bin ich dort wirklich gewesen, aber viele Jahre vorher. Auf der Suche nach little people. Doch haben die Geister sich leider erfolgreich vor mir versteckt. Ob ich sie noch immer dort suche?
Eine Geschichte, die vorletzten Sommer passierte, lässt mich das vermuten. Meine Ahnen väterlicherseits stammen aus dem böhmischen Grenzland. Abrand bei Rottenschachen, jetzt Rapsach, mein Großvater war dort Wirt und sein bester Gast. Mit vierzig Jahren starb er am Kornbranntwein und hinterließ eine Frau, Analphabetin, und zwölf Kinder. Die Familie wanderte nach Wien aus, das bisschen Gepäck in der rot karierten Bettwäsche. Für Koffer waren sie zu arm. Mein Vater hatte nur zwei Klassen lang die Volksschule besucht, dann kam er zum Bäcker in die Lehre und lieferte täglich schon um fünf Uhr früh das Brot im Hundewägelchen aus.
In Wien wurde er der Mohnkönig, baute ein großes Transportunternehmen auf und hatte, Erfinder aus Leidenschaft, 36 Patente. Ich war zehn Jahre alt und meine Mutter schwanger, also brachte mein Vater mich in sein Heimatdorf, wo ich die Schulferien bei einem Paar mit dem Namen Fritz verbrachte. Es war eine wundervolle Zeit. Alle Männer im Dorf waren in die Wirtin verliebt, die schöne Albinko, bei der sie sich am Abend zu einem ungebleichten Kornbrand versammelten. Mich nahmen sie jedes Mal mit. Wir schnapsten, so nannte man das Kartenspiel, und tranken. Ich lernte, gotteslästerlich zu fluchen, und erwarb für mein weiteres Leben eine solide Trinkfestigkeit. Nachts trugen die Männer mich allerdings huckepack heim.
Es war der schönste Sommer meines Lebens, und ich habe weder das Dorf vergessen noch die Teiche voller Seerosen, an denen ich damals lag und Gedichte an meine heimliche Liebe schrieb. In einem meiner Bücher, »Die Reise in das Zwielichtland«, kommt die Geschichte vor. Ein Salzburger Literatur-Detektiv folgte meiner Spur bis ins Dorf. Er befragte die Leute, darunter auch Frau Dagmar Kunert, die ein Haus dort besitzt. So kam es, dass sie mich einlud, sie zu besuchen. Ich tat es und war glücklich. Am liebsten wäre ich dort geblieben. Mir zur Freude bat sie auch ihre Nachbarin dazu, gleichen Alters wie ich, und wir suchten die alten Plätze auf. »Sie haben eine junge Verwandte«, sagte die Nachbarin. »Sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Geht hier herum, aber in kein Haus hinein. Ich weiß noch immer nicht, wohin sie gehört.«
Erraten Sie, wer die Unbekannte ist? Bevor ich Ihnen weiter Geschichten erzähle, sollten wir vielleicht gemeinsam über das Phänomen Doppelgänger nachdenken.
Ein Teilchen ist ein Massepunkt, ein hartes Kügelchen an einem bestimmten Ort. Eine Welle ist eine Schwingung ohne bestimmten Ort. Aber Wellen können sich wie Teilchen verhalten und Teilchen wie Wellen.
Licht kann als Welle und Teilchen auftreten, also materiell und immateriell. Ich vermute, dass auch wir – wie oben, so unten – diese Doppelnatur haben.
»Warum«, hat Sir Isaac Newton gefragt, »verwandelt die Natur Licht nicht in Körper und Körper in Licht?« Heute wissen wir, dass sie genau das tut. Photonen können sich materialisieren. Ist damit das Phänomen des Doppelgängers geklärt? Nun, vielleicht. Der Doppelgänger wäre dann so etwas wie der mit den Sternen, also dem Kosmos verbundene Astralleib. Als man noch nichts von Wellen wusste, schrieb man ihm eine Feinstofflichkeit zu. Nach Paracelsus ist er im Allgemeinen unsichtbar und untastbar, aber Träger des seelischen Vermögens. Ich zitiere aus seiner »Philosophia sagax«:
»Das Fleisch des Menschen muss also verstanden werden, dass seiner zweierlei Art ist, nämlich das Adam entstammende Fleisch und das Fleisch, das nicht aus Adam ist. Letzterem weicht jedes Gemäuer, das ist: Dasselbe Fleisch bedarf keiner Türe, keines Loches, sondern es geht durch Mauern und Wand und zerbricht nichts; es ist ein subtiles Fleisch, das nicht zu binden oder gar zu fassen ist, denn es ist nicht aus Erde gemacht.«
Der Astralleib kann schon zu Lebzeiten aus dem Körper austreten, spätestens jedenfalls beim Tod, und ist verantwortlich für paranormalen Spuk. Beides kann ich persönlich bezeugen. Allerdings habe ich Jahre des Schreckens gebraucht, bis ich endlich erkannte, dass ich der Poltergeist bin. Es ist wie mit der Bilokation, man selbst merkt nichts davon. Und so habe ich mich gründlich vor Phänomenen, die ich selbst erzeugt habe, gefürchtet. Wenn Sie wollen, können Sie alle die wahren Spuk- und Geistergeschichten in meinem Buch »Die Reise in das Zwielichtland« nachlesen. Kann sein, dass sich dabei einige Rätsel aus Ihrem eigenen Leben aufklären.
Haben alle einen Astralleib? Das möchte ich, schon um der Gerechtigkeit willen, annehmen. Menschen, Tiere, Pflanzen. Allerdings gibt es dazu auch andere Meinungen. Der schillernde Georg Iwanowitsch Gurdjieff, ein Armenier griechischer Abstammung, steht im Ruf, ein Weiser zu sein, ein Scharlatan, Gelehrter, Magier und Okkultist. Bedeutende Künstler und Wissenschaftler zählen zu seinen Jüngern. Was mir an ihm fehlt, ist das Fragezeichen. Er hat immer recht. Inzwischen hat die Zeit bereits einiges an seiner Lehre korrigiert. Doch könnte, was er über den Astralleib sagt, stimmen:
»Der Mensch wird nicht damit geboren, und nur wenige erlangen ihn. Voraussetzung ist eine gewisse Kristallisation, ein Verschmelzen, die innere Einheit. Wenn etwas da ist im Menschen, kann es den Tod überleben. Wenn nichts da ist, kann auch nichts weiterleben. Doch kann der Mensch auch sehr gut ohne den Luxus eines Astralkörpers leben.«
Seine Unsterblichkeit ist ein unbewiesener Glaube. Ich teile ihn zwar, aber wissen kann weder ich es noch sonst jemand. Allerdings sind Photonen, also Energie ohne Masse, tatsächlich zeitlos. Und der Astralkörper dürfte ein elektromagnetischer Lichtleib sein. »Sterbend«, ließ mein Mann Gottfried von Einem mich posthum wissen, »werden wir elektrische Wesen«.
Wie es scheint, schon vorher, wenn auch nicht alle. Hat Goethes »Stirb und werde« etwas damit zu tun? Auch Jesus sagt, dass sein Leben verliert, wer es bewahren will. Soll man sich selbst absterben, also sterben, bevor man stirbt? Erschaffen wir, indem wir entwerden, wie Meister Eckhart die Aufgabe des Ego nennt, einen unverweslichen Lichtleib in uns selbst? Oder erscheinen wir im Doppelgänger einfach in unserer energetischen, der Quantennatur, die wir alle haben? Dazu bedarf es keiner Metaphysik.
Wir werden gemeinsam darüber forschen, und gemeinsam meine ich wortwörtlich. Während ich schreibe und Sie lesen, verschmelzen wir temporär, verschmilzt auch unser Wissen, die Information. Dass wir uns dabei in verschiedenen Zeiten und Orten befinden, bedeutet nichts. Diese Prozesse ereignen sich unabhängig von Zeit und Raum. Das bedeutet? Kann sein, Sie erraten es selbst. Unsere Kommunikation findet nämlich auf der Quantenebene statt, und ich erzähle Ihnen jetzt wieder Quantengeschichten.
Das kennen wir aus den Heiligenlegenden. Früher erkannte die Kirche sie als Charismen an, heute sind ihr geistliche Bilokationen ein Ärgernis. So war der Vatikan keineswegs von Pater Pio begeistert, der sich gern dort herumtrieb, wohin er eindeutig nicht gehörte. Dass er es tat, kann ich oder vielmehr mein ehemaliger Steuerberater Dr. Smutny bezeugen, der mir erzählte:
»Ich fuhr durch Italien, und ich hatte ein Problem. In irgendeinem kleinen Dorf suchte ich die Kirche auf und dachte verzweifelt nach, wie ich die Nuss knacken könnte. Da kam aus einer dunklen Ecke ein unbekannter Mönch auf mich zu, sprach mich namentlich an und verriet mir die Lösung meines Problems. Wochen später sah ich in den Zeitungen sein Bild. Ich forschte nach. Pater Pio war überhaupt nicht in dem Dorf gewesen.«
Das ist aber noch gar nichts gegen Fräulein Emilie Sagée, eine französische Erzieherin. Sie flog von allen Pensionaten, ich glaube, es waren achtzehn. Sie hatte das Pech, sich fortwährend zu verdoppeln. Sie konnte nichts dafür, es passierte ihr einfach. Schlimm genug, dass ihre Doppelgängerin die Bewegungen des Originals wie ein Affe nachahmte – stopp!
Hier kommen die Spiegelneuronen ins Spiel, die man damals noch nicht kannte. Empathie ist ihr Geheimnis: die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen. Die Person A schlägt einen Ton an und bringt damit die Person B wie eine Saite zum Schwingen. Wir empfinden ihre Bewegungen, ja sogar ihre Absichten, als wären es unsere eigenen. Am Beispiel Mademoiselle Sagées würde das bedeuten, der Doppelgänger nimmt die Schwingungen des Originals an. Allerdings machte das verflixte Double sich auch selbstständig. So kam es, dass die Ärmste mit Kreide an die Tafel schrieb, während sie gleichzeitig Rosen im Schulgarten schnitt oder in ihrem Bett lag und schlief. Als sie einer ihrer Schülerinnen einmal den Rock zuknöpfte, sah diese zwei Fräulein, die an ihr knöpften, und fiel vor Schrecken in Ohnmacht.
Eine einmalige Geschichte, die vor mehr als hundert Jahren passiert ist? Keineswegs. Eben erst bekam ich von einer Unbekannten, Frau Christiane Schmidt-Gross, eine E-Mail, in der sie sich bei mir bedankte, weil sie sich nach Lektüre meines »Geisterknigge« überraschend selbst bilokalisieren konnte:
»Es kam ein Wochenende, an dem wir Besuch hatten, und vor lauter Bewirten und es jedem recht zu machen sehnte ich mich nach innerer und äußerer Ruhe. Meine Familie und der Besuch wollten nach dem Essen in unserem Garten im Pool planschen und fragten mehrmals, ob ich mitkäme. Ich sagte immer wieder Nein, geht nur, ich lege mich ein bisschen hin und werde lesen. Sie gaben kaum Ruhe und fragten abermals. Ich tat, wonach mir war, nahm mir Ihr Buch zur Hand und legte mich auf die Mauer zum Lesen. Ich dachte an die Geschichte mit dem Bilokalisieren und dass es doch jetzt genial wäre, wenn ich hier liegen könnte, um zu ruhen, und gleichzeitig im Pool bei den anderen wäre, damit auch diese zufrieden wären.
Ich hatte kaum ausgedacht, als mein Mann mich beim Namen rief, ich sagte genervt ›Ja‹ und erhob mich, ging zum Pool und sah in fünf versteinerte, blasse Gesichter. Die anderen sahen mich am Pool stehen und gleichzeitig auf der Mauer, erst als mein Mann mich ansprach, verschwand der Teil von mir, der am Pool stand. Ich kam aus dem Lachen nicht mehr raus, als sie mir berichteten, was sie gesehen hatten, und erklärte, was ich gelesen und mir gewünscht hatte … Unsere Besucher sprachen kein einziges Wort mehr darüber und waren auch bald auf dem Heimweg.«
Klar, Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten machen denen, die keine haben, Angst. Eine Angst, die sich – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – nur zu oft in Aggression verwandelt.
Ich zitiere noch andere Fälle aus meinem »Geisterknigge«, deren Zeugen Sie allerdings nicht befragen können, da sie – im Gegensatz zu Madame Schmidt-Groß – nicht mehr leben. Am lustigsten ist vielleicht der Fall eines gebildeten und besonnenen Mannes, der eines Abends die Toilette aufsuchte – und da saß er selbst bereits auf der Brille. Er wollte seinen Augen nicht trauen. Starrte sein Alter Ego böse an. Aber es half alles nichts. Er musste warten, bis die Erscheinung nach einer Viertelstunde endlich verschwand.
Als mein Mann Gottfried von Einem starb, spielten die Wiener Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen zum Abschied seine Musik. Ich saß in der ersten Reihe. Vor Zeugen! Nur, ich war gar nicht da. Ich habe nicht einmal gewusst, dass sie für ihn musizierten. Ich präzisiere: Im Neocortex wusste ich nichts davon. Aber in jenem anderen Teil meiner selbst, der nicht von ihm kontrolliert wird, vielleicht doch. Hätte es sonst meinen Astral-, Quanten- oder welchen Leib auch immer magnetisch nach Salzburg gezogen?
»Warum sind Sie letzten Mittwoch nicht gekommen?«, fragte mich ein unbekannter Herr in einem kleinen Antikladen in der Habsburgergasse streng. »Wohin denn?« – No, ins alte Rathaus, wie immer. Zur Tarock-Runde.« – »Ich kann gar nicht Tarock.« Als ich den Herrn um Namen und Adresse bat, rannte er in Panik davon.
Mein Quantenleib treibt sich auch im Fernsehen herum. So sahen mich mehrere Leute bei der Einweihung eines Hauses, das der Maler Arik Brauer entworfen hatte. Andere gratulierten mir zu meiner gelungenen Einführung in die Kunst des Flirtens. Dazu muss ich bekennen, dass Flirten eindeutig nicht zu meinen Talenten zählt, ich habe es auch nie versucht. Zeugin für diesen und meinen nächsten Fernsehauftritt ist die legendäre Frau Renate, sie leitet die AIDA in der Wiener Bognergasse, wo ich jeden Morgen meinen Stehkaffee trinke. Sie und noch ein paar andere haben mich auch im Rollstuhl auf dem Bildschirm gesehen, und das war mir ein bisschen unheimlich.
»Geht es Ihnen wieder gut?«, erkundigte sich eine fremde Dame, die ich beim Meinl am Graben traf, wir kauften beide ein. »Wieso? Es ist mir nicht schlecht gegangen.« – »Im Autobus schon.« – »In welchem Autobus?« – »2 A, er fährt zwischen Stefans- und Michaelerplatz.« – »Da gehe ich immer zu Fuß.« – »Sie saßen an die Wand gelehnt da. Sie waren totenblass. Eine andere Frau hat Sie auch erkannt. Wir bemühten uns beide um Sie und fragten, ob Sie Hilfe brauchen.« – »Was hab ich gesagt?« – »Nichts. Sie schauten durch uns hindurch, als würden Sie uns nicht sehen.« Leider habe ich sie in meiner Verwirrung nicht nach Namen und Adresse gefragt, also müssen Sie mir schon glauben.
Der Mann meiner Freundin, Jutta Unkert-Seifert, hieß Ralph. Er war Landesamtsdirektor, der höchste Beamte von Kärnten. Ich hatte ihn gern. Er wurde todkrank. »Lotte besucht mich«, sagte er zu seiner Frau. »Die Gespräche mit ihr tun mir gut.« Ich habe ihn nie besucht. Wusste nicht einmal, in welchem Spital er lag. Er war auf der Intensivstation, man hätte mich gar nicht zu ihm gelassen.
Jutta hat einen ägyptischen Cousin. Er rief sie an. Mein Doppel kam zum Telefon. Meldete sich mit meinem Namen. Der Cousin dachte, ich wäre gerade bei ihr. War ich aber nicht. Sondern ich saß mit Yvonne Weiler, der Witwe des Malers, in meiner Wohnung in der Hofburg. »Bitte stören Sie mich nicht länger«, sagte meine akustische Doppelgängerin zum Cousin. »Ich pflege gerade meinen kranken Mann.« Der allerdings war seit ein paar Jahren tot. Ich bat Jutta, ihr Cousin möge mich, das Original, anrufen. Würde er meine Stimme als dieselbe erkennen? Er tat es. »Nur«, erklärte er, »klang sie vorher irgendwie dumpf.«
Kleine Geschichtenpause. Die Spiegelneuronen lassen mich nämlich nicht los, und das hat einen Grund. Mit mir reden manchmal Tote, und was sie mir sagen, übersteigt den Radius meiner Bildung und Intelligenz.
Die meisten Leute halten mich deshalb für verrückt. Oder für eine Lügnerin. Dass ich nicht lüge, weiß ich. Dass ich nicht verrückt bin, kann ich nur hoffen. Außer ein paar sonderbaren Gaben, die mir in den Schoß oder ins Herz fielen, bin ich ganz normal.
Aber heute Nachmittag, als ich wieder las, was die Neurowissenschaft alles über Spiegelneuronen entdeckt, fiel der Groschen. Ich gerate mit Toten in Resonanz. Die Erklärung ist fast noch erstaunlicher als das Faktum. Meine Spiegelneuronen reagieren auf Verstorbene. Was wohl nur möglich ist, wenn diese zwar ihr Leben verloren haben, nicht aber ihre Präsenz.
Wenn mir noch die Zeit bleibt, wird es das Thema meines nächsten Buches. Bleibt sie mir nicht, was mir auch recht sein soll, möge es ein anderer schreiben. Völlig gesichert ist ihre Existenz noch nicht, und Prof. Dr. Dr. Dr. Wolfgang Mastnak vermutet ihre Wirkung im Nanobereich, wo Materie an Energie grenzt.
Bisher werden die Spiegelneuronen nur unter dem Gesichtspunkt des wissenschaftlichen Materialismus untersucht. Das allein ist schon sehr interessant. Doch haben sie, wie alle und alles, wahrscheinlich auch eine Metaebene, und die sollte man erforschen.
Natürlich stehen wir mit der Vergangenheit in Resonanz, ihrer Geschichte, ihrer Kunst. Goethe zu lesen und Mozart zu hören, kann durchaus als eine Art Geisterbeschwörung verstanden werden. Darüber hinaus vermute ich, dass wir auch mit der Zukunft in Resonanz treten können. Das tun vor allem jene Menschen, von denen man sagt, sie seien ihrer Zeit voraus. Oder, wie man es leider viel öfter formuliert, sie wären übergeschnappt. Aus eigener Erfahrung kann ich auch davon ein Lied singen.
Im Weltbild der alten Mystik und neuen Physik sind Zukunft und Vergangenheit gleichzeitig da oder sogar Zukünfte und Vergangenheiten, Plural. Eine Art permanenter Aufspaltung der Wirklichkeit und vielleicht auch der Person. Wir kommen darauf zurück.
Ich gehöre oder vielmehr gehörte zu den Luftreisenden, denn seit bald vierzehn Jahren kann ich es nicht mehr. Obwohl, gekonnt habe ich es nie, es ist mir nur immer wieder passiert, oft dreimal pro Nacht, und es ereignete sich auch während des Tages. »Out of Body« nennt man die anfangs durchaus erschreckende Erfahrung, seinen Körper zu verlassen wie ein Haus. Man treibt sich dann entweder in der Gegend herum oder fliegt einfach davon. Mit ungefähr Lichtgeschwindigkeit, wenigstens habe ich es so erlebt.
Wenn es Sie interessiert, können Sie alles darüber in meiner »Reise in das Zwielichtland« nachlesen. Oder in »Out of Body« von William Buhlman, einem Buch, das ich sehr empfehle. Der Autor ist neugierig, gebildet – Bildung ohne Neugier ist unerträglich, sie wird zum geschlossenen System – und versucht, seine Erfahrungen mit Erkenntnissen der Quantenphysik zu entschlüsseln.