Der Rächer von Altdorf - Urs Wittwer - E-Book

Der Rächer von Altdorf E-Book

Urs Wittwer

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Pius, der Besitzer der Oldtimer-Garage an der Flüelerstrasse in Altdorf, wird von seiner Vergangenheit als Primarschüler in Erstfeld eingeholt. Zu jener Zeit hat sich etwas Schlimmes ereignet, für das sich nun jemand rächen will – nicht nur an Pius, auch an einigen seiner Klassenkameraden. Wie viele müssen noch einen qualvollen Tod erleiden? Nachdem Pius spurlos verschwunden ist, macht sich Walter, der Sohn von Pius, auf die Suche nach dem Mörder – dem Rächer von Altdorf. Kann er seinen Vater noch retten? Nach «Es muss nicht immer Zyankali sein» und «Das Opfer und sein Mörder» ist «Der Rächer von Altdorf» nun der dritte und letzte Teil einer spannenden, aber auch humorvollen Altdorfer Krimi-Trilogie.

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Seitenzahl: 154

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Der Rächer von Altdorf

Urs Wittwer

Der Rächer von Altdorf

Drei sinnlose Morde und ein zerstörtes Leben

© 2024 Urs Wittwer

www.altdorfkrimi.ch

Version V01

Satz, Coverdesign, Illustrationen: Urs Wittwer, 6460 Altdorf

Lektorat, Korrektorat: Angelina Wittwer

-Marcacci, 6460 Altdorf

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

ISBN Softcover: 978-3-384-08765-2

ISBN E-Book: 978-3-384-08766-9

Das Werk, einschliesslich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung «Impressumservice», An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Der inzwischen 55-jährige Pius und seine Frau Gaby wohnen in der Wohnung über ihrer Oldtimer-Garage zwischen Altdorf und Flüelen. Ihr fünfzehnjähriger, blonder Patrick macht eine Lehre als Landschaftsgärtner in Altdorf. Walter, ein stämmiger junger 25-jähriger Mann, studierte an der ETH in Zürich Mathematik und Physik, mit dem Ziel, eines Tages an der kantonalen Mittelschule in Altdorf, dem ‘Kollegi’, Mathematik und Physik zu unterrichten. Walti wohnt in einer WG in der Nähe der ETH, die Wochenende verbringt er jedoch meistens zu Hause bei seinen Eltern.

Die 28-jährige Tochter Nella hat vor ein paar Tagen Pius Mitarbeiter Boda geheiratet; ein schlanker Mann, der Pius schon als kleiner Junge begleitete. Die beiden wohnen ebenfalls über der Garage, aber im zweiten Stock.

In diesem dritten und letzten Teil der Altdorfer KrimiTrilogie sollten geneigte Leserinnen und Leser mit detektivischem Spürsinn herausfinden können, in welchem Jahr sich diese letzte mörderische Geschichte in Altdorf und Erstfeld abgespielt haben könnte.

Für Urnerinnen und Urner kein Problem, aber auch Ortsunkundige sollten erkennen, welchen idyllischen Bergsee Pius Portmann mit seiner Familie besucht, und an welcher Bahnstation der Gotthardbergstrecke schon lange keine Züge mehr halten.

Inhalt

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Flitterwochen mit einer Leiche

Das Foto

Besuch aus Zürich

Die tollkühnen Sieben

Da waren’s nur noch drei

Zweimal Schnipo

Wenn das Licht flackert

Pius der Bergsteiger

Der Bestatter

Wenn Blicke töten könnten

Abschied

Drei sinnlose Morde und ein zerstörtes Leben

Die ‘Honeymoon Suite’

Der Rächer von Altdorf

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Flitterwochen mit einer Leiche

Die ‘Honeymoon Suite’

Der Rächer von Altdorf

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Flitterwochen mit einer Leiche

Tag 1, Montagmorgen

«Hast du alles eingepackt Nella? Und vergiss deinen Mann nicht, den sollte man schon mitnehmen, auf die Hochzeitsreise!», scherzte Pius beim Frühstück am mächtigen Eichenholztisch, im grossen Wohnzimmer der Wohnung über der Oldtimer-Garage, ‘Pius Portmann, Fahrzeugrestaurationen aller Marken’, an der Flüelerstrasse zwischen Altdorf und Flüelen.

In den vielen Jahren hat sich das Wohnzimmer der ehemaligen Junggesellenwohnung zu einer gemütlichen ‘Stube’ gewandelt. Geblieben ist jedoch der Couchtisch, ein 50 cm hoher Jeep mit einem 120 x 80 cm grossen Dach, bei der nun neuen purpurroten Sitzgruppe mit einem Sofa für vier Personen und einem für sechs Personen. Und beim Esstisch steht immer noch ein Erbstück, das Prunkstück des Wohnzimmers, eine wertvolle, antike Kommode mit zwei Türen und vielen Schubladen.

«Den Mann setze ich ans Steuer und die kleine Reisetasche kommt in den Kofferraum, mehr hat nicht Platz in Bodas Spielzeugauto, dem Triumph Spitfire MK4», antwortete Nella, die 28-jährige, attraktive Tochter, mit schulterlangen ebenholzfarbenen Haaren, wie ihre Mutter.

«Wohin soll die Reise nun gehen?», interessierte sich Gaby, Pius Frau Gabriella. «Richtung Süden, nach Venedig?»

«Nein», antwortete Boda, der Mitarbeiter von Pius und frischgebackene Ehemann mit kupferroten Haaren, «nach Venedig fährt man mit Freundinnen, nicht mit der eigenen Frau. Wir fahren Richtung Norden nach England. Ich möchte endlich einmal ausprobieren, wie das ist, wenn man auf der falschen Strassenseite fährt, und schliesslich habe ich englisches Blut in mir. Vielleicht treffe ich sogar meinen Vater in London.»

Boda heisst eigentlich Boris Davis. Da Pius in einer früheren Geschichte schlechte Erinnerungen an einen Mann namens Boris hat, nannte er Boris, bei dessen Einstellung von Anfang an Boda.

«Und ich möchte das ‘Petrie Museum of Egyptian Archaeology’ in London besuchen», ergänzte Nella, eine passionierte Hobby-Ägyptologin.

«Da läge aber das Antikenmuseum in Basel etwas näher», mischte sich ihr Bruder Walti ein, ein junger 25-jähriger, kräftiger, aber schlanker Mann mit krausem, braunem Haar und grünen Augen, der sich schlaftrunken, gähnend an den Tisch, neben seinen 15-jährigen, blonden, kleinen Bruder Patrick setzte. «Und mit etwas Mut kann man auch in der Schweiz ausprobieren, wie das ist, wenn man auf der falschen Strassenseite fährt.»

«Und dann fahren wir Richtung Birmingham nach Warwickshire und besuchen das ‘British Motor Museum’. Es beherbergt die weltweit grösste Sammlung historischer britischer Autos. Und das gibt es in der Schweiz nicht!», fuhr Boda mit schiefem Blick zu Walti weiter.

«Nicht in den Triumph, das Gepäck kommt in diesen Kofferraum!», befahl Pius Nella und Boda, als er mit Gaby, Walti und Patrick auf dem Vorplatz der Garage stand und auf einen roten Chevrolet Impala, umwickelt mit einem breiten, weissen Band mit einer grossen Schleife, zeigte: «Mein Hochzeitsgeschenk!»

«Das ist ja der Chevy, den ich die letzten Wochen am Renovieren war», staunte Boda. «Der gehört jetzt mir? Vielen Dank!»

«Nein, der gehört nicht dir, sondern euch, dir und Nella!», korrigierte Pius und übergab mit einem schelmischen Lächeln Nella den Autoschlüssel.

«Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich eine grössere Reisetasche oder zwei packen können», meinte Nella, als sie den grossen Kofferraum des Chevys öffnete, «oder sogar dr…»

Ihre Stimme verstummte, ihr Gesicht erbleichte. «Da, da, da liegt einer drin!», stotterte Nella, und ein lauter, schriller Schrei entwich ihrer Kehle, während sie zu ihrer Mutter rannte.

«Kennst du den?», fragte Boda Pius, der nun mit Walti vor dem Kofferraum stand und entsetzt auf eine männliche Leiche in Lederjacke schaute.

«Nein, nie gesehen», antwortete Pius.

«Wann und wie kam diese Leiche in den Kofferraum?», rätselte Boda.

«Ich habe gestern Abend den Chevy auf den Vorplatz gefahren», antwortete Pius schulterzuckend, «und habe die Schleife um den Wagen gebunden. Vorher habe ich den Kofferraum noch gründlich gereinigt.»

«Dann hat jemand diese Leiche in der Nacht, unbemerkt von uns, in den Kofferraum gelegt?», folgerte Boda.

«Das riecht ja fürchterlich», ekelte sich Pius und schloss den Kofferraumdeckel mit einem lauten Knall. «Kommt mit nach oben! Jetzt brauche ich einen starken Kaffee, und dann rufe ich die Polizei.»

«Umgekehrt, du alarmierst die Polizei und ich mache den Kaffee», korrigierte Gaby, nahm Nella, die weinend neben ihr auf der Bank vor der Werkstatt sass, an die Hand und folgte den anderen hinauf in die Wohnung.

«Und ich habe mich so auf unsere Hochzeitsreise gefreut», schluchzte Nella noch auf der steilen Treppe.

«Wo steht jetzt der Chevy mit der Leiche im Kofferraum?», fragte die Kommissarin Nora Gamma, eine attraktive Frau, etwa im Alter von Pius, mit kurzen, schwarzen Haaren, als sie mit Pius und Boda auf dem Vorplatz der Garage stand.

«Vor zehn Minuten stand der Wagen noch da», beteuerte Pius. «Ich schloss den Kofferraum, ging mit den anderen in die Wohnung hinauf und habe sofort die Polizei angerufen. Jetzt ist der Wagen weg, samt der Leiche im Kofferraum! Glauben Sie mir bitte, meine ganze Familie und mein Schwiegersohn Boda haben die Leiche gesehen, sie können es bezeugen.»

«Wissen Sie, was das Erstaunlichste an dieser wiederum unglaublichen Geschichte ist?», fragte die Kommissarin.

«Nein», antwortete Pius verunsichert.

«Ich glaube Ihnen!», sagte Nora Gamma mit einem leichten Lächeln. «Wir kennen uns jetzt schon so lange, und immer wurden Sie ohne böse Absichten in einen sonderbaren Fall verwickelt, und immer entsprachen Ihre Angaben den Tatsachen, und waren diese noch so fantastisch und bizarr wie jetzt. Anscheinend haben Sie eine Anziehungskraft für mysteriöse Vorfälle. Wir werden den Chevy zur Fahndung ausschreiben, das ist das Einzige, was wir im Moment unternehmen können.

Aber wie konnte jemand den Kofferraum öffnen und eine Leiche hineinlegen, und wie konnte jemand mit dem Wagen davonfahren, dazu braucht es einen Autoschlüssel?»

«Die Autoschlüssel unserer Wagen befinden sich im Schlüsselkasten in der Werkstatt direkt beim Eingang rechts», erklärte Pius. «Da könnte jedermann den Schlüssel entwenden und dann sogar nachmachen lassen und den Originalschlüssel wieder in den Schlüsselkasten hängen. Normalerweise sind von einem Wagen mehrere Schlüssel vorhanden. Beim Chevy waren es, und sind es immer noch drei.»

«Zeigen Sie mir bitte diesen Schlüsselkasten, ich will die Schlüssel des Chevys mitnehmen.»

Nora Gamma zog sich einen weissen Handschuh über die rechte Hand, nahm die drei Schlüssel zum Chevy und steckte sie in eine Plastiktüte.

«Etwas leichtsinnig, einen Schlüsselkasten direkt beim Eingang zur Werkstatt, finden Sie nicht? Ich werde Sie informieren, wenn wir den Wagen gefunden haben, mit oder ohne Leiche.»

«Können wir jetzt trotzdem auf unsere Hochzeitsreise fahren?», fragte Nella keuchend, die gehetzt von der Wohnung herunter zur Kommissarin gesprungen kam.

«Wir werden doch hoffentlich nicht verdächtigt oder doch?»

«Ich glaube, in Ihrem Fall kann ich dieses Risiko eingehen. Gute Reise und herzliche Gratulation zur Hochzeit!», verabschiedete sich die Kommissarin.

Pius ging in die Werkstatt, hängte ein Schild ‘Ferienhalber geschlossen’ innen an die gläserne Werkstatttür und schloss diese ab.

«Dann fahren wir doch mit dem Triumph?», fragte Nella ihren Bräutigam, als dieser und Pius ins Wohnzimmer traten und am Esstisch Platz nahmen.

«Wenn es dir recht ist, verschieben wir unsere Hochzeitsreise», schlug Boda vor. «Erstens ist eine Leiche im Kofferraum kein gutes Omen für eine Hochzeitsreise – ‘Flitterwochen mit einer Leiche’ – und zweitens braucht mich dein Papa jetzt dringend.»

«Wieso versteckt jemand eine Leiche in einem Wagen bei unserer Garage und fährt, nachdem wir die Leiche entdeckt haben, davon?», wollte Gaby wissen, als sie mit einem Krug Kaffee ins Wohnzimmer trat. «Da muss uns doch jemand beobachtet haben!»

«Klar! Und der wollte, dass wir die Leiche finden, das heisst dass der Chef die Leiche entdeckt», war sich Boda sicher.

«Ich bin zwar immer noch dein Chef, aber auch dein Schwiegervater, also nenne mich Pius oder von mir aus auch Papa, aber nicht immer Chef!», korrigierte Pius.

«OK Chef. Ich glaube, dieser jemand kennt dich. Vielleicht sollte dies eine Warnung sein. Eine Warnung, dass du ebenfalls einmal tot in einem Kofferraum liegen könntest», rätselte Boda.

«Eine Warnung vor was?», meinte Pius. «Ich kenne niemanden, der mir ein Leid zufügen möchte. Und ich wüsste nicht, vor was oder vor wem mich jemand warnen sollte. Da hat jemand einen Mann ermordet und die Leiche in der Nacht zufällig im Wagen versteckt und verschwand wieder, vielleicht weil er von jemandem überrascht wurde. Und heute Morgen fuhr er mit dem Wagen davon, um die Leiche irgendwo zu entsorgen, somit wäre der Fall geklärt, jedenfalls für uns.»

«Er hatte aber einen Schlüssel zum Chevy, den er sich zuvor besorgt hatte und nachmachen liess, dann geschah all dies nicht zufällig. Lieber Papa Chef, ich glaube, du bist in Gefahr!

Du hast doch vor ein paar Jahren einen ähnlichen Chevrolet Impala verkauft. Der Fahrer ist kürzlich mit diesem Wagen auf der Klausenpassstrasse tödlich verunglückt, es stand in allen Zeitungen.»

«Ja, habe ich auch gelesen», erinnerte sich Pius.

«Vielleicht ist die Leiche im Kofferraum die Person, der du den Wagen abgekauft hast. Der Mörder macht diese Person und wohl auch dich für den Unfall verantwortlich. Du hast doch sicher noch seinen Namen sowie den Namen des Käufers in deiner Kartei.»

«Da, ich habe die Namen notiert», sagte Pius, der nach einer Weile von der Werkstatt zurückkam und Boda einen Zettel auf den Tisch legte.

«Den Chevy habe ich Heinz Arnold von Flüelen abgekauft, und der verunglückte Käufer heisst Manfred Bär aus Bürglen.»

«Dann könnte der Tote im Kofferraum Heinz Arnold und der Mörder ein Verwandter oder guter Freund des verunglückten Manfred Bär sein, der sich an Heinz Arnold rächte und jetzt noch an dir rächen will.»

«Wieso an mir?», staunte Pius. «Der Wagen war in einwandfreiem Zustand, als ich ihn diesem Manfred Bär verkaufte, wie alle meine restaurierten Wagen.

Und es hiess, die Unfallursache sei, wie meistens, ‘Menschliches Versagen’, wenn ich mich richtig erinnere. Ich fahre jetzt nach Flüelen, um mich auf der Gemeinde nach Heinz Arnold zu erkundigen, und danach fahre ich noch zum ‘Schlüsselservice Johnny’, Johnny ist auch im Oldtimerclub ‘Alter Klaus’, bis bald beim Apéro.»

Auf der Gemeindeverwaltung in Flüelen erfuhr Pius, dass Heinz Arnold verstorben sei, so fuhr Pius wieder zurück nach Altdorf und zum Schlüsselservice Johnny.

«Hallo Johnny, wie gehts?», begrüsste Pius einen hageren, kleinen Mann im grauen Arbeitskittel, mit dicken Brillengläsern, hinter einer kleinen Theke vor einer Wand mit Hunderten von Schlüsseln.

«Hallo Pius, hast du wieder einmal einen Schlüssel verloren?», fragte Johnny.

«Nein, ich will dich etwas fragen. Hat bei dir kürzlich jemand einen Autoschlüssel von einem Chevy nachmachen lassen?»

«Ja, vor ein paar Tagen, ein älterer, elegant gekleideter, gut aussehender, rüstiger Herr. Sein ungehobeltes und dazu noch nervöse, arrogante Benehmen störte mich aber, so verhält sich keiner, der einen Oldtimer fährt, und dann noch einen Chevy! Dies sind doch meist gemütliche, ruhige Typen, oder?

So habe ich, wie wir dies für solche Fälle, wie z. B. gestohlene Wagen, besprochen haben, eine zweite Kopie erstellt. Ich reichte ihm die frisch gefertigte Kopie, die er in seine Hand nahm, dann verlangte ich diese zurück, um noch eine hässliche Stelle zu polieren, und gab ihm dann, unbemerkt von ihm, eine zweite Kopie. So habe ich eine Kopie, frisch mit seinen Fingerabdrücken. Hier ist das Plastiksäcken mit dem Schlüssel, das Datum steht auf dem Säckchen. Ich hätte dich deswegen eh nächstens angerufen, aber du weisst ja, der Stress, besonders in der Ferienzeit.»

«Ist schon gut, aber schön wäre es, wenn ich jetzt noch den Namen dieser Person hätte», bemerkte Pius.

«Fragt dich die Kassiererin im Supermarkt nach deinem Namen?», konterte Johnny.

«Auch wieder wahr. Ich lade dich nächstes Mal im Club zu einem Bier ein», bedankte sich Pius. «Ich bringe den Schlüssel sofort zur Polizei.»

«Geht es wieder um einen gestohlenen Wagen?», interessierte sich Johnny.

«Nein, um eine Leiche im Kofferraum, ich erkläre es dir das nächste Mal im Club. Aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie du in Zukunft in solchen Fällen ein Foto oder Video verdächtiger Person machen könntest, mit einer Überwachungskamera vielleicht, wie in den Supermärkten, ich glaube, das ist legal.»

«Was hast du in Flüelen herausgefunden? Könnte die Leiche im Kofferraum Heinz Arnold sein?», fragte Boda, als Pius zurückkam.

«Nein, Heinz Arnold ist vor zwei Jahren gestorben!», antwortete Pius trocken und setzte sich an den Esstisch.

«Dann muss es einen anderen Grund haben, warum man die Leiche im Kofferraum des Chevys versteckte», meinte Boda. «Vielleicht liegt der Grund in einer jahrelang zurückliegenden Geschichte. Versuche doch, dich zu erinnern. Vielleicht hast du jemandem den Job weggeschnappt, vielleicht hast du jemandem die Freundin weggeschnappt, vielleicht hast du jemandem einen Auftrag weggeschnappt, vielleicht …»

«Schnappe dir jetzt endlich deine Frau und fahre mit ihr nach England oder sonst wo hin!», unterbrach Pius genervt seinen Schwiegersohn. «Ich erinnere mich nur an die geplante Hochzeitsreise meiner Tochter und meines Schwiegersohns. Du Boda und du Nella, ihr zwei fahrt jetzt, wie geplant auf eure Hochzeitsreise, mit nur einem Koffer und mit dem Triumph! Wenn ich Hilfe brauche, ist Walti auch noch da, er hat Sommerferien, und bis zum Beginn des Herbstsemesters seid ihr längst wieder zurück», befahl Pius.

«Aber ich …», wendete Boda ein.

«Keine Widerrede, Boda! Das ist der Wille deines Schwiegervaters und der Befehl deines Chefs. Gute Reise!»

Das Foto

Tag 2, Dienstagvormittag

«Ich gehe rasch zum Kiosk, Zeitungen kaufen», rief Pius am nächsten Morgen Gaby zu, die in der Küche das Mittagessen vorbereitete. «Vielleicht finde ich in den Zeitungen etwas über einen Mord oder über eine verschwundene Leiche oder sonst einen Hinweis, der etwas mit der Leiche im Chevy zu tun haben könnte.»

«Willst du das nicht lieber der Polizei überlassen?», rief Gaby zurück.

«Ja, sicher doch, aber ich kann ja unterstützend mitwirken. Schliesslich ist dies meine Leiche, wir haben sie gefunden», antwortete Pius.

«Bitte Pius, werde jetzt nicht kindisch!», tönte es aus der Küche.

«Walti kommst du mit? Nach dem gestrigen Tag habe ich ein bisschen Zerstreuung und Bewegung nötig. Wir gehen zu Fuss, über den Hör- und Erlebnisweg, ins Zentrum, zuerst zur Post und zum Kiosk, und dann nehmen wir einen Aperitif Chez Pierre!»

«Schau dort unten, auf dem Parkplatz vor dem Fremdenspital?», rief Walti aufgeregt, als die zwei nach einem langen Weg zwischen hohen Steinmauern durch eine Gasse Richtung Fremdenspital hinunter marschierten. «Da steht unser roter Chevy Impala. Komm, beeil dich! Jetzt fährt er weg, Scheisse!»

«Walti bitte, was sind das für Ausdrücke, lernt man diese an der ETH? Vielleicht war es ein anderer Chevy. Bei schönem Wetter, wie heute, fahren viele solche Wagen durchs Dorf», beruhigte Pius seinen hitzigen, enttäuschten Sohn.