Der Rhythmus des Krieges - Brandon Sanderson - E-Book

Der Rhythmus des Krieges E-Book

Brandon Sanderson

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Beschreibung

Roschar ist eine von Stürmen heimgesuchte Welt. Diese Großstürme bringen neben der Verwüstung auch das magische Sturmlicht zu den Menschen und entfesseln bislang ungeahnte Kräfte in ihnen. Kräfte, die Roschars Völker im Kampf gegen die scheinbar unbesiegbare Armee der Bringer der Leere bitter nötig haben. Werden Fürst Dalinar, Kaladin und die Strahlenden Ritter Roschar rechtzeitig vereinen?

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Seitenzahl: 1231

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Das Buch

Roschar ist eine von Stürmen heimgesuchte Welt. Diese Großstürme bringen neben der Verwüstung auch das magische Sturmlicht zu den Menschen und entfesseln bislang ungeahnte Kräfte in ihnen. Kräfte, die Roschars Völker im Kampf gegen die scheinbar unbesiegbare Armee der Bringer der Leere bitter nötig haben. Werden Fürst Dalinar, Kaladin und die Strahlenden Ritter Roschar rechtzeitig vereinen?

Der Autor

Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit fantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Mit den Sturmlicht-Chroniken, seinem großen Fantasy-Epos um das Schicksal der Welt von Roschar, erobert Brandon Sanderson regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und begeistert auch in Deutschland bereits Tausende Fans. Er wird als der J. R. R. Tolkien des 21. Jahrhunderts gepriesen. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah.

Alles über Brandon Sanderson und sein Werk auf:www.brandon-sanderson.de

Von Brandon Sanderson sind imWilhelm Heyne Verlag erschienen:

Die Seele des Königs

DIE STEELHEART-REIHE

Steelheart

Fireflight

Calamity

Mitosis

DIE STURMLICHT-CHRONIKEN

Der Weg der Könige

Der Pfad der Winde

Die Worte des Lichts

Die Stürme des Zorns

Der Ruf der Klingen

Die Splitter der Macht

Der Rhythmus des Krieges

Der Turm der LichterDie Tänzerin am Abgrund

MAGIC™: THE GATHERING

Die Kinder des Namenlosen

Die Sturmlicht-Chroniken

SIEBTER ROMAN

Aus dem Amerikanischen vonMichael Siefener

Die Originalausgabe ist unter dem Titel The Rhythm of War – Book Four of The Stormlight Archive (Part I) bei Tor/Tom Doherty Associates, LLC, New York, erschienen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2020 by Dragonsteel Entertainment, LLC

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Joern Rauser

Alle Illustrationen © Dragonsteel Entertainment, LLC,wenn nicht anders angegeben

Illustrationen vor Kapitel 11 und 61: Dan dos Santos

Illustrationen vor dem Prolog und vor den Kapiteln 22, 24, 29, 36, 53, 75, und 78, sowie vor den Zwischenspielen 5 und 7: Ben McSweeney

Illustrationen vor den Kapiteln 3, 6, 41, 84 und 97: Kelley Harris

Karte von Roschar, Schwertglyphen, Kapitelanfangsbögen unddie Illustrationen vor den Kapiteln 20, 46 und 73: Isaac Stewart

Kapitelanfangsvignetten: Isaac Stewart, Ben McSweeney,Howard Lyon und Miranda Meeks

Karte auf der Umschlaginnenseite: Isaac Stewart

Illustrationen auf dem Vorsatzpapier vorne: Magali Villeneuve

Illustrationen auf dem Vorsatzpapier hinten: Karla Ortiz

Umschlagillustration: Federico Musetti

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, AustriaISBN: 978-3-641-25497-1V002@HeyneFantasySF

Für Isaac Stewart, der meine Phantasie malt.

INHALT

Prolog: Vortäuschen

ERSTERTEIL: Bürden

Zwischenspiele

ZWEITERTEIL: Unsere Berufung

Zwischenspiele

Ars Arcanum

ILLUSTRATIONEN

Anmerkung: Viele Illustrationen einschließlich der Beschriftungen enthalten Hinweise auf Ereignisse, die zuvor im Text beschrieben wurden. Wenn Sie die Bilder vor dem Lesen betrachten, geschieht das auf Ihr eigenes Risiko.

Karte von Roschar

Schallans Skizzenbuch: Urithiru

Schallans Skizzenbuch: Das Atrium

Navanis Notizbuch: Die Vierte Brücke

Navanis Notizbuch: Die Arnisten-Methode

Blatt: Zeitgenössische Mode der Sänger

Ein Teil des südlichen Meeres der Seelen

Schallans Skizzenbuch: Dunstsprengsel

Schallans Skizzenbuch: Kryptiker

Schallans Skizzenbuch: Aschsprengsel

Schallans Skizzenbuch: Ehrensprengsel

Navanis Notizbuch: Der Raum mit der Kristallsäule

Schallans Skizzenbuch: Bebauungssprengsel

VORWORT UND DANKSAGUNG

Mit großem Stolz präsentiere ich Ihnen »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter«, die Teile sieben und acht der Sturmlicht-Chroniken (die beiden Hälften der Übersetzung von Rhythm of War, Anm. d. Ü.). Zehn Jahre sind vergangen, seit ich mit dieser Serie angefangen habe, und es ist bisher für mich eine sehr befriedigende Erfahrung gewesen, die Vision, die ich all die Jahre hindurch mit mir herumgetragen habe, wachsen und gedeihen zu sehen. Insbesondere eine Szene am Ende von »Der Turm der Lichter« gehört zu den ersten, die mir je für diese Reihe in den Sinn gekommen sind – vor mehr als zwanzig Jahren!

Wir nähern uns dem letzten Buch dieser Folge der Sturmlicht-Chroniken. (Ich habe die Reihe als zwei Abteilungen von je zehn Bänden konzipiert, mit zwei größeren Handlungsbögen.) Haben Sie herzlichen Dank dafür, dass Sie all die Jahre bei mir geblieben sind! Mein Ziel ist es, die restlichen Bände in einem vernünftigen Zeitrahmen folgen zu lassen. Wie immer waren die Abgabetermine eng gesetzt, und damit sie eingehalten werden konnten, haben viele Personen eine Menge ihrer Zeit geopfert. Die Liste wird recht lang sein, aber jeder Einzelne von ihnen hat es verdient, für seine Mühen erwähnt zu werden.

Bei Tor Books war meine Hauptlektorin für diesen Roman Devi Pillai, und sie war unermüdlich, pünktlich und eine wunderbare Fürsprecherin für die Sturmlicht-Chroniken. Dies ist mein erstes Kosmeer-Buch, das nicht von meinem langjährigen Lektor Moshe Feder betreut wurde, der noch immer einen großen Dank dafür verdient, dass er diese Reihe während ihrer frühen Jahre umsorgt und beaufsichtigt hat. Aber ich will Devi besonders dafür danken, dass sie so sehr dabei geholfen hat, den Übergang glatt und leicht zu machen.

Wie immer geht ein Dank an Tom Doherty, der mir meine ersten Chancen zur Veröffentlichung gegeben hat. Devis und Toms Team bei Tor, die an diesem Buch mit uns zusammengearbeitet haben, besteht aus Rachel Bass, Peter Lutjen, Rafal Gibek und Heather Saunders.

Bei Gollancz, meinem englischen Verlag, möchte ich einen besonderen Dank an Gillian Redfearn aussprechen, die ihre redaktionelle Unterstützung während des gesamten Herstellungsprozesses zur Verfügung gestellt und auch sehr hart daran gearbeitet hat, dem Buch ein großartiges Aussehen zu verleihen.

Unser Redakteur war der stets großartige Terry McGarry, und zum ersten Mal war als Co-Redakteurin Kristina Kugler dabei. Ich hatte schon seit Langem mit Kristina an einem Kosmeer-Buch zusammenarbeiten wollen, und sie hat bei diesem hier eine ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Der Produzent unseres Hörbuchs war Steve Wagner. Zur Reihe zurückgekehrt sind Michael Kramer und Kate Reading, die besten Sprecher auf der ganzen Welt. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank dafür, dass sie einverstanden waren, dieses Monstrum einer epischen Fantasy-Serie zu vertonen.

Meine Hauptagentur für dieses Buch war JABberwocky Literary Agency mit Joshua Bilmes am Steuer. Assistiert haben ihm Susan Velazquez, Karen Bourne und Valentina Sainato. Unser englischer Agent ist John Berlyne von der Zeno Literary Agency. Für ihre Arbeit und Fürsprache bin ich wie immer sehr dankbar.

In meiner eigenen Firma Dragonsteel Entertainment ist meine wunderbare Frau Emily Sanderson die Managerin. Der unbeschreibliche Peter Ahlstrom ist unser Vizepräsident und redaktioneller Direktor, und Isaac Stewart ist unser künstlerischer Leiter. Normalerweise stelle ich etwas Dummes mit seinem Namen an, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dieses Buch ihm gewidmet ist, war ich der Meinung, dass ich es diesmal besser sein lassen sollte. Isaac ist nicht nur derjenige, der die wunderbaren Landkarten erschafft, sondern er hat mich auch damals meiner Frau vorgestellt (bei einem Blind Date!). Wenn Sie je die Gelegenheit haben sollten, ihm zu begegnen, lassen Sie sich Ihr Exemplar dieses Buches von ihm signieren und plaudern Sie mit ihm über Ihre liebsten Lego-Baukästen.

Auch bei Dragonsteel arbeiten Karen Ahlstrom, unsere Continuity-Redakteurin, und Kara Stewart, unsere Versandleiterin. Adam Horne ist mein Publicity-Manager und persönlicher Assistent, und er ist derjenige, der immer einfach alles hinbekommt. Die anderen Angestellten in unserem Laden sind Kathleen Dorsey Sanderson, Emily »Mem« Grange, Lex Willhite und Michael Bateman. Sie sind diejenigen, die Ihnen Ihre T-Shirts, Poster und signierten Bücher zuschicken. Ihre Assistenten, die »Mini-Minions« unseres Teams, sind Jacob, Hazel, Isabel, Matthew, Audrey, Tori und Joe. Zusätzlich geht ein Dank an alle freiwilligen Helfer, insbesondere an die immer so großartige Christi Jacobson.

Die Künstler, die zu »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter« beigetragen haben, haben während der Fertigstellung ihrer Kunstwerke nicht nur Tragödien und der Pandemie getrotzt, sondern buchstäblich auch Stürmen, die über sie hereingebrochen sind. Ich bewundere ihr Talent und ihre Hingabe, und ihnen allen möchte ich nicht nur meinen tief empfundenen Dank aussprechen, sondern ihnen auch Frieden in turbulenten Zeiten wünschen.

Einer der Höhepunkte in meiner Karriere ist die Arbeit mit Michael Whelan. Es macht mich demütig, dass er die Bücher so sehr unterstützt und sogar persönliche Projekte beiseitegelegt hat, damit er die wunderbaren Gemälde für die Reihe erschaffen konnte. Schon für ein einziges seiner Umschlagbilder wäre ich zutiefst dankbar gewesen, und deshalb schätze ich mich unglaublich glücklich, dass er seine Magie auch diesmal einsetzt und dabei das bisher beste Sturmlicht-Umschlagbild geschaffen hat. Es ist zweifellos ein Meisterwerk, und ich bewundere es sehr.

In »Der Ruf der Klingen« und »Die Splitter der Macht« hatten wir Porträts der Herolde auf den vorderen und hinteren Vorsatzblättern abgedruckt, und mit dieser Tradition fahren wir hier fort. Zu einem frühen Zeitpunkt des Schreibprozesses haben wir die sechs verbliebenen Herolde in Auftrag gegeben, auch wenn wir wussten, dass zwei von ihnen einem zukünftigen Buch vorbehalten sein würden. Jeder Künstler schuf Meisterwerke. Donatos Herold Talenelat ist sorgenzerfressen und doch triumphierend, und es bereitet mir großes Vergnügen, seine wundervolle Vision dieses Charakters zu sehen. Miranda Meeks ist keine Fremde in den Sturmlicht-Chroniken – wir arbeiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammen –, und ihr Herold Battah ist majestätisch und rätselhaft. Karla Ortiz, deren Werk ich schon seit geraumer Zeit bewundere, hat uns ruhmreiche und fast perfekte Visionen der Herolde Chanaranach und Nalan geschenkt. Und schließlich sind Magali Villeneuves Herolde Pailiah und Kelek verblüffend und wundervoll. Howard Lyon arbeitete mit ihr zusammen an Ölversionen der letzten beiden Bilder, die irgendwann zusammen mit den anderen ausgestellt werden.

Dan Dos Santos ist eine lebende Legende und ein guter Freund. Er bringt seinen besonderen Stil in die Modetafeln dieses Bandes ein, und es gelingt ihm, die Sänger zwar als fremdartig, aber auch auf eine Art zu zeigen, mit der sich der Leser emotional identifizieren kann. Ich finde, dieser Spagat ist ihm ausgezeichnet gelungen.

Ben McSweeney ist dieses Jahr als Vollzeitkraft zu Dragonsteel gestoßen, und das vorliegende Buch zeigt einige seiner besten Arbeiten. Schallans Sprengsel-Seiten helfen dabei, das Bild von Roschar zu vervollkommnen. Es gefällt mir, wie Bens Darstellung von Urithirus Atrium die ungeheure Größe der Stadt vermittelt; besonderer Dank gilt hier auch Alex Schneider, der bei einigen architektonischen Fragen beratend tätig war.

Ein dicker Dank geht an Kelley Harris, ein Mitglied des inneren Zirkels unseres Sturmlicht-Teams; sie erweckt Navanis Notizbuchseiten mit einem untrüglichen Sinn für Gestaltung zum Leben, der mich immer wieder an Alphonse Muchas Plakate aus den frühen 1920er-Jahren erinnert.

Überdies haben viele Künstler und andere Personen hinter den Kulissen dieses Buches gewirkt und verdienen ein großes Dankeschön: Miranda Meeks, Howard Lyon, Shawn Boyles, Cori Boyles, Jacob, Isabel, Rachel, Sophie und Hayley Lazo.

Ein paar sehr wichtige Unterstützer von außen haben uns bei diesem Buch geholfen. Shad »Shadiversity« Brooks war unser Experte für die Kriegskünste. Carl Fisk hat uns ebenfalls mit seinem Wissen über dieses Thema zur Seite gestanden. Wenn ich etwas falsch verstanden habe, dann ist es nicht ihre, sondern meine Schuld. In diesem Fall wird es sich um etwas handeln, wonach ich sie nicht rechtzeitig gefragt oder was ich zu ändern vergessen habe.

Unsere Expertin für dissoziative Identitätsstörungen war Britt Martin. Ich schätze ihre Bereitschaft, mit der sie meine Vorschläge angehört hat, wie ich geistige Krankheiten in diesen Büchern besser darstellen könnte. Sie war unsere geheime Strahlende Ritterin für diesen Roman und immer da, um mich anzutreiben.

Besonderer Dank geht an vier unserer Beta-Leser für ihre gehaltvollen Rückmeldungen zu einem bestimmten Aspekt der Sexualität: Paige Phillips, Alyx Hoge, Blue und E. N. Weir. Dem Buch haben eure Beiträge gutgetan.

Unsere Schreibgruppe zu diesem Buch bestand aus Kaylynn ZoBell, Kathleen Dorsey Sanderson, Eric James Stone, Darci Stone, Alan Layton, Ben »kannst du bitte diesmal meinen Namen richtig schreiben, Brandon« Olzedixploxipllentivar, Ethan Skarstedt, Karen Ahlstrom, Peter Ahlstrom, Emily Sanderson und Howard Tayler. Eine bessere Gruppe aus fröhlichen Herren und Damen wird niemand finden. Sie haben jede Woche große Portionen dieses Buches gelesen und es hingenommen, dass ich andauernd gewaltige Änderungen vorgenommen habe; sie haben mir dabei geholfen, den Roman in Form zu bringen.

Unser Expertenteam aus Beta-Lesern bestand aus Brian T. Hill, Jessica Ashcraft, Sumejja Muratagi´c-Tadi´c, Joshua »Jofwu« Harkey, Kellyn Neumann, Jory »Jor the Bouncer« Phillips (Glückwunsch, Jory!), Drew McCaffrey, Lauren McCaffrey, Liliana Klein, Evgeni »Argent« Kirilov, Darci Cole, Brandon Cole, Joe Deardeuff, Austin Hussey, Eliyahu Berelowitz Levin, Megan Kanne, Alyx Hoge, Trae Cooper, Deana Covel Whitney, Richard Fife, Christina Goodman, Bob Kluttz, Oren Meiron, Paige Vest, Becca Reppert, Ben Reppert, Ted Herman, Ian McNatt, Kalyani Poluri, Rahul Pantula, Gary Singer, Lingting »Botanica« Xu, Ross Newberry, David Behrens, Tim Challener, Matthew Wiens, Giulia Costantini, Alice Arneson, Paige Phillips, Ravi Persaud, Bao Pham, Aubree Pham, Adam Hussey, Nikki Ramsay, Joel D. Phillips, Zenef Mark Lindberg, Tyler Patrick, Marnie Peterson, Lyndsey Luther, Mi’chelle Walker, Josh Walker, Jayden King, Eric Lake und Chris Kluwe.

Unser Kommentar-Koordinator für die Beta-Leser war Peter Orullian, der selbst ein ausgezeichneter Schriftsteller ist.

Unsere Gamma-Leser bestanden aus vielen der Beta-Leser, und zusätzlich waren dabei: Chris McGrath, João Menezes Morais, Brian Magnant, David Fallon, Rob West, Shivam Bhatt, Todd Singer, Jessie Bell, Jeff Tucker, Jesse Salomon, Shannon Nelson, James Anderson, Frankie Jerome, Zoe Larsen, Linnea Lindstrom, Aaron Ford, Poonam Desai, Ram Shoham, Jennifer Neal, Glen Vogelaar, Taylor Cole, Heather Clinger, Donita Orders, Rachel Little, Suzanne Musin, William »aberdasher«, Christopher Cottingham, Kurt Manwaring, Jacob Hunsaker, Aaron Biggs, Amit Shteinheart, Kendra Wilson, Sam Baskin und Alex Rasmussen.

Ich weiß, dass viele von denen, die das hier lesen, gern dem Beta- oder Gamma-Team beitreten würden, aber Sie sollten wissen, dass es nicht annähernd so nett ist, wie es scheint. Diese Leute müssen das Buch oft unter großem Zeitdruck lesen, und sie bekommen es in unvollendeter Form vorgelegt. In vielerlei Hinsicht berauben sie sich der Möglichkeit, das Buch in seiner besten Form zu genießen, und sie erhalten einen nicht ganz so guten Eindruck davon, damit sie es für Sie alle besser machen können. Ich zolle ihrer unermüdlichen Arbeit große Bewunderung. Wegen ihrer Bemühungen ist das Buch viel besser, als es ohne sie gewesen wäre.

Ich weiß, das war eine lange Liste. Mit jedem neuen Buch wird sie länger! Aber ich schätze jeden Einzelnen von ihnen. Wie ich oft sage, steht zwar nur mein Name auf dem Umschlag, aber diese Romane sind wirklich Gruppenarbeiten, in welche das Talent und das Wissen vieler verschiedener Menschen einfließen.

Wegen ihnen können Sie jetzt »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter« lesen, die beiden Hälften der Übersetzung von »The Rhythm of War« und damit Teil sieben und acht der Sturmlicht-Chroniken. Mögen Sie die Reise genießen!

SIEBENJAHREZUVOR

Natürlich wollten die Parschendi ihre Trommeln schlagen.

Natürlich hatte Gavilar ihnen gesagt, dass sie es durften.

Und natürlich hatte er nicht daran gedacht, Navani zu warnen.

»Habt Ihr gesehen, wie groß diese Instrumente sind?«, fragte Maratham und fuhr sich mit den Händen durch die schwarzen Haare. »Wo sollen wir sie unterbringen? Da Euer Gemahl all diese ausländischen Würdenträger eingeladen hat, sind wir doch längst ausgelastet. Wir können nicht …«

»Wir werden eine exklusivere Festlichkeit im oberen Ballsaal ausrichten«, verkündete Navani und versuchte, die Ruhe zu bewahren, »und die Trommeln zusammen mit der Tafel des Königs dort aufstellen.« Jeder andere in der Küche stand kurz davor, in Panik zu verfallen; Hilfsköche und Köchinnen liefen hierhin und dorthin, Töpfe schlugen gegeneinander, Vorahnungssprengsel wuchsen wie Wimpel aus dem Boden. Gavilar hatte nicht nur die Großprinzen, sondern auch deren Verwandte eingeladen. Und jeden Großherrn der Stadt. Und er wollte ein gewaltiges Bettlerfest ausrichten. Und jetzt auch noch … Trommeln?

»Wir haben schon jeden zur Arbeit in die obere Festhalle gestellt!«, rief Maratham. »Mir stehen aber zu wenige Leute zur Verfügung, um auch noch die Trommeln …«

»Heute Abend werden sich doppelt so viele Soldaten wie gewöhnlich im Palast befinden«, erklärte Navani. »Wir setzen einfach sie dazu ein, weitere Tische aufzustellen.« Zusätzliche Wachen postieren … Stärke und Macht zeigen? Man konnte immer darauf wetten, dass Gavilar so etwas tat.

Für alles andere hatte er Navani.

»Ja, das könnte gelingen«, gab Maratham zurück. »Es ist gut, wenn diese Flegel etwas zu tun haben; dann stehen sie weniger im Weg herum. Wir haben also zwei Hauptfeste? In Ordnung. Tief Luft holen.« Die kleine Palastorganisatorin huschte davon und wich knapp einem Küchenlehrling aus, der gerade eine große Schüssel mit dampfenden Meeresfrüchten vorbeitrug.

Navani trat zur Seite und ließ den Lehrling weitergehen. Der Mann nickte ihr dankbar zu; die Bediensteten waren schon lange nicht mehr nervös, sobald sie die Küche betrat. Sie hatte ihnen deutlich machen können, dass sie ihr ausreichend Ehrerbietung bewiesen, wenn sie ihre Arbeit gut erledigten.

Trotz der unterschwelligen Anspannung schienen sie alles unter Kontrolle zu haben, auch wenn es vorhin – als Würmer in drei Getreidefässern gefunden worden waren – einen Aufruhr gegeben hatte. Zum Glück hatte Hellherr Amaram Vorräte für seine eigenen Leute mitgebracht, und Navani war es gelungen, sie ihm aus den Händen zu nehmen. Und nun waren sie mithilfe der zusätzlichen Köche, die sie aus dem Kloster geborgt hatten, wohl tatsächlich in der Lage, all die Menschen zu beköstigen, die Gavilar eingeladen hatte.

Ich werde noch anordnen müssen, wer in welchem Festsaal sitzen soll, dachte sie, während sie aus der Küche schlich und den Palastgarten betrat. Und es muss in beiden Räumen zusätzlich Platz gelassen werden. Wer weiß, wer noch alles mit einer Einladung auftauchen wird?

Sie schlenderte durch den Garten auf die Seitentür des Palastes zu. Wenn sie diesen Pfad nahm, würde sie weniger im Weg stehen – und weniger Dienern ausweichen müssen. Auf dem Weg vergewisserte sie sich, dass sich alle Laternen an ihrem Platz befanden. Auch wenn die Sonne noch nicht untergegangen war, sollte der Palast von Kholinar heute Abend so hell wie möglich erstrahlen.

Halt. War das Aesudan, ihre Schwiegertochter und Elhokars Gemahlin, die dort in der Nähe der Springbrunnen stand? Eigentlich sollte sie doch drinnen die Gäste begrüßen. Die schlanke Frau hatte ihr langes Haar zu einem Knoten zusammengesteckt, der von Edelsteinen in allen Farben beleuchtet wurde. Im Zusammenspiel wirkten all diese Farben fröhlich – Navani zog wenige schlichte Steine vor, deren Farben ein Schema bildeten –, aber sie rückten Aesudan, die gerade mit zwei älteren Feuerern plauderte, in ein besonders vorteilhaftes Licht.

Bei allen hellen und ungestümen Stürmen … Der eine von ihnen war Rushur Kris, der Meister-Fabrialkünstler. Wann mochte er denn eingetroffen sein? Und wer hatte ihn überhaupt eingeladen? Er hielt ein kleines Kästchen mit einer gemalten Blume darauf in den Händen. Konnte das … eines seiner neuen Fabriale sein?

Navani fühlte sich zu der Gruppe hingezogen, und alle anderen Gedanken lösten sich fluchtartig aus ihrem Kopf. Wie hatte er es nur geschafft, das Wärmefabrial zum Funktionieren zu bringen, und wieso ließ sich die Temperatur verändern? Sie hatte zwar schon Zeichnungen gesehen, aber mit dem Meister höchstpersönlich zu sprechen …

Aesudan sah Navani und lächelte fröhlich. Ihre Freude schien echt zu sein, was ungewöhnlich war – zumindest Navani gegenüber. Sie versuchte, Aesudans übliche Verbitterung über sie nicht als persönliche Beleidigung zu betrachten; es gehörte zu den Rechten einer jeden Frau, sich von ihrer Schwiegermutter bedroht zu fühlen. Insbesondere dann, wenn es dem Mädchen so offensichtlich an allen Talenten mangelte.

Navani erwiderte ihr Lächeln und versuchte, sich ins Gespräch zu mischen und einen besseren Blick auf dieses Kästchen zu erlangen. Aesudan ergriff jedoch Navanis Arm. »Mutter, ich hatte unsere Verabredung vollkommen vergessen! Ich bin manchmal so flatterhaft. Es tut mir schrecklich leid, Feuerer Kris, aber ich muss mich jetzt verabschieden.«

Aesudan zerrte Navani ziemlich grob durch den Garten und auf die Küche zu. »Kelek sei Dank, dass du erschienen bist, Mutter. Dieser Mann ist ein entsetzlicher Langweiler.«

»Langweiler?«, fragte Navani und warf mit Mühe einen Blick über die Schulter. »Er sprach über …«

»Edelsteine. Und noch mehr Edelsteine. Und Sprengsel und Kästchen mit Sprengseln darin. Bei allen Stürmen! Man sollte doch glauben, dass er es versteht. Ich muss mich mit wichtigen Leuten treffen. Mit den Frauen von Großprinzen, mit den besten Generälen im Land, die hergekommen sind, weil sie die wilden Parscher bestaunen wollen. Und dann stecke ich im Garten fest und muss mich mit einem Feuerer unterhalten? Du solltest wissen, dass mich dein Sohn hier stehen gelassen hat. Wenn ich diesen Mann finde …«

Navani befreite sich aus Aesudans Griff. »Jemand sollte sich jetzt um die Feuerer kümmern. Warum sind sie eigentlich hier?«

»Frag mich nicht«, antwortete Aesudan. »Gavilar wollte sie aus irgendeinem Grund hier haben, aber er hat es Elhokar übertragen, für ihre Unterhaltung zu sorgen. Das sind schlechte Manieren, wirklich!«

Gavilar hatte also einen der bedeutendsten Fabrialkünstler der Welt eingeladen, Kholinar zu besuchen, und sich dann nicht einmal die Mühe gemacht, Navani davon in Kenntnis zu setzen? Eine Wut, die sie sorgsam eingehegt und weggesperrt hatte, regte sich in ihr. Dieser Mann! Dieser sturmverdammte Mann. Wie … wie konnte er …

Wutsprengsel quollen wie kochendes Blut in einer kleinen Lache zu ihren Füßen auf. Ganz ruhig, Navani, sagte die vernünftige Seite ihres Selbst. Vielleicht hatte er vorgehabt, dich mit dem Feuerer zu überraschen. Mühsam verbannte sie ihren Ärger.

»Hellheit!«, rief eine Stimme von der Küche herüber. »Hellheit Navani! Oh, bitte, wir haben ein Problem.«

»Aesudan«, sagte Navani, deren Blick noch auf dem Feuerer ruhte, der nun langsam auf das Kloster zuging. »Bist du so freundlich und schaust nach, was in der Küche los ist? Ich würde gern …«

Aber Aesudan eilte schon auf eine andere Gruppe im Garten zu, in der sich mehrere mächtige Generäle aus den Reihen der Großherren befanden. Navani holte tief Luft und wehrte einen weiteren Stich der Verärgerung ab. Aesudan behauptete, ihr seien Anstand und Manieren wichtig, aber sie hatte nichts dagegen, sich in ein Gespräch unter Männern einzumischen, ohne dass die Gegenwart ihres Gemahls als Entschuldigung dienen konnte.

»Hellheit!«, rief der Koch noch einmal und winkte ihr zu.

Navani warf dem Feuerer einen letzten Blick zu, biss die Zähne zusammen und eilte in die Küche, wobei sie sorgsam darauf achtete, dass sich ihr Rock nicht in den Ornamenten aus Schieferborke verfing. »Was ist los?«

»Wein«, sagte der Koch. »Uns sind der Clavendah und die Rubinbank ausgegangen.«

»Warum das denn?«, fragte sie. »Wir haben doch Reserven …« Sie wechselte einen raschen Blick mit dem Koch, und die Antwort war klar. Dalinar musste wieder ihren Weinvorrat gefunden haben. Inzwischen war er ziemlich geschickt darin, heimlich die Fässer für sich und seine Freunde zu leeren. Sie wünschte, er würde den Bedürfnissen des Reiches nur halb so viel Aufmerksamkeit schenken.

»Ich habe noch einen persönlichen Vorrat«, sagte Navani und zog ihr Notizbuch aus der Tasche. Sie griff danach mit ihrer Schutzhand durch den Stoff des Ärmels, während sie eine Bemerkung auf das Papier kritzelte. »Ich bewahre ihn im Kloster bei Schwester Talanah auf. Zeig ihr diese Zeilen, und sie wird dir Zutritt gewähren.«

»Danke, Hellheit«, sagte der Koch und nahm das Blatt entgegen. Noch bevor der Mann durch die Tür geeilt war, bemerkte Navani den Haushofmeister – einen weißbärtigen Mann mit zu vielen Ringen an den Fingern – am Fuß der Treppe zum Hauptgebäude des Palastes. Er spielte an den Ringen seiner linken Hand herum. Mist.

»Was ist denn los?«, fragte sie, während sie auf ihn zuging.

»Großherr Rine Hatham ist eingetroffen und fragt nach seiner Audienz beim König. Ihr erinnert Euch gewiss, dass Seine Majestät versprochen hatte, heute Abend mit Rine zu sprechen …«

»Ja, und zwar über den Grenzzwist und die falsch gezeichneten Karten«, antwortete Navani und seufzte. »Und wo ist mein Gemahl?«

»Das ist etwas unklar, Hellheit«, gab der Haushofmeister zurück. »Zuletzt wurde er zusammen mit dem Hellherrn Amaram und einigen jener … ungewöhnlichen Gestalten gesehen.«

Das war die Umschreibung der Palastangestellten für Gavilars neue Freunde, die regelmäßig ohne Vorwarnung oder Ankündigung erschienen und nur selten ihre Namen preisgaben.

Navani knirschte mit den Zähnen und überlegte, an welchen Ort sich Gavilar zurückgezogen haben mochte. Vermutlich wäre er wütend, wenn sie ihn dort störte. Also gut. Er sollte sich selbst um seine Gäste kümmern, statt davon auszugehen, dass sie alles und jedes für ihn erledigte.

Leider war sie im Augenblick … Nun ja, sie würde mal wieder alles und jedes erledigen müssen.

Von dem besorgten Haushofmeister ließ sie sich zur großen Eingangshalle hinaufführen, in der die Gäste mit Musik, Getränken und Gedichten unterhalten wurden, während die Vorbereitungen zum Fest liefen. Andere wurden von Dienern zu den Parschendi geführt, die heute Abend die wahre Attraktion darstellten. Schließlich geschah es nicht jeden Tag, dass der König von Alethkar einen Vertrag mit einer Gruppe rätselhafter Parscher abschloss, die sogar sprechen konnten.

Sie bat den Großherrn Rine wegen Gavilars Abwesenheit um Entschuldigung und bot ihm an, die infrage kommenden Landkarten selbst in Augenschein zu nehmen. Danach wurde sie von einer Reihe ungeduldiger Männer und Frauen angehalten, die das Versprechen einer Audienz beim König in den Palast geführt hatte.

Navani versicherte den Hellaugen, dass ihre Sorgen gehört wurden. Sie versprach, sich um Ungerechtigkeiten zu kümmern. Sie besänftigte die Enttäuschten, die geglaubt hatten, eine persönliche Einladung vom König bedeute, dass sie mit ihm selbst sprechen durften. In der letzten Zeit war dies zu einem seltenen Privileg geworden, es sei denn, man gehörte zu den »ungewöhnlichen Gestalten«.

Natürlich trafen noch immer Gäste ein – auch solche, die nicht auf der erneuerten Liste standen, die ein verärgerter Gavilar ihr heute Morgen überreicht hatte.

Bei Vevs goldenen Schlüsseln! Navani setzte eine gezwungen freundliche Miene für die Gäste auf. Sie lächelte, sie lachte, und dann winkte sie. Mithilfe der Spickzettel und Listen, die sie in ihrem Notizbuch aufbewahrte, fragte sie nach Familien, nach neuen Geburten und Lieblings-Axthunden. Sie unterhielt sich über die Lage des Handels und machte sich Notizen darüber, welche Hellaugen anderen Hellaugen aus dem Weg gingen. Kurz gesagt, sie verhielt sich ganz wie eine Königin.

Zwar war es eine gefühlsmäßig anstrengende Arbeit, aber das war nun einmal ihre Pflicht. Vielleicht würde sie eines Tages in der Lage sein, ihre Zeit mit der Arbeit an Fabrialen zu verbringen und so zu tun, als wäre sie eine Gelehrte. Aber heute tat sie ihre Pflicht, auch wenn sich ein Teil von ihr dabei wie eine Hochstaplerin vorkam. Und obwohl sie aus einer alten und angesehenen Familie stammte, hatte Navani zu allen Zeiten hart daran arbeiten müssen, ihre Angst zu unterdrücken, die ihr regelmäßig zuflüsterte, dass sie in Wirklichkeit nur ein hinterwäldlerisches Mädchen vom Lande war, das die Kleider einer anderen Frau trug.

In letzter Zeit hatte diese Unsicherheit in ihr noch zugenommen. Ruhig. Ganz ruhig. Für solche Gedanken war kein Platz. Sie ging in dem Raum umher und stellte erfreut fest, dass Aesudan Elhokar gefunden hatte und sich endlich einmal mit ihm unterhielt, anstatt mit anderen Männern zu plaudern. Auch Adolin und Renarin waren ebenfalls hier und steckten in steifen Uniformen. Der eine unterhielt gerade eine kleine Gruppe junger Frauen, während der andere schlaksig und unbeholfen wirkte, wie er neben seinem Bruder stand.

Und … da war Dalinar. Er ragte hoch auf. Höher als jeder andere Mann im Raum. Er war noch nicht betrunken, und die Gäste umkreisten ihn wie ein Feuer in einer kalten Nacht – sie mussten in seiner Nähe sein, aber sie fürchteten sich vor der wahren Hitze seiner Gegenwart. Sein Blick wirkte gequält und kochte vor Leidenschaft.

Bei den lodernden Stürmen! Sie entschuldigte sich und eilte die Treppe hoch, bis ihr nicht mehr ganz so warm war. Es war nicht gut, weggegangen zu sein; ihnen fehlte schon der König, und man würde Fragen stellen, wenn nun auch die Königin verschwand. Aber gewiss kam hier ein jeder für kurze Zeit auch ohne sie aus.

Sie schritt durch kerkerartige Korridore und kam an Parschendi vorbei, die ihre Trommeln trugen und sich in einer Sprache unterhielten, die sie nicht verstand. Warum war dieser Ort nicht etwas besser mit natürlichem Licht ausgeleuchtet? Warum gab es hier nicht mehr Fenster? Sie würde mit Gavilar darüber sprechen, aber sie wusste: Ihm gefiel es so. Auf diese Weise standen ihm mehr Verstecke zur Verfügung …

Da, dachte sie und blieb an einer Kreuzung stehen. Stimmen.

»… die Möglichkeit, sie vom Schmorschlund her und wieder dorthin zu bringen, bedeutet gar nichts«, sagte eine von ihnen. »Es ist zu nah.«

»Noch vor wenigen Jahren war es unmöglich«, sagte eine tiefe, mächtige Stimme. Gavilar. »Das ist ein Beweis. Die Verbindung wurde nicht durchtrennt, und die Kiste erlaubt die Reise. Wir mögen nicht so weit kommen, wie wir es gern hätten, aber irgendwo müssen wir die Reise schließlich beginnen.«

Navani spähte um die Ecke. Vor sich sah sie eine Tür am Ende des kurzen Ganges, die einen Spaltbreit offen stand. Von dort drangen die Stimmen heraus. Ja, Gavilar hielt eine Besprechung genau dort ab, wo sie es erwartet hatte: in ihrem Arbeitszimmer. Es war ein gemütlicher kleiner Raum mit einem hübschen Fenster, versteckt in einer Ecke des zweiten Stocks. Sie fand nur selten die Zeit, hierher zu kommen, aber es war ein Ort, an dem kaum jemand nach Gavilar suchen würde.

Sie schlich an die Tür heran und lugte durch den Spalt. Mit seiner Gegenwart füllte Gavilar Kholin jeden Raum aus. Er trug einen Bart, aber bei ihm wirkte er nicht unmodisch, sondern geradezu klassisch. Wie ein lebendig gewordenes Gemälde, eine Darstellung des alten Alethkar. Einige hatten geglaubt, er würde eine Mode begründen, aber nur wenige waren bisher in der Lage gewesen, es ihm gleichzutun.

Darüber hinaus umschwebte Gavilar ein Gefühl von … Verzerrung und Entstellung. Das war aber nichts Übernatürliches oder Unsinniges. Es war nur so, dass … man musste einfach hinnehmen, dass Gavilar alles tun konnte, was er wollte, auch wenn es jeder Tradition oder Logik widersprach. Er würde Erfolg damit haben. So war es immer.

Der König sprach gerade mit zwei Männern, die Navani zu erkennen meinte. Der eine war ein großer Makabaki mit einem Muttermal auf der Wange, und bei dem anderen handelte es sich um einen kleineren Vorin mit rundem Gesicht und kurzer Nase. Sie waren als Botschafter aus dem Westen vorgestellt worden, und doch war kein Königreich als ihre Heimat genannt worden.

Der Makabaki lehnte sich gegen das Bücherregal und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht wirkte vollkommen ausdruckslos. Der Vorin hingegen rang die Hände und erinnerte Navani an den Haushofmeister des Palastes, auch wenn dieser Mann hier viel jünger zu sein schien. In den Zwanzigern? Oder in den Dreißigern? Nein, er könnte älter sein.

Auf dem Tisch zwischen Gavilar und den Männern lagen zahlreiche Kugeln und Edelsteine. Als Navani sie sah, hielt sie den Atem an. Sie zeigten eine große Vielfalt von Farben und Helligkeit, aber einige schienen seltsam … ganz anders … zu sein. Sie schimmerten in einer Farbe, die irgendwie den Eindruck machte, das Gegenteil von Licht zu sein. Als wären sie kleine Löcher aus violetter Finsternis, die die Farben um sie herum aufsaugten.

So etwas hatte sie noch nie gesehen, aber Edelsteine mit Sprengseln darin zeigten allerlei seltsame Farben und Wirkungen. Diese … gewiss waren sie für Fabriale bestimmt. Was hatte Gavilar mit den Kugeln, mit dem seltsamen Licht und mit den berühmten Fabrialkünstlern vor? Und warum redete er nicht mit ihr über …

Plötzlich richtete sich Gavilar auf und schaute zur Tür, obwohl Navani nicht das leiseste Geräusch verursacht hatte. Ihre Blicke trafen sich. Sie drückte die Tür auf, als sei sie gerade auf dem Weg in ihr Zimmer. Sie spionierte nicht, sie lauschte auch nicht, sie war einfach die Königin dieses Palastes. Sie konnte überall hingehen, wohin sie wollte, insbesondere in ihr eigenes Arbeitszimmer.

»Mein Gemahl«, sagte sie. »Unten haben sich die Gäste versammelt und warten auf dich. Du scheinst die Zeit vergessen zu haben.«

»Meine Herren«, sagte Gavilar zu den beiden Botschaftern, »ich muss mich entschuldigen.«

Der nervöse Vorin fuhr sich mit der Hand durch die schütteren Haare. »Ich möchte mehr über das Projekt erfahren, Gavilar. Außerdem müsst Ihr wissen, dass noch jemand von uns heute Abend hier ist. Ich habe vorhin ihr Werk gesehen.«

»Ich werde mich bald mit Meridas und den anderen treffen«, antwortete Gavilar. »Sie werden noch mehr Informationen für mich haben. Danach setzen wir unsere Unterhaltung fort.«

»Nein«, sagte der Makabaki mit scharfer Stimme. »Das bezweifle ich.«

»Wir sind hier noch nicht fertig, Nale«, sagte der Vorin, aber er folgte seinem Freund, als dieser das Zimmer verließ. »Es ist wichtig! Ich will nach draußen. Und das ist der einzige Weg …«

»Worum ging es?«, fragte Navani, als Gavilar die Tür schloss. »Das sind keine Botschafter. Wer sind sie in Wirklichkeit?«

Gavilar gab keine Antwort. Bedachtsam nahm er eine Kugel nach der anderen vom Tisch und legte sie in einen Beutel.

Navani schoss vor und schnappte sich eine der Kugeln. »Was ist das? Woher hast du Kugeln, die auf diese Weise schimmern? Hat das etwas mit den Fabrialkünstlern zu tun, die du eingeladen hast?« Sie sah ihn an und wartete auf eine Antwort oder Erklärung.

Stattdessen streckte er die Hand nach der Kugel aus, die sie ergriffen hatte. »Das hat keine Bedeutung für dich, Navani. Geh zurück zum Fest.«

Sie schloss die Hand um die Kugel. »Damit ich weiter für dich einspringen kann? Hast du Großherrn Rine wirklich versprochen, ausgerechnet heute Abend seinen Streitfall zu lösen? Weißt du, wie viele Menschen dich erwarten? Hast du wirklich gesagt, du gehst jetzt gleich zu noch einer weiteren Besprechung, bevor das Fest beginnt? Willst du unsere Gäste einfach ignorieren?«

»Weißt du eigentlich«, sagte er sanft, »wie sehr ich deine andauernden Fragen satt habe, Frau?«

»Dann versuch doch einfach, mal eine oder zwei zu beantworten. Es wäre eine neue Erfahrung für dich, deine Gemahlin wie ein menschliches Wesen zu behandeln und nicht wie eine Maschine, die für dich die Wochentage abzählt.«

Er schwenkte die Hand und forderte die Kugel zurück.

Instinktiv hielt Navani sie fest. »Warum? Warum schließt du mich andauernd aus? Sag es mir bitte.«

»Ich handle mit Geheimnissen, die du nicht bewahren könntest, Navani. Wenn du wüsstest, wie groß das ist, was ich begonnen habe …«

Sie runzelte die Stirn. Wie groß? Er hatte doch schon Alethkar erobert. Er hatte die Großprinzen vereinigt. Ging es hier darum, dass er seinen Blick auf die Unbeanspruchten Hügel gerichtet hatte? Ein Streifen wildes Land, das nur von ein paar Parscher-Stämmen bewohnt wurde, war doch gewiss nichts gegen das, was er schon erreicht hatte.

Er ergriff ihre Hand und zwang die Finger auseinander. Dann nahm er ihr die Kugel ab. Sie widersetzte sich nicht, denn darauf würde er barsch reagieren. Bisher hatte er nie seine körperliche Kraft gegen sie eingesetzt, aber es hatte Worte gegeben. Bemerkungen. Drohungen.

Er legte die seltsame, fesselnde Kugel zu den anderen in den Beutel. Dann zog er das Band darum mit großer Entschiedenheit fest und steckte den Beutel in seine Tasche.

»Du bestrafst mich, nicht wahr?«, meinte Navani. »Du kennst meine Liebe zu den Fabrialen. Du verhöhnst mich, weil du genau weißt, dass es mir wehtut.«

»Vielleicht«, erwiderte Gavilar, »lernst du irgendwann nachzudenken, bevor du redest, Navani. Und vielleicht lernst du irgendwann auch, welcher Preis für Gerüchte zu bezahlen ist.«

Das schon wieder?, dachte sie. »Nichts ist geschehen, Gavilar.«

»Glaubst du etwa, dass mich das kümmert?«, fragte er. »Glaubst du, dass es den Hof kümmert? Für ihn sind Lügen genauso gut wie Tatsachen.«

Sie begriff, dass das stimmte. Gavilar war es wirklich gleichgültig, ob sie ihn betrogen hatte – was sie nicht getan hatte. Aber die Dinge, die sie gesagt hatte, hatten Gerüchte in die Welt gesetzt, die nur sehr schwer zu unterdrücken waren.

Gavilar kümmerte sich nur um sein Vermächtnis. Er wollte als großer König und großer Anführer in Erinnerung bleiben. Das war schon immer sein Antrieb gewesen, aber in letzter Zeit hatte eine Veränderung stattgefunden. Er fragte wieder und wieder: Würde man ihn als den größten König Alethkars anerkennen? Konnte er neben seinen Ahnen bestehen – neben solchen Männern wie dem Sonnenmacher?

Wenn der Hof glaubte, dass der König keine Herrschaft über seine eigene Gemahlin hatte, würde das nicht auch sein Vermächtnis belasten? Wozu war denn ein Königreich gut, wenn Gavilar wusste, dass seine Frau heimlich seinen Bruder liebte? Navani bedeutete einen Riss in dem glänzenden Marmor seines überaus wichtigen Vermächtnisses.

»Sprich mit deiner Tochter«, sagte Gavilar und wandte sich der Tür zu. »Ich glaube, es ist mir gelungen, Amarams Stolz zu besänftigen. Vielleicht nimmt er sie zurück. Ihr läuft die Zeit davon. Nur noch wenige Verehrer werden sich für sie finden. Vermutlich muss ich das halbe Reich dafür bezahlen, das Mädchen loszuwerden, wenn sie Meridas schon wieder verschmäht.«

Navani rümpfte die Nase. »Du sprichst mit ihr. Wenn das, was du willst, tatsächlich so wichtig ist, dann könntest du es zur Abwechslung einmal selbst tun. Außerdem ist mir Amaram vollkommen gleichgültig. Jasnah kann jemand Besseren finden.«

Er erstarrte, warf einen Blick zurück und sagte mit tiefer, aber leiser Stimme: »Jasnah wird Amaram heiraten, so wie ich es ihr befohlen habe. Sie wird ihr Hirngespinst aufgeben müssen, berühmt zu werden, indem sie die Kirche verleugnet. Ihr Hochmut befleckt den Ruf der ganzen Familie.«

Navani trat auf ihn zu und sprach nun ebenso leise wie er. Und auch so kalt wie er. »Du weißt, dass dieses Mädchen dich noch liebt, Gavilar. Das tun alle. Elhokar, Dalinar, die Jungen … sie beten dich an. Bist du sicher, dass du ihnen zeigen willst, wer du in Wirklichkeit bist? Sie sind dein Vermächtnis. Behandle sie mit Vorsicht. Sie werden entscheiden, wie man sich an dich erinnert.«

»Meine Größe wird das entscheiden, Navani. Keine mittelmäßigen Bemühungen von jemandem wie Dalinar oder meinem Sohn können das verhindern – und außerdem bezweifle ich in Elhokars Fall, dass er sich auch nur bis zur Mittelmäßigkeit erheben kann.«

»Und was ist mit mir?«, fragte sie. »Ich könnte deine Geschichte niederschreiben. Deine Biografie. Was immer du deiner Meinung nach getan und erreicht hast, ist nicht von Bedeutung, Gavilar. Die Worte auf der Buchseite legen für spätere Generationen fest, wer du bist. Du verachtest mich und weist mich ab, aber ich halte das in der Hand, was du am meisten begehrst. Wenn du mich zu weit treibst, werde ich zudrücken.«

Er antwortete weder mit Brüllen noch mit Zorn, aber die kalte Leere in seinen Augen hätte ganze Königreiche verschlingen können und nur Schwärze hinterlassen. Er hob die Hand an ihr Kinn, umfasste es sanft – das spöttische Nachäffen einer früher einmal leidenschaftlich gewesenen Geste.

Das war schmerzhafter als ein Schlag ins Gesicht.

»Weißt du, warum ich dich nicht einbeziehe, Navani?«, sagte er sanft. »Glaubst du, dass du die Wahrheit ertragen kannst?«

»Versuch es doch wenigstens einmal. Es wäre erfrischend.«

»Du bist es nicht wert, Navani. Du behauptest, eine Gelehrte zu sein, aber wo sind denn deine Entdeckungen? Du studierst das Licht, aber du bist sein Gegenteil. Du zerstörst das Licht. Du verbringst deine Zeit damit, im Dreck der Küche herumzuwühlen und dich darum zu kümmern, ob irgendein unbedeutendes Hellauge die richtigen Linien auf einer Landkarte erkennt oder nicht.

Das sind keine großen Taten, Navani. Du bist gar keine Gelehrte. Du bist nur gern in der Nähe der Gelehrten. Du bist keine Fabrialkünstlerin. Du bist lediglich eine Frau, die Kinkerlitzchen liebt. Du bist auch nicht berühmt, hast nichts erreicht, nichts geleistet. Alles, was dich ausmacht, rührt von jemand anderem her. Du besitzt keinerlei Macht – du heiratest nur gern Männer, die Macht haben.«

»Wie kannst du es wagen …«

»Leugne es doch, Navani«, fuhr er sie an. »Leugne es, dass du den einen Bruder geliebt, aber den anderen geheiratet hast. Du behauptest, einen Mann zu verehren, den du in Wirklichkeit verabscheust – nur weil du wusstest, dass er einmal König sein wird.«

Sie sprang vor ihm zurück, entwand sich seinem Griff und drehte den Kopf zur Seite. Sie schloss die Augen und spürte Tränen auf ihren Wangen. Es war allerdings komplizierter, als er es angedeutet hatte, denn sie hatte beide geliebt. Aber Dalinars Eindringlichkeit hatte sie verängstigt, und so war ihr Gavilar als die sicherere Wahl erschienen. Doch gleichzeitig lag in Gavilars Anklage auch eine gewisse Wahrheit. Sie konnte sich zwar selbst belügen und behaupten, sie habe Dalinar ernsthaft in Erwägung gezogen, aber alle hatten doch gewusst, dass sie am Ende Gavilar wählen würde. Und genau das hatte sie getan. Er war der Einflussreichere der beiden.

»Du bist dorthin gegangen, wo das meiste Geld und die größte Macht sein würden«, sagte Gavilar. »Wie eine gewöhnliche Hure. Schreib über mich, was du willst. Sage es doch, schreie es heraus, verkünde es ruhig. Ich werde deine Anklagen überdauern, und mein Vermächtnis wird Bestand haben. Ich habe den Zugang zum Reich der Götter und Legenden gefunden, und sobald ich mich zu ihnen gesellt habe, wird mein Reich niemals enden. Ich werde niemals enden.«

Er ging und zog die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich zu. Selbst noch im Streit beherrschte er die Lage.

Zitternd ertastete sich Navani den Weg zu einem Stuhl vor dem Schreibtisch, der fast vor Wutsprengseln überlief. Und vor Schamsprengseln, die sie wie weiße und rote Blütenblätter umflatterten.

Wut brachte sie zum Zittern. Wut auf ihn. Und auf sie selbst, weil sie sich nicht gewehrt hatte. Und auf die Welt, weil sie wusste, dass das, was er gesagt hatte, zumindest teilweise der Wahrheit entsprach.

Nein. Lass nicht zu, dass seine Lügen zu deiner Wahrheit werden. Kämpfe dagegen an. Sie biss die Zähne zusammen, öffnete wieder die Augen und stellte fest, dass sie in ihrem Schreibtisch nach Ölfarbe und Papier suchte.

Sie begann zu malen und wendete auf jede kalligrafische Linie die größte Sorgfalt an. Es war eine Frage des Stolzes, die sie dazu trieb, genau und sicher zu sein. Sie wollte sich ihm beweisen. Für gewöhnlich beruhigte sie das Malen – die Art, wie diese sauberen, geordneten Linien zu Worten wurden und wie sich Farbe und Papier zu einer Bedeutung wandelten.

Am Ende erhielt sie eine der feinsten Bannglyphen, die sie je geschaffen hatte. Sie bedeutete lediglich Tod. Geschenk. Tod. Sie hatte jede Glyphe in den Umrissen von Gavilars Wappen – Turm und Schwert – gemalt.

Das Gebet brannte heftig und hell in der Lampenflamme – und dabei wurde ihre Läuterung zu Scham. Was tat sie da? Betete sie um den Tod ihres Gemahls? Die Schamsprengsel kehrten in einem mächtigen Ausbruch zurück.

Wie war es so weit gekommen? Ihre Streitereien wurden schlimmer und schlimmer. Sie wusste, dass er nicht der Mann war, der er in letzter Zeit zu sein vorgab. Er war nicht so, wenn er mit Dalinar sprach, oder mit Sadeas, oder sogar mit Jasnah – meistens.

Gavilar war ein besserer Mensch. Sie vermutete, dass auch er das wusste. Morgen würde sie Blumen bekommen. Keine Entschuldigung zwar, aber ein Geschenk dazu – üblicherweise ein Armreif.

Ja, er wusste, dass er besser sein sollte. Aber … irgendwie brachte sie das Ungeheuer in ihm zum Vorschein. Und irgendwie rief er in ihr Schwäche hervor. Sie schlug mit der Schutzhand auf die Tischplatte und rieb sich mit der anderen Hand die Stirn.

Bei allen Stürmen! Es schien noch nicht sehr lange her zu sein, als sie zusammengesessen und sich über das Reich unterhalten hatten, das sie erschaffen wollten. Und jetzt konnten sie kaum mehr miteinander sprechen, ohne die Messer auszupacken – und sie mit einer Zielgenauigkeit, die aus langer gegenseitiger Vertrautheit herrührte, in die schmerzempfindlichsten Stellen zu rammen.

Mühsam riss sie sich zusammen, schminkte ihr Gesicht nach und richtete ihre Haare. Sie mochte einiges von dem sein, was er gesagt hatte, aber er war nichts als ein hinterwäldlerischer Schläger mit zu viel Glück und einem Händchen dafür, gute Männer in seine Gefolgschaft zu locken.

Wenn ein solcher Mann so tun konnte, als wäre er ein König, dann konnte sie auch so tun, als wäre sie eine Königin. Jedenfalls verfügten sie über ein Königreich.

Wenigstens einer von ihnen sollte versuchen, es auch zu führen.

Navani erfuhr von dem Attentat erst, als es schon erfolgt war.

Auf dem Fest waren sie das Idealbild eines vollkommenen Herrscherpaars gewesen, sie waren herzlich zueinander gewesen und hatten die Tischgesellschaft unterhalten. Dann war Gavilar aufgestanden und – sobald er eine Entschuldigung dafür hatte finden können – verschwunden. Wenigstens hatte er gewartet, bis die Mahlzeit vorbei war.

Navani hatte die Gäste verabschiedet. Sie hatte angedeutet, dass Gavilar niemanden absichtlich hatte brüskieren wollen. Er sei einfach nur erschöpft von seinen ausgedehnten Reisen. Ja, sie war sich sicher, dass er bald eine Audienz abhalten würde. Und sie würden gern zu Besuch kommen, sobald der nächste Sturm vorbei war …

Sie erzählte immer weiter, bis ihr jedes neue Lächeln das Gefühl gab, ihr Gesicht werde auseinanderbrechen. Daher war sie erleichtert, als ein Botenmädchen auf sie zugerannt kam. Sie entfernte sich sogleich von den Gästen, die schon im Aufbruch begriffen waren, und erwartete zu hören, dass eine teure Vase zerbrochen sei oder Dalinar an seinem Tisch schnarchte.

Doch stattdessen führte das Botenmädchen Navani zum Haushofmeister des Palastes, dessen Gesicht zu einer Maske der Trauer erstarrt war. Seine Augen waren gerötet, und mit zitternder Hand ergriff der alte Mann ihren Arm, als müsse er sich daran festhalten. Tränen rannen an seinem Gesicht herunter und verfingen sich in seinem schütteren Bart.

Als sie erkannte, wie erschüttert er war, begriff sie, dass sie den Mann kaum je mit einem bestimmten Namen verbunden oder ihn gar als eigenständige Person angesehen hatte. Meistens behandelte sie ihn wie ein festes Inventar des Palastes, so wie die Statuen an der Vorderseite. So wie Gavilar sie behandelte.

»Gereh«, sagte sie und nahm verlegen seine Hand. »Was ist passiert? Geht es dir gut? Haben wir dir zu viel Arbeit auferlegt, ohne …«

»Der König«, würgte der alte Mann hervor. »O Hellheit, sie haben unseren König in ihre Gewalt gebracht. Diese Parscher. Diese Barbaren. Diese … diese Ungeheuer.«

Sofort vermutete sie, dass Gavilar einen Weg gefunden hatte, aus dem Palast zu entkommen, und nun glaubte jedermann, er sei entführt worden. Dieser Mann …, dachte sie und stellte sich vor, wie er draußen in der Stadt mit seinen »ungewöhnlichen« Besuchern in einem dunklen Hinterzimmer Geheimnisse austauschte.

Gereh ergriff sie fester. »Hellheit, sie haben ihn getötet. König Gavilar ist tot.«

»Das ist unmöglich«, sagte sie. »Er ist der mächtigste Mann im Land, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Er ist von Splitterträgern umgeben. Du musst dich irren, Gereh. Er ist …«

Er ist so beständig wie die Stürme selbst. Aber natürlich stimmte das nicht – es war nur das, was die Menschen über ihn denken sollten. Ich werde nie enden … Wenn er so etwas gesagt hatte, war es schwer, ihm nicht zu glauben.

Sie musste den Leichnam mit eigenen Augen sehen, bevor die Wahrheit endlich in sie einsickerte und sie auskühlte wie ein Winterregen. Gavilar, zerschmettert und blutig, auf einem Tisch in der Speisekammer, während Wächter die entsetzte Dienerschaft des Hauses abwehrten, die nach Erklärungen fragte.

Navani stand vor ihm, aber obwohl sie das Blut in seinem Bart sah, den zerbrochenen Splitterpanzer und die klaffenden Wunden im Fleisch, und obwohl er nicht mehr atmete, fragte sie sich dennoch, ob das nicht bloß ein Streich war. Was da vor ihr auf dem Tisch lag, war eine Unmöglichkeit. Gavilar Kholin starb doch nicht einfach wie andere Männer.

Sie ließ sich den herabgestürzten Balkon zeigen, auf dem Gavilars Leiche gefunden worden war. Es hieß, Jasnah habe alles mit angesehen. Das für gewöhnlich so unerschütterliche Mädchen saß jetzt in der Ecke, hielt sich die zur Faust geballte Schutzhand vor den Mund und weinte.

Erst in diesem Augenblick erschienen allmählich Schocksprengsel um Navani herum; sie waren wie Dreiecke aus brechendem Licht. Erst jetzt glaubte sie es.

Gavilar Kholin war tot.

Sadeas zog Navani zur Seite und erläuterte ihr mit aufrichtiger Trauer die Rolle, die er innerhalb der Ereignisse gespielt hatte. Sie hörte ihm benommen zu und fühlte sich, als wäre sie ganz woanders. Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie die meisten Parschendi den Palast heimlich verlassen hatten – sie waren in die Dunkelheit geflohen, kurz bevor die grausame Tat verübt worden war. Ihre Anführer waren zurückgeblieben und hatten den Rückzug verschleiert.

Wie in Trance ging Navani zur Speisekammer zurück und begab sich zu der kalten Hülle Gavilar Kholins. Zu seiner abgestoßenen Hülse. Die Diener und Ärzte schienen Trauer von ihr zu erwarten. Tränen vielleicht. Natürlich erschienen Schmerzsprengsel zuhauf in dem Raum, und sogar ein paar seltene Qualsprengsel wuchsen wie Zähne aus den Wänden.

Sie fühlte etwas, das diesen Empfindungen zumindest ähnlich war. Kummer? Nein, nicht ganz. Aber Bedauern. Wenn er wirklich tot war, dann … dann war es das. Ihr letztes Gespräch miteinander war ein Streit gewesen. Es gab kein Zurück. Bisher hatte sie sich immer versichern können, dass sie sich wieder vertragen würden. Dass sie durch die Dornen jagen und einen Pfad finden würden, auf dem sie zu ihrem früheren Selbst zurückkehren konnten. Wenn nicht als Liebende, dann als Gleichgesinnte.

Aber jetzt würde es nie mehr dazu kommen. Es war vorbei. Er war tot, sie war eine Witwe, und … bei den Stürmen, sie hatte doch darum gebetet. Dieses Wissen versetzte ihr einen Stich. Sie musste hoffen, dass der Allmächtige ihren närrischen Bitten, die sie in einem Augenblick der Wut aufgeschrieben hatte, keine Aufmerksamkeit geschenkt haben möge. Obwohl ein Teil von ihr Gavilar hassen gelernt hatte, war es doch nicht ihr wirklicher Wille gewesen, ihn tot zu sehen. Oder?

Nein. Nein, so hätte es nicht enden dürfen. Und deshalb verspürte sie noch ein anderes Gefühl. Mitleid.

Gavilar Kholins Leichnam, der in seinem Blut auf dem Tisch lag, wirkte wie die tiefste Beleidigung seiner großen Pläne. Er hatte geglaubt, er sei unsterblich, nicht wahr? Er hatte geglaubt, eine großartige Vision verwirklichen zu können, die so wichtig war, dass er sie nicht mit Navani teilen wollte? Nun, der Vater der Stürme und die Mutter der Welt achteten nicht auf das Verlangen der Menschen, wie groß es auch sein mochte.

Was sie nicht fühlte, war Trauer. Sein Tod mochte bedeutungsvoll sein, aber für sie bedeutete er nichts. Doch vielleicht mussten ihre Kinder jetzt nicht erfahren, zu was für einem Menschen er geworden war.

Ich werde der bessere Mensch sein, Gavilar, dachte sie und schloss ihm die Augen. Ich werde vor der Welt so tun, als wärest du noch immer der gewesen, der du früher einmal warst. Ich werde dir dein Vermächtnis geben.

Dann hielt sie inne. Sein Splitterpanzer – also, der Panzer, den er trug – war um die Hüfte herum gebrochen. Sie steckte die Finger in seine Tasche und ertastete Schweinsleder. Sie holte den Beutel mit den Kugeln heraus, die er ihr vorhin gezeigt hatte. Aber er war leer.

Bei den Stürmen! Wo hatte er sie versteckt?

Jemand im Raum hustete, und plötzlich begriff sie, welchen Eindruck sie machen musste, als sie seine Taschen durchsuchte. Navani nahm die Kugeln aus ihren Haaren, legte sie in den Beutel und steckte diesen in seine Hand, bevor sie die Stirn gegen seine zerschmetterte Brust drückte. Nun würde es so aussehen, als gebe sie ihm seine Geschenke zurück, und es symbolisierte ihr Licht, das zu dem seinen wurde, als er starb.

Mit seinem Blut auf ihrem Gesicht richtete sie sich auf und tat so, als würde sie sich zusammenreißen. Als sie in den nächsten Stunden das Chaos einer Stadt, die auf dem Kopf stand, zu organisieren versuchte, befürchtete sie, sich nun endgültig den Ruf der Gefühllosigkeit zu erwerben. Doch sie stellte fest, dass die Menschen ihre Standhaftigkeit eher als tröstend empfanden.

Der König war gestorben, aber das Königreich lebte weiter. Gavilar hatte das Leben so verlassen, wie er es gelebt hatte: mit einer großen Dramatik, die von Navani verlangte, dass sie hinter ihm die Trümmer einsammelte.

Zuerst muss das Sprengsel dazu gebracht werden, sich zu nähern.

Dafür ist die Art des Edelsteins wichtig, denn manche Sprengsel werden von bestimmten Edelsteinen stärker angezogen als von anderen. Überdies ist es unerlässlich, das Sprengsel mit etwas zu beruhigen, das es kennt und liebt. So ist zum Beispiel ein gutes Feuer ein Muss für ein Flammensprengsel.

Vortrag über Fabrialmechanik von Navani Kholin vor der Koalition der Monarchen, Urithiru, Jesevan 1175

Lirin war erstaunt, wie ruhig er war, als er den Gaumen des Kindes nach Skorbut absuchte. Die langen Jahre der Ausbildung zum Arzt kamen ihm heute zugute. Die Atemübungen, die er für gewöhnlich machte, um seine Hände ruhig zu halten, waren nicht nur in der Spionage, sondern auch in der ärztlichen Kunst hilfreich.

»Hier«, sagte er zu der Mutter des Kindes und zog eine kleine gravierte Schale aus seiner Hosentasche. »Zeig sie der Frau im Speisepavillon. Sie wird Saft für deinen Sohn holen. Sorg dafür, dass er ihn trinkt, und zwar jeden Morgen.«

»Vielen Dank«, sagte die Frau mit starkem herdazianischen Akzent. Sie zog ihren Sohn an sich und sah Lirin mit ruhelosen Augen an. »Wenn … wenn Kind … gefunden …«

»Ich werde dafür sorgen, dass du sofort benachrichtigt wirst, sobald wir etwas von deinen anderen Kindern gehört haben«, versprach Lirin. »Es tut mir leid … wegen deines Verlusts.«

Sie nickte, wischte sich über die Wangen und trug das Kind zum Wachtposten außerhalb des Ortes. Hier hoben einige bewaffnete Parscher ihre Kapuze an und verglichen ihr Gesicht mit den Zeichnungen, die ihnen von den Verschmolzenen zugeschickt worden waren. Hesina, Lirins Frau, stand daneben und las die Beschreibungen vor, so wie es ihre Pflicht war.

Hinter ihnen verdeckte der Morgennebel Herdstein. Es wirkte wie eine Ansammlung dunkler, schattenhafter Klumpen. Wie Tumore. Lirin erkannte kaum die Planen zwischen den Gebäuden, die nur wenig Schutz für die vielen Flüchtlinge boten, die von Herdaz herbeiströmten. Ganze Straßen waren abgesperrt worden, und Phantomgeräusche – das Klirren von Tellern, das Reden von Menschen – trieben durch den Nebel.

Diese Verschläge würden natürlich niemals einen Sturm überstehen, aber sie konnten schnell abgebaut und weggepackt werden. Es gab einfach nicht genug Häuser. Die Menschen konnten sich zwar für ein paar Stunden in den Sturmbunkern zusammendrängen, aber sie konnten nicht darin leben. Er drehte sich um und warf einen Blick auf die Reihe derer, die heute auf Einlass warteten. Sie verlor sich im Nebel und wurde von insektenartigen Hungersprengseln und Erschöpfungssprengseln gesäumt, die wie Staubfahnen wirbelten. Bei den Stürmen! Wie viele Menschen vermochte dieser Ort wohl noch aufzunehmen? Die Städte, die näher an der Grenze lagen, mussten schon übervoll sein, wenn sich so viele auf den langen Weg ins Landesinnere machten.

Seit dem Heraufziehen des Ewigsturms und dem Untergang Alethkars war schon mehr als ein Jahr vergangen. Ein ganzes Jahr, in dem das Land Herdaz – Alethkars kleinerer Nachbar im Nordwesten – irgendwie weitergekämpft hatte.

Vor zwei Monaten hatte sich der Feind endlich entschieden, das Königreich ein für alle Mal zu zerstören. Kurz darauf hatte sich die Zahl der Flüchtlinge vervielfacht. Wie üblich hatten die Soldaten gekämpft, während das gewöhnliche Volk hungerte, weil die Felder zertrampelt worden waren, und schließlich aus seinen Behausungen vertrieben wurde.

Herdstein tat, was es konnte. Aric und die anderen Männer – früher einmal waren sie Wachen in Roschones Herrenhaus gewesen, nun hatte man ihnen alle Waffen verboten – hielten die Reihe im Zaum und verhinderten, dass sich jemand in den Ort stehlen konnte, bevor Lirin ihn begutachtet hatte. Er hatte Hellheit Abiajan davon überzeugt, dass es unerlässlich war, jeden Flüchtling zu untersuchen. Sie fürchtete sich vor einer Seuche, während er nur jeden abfangen wollte, der eine Behandlung brauchte.

Aufmerksam schritten ihre Soldaten die Reihe ab. Parscher, die Schwerter trugen. Die das Lesen erlernten und darauf bestanden, Sänger genannt zu werden. Selbst ein Jahr nach ihrer Erweckung kam Lirin all das noch sehr seltsam vor. Aber was ging es ihn an? In gewisser Weise hatte sich nur wenig verändert. Die gleichen alten Konflikte verzehrten die Parscher genauso schnell, wie sie die Hellherren der Alethi verzehrt hatten. Wer einmal die Macht geschmeckt hatte, wollte mehr von ihr haben und suchte sie schließlich mit dem Schwert. Gewöhnliche Leute bluteten, und Lirin musste versuchen, sie wieder zusammenzuflicken.

Lirin kehrte zu seiner Arbeit zurück. Heute musste er noch mindestens hundert weitere Geflüchtete untersuchen. Und irgendwo zwischen den Wartenden versteckte sich der Mann, der in gewisser Weise der Urheber all dieses Leidens war. Er war der Grund, warum Lirin heute so nervös war.

Der Nächste in der Reihe war jedoch nicht dieser Mann, sondern ein zerlumpter Alethi, der in einer Schlacht einen Arm verloren hatte. Lirin untersuchte die Wunde des Flüchtlings, aber sie war schon einige Monate alt, und Lirin konnte nichts mehr gegen die heftige Narbenbildung tun.

Lirin hielt den Finger hoch, schwenkte ihn vor dem Gesicht des Mannes hin und her und beobachtete, wie seine Augen der Bewegung folgten. Schock, dachte Lirin. »Hast du neuere Wunden erlitten, von denen du mir noch nichts gesagt hast?«

»Keine Wunden«, flüsterte der Mann. »Aber Briganten … sie haben meine Frau mitgenommen, guter Arzt. Haben sie mitgenommen … und mich an einen Baum gebunden. Und sind einfach lachend davongegangen …«

Ärgerlich! Ein geistiger Schock war nichts, was Lirin mit einem Skalpell herausschneiden konnte. »Sobald du den Ort betreten hast«, sagte er, »halte Ausschau nach Zelt vierzehn. Sag den Frauen, dass ich dich geschickt habe.«

Benommen nickte der Mann, sein Blick war leer. Hatte er die Worte überhaupt verstanden? Lirin prägte sich die Züge des Mannes ein – ergrauendes Haar mit einer Locke im Nacken, drei große Muttermale auf der oberen linken Wange und natürlich der fehlende Arm – und nahm sich vor, heute Abend in Zelt vierzehn nach ihm zu sehen. Dort befanden sich Gehilfen von ihm, die alle möglicherweise selbstmordgefährdeten Flüchtlinge im Auge behielten. Mehr konnte er nicht tun, da er sich um so viele zu kümmern hatte.

»Setz dich in Bewegung«, sagte Lirin und schob ihn sanft in Richtung des Ortes. »Zelt vierzehn. Nicht vergessen. Dein Verlust tut mir leid.«

Der Mann ging los.

»Du sagst das so leichthin, Arzt«, bemerkte eine Stimme hinter Lirin.

Überrascht wirbelte Lirin herum und verneigte sich sofort ehrerbietig. Abiajan, die neue Herrin der kleinen Stadt, war eine Parscherin mit grellweißer Haut und feiner roter Marmorierung in den Wangen.

»Hellheit«, sagte Lirin, »was meint Ihr damit?«

»Du hast doch zu dem Mann gesagt, dass dir sein Verlust leidtue«, erklärte Abiajan. »Du sagst das so leichthin zu ihnen allen – dabei scheinst du aber das Mitgefühl eines Steins zu haben. Empfindest du denn nichts für diese Leute?«

»Ich empfinde durchaus etwas, Hellheit«, sagte Lirin, »aber ich muss aufpassen, dass mich ihr Schmerz nicht überwältigt. Das ist eine der ersten Regeln, die jeder angehende Arzt lernt.«

»Seltsam.« Die Parscherin hob ihre Schutzhand, die vom Ärmel ihrer Havah verdeckt wurde. »Erinnerst du dich daran, wie du mir den Arm geschient hast, als ich noch ein Kind war?«

»Ja.« Abiajan war mit einem neuen Namen und einem neuen Auftrag von den Verschmolzenen zurückgekehrt, nachdem sie mit den anderen im Anschluss an den Ewigsturm geflohen war. Sie hatte viele weitere Parscher mitgebracht, alle aus dieser Region, aber niemanden aus Herdstein selbst. Nur Abiajan kam von hier. Sie sprach nicht über das, was sie in den Monaten seit ihrer Flucht erlebt hatte.

»Es ist eine so seltsame Erinnerung«, sagte sie. »Jenes Leben erscheint mir nun wie ein Traum. Ich erinnere mich an Schmerz. An Verwirrung. An eine ernste und strenge Gestalt, die mir noch mehr Schmerz brachte – auch wenn ich jetzt erkenne, dass du mich nur heilen wolltest. So viele Mühen für ein Sklavenkind.«

»Es ist mir immer gleichgültig gewesen, wen ich heile, Hellheit, sei er nun Sklave oder König.«

»Gewiss hatte der Umstand, dass Wistiow gutes Geld für mich bezahlt hatte, nichts damit zu tun.« Sie sah Lirin mit zusammengekniffenen Augen an, und als sie weiterredete, lag ein Rhythmus in ihren Worten, als spräche sie diese zu einem Lied aus. »Hast du etwas für mich gefühlt, für das arme, verwirrte Sklavenkind, dessen Geist ihm gestohlen worden war? Hast du um uns geweint, mein Arzt, und um das Leben, das wir geführt haben?«

»Ein Arzt darf nicht weinen«, sagte Lirin leise. »Ein Arzt kann es sich nicht leisten zu weinen.«

»Wie ein Stein«, sagte sie erneut, dann schüttelte sie den Kopf. »Hast du Seuchensprengsel unter den Flüchtlingen bemerkt? Wenn diese Sprengsel in die Stadt gelangen, könnte das alle Einwohner töten.«

»Krankheiten werden nicht von Sprengseln verursacht«, sagte Lirin. »Sie verbreiten sich durch verunreinigtes Wasser, unsachgemäße Sanitäreinrichtungen und manchmal sogar durch den Atem der Kranken.«

»Aberglaube«, sagte sie.