Der Ruf der Rache - Mary E. Pearson - E-Book
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Der Ruf der Rache E-Book

Mary E. Pearson

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Beschreibung

Endlich müssen sich Kazi und Jase nicht mehr verstecken. Sie fühlen sich stärker als jemals zuvor, bereit für ein neues Leben. Doch auf dem Weg nach Hause geraten sie in einen Hinterhalt und werden auseinandergerissen. Während sie nicht wissen, ob der andere noch lebt, müssen sie kluge Entscheidungen treffen: Wer ist Feind, wer Verbündeter? Vom Tod bedroht, setzen sie alles daran, ihre Freiheit zurückzuerlangen - um endlich ihre Liebe leben zu können.

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Seitenzahl: 711

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Greyson Ballenger

Kapitel 1 – Kazimyrah aus Hellnebel

Kapitel 2 – Kazi

Kapitel 3 – Jase

Kapitel 4 – Kazi

Jezelias Lied

Kapitel 5 – Jase

Kapitel 6 – Kazi

Kapitel 7 – Jase

Vendas Lied

Kapitel 8 – Kazi

Kapitel 9 – Kazi

Razim

Kapitel 10 – Kazi

Kapitel 11 – Kazi

Kapitel 12 – Kazi

Kapitel 13 – Jase

Greyson Ballenger

Kapitel 14 – Kazi

Kapitel 15 – Jase

Kapitel 16 – Kazi

Greyson Ballenger

Kapitel 17 – Jase

Kapitel 18 – Kazi

Miandre

Kapitel 19 – Jase

Kapitel 20 – Kazi

Kapitel 21 – Jase

Greyson Ballenger

Kapitel 22 – Kazi

Buch des Heiligen Textes von Morrighan

Kapitel 23 – Jase

Kapitel 24 – Kazi

Kapitel 25 – Jase

Greyson Ballenger

Kapitel 26 – Kazi

Kapitel 27 – Jase

Theo

Kapitel 28 – Kazi

Kapitel 29 – Jase

Kapitel 30 – Kazi

Kapitel 31 – Jase

Kapitel 32 – Kazi

Kapitel 33 – Kazi

Kapitel 34 – Kazi

Kapitel 35 – Jase

Miandre

Kapitel 36 – Kazi

Kapitel 37 – Jase

Kapitel 38 – Kazi

Kapitel 39 – Jase

Kapitel 40 – Kazi

Kapitel 41 – Jase

Kapitel 42 – Kazi

Kapitel 43 – Jase

Kapitel 44 – Kazi

Kapitel 45 – Jase

Greyson Ballenger

Kapitel 46 – Kazi

Kapitel 47 – Jase

Kapitel 48 – Kazi

Kapitel 49 – Jase

Kapitel 50 – Kazi

Kapitel 51 – Jase

Kapitel 52 – Kazi

Kapitel 53 – Jase

Kapitel 54 – Jase

Kapitel 55 – Kazi

Miandre

Kapitel 56 – Jase

Kapitel 57 – Kazi

Kapitel 58 – Jase

Miandre

Kapitel 59 – Kazi

Kapitel 60 – Jase

Kapitel 61 – Kazi

Kapitel 62 – Jase

Kapitel 63 – Kazi

Kapitel 64 – Kazi

Kapitel 65 – Kazi

Greyson Ballenger

Kapitel 66 – Jase

Kapitel 67 – Kazi

Kapitel 68

Danksagung

Über das Buch

Endlich müssen sich Kazi und Jase nicht mehr verstecken. Sie fühlen sich stärker als jemals zuvor, bereit für ein neues Leben. Doch auf dem Weg nach Hause geraten sie in einen Hinterhalt und werden auseinandergerissen. Während sie nicht wissen, ob der andere noch lebt, müssen sie kluge Entscheidungen treffen: Wer ist Feind, wer Verbündeter? Vom Tod bedroht, setzen sie alles daran, ihre Freiheit zurückzuerlangen – um endlich ihre Liebe leben zu können.

Über die Autorin

MARY E. PEARSON ist die Autorin verschiedener Jugendbücher. Im ONE-Verlag sind ihre Chroniken der Verbliebenen ein großer Erfolg, mit denen sie sich weltweit in die Herzen der Fans geschrieben hat. Auch Die Chroniken der Hoffnung erscheinen bei ONE. Der Ruf der Rache ist der Abschlussband der Dilogie. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden in Kalifornien.

MARY E. PEARSON

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Michael Krug

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der englischsprachigen Originalausgabe:»Vow of Thieves«

Für die Originalausgabe:Copyright © 2019 by Mary E. PearsonPublished by arrangement with Mary E. Pearson

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, KölnLektorat: Julia Przeplaska, BeilngriesUmschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven von © John Harrison/Arcangel, © Sandra Cunningham/ArcangelE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-8578-6

www.luebbe.dewww.lesejury.de

Für Dennis und die feierlichen Versprechen, die du gegeben und eingehalten hast

Die Jüngsten stellen mir Fragen.

Sie wollen etwas über die Welt davor wissen.

Ich bin der Älteste. Ich sollte darüber Bescheid wissen.

Bist du geflogen, Greyson? Am Himmel wie ein Vogel?

Ja. Mit meinem Großvater.

Wie?

Ich war mir nicht sicher. Damals war ich erst fünf, aber ich erinnere mich daran, nach unten geschaut und beobachtet zu haben, wie der Boden verschwand. Mein Großvater hat geweint, während er mich in den Armen hielt.

Später habe ich ihn nie wieder weinen gesehen.

Nachdem der erste Stern gefallen war, folgten sechs weitere.

Danach blieb keine Zeit mehr zum Weinen oder dafür, Dinge wie das Fliegen zu erklären.

Nur noch Zeit zum Wegrennen.

Tai und Uella krabbeln auf meinen Schoß.

Bringst du uns bei, wie man fliegt?

Nein. Ich bringe euch andere Dinge bei.

Dinge, durch die ihr am Leben bleiben werdet.

Greyson Ballenger, 15

Kazimyrah aus Hellnebel

EIN STAUBIGER LICHTSTRAHL kämpfte sich durch den Stein, und ich beugte mich ihm in der Hoffnung entgegen, ihm ein wenig Wärme zu stehlen. Ich war eine Diebin. Es hätte einfach sein sollen, doch irgendwie entzog sich mir die Wärme. Wie lange war ich schon hier? Fünf Tage? Einen Monat? Elf Jahre? Ich rief nach meiner Mutter, bevor ich mich erinnerte. Das war vor einer Ewigkeit. Sie ist nicht mehr da.

Der schmale Strahl erschien immer erst nach langen Zeiten der Dunkelheit. Vielleicht einmal am Tag? Ich war mir nicht sicher. Und selbst dann hielt er sich nie lange, schlängelte sich stets wie ein neugieriges Augenpaar herein, das nur einen flüchtigen Blick erhaschen wollte. Was haben wir denn hier? Im Augenblick zeigte er auf meinen Bauch. Mein Hemd war steif vor getrocknetem Blut. Du meine Güte, das sieht nicht gut aus. Solltest du nicht etwas unternehmen? War das ein Lachen, das ich hörte, als der Strahl verblasste? Oder handelte es sich um einen Quartierlord, der mich verhöhnte?

Tot war ich noch nicht, daher konnte die in meinen Bauch gerammte Klinge nichts Lebensnotwendiges getroffen haben. Aber die Wunde nässte gelblich, und meine Stirn fühlte sich fiebrig an. Der Dreck in der Zelle sickerte in mich hinein, meine Träume sickerten aus mir heraus.

In einer finsteren, unsichtbaren Ecke raschelten Ratten. Sie hatte Synové nicht erwähnt.

Ich dachte daran zurück, wie sie mir von ihrem Traum erzählt hatte. Ich habe dich in einer Gefängniszelle angekettet gesehen … Du warst blutüberströmt. Ich erinnerte mich an ihren besorgten Blick. Ich erinnerte mich daran, ihre Befürchtungen kurzerhand abgetan zu haben. Manchmal sind Träume einfach nur Träume.

Und manchmal waren Träume so viel mehr.

Wo ist Jase?

Als ich ein Klappern hörte, schaute ich auf. Ich hatte einen Besucher. Er stand in der Ecke und musterte mich.

»Du«, sagte ich. Meine Stimme hörte sich fremd in meinen Ohren an, schwach und brüchig. »Du bist meinetwegen hier. Ich habe dich erwartet.«

Er schüttelte den Kopf. Noch nicht. Nicht heute. Tut mir leid.

Und damit verschwand er.

Als ich zurück auf den Boden sank, klirrten die Ketten an den Kopfsteinen, und ich rollte mich im Versuch ein, die Schmerzen in meinen Eingeweiden zu lindern.

Tut mir leid.

Eine Entschuldigung vom Tod?

Nun wusste ich Bescheid. Mir stand Schlimmeres bevor, als zu sterben.

Kazi

Zwei Wochen zuvor

JASE TRAT NACKT wie eine geschälte Apfelsine durch die Tür.

Ich ließ den Anblick auf mich wirken, als er den Raum durchquerte und seine Hose vom Boden aufhob. Als er begann, sie anzuziehen, bemerkte er, dass ich ihn beobachtete, und er hielt inne. »Ich kann noch ein bisschen so bleiben, falls du die Situation ausnutzen möchtest.«

Vielsagend zog ich eine Augenbraue hoch. »Ich finde, das habe ich heute Morgen schon hinlänglich getan. Zieh dich an, Patrei. Wir haben heute einen weiten Weg zurückzulegen.«

Er setzte eine geknickte Miene auf. »Wie du willst.«

Ich wusste, dass er genauso bereit war aufzubrechen. Wir waren gut vorangekommen, doch durch die Reise nach Marabella und nun den Marsch zurück waren wir über zwei Monate nicht mehr in Torsfeste gewesen. Als er sein Hemd anzog, dampfte seine Haut noch in der kühlen, frischen Luft. Die auf seine Brust tätowierte Adlerschwinge glänzte im lichten Nebel. Zu unserer Unterkunft gehörte eine heiße Quelle. Darin hatten wir uns eingeweicht und uns den Dreck der vielen Reisemeilen von der Haut gewaschen, bereits gestern Nacht und noch einmal an diesem Morgen. Ein Luxus, den wir beide ungern zurückließen.

Während sich Jase zu Ende anzog, ging ich zum Fenster. Mittlerweile lag das Herrenhaus größtenteils in Trümmern, aber man konnte noch Anzeichen seiner einstigen Pracht erkennen. In versteckten Winkeln zeichneten sich blau geäderte Marmorböden ab, die sich einen Teil ihres Glanzes bewahrt hatten. Einige hochaufragende Säulen standen noch. An einer Zimmerdecke waren Reste einer Malerei verblieben – Wolkenteile, das Auge eines Pferds und eine wunderschön dargestellte, aber körperlose Hand zierten den brüchigen Verputz. War dies das Zuhause eines herrschenden Altvorderen gewesen? Das von Aaron Ballenger höchstpersönlich? Vergangener Überfluss flüsterte an diesem Ort wie ein sterbender Schwan.

Das umliegende Gelände war übersät von verfallenen Nebengebäuden, die sich meilenweit zu erstrecken schienen. Sie hatten den Verwüstungen herabfallender Sternschnuppen und der Zeit nicht standgehalten. Mittlerweile zogen Wälder sie mit ihren smaragdgrünen Fingern zurück in die Erde. Sogar das Herrenhaus selbst, das hoch droben auf einem Felsvorsprung stand, wies einen blätterigen Kopfschmuck aus Bäumen und Ranken auf. Aber irgendwann vor langer Zeit musste es wunderschön und majestätisch gewesen sein. Wer auch immer einst durch diese Hallen gewandelt war, dachte wahrscheinlich, der Ort würde für immer perfekt bleiben.

Vor unserem Aufbruch aus Marabella hatte Sven, die rechte Hand des Königs, eine Route durch den Norden für uns zusammengestellt, die parallel zu Infernaterr verlief. Die Karte enthielt mehrere Unterschlupfe und sogar einige andere heiße Quellen. Es war ein etwas weiterer Weg, dafür würde die Strecke weniger anfällig für die Witterung sein. Wir steuerten in die Jahreszeit der Stürme hinein, und Infernaterr strahlte dauerhaft Wärme ab. In den vergangenen drei Wochen waren wir schnell und weit gereist, und wenn wir die Geschwindigkeit hielten, würden wir Torsfeste in wenigen Tagen erreichen. Je näher wir der Heimat kamen, desto deutlicher hörte ich Aufregung aus Jase’ Stimme heraus. Er freute sich überschwänglich auf die Veränderungen, die wir vornehmen würden.

Wir hatten einen Plan. Er hatte Dinge zu erledigen, ich hatte Dinge zu erledigen. Und manche Dinge würden wir zusammen erledigen. Obwohl mich einige Ängste wegen unserer Rückkehr plagten, war auch ich beinah überschwänglich. Letztlich konnte ich mir eingestehen, dass ich Höllenrachen liebte. Die Stadt vibrierte immer noch so in meinem Blut wie an dem Tag, als ich zum ersten Mal hineingeritten war. Nur würde ich diesmal kein Eindringling auf der Suche nach Ärger sein. Der Ärger würde unmittelbar neben mir reiten, und ich würde ein Teil von allem sein und Torsfeste dabei helfen, mehr zu werden.

Während unserer ersten Woche unterwegs hatten wir nur darüber geredet, neue Grenzen für dieses winzige neue Königreich zu ziehen und die Handelsregeln zu überarbeiten. Etwaige Hoffnungen, die sich irgendjemand machte, die Arena und Höllenrachen zu übernehmen, würden im Keim erstickt werden – vor allem, sobald bekannt würde, dass Torsfestes Souveränität formell von den Verbündeten Königreichen anerkannt werden sollte. Torsfeste würde zum dreizehnten Königreich werden. Oder zum ersten. Ich lächelte, als ich daran zurückdachte, wie Jase im Angesicht der Großzügigkeit der Königin dreist darauf bestanden hatte, zum ersten Königreich ernannt zu werden.

Meine Rolle als Vermittlerin stellte nicht bloß ein Ehrenamt dar. Ich war immer noch eine Rahtan, und am wichtigsten: Ich stand immer noch in den Diensten der Königin. Sie hatte mir die Verantwortung übertragen, für einen reibungslosen Machtübergang zu sorgen. Außerdem glaubte sie, die Gegenwart einer Vertreterin eines bedeutenden Königreichs würde Nachdruck verleihen und Stabilität beisteuern, wenn sich der Wandel vollzog. Und sie hatte mich gewarnt, dass Widerstand aus unerwarteten Winkeln und Nischen kommen könnte.

Sie hatte mich mit einer zusätzlichen Mission betraut – der mein vorrangiges Augenmerk gelten sollte, sobald ich mein Ziel erreichte. Ich hatte ihr von den letzten, schuldbewussten Worten des jüngsten Gelehrter berichtet: Tut mir so leid. Vernichten … Wenngleich wir alle glaubten, sämtliche Dokumente wären verbrannt, verblieben Sandkörnchen von Zweifeln, aus denen Berge von Besorgnis erwuchsen.

Stell diese Dokumente sicher, Kazimyrah, und wenn du sie nicht gefahrlos zu mir schicken kannst, dann vernichte sie. Wir haben keine Ahnung, mit welchem Wissen die Gelehrten nach dem Fall des Komizars entkommen sind oder was sie seither entwickelt haben. Wir wollen nicht, dass diese Unterlagen in die falschen Hände geraten, wenn dadurch auch nur die geringste Gefahr einer Wiederholung des Blutvergießens besteht – oder von Schlimmerem.

Die Gefahr von Schlimmerem.

Nur eines konnte schlimmer sein als die große Schlacht. Die Tage der Zerstörung.

Nur eine Handvoll hatte damals überlebt, und die Welt war noch immer von den Narben aus jener Zeit gezeichnet. Ich hatte der Königin fest versprochen, dass ich mich darum gleich als Erstes kümmern würde.

Außerdem hatte sie mich gebeten, ihr das eine oder andere Geschichtsbuch zu schicken, falls man welche erübrigen könnte. Ich möchte gern mehr über dieses Land lesen. Greyson Ballenger war ein tapferer Anführer. So überaus jung und doch so fest entschlossen, seine Mündel vor Plünderern zu beschützen. Es ist nicht immer eine Armee nötig, um die Welt zu retten. Manchmal genügt ein einziger Mensch, der das Böse nicht gewinnen lässt. Helden wie Greyson und diese zweiundzwanzig Kinder inspirieren mich.

Die Königin – inspiriert. Ihr schien gar nicht bewusst zu sein, dass sie selbst den Großteil des Kontinents inspirierte. Jedenfalls inspirierte sie mich. Sie brachte mich dazu, mich selbst mit anderen Augen zu betrachten. Denn sie hatte in mir jemanden gesehen, den es zu retten lohnte, trotz meiner Lumpen und meiner Vergangenheit. Sie spornte mich dazu an, mehr als das zu sein, was andere in mir sahen. Ich wagte zu glauben, ich könnte etwas bewirken, weil die Königin es zuerst geglaubt hatte. Sogar, als unsere gesamte Mannschaft wegen mir im Kerker gelandet war, hatte sie mich nicht aufgegeben.

Und mittlerweile wusste ich voll Stolz, dass sie auf mich zählte.

Ich stellte mir vor, dass Gunner die geheimnisvollen Dokumente inzwischen gefunden und versuchen haben würde, ihre Geheimnisse zu entschlüsseln. Doch unabhängig davon, was sie enthielten, Gunner würde sie mir aushändigen müssen, ganz gleich, wie laut er dagegen protestierte. Torsfeste würde die Anerkennung der Verbündeten Königreiche verwirken, wenn sich die Ballengers dem nicht fügten. Abgesehen davon hatte ich eigene Mittel und Wege, ihn dazu zu bringen. Nichts würde sich mir dabei in den Weg stellen, das Versprechen zu erfüllen, das ich der Königin gegeben hatte. Und nichts würde sich Torsfeste dabei in den Weg stellen, ein anerkanntes Königreich zu werden. Das war nicht nur Jase’ Traum, sondern auch meiner. Und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass man die Dokumente vorerst auf die lange Bank geschoben hatte, weil Gunner mit anderen Dingen beschäftigt war, beispielsweise mit den Vorbereitungen für Jase’ Rückkehr.

Jase hatte eine Botschaft an Gunner geschickt, in der er ihn wissen ließ, dass er auf dem Weg nach Hause sei und gute Neuigkeiten zu verkünden habe. Mehr hatte er nicht durchblicken lassen. So voller Tatendrang Jase bei der Aussicht darauf war, dass Torsfeste endlich ein anerkanntes Königreich werden sollte, er wollte alles persönlich erklären. Und Gunner sollte nicht überstürzt vor allen möglichen Leuten Dinge herausposaunen, die Jase – und die Königin – noch nicht preisgeben wollten. Ebenso wenig hatte Jase erwähnt, dass ich ihn begleiten würde. Auch das würde einer persönlichen Erklärung bedürfen, umfangreicher als das, was eine kurze Nachricht zu vermitteln vermochte. Aber wenigstens wusste Jase’ Familie, dass es ihm gutging und er sich auf dem Weg nach Hause befand.

Die per Valsprey versandte Nachricht würde die Ballengers über dieselbe verschlungene Schwarzmarktroute erreichen wie all ihre Botschaften – indem sie zuerst beim Valsprey-Falkner im Nachrichtenamt von Parsuss ankam, wo die Ballengers insgeheim jemanden schmierten. Bei dieser Enthüllung hatte die Königin missbilligend die Augenbrauen hochgezogen, und Jase hatte versprochen, dass auch diese kleine Verfehlung behoben werden würde. Natürlich würde es für ein neues Königreich, das schon bald eigene ausgebildete Valspreys erhalten sollte, nicht mehr nötig sein, die Vögel anderer Quellen anzuzapfen. Der König meinte, der Falkner samt Valspreys müsste innerhalb weniger Monate nach unserer Ankunft in Torsfeste Einzug halten.

Ich hörte das Schaben von Sohlen über den kiesigen Marmorboden hinter mir, dann spürte ich Jase’ Körper im Rücken. Er strahlte immer noch Wärme ab, und als er näher trat, legte er mir die Hände auf die Schultern.

»Was siehst du dir an?«, fragte er.

»Die perfekte Schönheit. Verlorenes. Uns.«

»Uns?«

»Die vergangenen Wochen waren …«

Ich wusste nicht, wie ich den Satz beenden sollte. Sehr wohl jedoch wusste ich, dass diese gemeinsam verbrachten Tage etwas bargen, das ich nicht verlieren wollte, etwas, das rein war, beinah heilig. Es hatte keine äußeren Einflüsse gegeben, die sich zwischen uns schieben konnten. Ich fürchtete, das könnte sich vielleicht ändern.

»Ich weiß, Kazi. Niemand weiß es besser als ich.« Er strich mir das Haar beiseite und küsste mich auf den Hals. »Aber das ist kein Ende. Es ist erst der Anfang. Das verspreche ich dir. Nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, kann uns nichts mehr auseinanderreißen. Ich fürchte, du hast mich dauerhaft an der Backe.«

Ich schloss die Augen, atmete ein und ließ seine Berührung, seinen Geruch und jedes seiner Worte auf mich wirken. Das verspreche ich dir.

Die Dinge zwischen uns hatten sich auf eine Weise verändert, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Erst jetzt verstand ich die schier unerträgliche Last von Geheimnissen. Man nahm das wahre Ausmaß der Bürde gar nicht wahr, bis sie einem von den Schultern gehoben wurde. Die vergangenen Wochen hatten wir uns an der geradezu berauschenden Leichtigkeit der Wahrheit erfreut.

Wir teilten uns uneingeschränkt alles mit, stolperten nicht mehr über unsere Worte. So viel ich über Jase zu wissen geglaubt hatte, ich hatte so viel mehr über ihn erfahren – all die alltäglichen Kleinigkeiten, die ihn zu dem Menschen geformt hatten, der er war, von banal bis hin zu qualvoll. Ich fand mehr über seine verletzlicheren Seiten heraus, über seine Sorgen, während sein Vater im Sterben gelegen hatte, und über die neue Verantwortung, die ihm vor so kurzer Zeit zugefallen war. Er hatte gedacht, es würde noch Jahre dauern, bis er die Bürde des Daseins als Patrei schultern müsste. So jedoch lasteten bereits im Alter von neunzehn Jahren sämtliche Entscheidungen plötzlich auf ihm.

Er vertraute mir auch ein Geheimnis an, in das er noch nie zuvor jemanden eingeweiht hatte. Über seine Schwester Sylvey und ihre letzte Bitte an ihn. Und über seine Schuldgefühle, weil er sie ihr abgeschlagen hatte. Er hatte sich nämlich geweigert zu glauben, was Sylvey bereits wusste – dass sie sterben würde. Die Erinnerung daran empfand Jase sogar nach vier Jahren immer noch als offene Wunde, und seine Stimme war brüchig geworden, als er es mir erzählt hatte. Das verhalf mir zu einem besseren Verständnis meiner selbst – die unmöglichen Entscheidungen, zu denen wir in flüchtigen Augenblicken gezwungen werden. Das Bedauern, das wir tief in uns vergraben mit uns herumschleppen. Alles, was wir anders machen würden, wenn wir nur eine weitere Gelegenheit dazu bekämen – wenn wir die Zeit zurückspulen könnten wie Garn von einer Rolle, um es zu etwas anderem zu verweben. Lauf los, Kazi. Nimm den Stock. Ramm ihn in seinen Schritt, brich ihm die Nase, zerquetsch ihm die Luftröhre. Warum hatte ich es nicht getan? Eine einzige andere Entscheidung hätte vielleicht alles verändert. Aber die Anweisungen meiner Mutter waren eindeutig gewesen. Beweg dich nicht. Bleib still.

Bei Jase verhielt es sich umgekehrt – er hatte eben nicht auf seine Schwester gehört. Der letzte Blick aus Sylveys wässrigen Augen, bevor sie die Lider für immer geschlossen hatte, suchte ihn nach wie vor heim. Er zögerte, bevor er mit seinem vielleicht dunkelsten Geheimnis überhaupt herausrückte – nämlich, dass er ihre sterblichen Überreste aus der Grabstätte gestohlen und am Fuß von Bredas Tränen in den Morobergen begraben hatte. In Höllenrachen, eigentlich in ganz Eislandia galt es als Sakrileg, ein Grab zu entweihen – ein Verbrechen, das sogar mit dem Tod bestraft werden konnte. Nicht einmal seine Familie wusste, was er getan hatte. Ich versuchte, mir die Qualen vorzustellen, die er durchgemacht haben musste, während er allein mit ihrem verhüllten Leichnam über dem Sattel einen düsteren Gebirgspfad entlangritt.

Andere Wahrheiten erwiesen sich als schwieriger preiszugeben – sie tauchten in Schichten auf. Manche lagen so tief verschüttet, dass wir sie nur als vagen Schmerz wahrnahmen, den wir zu ignorieren gelernt hatten. Wir halfen uns gegenseitig, auch diese Wahrheiten zu finden. Wie hast du überlebt, Kazi? Allein? Damit meinte er nicht bloß, wie ich mich ernährt oder mir Kleidung besorgt hatte. Das hatte ich ihm bereits erzählt. Er meinte damit die tagtägliche Einsamkeit, wenn man niemanden hatte, an den man sich wenden konnte. Für ihn unvorstellbar. Ich wusste darauf keine Antwort, weil ich mir selbst nicht sicher war. An manchen Tagen fühlte es sich an, als wäre von mir nur noch ein hungriger Schatten übrig, ein Schemen, der sich in Luft auflösen könnte, ohne dass es irgendjemand bemerken würde. Vielleicht half mir dieser Gedanke, mich oft so mühelos davonzustehlen.

Jedenfalls empfand ich die Offenheit zwischen uns als berauschendes Elixier, von dem ich mehr wollte. Aber je näher wir Torsfeste kamen, desto deutlicher spürte ich das Gewicht von neuen Geheimnissen, die sich anpirschten. Ich hegte Jase’ Familie gegenüber Bedenken, die ich nicht äußern wollte, weil ich wusste, er würde sie kurzerhand wegwischen. Immerhin verkörperte er das Oberhaupt der Familie, den Patrei. Auf ihn würden sie hören. Aber würde sich blanker Hass wirklich durch einen Befehl auslöschen lassen? Und der Hass seiner Familie auf mich musste tief sitzen. Er musste ihr Innerstes verzehren.

Ich hol dir die Augen eins nach dem anderen aus dem Kopf und verfüttere sie an die Hunde.

So war die »Familie«, zu der ich zurückkehrte. Nicht nur Priyas Drohungen bereiteten mir Sorgen, sondern auch die Kluft des zerrütteten Vertrauens. Ich war mir nicht sicher, ob sich darüber je wieder eine Brücke schlagen ließe, noch nicht einmal für Jase. Mir war Vairlyns vernichtender Gesichtsausdruck nicht entgangen, als ich ihren Sohn mit vorgehaltenem Messer entführt hatte. Für sie würde ich immer die junge Frau sein, die in ihr Heim eingedrungen war, sie belogen und bestohlen hatte.

Sogar die süße Unschuld von Lydia und Nash war inzwischen vermutlich besudelt. Es wäre unmöglich gewesen, die Einzelheiten von Jase’ Verschwinden vor ihnen zu verheimlichen. Dann war da noch die Sache mit Gunner und seinen grausamen Sticheleien, obwohl er wusste, was Zane meiner Familie angetan hatte. Dass er Jase’ Bruder war, spielte keine Rolle. Mein Hass ihm gegenüber hatte sich in den vergangenen Wochen nicht gelegt. Ich konnte ebenso wenig wie Jase’ Angehörige so tun, als wäre jene Nacht einfach vergessen.

»Ich weiß, wie viel dir deine Familie bedeutet, Jase. Und ich will nicht, dass du zwischen den Stühlen sitzt oder gezwungen wirst, dich für eine Seite zu entscheiden.«

»Kazi, du bist jetzt meine Familie. Es gibt nichts zu entscheiden. Du bist für immer mit mir verbunden. Klar? Und dasselbe gilt für sie. So läuft das in Familien. Glaub mir, die kriegen sich wieder ein. Sie haben dich schon mal geliebt, sie werden dich wieder lieben. Wichtiger noch, sie werden dankbar sein. Die Ballengers waren unachtsam. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass wir alle tot wären, wenn du nicht eingegriffen hättest.«

Das hatte er schon einmal beteuert und mir dann die Einzelheiten berüchtigter Gemetzel geschildert, die in der Vergangenheit über die Ballengers hereingebrochen waren. Und in der Hinsicht hegte auch ich keine Zweifel: Jase wäre als Erster fällig gewesen. Man fing immer mit dem Stärksten an und widmete sich anschließend dem Rest. Wie wäre es wohl abgelaufen? Unverhofft ein Messer in den Rücken, wenn er bei Beaufort vorbeigeschaut hätte, um zu sehen, wie er vorankam?

Jedenfalls hatte es kurz bevorgestanden, so viel wusste ich. Beaufort hatte damit gerechnet, dass es noch eine Woche dauern würde, bis sein Plan fruchtete, aber dann hatte ich mich eingemischt. Es waren bereits weitere Lieferungen bestellt worden. Die Fertigung sollte richtig anlaufen. Es wurden bereits zusätzliche Schmiede gesucht, um Sarva zu helfen, zwei Dutzend weitere Abschussrohre herzustellen. Aber Jase’ Familie wusste nur, was sie gesehen hatte, nicht, was hätte passieren können – und sie hatte nur meinen Verrat mitangesehen, nicht den von Beaufort. Dass er geplant hatte, die Königreiche zu unterwerfen – das würde man in Anbetracht seiner hehren Versprechungen nur als klägliche, falsche Behauptung meinerseits betrachten.

Ich wusste, Jase würde hinter mir stehen. Und ja, vielleicht würde das reichen … aber sicher war ich mir nicht. Ich verstand all die Emotionen und Verwicklungen in einer Familie nicht. Und es bereitete mir Kopfzerbrechen, dass es vielleicht zu spät für mich sein könnte, den Umgang damit noch zu lernen.

»Ich habe vorher nie eine Familie gehabt, Jase. Vielleicht bin ich nicht gut darin …«

»Du hast Wren und Synové. Die sind wie eine Familie.«

Bei der Erwähnung der beiden verspürte ich ein stechendes Ziehen in mir. Sie fehlten mir bereits – weit mehr, als ich gedacht hätte. Wir waren daran gewöhnt, über kürzere Zeiträume getrennt voneinander zu sein, wenn wir auf verschiedenen Missionen unterwegs waren, aber im Quartier warteten immer unsere Betten in einer ordentlichen Reihe auf unsere Rückkehr. Diesmal würde ich nicht zurückkehren. In den vergangenen Wochen hatte ich mich oft gefragt, wo sie waren und wie es ihnen ging. Wren und Synové kamen wohl wirklich dem am nächsten, was ich an Familie hatte. Sie würden ihr Leben für mich opfern und ich das meine für sie. Wir waren in jeder Hinsicht, die zählte, zu Schwestern geworden, aber das Wort hatten wir nie ausgesprochen. Familie stand für ein Risiko, von dem man sich vielleicht nie erholen würde, und wir führten aus freien Stücken ein gefährliches Leben. Das Verlangen nach Gerechtigkeit loderte in uns wie ein Brandzeichen, das man uns an dem Tag in die Haut gesengt hatte, an dem man uns unsere eigenen Familien genommen hatte. Die unausgesprochenen Worte zwischen uns bildeten unser Sicherheitsnetz. Jase’ Familie hingegen glich einer festen Einheit, die Mitglieder waren alle gleich und ständig beisammen. Ich war mir nicht sicher, ob ich Teil einer solchen Art von Familie werden konnte.

»Und du hattest deine Mutter«, fügte er hinzu. »Sie war deine Familie, ganz gleich, wie wenig Zeit ihr miteinander hattet.«

Wir hatten bereits über meine Mutter gesprochen. Sogar die ältesten, schmerzlichsten Geheimnisse hielten wir nicht mehr voreinander zurück. Die Fältchen um Jase’ Augen vertieften sich, als ich ihm von meiner Mutter erzählte, und ich fragte mich, ob es sich für ihn genauso schmerzlich anfühlte wie für mich und ob sich sein Bedauern neben meinem auftürmte und er wünschte, seine Familie hätte den Previzi nie eine sichere Zuflucht geboten – oder sie beschäftigt.

»Es wird sich alles weisen«, versprach mir Jase und küsste mein Ohrläppchen. »Und es muss ja nicht alles über Nacht passieren. Wir haben Zeit. Wir gehen diese vielen Veränderungen langsam an.«

Was bedeutete, dass er sehr wohl um die Schwierigkeiten wusste, die vor uns lagen. »Bereit zum Aufbruch?«, fragte er.

Ich wirbelte zu ihm herum, musterte ihn von Kopf bis Fuß und seufzte. »Also bist du endlich angezogen? Sobald ich mich als Stadtvögtin eingelebt habe, werde ich dich an die kurze Leine nehmen müssen, Patrei.«

»Heute also Stadtvögtin? Gestern warst du noch Botschafterin Hellnebel.«

»Die Königin hat es meinem Ermessen überlassen, wie ich meine Rolle auslege – je nachdem, wie du dich benimmst.«

»Hast du vor, mich zu verhaften?«, fragte er und klang gar zu bereitwillig.

Ich verengte die Augen. »Wenn du nicht spurst.«

»Wärst du nicht so ungeduldig, hättest du mich jetzt nicht am Hals.«

Ich lachte. »Ich soll die Ungeduldige sein? Ich meine, mich zu erinnern, dass du derjenige warst, der die Schnur von Synovés Päckchen gezogen hat.«

Jase zuckte mit großen, unschuldigen Augen die Schultern. »Die Schnur hat sich praktisch von allein gelöst. Außerdem wusste ich ja nicht, was drin war oder wozu ein schlichtes rotes Band führen könnte.«

Wir hatten noch nicht mal eine volle Tagesreise hinter uns gebracht gehabt, bevor er unbedingt Synovés Abschiedsgeschenk für uns öffnen wollte.

»Traue niemals einer Rahtan mit Geschenken«, warnte ich ihn. »Was du nicht weißt, kann dich in Schwierigkeiten bringen, Patrei.«

»Aber Schwierigkeiten zu bewältigen ist doch genau das, worin wir zusammen am besten sind.« Als er mich in seine Arme zog, tänzelte ein Licht in seinen Augen. Dann jedoch wurde sein verspielter Gesichtsausdruck ernst. »Tut’s dir leid?«

Ich spürte, wie ich mich immer tiefer in diese Welt verstrickte, die Jase Ballenger für mich geworden war. »Auf keinen Fall. Und wenn ich Tausende neue Tage erlebe, könnte es mir niemals leidtun. Über Schwierigkeiten zusammen mit dir freue ich mich höchstens. Ich liebe dich mit jedem Atemzug, den ich je tun werde. Ich liebe dich, Jase.«

»Mehr als Apfelsinen?«, fragte er zwischen zwei Küssen.

»Übertreiben wir es mal nicht, Patrei.«

Die Worte, die ich mich früher auch nur zu denken geweigert hatte, kamen mir mittlerweile überraschend leicht über die Lippen. Ich sagte sie oft und auf verschiedenste Weise. Jedes Mal, wenn sich unsere Lippen begegneten. Jedes Mal, wenn ich die Finger in sein Haar fädelte. Ich liebe dich. Vielleicht lag dem teilweise Angst zugrunde – die Angst vor neidischen Göttern und verpassten Gelegenheiten. Mittlerweile wusste ich besser denn je, dass einem Gelegenheiten schlagartig entrissen werden konnten, unter anderem die Gelegenheit für letzte Worte. Und falls es je letzte Worte zwischen Jase und mir geben sollte, wollte ich, dass es diese wären.

Die letzten Worte meiner Mutter zu mir waren verzweifelt vor Angst gewesen. Sch-sch, Kazi, bleib jetzt ganz still. Das kam mir immer als Erstes in den Sinn, wenn ich an sie dachte – die Angst.

Wir gingen hinunter, wo wir Mije und Tigone in etwas untergebracht hatten, das vielleicht einst ein langer, offener Speisesaal gewesen war. In gewisser Weise erfüllte der Raum diesen Zweck noch immer, denn Klee überzog den Boden wie ein dichter Rasen, den die Pferde gründlich gemäht hatten. Wir waren unterwegs zu windgepeitschten Ebenen, wo es wenig zum Grasen geben würde, daher war ich froh, dass sie sich tüchtig die Bäuche vollgeschlagen hatten.

Wir sattelten auf und ritten los. Unterwegs erlebte ich im Geiste noch einmal die Magie jedes einzelnen Tages der vergangenen Wochen, fest entschlossen, sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ich behielt im Auge, woher wir gekommen waren und wohin wir gingen, damit uns nicht erneut eine unerwartete Wendung auf einen unerforschten Weg stoßen konnte. Und im Verlauf der Meilen prägte ich mir jedes Wort zwischen uns so ein, dass es mir für immer im Gedächtnis bleiben würde.

»Was ist mit uns, Jase? Wird irgendjemand unsere Geschichte niederschreiben?«

»Wie meinst du das?«

»Wie die unzähligen Geschichten an den Wänden im Tresorgewölbe und in deinen Bücherregalen.«

Ein belustigtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als wäre ihm der Gedanke selbst noch nicht gekommen und als fände er ihn interessant. »Wir werden das tun, Kazi. Du und ich. Wir werden unsere Geschichte selbst schreiben. Und es werden tausend Bände dafür nötig sein. Wir haben ein ganzes Leben vor uns.«

»Das macht eine Menge Bäume.«

Er zuckte mit den Schultern. »Wir besitzen einen ganzen Berg voll davon, schon vergessen?«

Wir. Bei allem hieß es mittlerweile wir.

Wir verwoben unsere Träume wie eine gemeinsame Rüstung. Nichts konnte uns aufhalten.

Jase

»EIN KNOPF?«

Ich lachte, als Kazi mir beschrieb, wie der Quartierlord am Ende der Gasse getobt hatte, als wäre ihm die Nase abgeschnitten worden.

»Warum so viel riskieren, um einen nutzlosen Knopf zu stehlen?«, wollte ich wissen.

Ihr Lächeln verblasste, ihr Blick wurde ernst. Ihre Finger bewegten sich über ihre Handfläche, als hielte sie den kostbaren Knopf darin. »Er war nicht nutzlos«, entgegnete sie. »Manchmal muss man sich daran erinnern, dass man nicht machtlos ist. Dass man ein gewisses Maß an Kontrolle besitzt. Dass die eigenen Fähigkeiten vielleicht nicht nur dazu taugen, sich den Bauch zu füllen, sondern auch, um andere zum Nachdenken zu bewegen. Wenn eine Diebin am helllichten Tag einen Knopf geradewegs von seinem Wanst stehlen konnte, wie viel mehr könnte sie sich dann im Schutz der Dunkelheit holen?« Sie kaute seitlich auf der Unterlippe und verengte die Augen. »Ich weiß, dass er in jener Nacht nicht gut geschlafen hat, und das hat mir den süßesten Schlaf aller Zeiten beschert. Manchmal muss man sich einen Tag einfach zu eigen machen. Vielleicht ist das nötig, um tapfer genug zu werden, sich einem weiteren Tag zu stellen.«

Ich hatte immer noch mit dem Versuch zu kämpfen, ihre Welt zu verstehen – was sie durchgemacht hatte, die Entschlossenheit, die sie gebraucht hatte, um überhaupt am Leben zu bleiben. »Um tapfer zu werden? Du bist der tapferste Mensch, der mir je begegnet ist.« Ich bedachte sie mit einem Seitenblick. »Natürlich auch der Hinterhältigste.«

Sie quetschte den Kern aus der Dattel, an der sie knabberte, und warf ihn mir genau ans Kinn.

Ich rieb über die Stelle. »Hinterhältig und treffsicher.«

»Sagt der Meister der Intrige höchstpersönlich. Aber ich fasse das mal als Kompliment auf«, meinte sie und schaute wieder nach vorn. Ihre Schultern wogten mit jedem von Mijes behuften Schritten sanft auf und ab. Eine lange Weile schwieg Kazi, bevor sie fragte: »Wirst du ihnen erzählen, dass ich früher eine Diebin war?«

Meine Familie. Ich wusste, dass sie meine Familie meinte, umschiffte die Frage jedoch.

»War? Du bist immer noch eine Diebin. Ich zähle jeden Abend meine Finger, bevor ich mich schlafen lege. Aber bringen wir sie lieber nicht dazu, dich Zehn zu nennen.«

»Jase.«

Ich seufzte. Wahrheit zwischen Kazi und mir war eine Sache, aber bei meiner Familie sah es völlig anders aus. Ich würde meinen Verwandten erst ihren Zorn ausreden müssen, bevor ich ihnen irgendetwas erzählen konnte. Natürlich würden sie mir zuhören, das wusste ich. Trotzdem würde es ihnen schwerfallen, nach nur wenigen Worten von schäumender Wut dahin zu schwenken, Kazi mit offenen Armen willkommen zu heißen. Immerhin hatte sich jemand in ihr Zuhause eingeschlichen und ihnen ihre kostbare Investition – und ihren Patrei – geraubt. Jemand, dem sie vertraut hatten. »Ja, ich werde es ihnen erzählen. Wann immer du bereit dafür bist. Es könnte allerdings ratsam sein, mit einer Wahrheit nach der anderen herauszurücken. Langsam.«

Sie grinste. »Einverstanden. Ist wohl nicht nötig, ihnen alles auf einmal vor die Füße zu werfen.«

»Dir ist aber schon klar, dass Lydia und Nash, sobald sie darüber Bescheid wissen, von dir verlangen werden, dass du ihnen alles beibringst, was du weißt, oder?«

»Für den Anfang werden wir beim Jonglieren und bei Münzen hinter den Ohren bleiben. Die Schatten sind ein bisschen schwieriger zu meistern.«

»Vergiss nicht die stummen Zeichen«, erinnerte ich sie. »Die zwei wären begeistert davon, sie am Esstisch einzusetzen.«

Kazi lächelte. »Steht schon auf meiner Liste wichtiger Erledigungen.«

Sie hatte mir erzählt, dass ihre Mutter und sie bereits in der Zeit, bevor Kazi auf sich allein gestellt war, eine gemeinsame Zeichensprache zum Überleben auf den Straßen von Venda entwickelt hatten, denn es gab oft haarige Augenblicke, in denen sie schweigen mussten. Zwar hatte auch ich ein paar unscheinbare Gesten für meine Leute auf Lager, aber mich überraschte, wie viele verschiedene Zeichen Kazi und ihre Mutter kannten. Ein Schnippen mit den Fingern bedeutete: Lächle. Ein eingezogenes Kinn: Achtung, halte dich bereit. Eine starre Hand: Beweg dich nicht.

Auch ich erzählte ihr Geschichten aus meiner Kindheit und über die Schwierigkeiten, in die uns ältere Kinder regelmäßig gebracht hatten. Kazi lachte zugleich entsetzt und belustigt. Ich berichtete ihr von einem heißen Sommer, in dem wir uns besonders gelangweilt hatten. Zu unseren Possen gehörten damals Seile und Flaschenzüge, mit denen wir arglosen Leuten, die auf dem Baumweg unter uns vorbeigingen, hoch droben in den Tembrisbäumen auflauerten und ihnen die Hüte von den Köpfen stibitzten.

»Ein Dieb in Ausbildung? Kein Wunder, dass dich dieser Ladenbesitzer einen von der unbändigen Ballenger-Brut genannt hat.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Wir haben die Hüte immer zurückgegeben. Eine Standpauke von unserer Mutter hat uns das allerdings nicht erspart. Sie hat gemeint, wenn wir nur halb so viele Bemühungen ins Lernen steckten wie in unsere Streiche, wären wir längst allesamt Genies. Aber wenn sie dachte, wir würden nicht hinsehen, hat sie unserem Vater anerkennend zugenickt. Insgeheim fanden beide, wir wären ziemlich schlau.«

»Ja«, räumte Kazi ein. »Schlau wie junge Füchse, die Eier aus dem Hühnerstahl stehlen.«

*

Der Wald wurde dichter, und über uns ertönte das eigenartige Tschilpen gestreifter Eichhörnchen, die wir durch unsere Gegenwart aufscheuchten. Wir verfielen in Schweigen, und meine Gedanken kehrten wie so oft zu Beaufort zurück. Kazi und ich hatten schon viele Male über ihn gesprochen, waren aber zu keinen vernünftigen Schlussfolgerungen gekommen.

Unterwerfung der Königreiche.

Aber wie?

Ja, Beaufort entwickelte mächtige Waffen, doch er besaß keine Armee, um sie einzusetzen. Er war mit leeren Händen nach Torsfeste gekommen, nur mit Lumpen am Leib und seinem Hut in der Hand. Seine Gruppe und er boten damals einen mitleiderregenden Anblick. Selbst wenn er mit einem der Bündnisse zusammenarbeitete und er sie alle mit den von ihm entwickelten Abschussrohren bewaffnete, konnte er immer noch kein gesamtes Königreich in die Knie zwingen, geschweige denn alle.

Litt Beaufort an Wahnvorstellungen? Versuchte er tatsächlich, seine verlorenen Träume von Macht wahr werden zu lassen? Falls dem so war, mussten Kardos und der Rest genauso verrückt sein wie er. Das Tal der Schildwacht jedoch war keine Wahnvorstellung. Die Massengräber waren übelkeiterregend real. Vielleicht bedurfte es Wahnsinniger, um solche Pläne zu schmieden.

»Meinst du, das ist Ogerszinken?«, fragte Kazi.

Wir passierten eine Reihe zerbrochener Säulen mitten im Wald. Ihren Zweck hatte die Welt längst vergessen, aber sie sahen so aus, als könnten sie die Ruinen sein, die Sven uns beschrieben hatte. Allerdings gab es in diesem Wald so viele Überreste aus grauer Vorzeit, dass ich sicherheitshalber die Karte hervorholte und es überprüfte.

»Ja«, antwortete ich. »Ist es.«

Du hast einmal gefragt, warum ich mich vor dem offenen Himmel fürchte, Jase. Weil er mir kein Versteck bietet.

Laut der Karte würden wir eine Gegend mit einem solchen offenen Himmel erreichen. Was mir vermutlich mehr Kopfzerbrechen bereitete als Kazi. Ich war daran gewöhnt, Probleme zu lösen, sie auf die eine oder andere Weise aus dem Weg zu räumen – und bei diesem Problem konnte ich das nicht. Ich konnte nicht in die Vergangenheit reisen und ungeschehen machen, was man Kazi angetan hatte. Ihre Furcht belastete mich. Ich hatte die Karte bereits eingehend studiert und versucht, einen Weg zu finden, um das Gebiet zu umgehen, doch es gab keinen.

Nach einer Spitzkehre endeten die Berge und der Wald abrupt. Wir befanden uns auf einem hochgelegenen Pfad und überblickten eine schier endlose Ebene, die eine merkwürdige, tiefrote Farbe aufwies. Im fernen Norden schimmerten die rauen Landschaften von Infernaterr wie ein silbriges, an ein Ufer schwappendes Meer.

»Brrr, Mije.« Kazi hielt an und starrte auf die leeren Weiten. Es war das dritte Mal, dass wir eine offene Landschaft durchqueren mussten, die keinen Schutz bot.

Ich beobachtete, wie ihr Blick über die etlichen Meilen wanderte und wie sich ihre Brust unter schneller werdenden Atemzügen hob und senkte. »Du brauchst dich nicht mehr vor Zane zu fürchten, Kazi. Er ist im Gewahrsam der Familie. Man wird ihn nicht laufen lassen.«

Sie schnaubte ungläubig. »Bist du dir da so sicher? Als ich Gunner zuletzt gesehen habe, schien er mir durchaus bereit zu sein, ihn einzutauschen.«

»Ich verspreche dir, Gunner wird ihn nicht laufen lassen.« Gern hätte ich behauptet, es läge daran, was Zane ihrer Mutter und ihr vor über einem Jahrzehnt angetan hatte. Doch das war nicht der Grund, warum Gunner ihn festhalten würde. Zane hatte eine Verbindung zu den Menschenhändlern, die über Höllenrachen hergefallen waren und mich sowie andere Bürger entführt hatten. Und dafür würde Gunner ihn nicht aus Torsfeste lassen – jedenfalls nicht lebend.

Kazis Augenmerk verlagerte sich auf den Horizont, auf einen winzigen Punkt in weiter Ferne. Wahrscheinlich stellte sie sich eine betriebsame Ortschaft voll Schatten und dunklen Winkeln vor und sagte sich, dass nur eine einsehbare Ebene sie davon trennte. Sie hob das Kinn. »Ich bin keine machtlose Sechsjährige mehr, Jase. Ich habe keine Angst vor Zane. Inzwischen ist er derjenige, der sich vor mir fürchtet, das kannst du mir glauben. Er ist derjenige, der ständig über die Schulter schauen und damit rechnen muss, dass sich eine Tür öffnet, durch die ich komme. Er ist derjenige, den nachts im Schlaf die Angst heimsucht.«

Daran hegte ich keine Zweifel. Mir war sein Gesichtsausdruck nicht entgangen, als er Kazi in jener letzten Nacht in Torsfeste gesehen hatte – als er bemerkt hatte, dass sie ihn gesehen hatte. In ihren Augen hatte dabei etwas Urtümliches geleuchtet, die Wildheit eines unaufhaltsamen Candokbären. Und trotzdem spürte ich nachts, wenn ich sie an mich zog und den Arm um sie schlang, während sich über uns der weite, offene Himmel erstreckte, wie ihr Herz heftig pochte.

»Aber mir ist aufgefallen, dass …«

»Dass ich unter freiem Himmel immer noch Mühe habe einzuschlafen? Ich weiß.« Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Sie zog die Brauen zusammen, als wäre sie selbst verwirrt darüber. Dann seufzte sie. »Irgendwie kann ich es nicht ganz abschütteln. Ich schätze, vorläufig ist es einfach ein Teil davon, wer ich bin. Mein Verstand sagt mir zwar, dass es keinen Grund gibt, sich zu fürchten, aber etwas in mir, über das ich keine Kontrolle habe, reagiert anders.« Ich hörte die Verwirrung in ihrer Stimme. Sie drehte den Kopf und sah mich an. »Keine Ahnung, wie lange es dauern wird, mein Herz davon zu überzeugen, nicht jedes Mal zu rasen, wenn ich mit einem Ort konfrontiert werde, an dem es kein Versteck gibt. Vielleicht ein ganzes Leben. Fühlst du dich dem gewachsen?«

»Das verheißt eine Menge Rätsel.«

»Ein paar habe ich noch auf Lager.«

Hatte ich auch. Zum Beispiel: Wie viele meiner Brüder würden nötig sein, um mich von Zane fernzuhalten, sobald wir wieder zu Hause waren? Oder: Wie sollte er meine Fragen mit meinen Händen um den Hals beantworten? Der Mann hatte Kazi die Mutter gestohlen. Hatte ein sechsjähriges Kind auf den Straßen von Venda zum Sterben zurückgelassen. Mein Herzschlag raste beim Gedanken an ihn, doch ich wusste, mir stand es nicht zu, Zane den Garaus zu machen. Ich hegte meinen Hass auf ihn erst seit wenigen Monaten. Kazi hatte dafür elf Jahre gehabt. Ihr Zorn übertraf meinen um Längen.

Zane würde ich Kazi überlassen.

Nachdem sie ihre Antworten bekommen hatte.

*

Rasch bahnten wir uns den Weg zur Ebene hinunter. Die Erde war so rot wie vom Saft reifer Kirschen gefärbt – oder von Blut. Jeder Teil dieses Kontinents barg neue Überraschungen. Die Landschaften, die wir bisher passiert hatten, waren sowohl atemberaubend als auch beschwerlich und bisweilen nervenaufreibend gewesen. Letzteres traf vor allem auf die Steinschlucht zu, die Sven deutlich auf der Karte gekennzeichnet hatte. Umgeht sie, wenn euch das lieber ist. Das tun die meisten. Es ist ein Anblick, den man nicht so bald vergisst, aber es ist die kürzeste Strecke. Kazi und ich hatten uns für den direkten Weg entschieden. Dennoch kribbelte jeder Nerv, den ich besaß, als wir durch die Schlucht reisten. Tigone und Mije stampften beide widerwillig. Sogar sie witterten, dass die Steine nicht bloß Steine waren, und der Wind pfiff gespenstisch wie ein Strom von Stimmen durch die Schlucht.

Sven zufolge besagte die Legende, einer der Sterne der Zerstörung hätte dafür gesorgt, dass geschmolzenes Gestein wie eine Fontäne emporgeschossen war. Uralte Völker waren mitten in der Flucht davon überrumpelt worden. Gekrümmte Gestalten waren im Fels zusammengewachsen, für immer am Fuß der Hänge verankert, die steil über ihnen aufragten. Manchmal zeichneten sich in der Masse deutlich von Grauen geprägte Gesichter ab. Dieser Teil der Geschichte ließ sich nicht verleugnen. Erstarrte Gesichter säumten unseren Weg, eine düstere Erinnerung daran, wie schnell sich die Welt der Altvorderen verändert hatte. Vielleicht auch daran, wie schnell sich die Welt für uns alle verändern konnte.

Im Vergleich dazu mutete die rote Ebene, die wir gerade durchquerten, beinah beschaulich an. Und wenn ein Dutzend neuer Rätsel oder weitere Ballenger-Legenden nötig wären, um Kazi dabei zu helfen, das Gelände zu überwinden, war ich bereit. Manchmal fragte ich mich, ob sie sich damit beschäftigte, ihr nächstes Rätsel zu ersinnen, wenn wir schweigend vor uns hin ritten. Jedenfalls schien sie nie um ein Rätsel verlegen zu sein, wenn ich sie um eines bat. Mir hingegen fehlte das Talent dafür, mir welche einfallen zu lassen. Deshalb hatte ich schon mit dem einen, das ich ihr aufgegeben hatte, alle Hände voll zu tun gehabt. Aber ihr schien jenes eine zu genügen. Sie fragte mich immer wieder danach.

Sag’s noch mal, Jase.

Aber du kennst die Antwort doch schon.

Macht nichts, es ist eine Antwort, der ich nie überdrüssig werde.

Und vielleicht würde ich nie überdrüssig werden, ihr das Rätsel aufzusagen. Ich fingerte an dem roten, an meinem Sattel befestigten Band. Wofür ist das, Kazi? Seit ich sie das erste Mal dabei ertappte hatte, wie sie auf meine nackte Brust starrte, waren ihre Züge nicht mehr so heiß errötet wie bei jener Frage. Sag es mir. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich es tief in meinem Innersten bereits geahnt hatte. Und wenn Geschenke wie dieses Band Ärger verhießen, sollte es mir mehr als recht sein.

Kazi räusperte sich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. »Also gut, los geht’s, Patrei«, sagte sie. »Hör gut zu. Ich werde mich nicht wiederholen.«

Also doch ein Rätsel. Wie ich vermutet hatte.

»Ich habe zwei Arme, aber keine Knochen,

werd weder von Hammer noch Stein gebrochen.

Hab einen Kopf, aber kein Gesicht,

um dir zu folgen, brauch ich das nicht.

Ich täusche die Sinne, bin ein Dieb in Roben,

aus Geheimnissen und Lügen ist mein Gewand gewoben.

Ich bin klein und dünn, ich bin riesig und groß,

aber um Mitternacht ist mit mir gar nichts mehr los.«

»Lass mich nachdenken.« Diesmal wollte ich nicht bloß Zeit für einen Kuss schinden. Ich war ratlos. Arme ohne Knochen? Ein Kopf, aber kein Gesicht? Ich grübelte immer noch darüber, als etwas meine Aufmerksamkeit erregte.

Wir ließen beide die Pferde anhalten und schauten zum Himmel. »Valsprey«, flüsterte Kazi. Es klang beinah wie eine Frage.

Wir hatten ihn gleichzeitig gesehen, einen weißen, auf uns zufliegenden Punkt am blendend blauen Himmel. Gewaltige Schwingen glitten durch die Luft, zugleich majestätisch und unheimlich. Ein wilder Vogel? In Anbetracht unseres Standorts hielt ich es für unwahrscheinlich, dass es sich um ein dressiertes Botentier handelte. Es näherte sich rasch und flog so tief, dass ich den schwarzen Gefiederkamm über den Augen erkennen konnte. Hier draußen mitten im Nirgendwo war es ein wundersamer Anblick, der unsere Augen bannte. Dann wurde der Vogel plötzlich heftig zurückgeschleudert, als hätte ihn etwas getroffen. Federn flatterten durch die Luft, das Tier trudelte unkontrolliert und stürzte zur Erde.

»Runter!«, rief ich, sprang ab und zog Kazi mit mir zu Boden. Jemand hatte das Tier vom Himmel geschossen.

Wir waren nicht allein.

Kazi

JASE BEFAND SICH über mir und drückte schützend eine Hand auf meinen Rücken. Mije und Tigone tänzelten nervös zu unseren Seiten. Rasch richtete sich Jase auf, schnappte sich unsere Köcher und Bogen von den Satteltaschen und ließ sich wieder neben mir auf den Boden fallen. Unsere Blicke suchten die Ebene ab. Es gab weit und breit kein Versteck. Woher konnte der Schuss gekommen sein? Denn es bestand kein Zweifel daran, dass der Valsprey vom Himmel geschossen worden war. Kein Vogel änderte ohne Fremdeinwirkung derart abrupt die Richtung und stürzte dann einfach ab.

»Ich hab keinen Pfeil gesehen«, flüsterte Jase. »Du?«

»Nein. Nichts.«

Aber wenn es kein Pfeil gewesen war, was dann? Ein Stein von einer Schleuder? Allerdings hatte ich auch keinen Stein gesehen. Ein Raubtier? Aber ein Valsprey war mit einer Flügelspanne von fast zehn Ellen ziemlich groß. Um einen vom Himmel zu holen, müsste das Raubtier noch wesentlich größer sein, ungefähr so wie ein Racaa. Doch davon hatte jede Spur gefehlt.

Wir stemmten uns beide ein wenig auf die Ellbogen hoch und hielten Ausschau nach jemandem, der aus einem Loch in der Ebene hervorkam, doch es zeigte sich niemand. Schließlich standen wir auf, legten Rücken an Rücken Pfeile an und drehten uns aufeinander abgestimmt, während wir darauf warteten, irgendetwas zu sichten.

Wir gingen dorthin, wo der Vogel als weißer, verrenkter Haufen in der roten Landschaft aufgeschlagen war. Ein gebrochener Flügel ragte himmelwärts, als hoffte er auf eine zweite Chance. Es gab kein Zappeln, kein Flattern, keine letzten reflexartigen Bewegungen. Der Vogel war tot, was nicht weiter überraschte. Aber als wir näher hingelangten und einen genaueren Blick auf ihn warfen, wirkte irgendetwas falsch.

»Was …«, setzte Jase an. Wir starrten beide hin.

Der Vogel war mausetot. Allerdings ließ sich nicht übersehen, dass er seit Wochen tot sein musste. Die Augen des Tiers waren tief in ledrige Höhlen gesunken, durch verweste, papierdünne Haut zeichneten sich die Rippen ab, und an der Brust befanden sich beinahe keine Federn mehr. Wir sahen uns beide um, weil wir dachten, es müsste irgendwo ein anderer Vogel liegen, doch dem war nicht so. Das war der Vogel, den wir vom Himmel fallen gesehen hatten.

Eine Sinnestäuschung?

Hatte ihn irgendein verrückter Luftstrom hierher getragen?

Wir rätselten hin und her, aber keine unserer Mutmaßungen ergab einen Sinn.

Jase stupste den verdorrten Kadaver mit dem Stiefel an, drehte den Vogel um. Am Bein war eine Botschaft befestigt. Also doch ein dressierter Valsprey. Ich bückte mich und zog die Botschaft vom Bein des Tiers, dann zupfte ich an dem Faden, der sie versiegelte. Er löste sich, und ein kleines Pergament entrollte sich in meinen Händen.

Die Worte, die ich las, verschlugen mir den Atem.

»Von wem?«, fragte Jase.

»Weiß ich nicht.«

»Und für wen?«

Ich starrte auf die Nachricht und fragte mich, wie das sein konnte, doch tief in meinem Innersten wusste ich es. Manchmal hatten Botschaften die Eigenart, Menschen auf schier unmögliche Weise zu finden. Die Geister gehen nie ganz fort, sie rufen dich in überraschenden Momenten. Es handelte sich um keine mit einem Valsprey gesendete Botschaft. Diese Nachricht wurde von einem Boten völlig anderer Art geschickt. Ich hielt sie fest, wollte sie Jase nicht geben.

»Kazi? Was ist los?«

Keine Geheimnisse mehr, hatten wir uns versprochen.

Ich streckte ihm die Botschaft hin. »Für uns«, sagte ich.

Jase nahm sie entgegen und las sie aufmerksam durch, anscheinend mehrmals, denn er starrte eine lange Weile darauf. Schließlich schüttelte er den Kopf. Seine Lippen wurden blass. Er blinzelte, als traue er seinen Augen nicht oder als versuchte er, die Worte neu zu ordnen, damit sie ihren Sinn offenbarten.

Jase, Kazi, wer auch immer,

kommt und helft uns! Bitte! Samuel ist tot.

Sie hämmern gegen die Tür.

Ich muss …

Plötzlich schlug Jase‘ Gesichtsausdruck von verloren zu zornig um. »Das ist ein Scherz. Irgendein kranker Scherz.« Er zerknüllte das Pergament in der Faust und wirbelte herum, suchte die Landschaft erneut nach dem Übeltäter ab. »Komm raus!«, rief er. Nur ein schauriges Heulen des Windes antwortete ihm.

»Erkennst du die Handschrift?«, fragte ich. Für mich sah es nach einem verzweifelten, hastig geschriebenen Gekritzel aus. Ein Scherz schien es mir nicht zu sein.

Abermals betrachtete er die Botschaft. »Ich bin mir nicht sicher. Könnte die von Jalaine sein. Wir haben Valspreys in der Arena … Die Tür zum Arbeitszimmer dort ist …« Kopfschüttelnd lief er auf und ab. »Ich habe Samuel dort arbeiten lassen, während seine Hand heilte. Er …« Jase verzog das Gesicht. Ich konnte beinah beobachten, wie seine Gedanken wild durcheinanderwirbelten, während meine bleischwer wurden und zu einer Schlussfolgerung herabsackten …

»Samuel ist nicht tot«, stieß Jase knurrend hervor, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Jalaine übertreibt gern. Sie hat mal gedacht, ich wäre tot, als ich von einem Baum gefallen bin und keine Luft bekommen habe. Sie ist sofort losgerannt, hat es meinen Eltern erzählt und Panik verbreitet.« Wieder ließ er den Blick suchend über die Landschaft wandern, während er laut nachdachte. »Vielleicht hat Aram das geschrieben. Oder vielleicht jemand, den wir nicht mal kennen, jemand, der dich überlisten wollte, damit du mich freilässt. Vielleicht hat derjenige die Botschaft nicht erhalten, dass ich unterwegs nach Hause bin, und glaubt, du hältst mich immer noch gefangen. Oder vielleicht …« Mitten im Gedanken verstummte er und ließ seine Schultern sinken. Er lehnte sich nach vorn und stützte die Arme so schwer auf Tigones Rücken, als könnte er sich nur dadurch auf den Beinen halten. »Samuel ist nicht tot«, wiederholte er, diesmal so leise, dass man Ohren wie ein Luchs brauchte, um ihn zu hören.

Ich schaute an ihm vorbei zu der Stelle, wo der Vogel lag, und ich sah den Tod, der vornübergebeugt einen Körper vom Talboden aufhob. Er spähte über die Schulter zu mir. Dann waren sie allesamt verschwunden, der Vogel, der Kadaver und der Tod.

*

Wer die Nachricht verfasst hatte, wie sie es zu uns geschafft hatte und sogar, ob sie überhaupt der Wahrheit entsprach – das alles wurde nebensächlich. Im Augenblick zählte allein, nach Hause zu gelangen. Wir hielten nur für die Pferde an Wasserstellen. Für uns selbst gab es keine Rast, bis die abendliche Dunkelheit anbrach.

Ich schaute den langen Pfad entlang zurück, den wir auf dem sandigen Untergrund hinterlassen hatten, eine krumme Linie in der roten Landschaft. Die schwindenden Strahlen der Sonne schienen sich in unseren Spuren zu Pfützen zu sammeln.

Schweigend errichteten wir eine Feuerstelle, indem wir Zweige und Stöcke einsammelten und Äste von einem abgestorbenen Strauch abbrachen. Jase rang zornig mit einem Ast, der nicht nachgeben wollte. »Verdammt noch mal!«, brüllte er und riss wild daran.

Ich streckte die Hand aus und berührte ihn sanft am Arm. »Jase …«

Er hielt inne. Seine Brust hob und senkte sich heftig, seine Nasenflügel blähten sich. Seine Augen blieben auf den verdorrten Strauch geheftet. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«, sagte er. »Wäre seine Hand nicht gewesen …« Er drehte sich um und begegnete meinem Blick. »Samuel war stark und hatte scharfe Augen, aber seine verletzte Hand …« Plötzlich versagte ihm die Stimme den Dienst.

War. Samuel war.

»Es wird alles gut, Jase. Zusammen bekommen wir das schon hin.« Jedes Wort, das ich von mir gab, fühlte sich hohl und unzulänglich an, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Ich fühlte mich erbärmlich nutzlos.

Jase schaute weg, und seine Brust weitete sich unter einem langsamen, bewussten Atemzug. Dann fuhr er sich durchs Haar und straffte die Schultern. Ich konnte förmlich beobachten, wie er zusammenflickte, was sich in ihm gelöst hatte. Er weigerte sich, der Verzweiflung das Feld zu überlassen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er schüttelte den Kopf und ging davon, durchwühlte seine Ausrüstung. Jase kramte seine Axt hervor und hackte den Ast mit einem wilden Hieb vom Strauch.

»So«, sagte er und warf das bezwungene Holz ins Feuer. Funken stoben auf und tänzelten durch die Luft. Jase richtete seine Aufmerksamkeit auf den toten Stumpf und hackte genauso ungestüm darauf ein. Der Lärm wirkte in der Leere um uns herum trostlos, und jeder dumpfe Schlag fuhr mir vibrierend in die Knochen.

»Jase, rede mit mir. Bitte. Gibst du mir die Schuld? Weil du nicht dort warst?«

Mitten im Schwung hielt er inne und starrte mich an. Die Wut floss aus seinen Zügen ab. »Dir? Wovon redest du?« Er ließ die Axt zu Boden sinken. »Es ist nicht deine Schuld, Kazi. Das ist unser Los. Die Geschichte der Ballengers. Das habe ich dir von Anfang an zu vermitteln versucht. Vor unserer Tür lauern immer Wölfe. Unsere Geschichte ist von Beginn an mit Gewalt gespickt, aber nicht, weil wir es so wollten. Jetzt haben wir endlich eine echte Chance, das zu beenden. Keine Machtspiele mehr. Keine Schwarzmärkte mehr. Keine Abgaben mehr an einen abwesenden König, der nie etwas unternimmt, um das Leben der Menschen in Höllenrachen zu verbessern. Lydia und Nash werden anders aufwachsen als ich. Sie werden ein anderes Leben haben, ein Leben, bei dem sie nicht ständig bang über die Schulter schauen müssen. Sie werden keine Straza brauchen, die sie auf Schritt und Tritt begleiten. Unsere Geschichte steht kurz davor, sich zu ändern. Wir werden sie ändern – zusammen, weißt du noch?«

Ich nickte, und er zog mich in seine Arme, vergaß den Strauch.

Wölfe vor der Tür. Unwillkürlich musste ich an Zane denken. Auch meine Geschichte würde sich demnächst ändern.

Damit sich unsere Geschichte nicht wiederholt,

Lasst uns die Geschichten weitererzählen

Vom Vater auf den Sohn, von der Mutter auf die Tochter.

Denn innerhalb einer einzigen Generation

Gehen Geschichte und Wahrheit für immer verloren.

Jezelias Lied

Jase

DER WIND HEULTE über die Ebene wie ein einsames Tier.

Kazi und ich vergruben uns dicht aneinandergeschmiegt in unserem Schlafsack, zogen uns die Decken über die Köpfe und wärmten uns gegenseitig. Ihre schläfrigen Atemzüge hauchten feucht an meine Brust.

Gibst du mir die Schuld?

Ich wusste, was Schweigen bewirken konnte, welche Angst und welche Zweifel es säte. Bei Gefangenen benutzte ich es mit berechnender Absicht, damit in den langen Augenblicken der Stille etwas Schreckliches und Schmerzliches in ihren Köpfen entstand. Bei Händlern und Gesandten benutzte ich es, um Verhandlungen zu meinen Gunsten zu beeinflussen, indem ich sie durch mein Schweigen zu dem Glauben verleitete, ich stünde kurz davor abzubrechen. Bei Zane hatte ich es benutzt, um ihm Devereux’ Namen zu entlocken. Ich hatte nie vorgehabt, es bei Kazi zu benutzen, aber ich war außer mir gewesen, denn ich spürte, wie meine Verleugnung mit jeder Meile nachließ, die wir zurücklegten. Ich haderte mit der Tatsache, dass die Botschaft echt sein könnte. Das Schweigen, das Kazi abbekam, war lediglich in mir gefangene Angst. Nur woher sollte sie das wissen? Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie tief mich einst ein Schweigen getroffen hatte, als mein Vater nicht mit mir sprechen wollte.

Warte einfach ab, Jase, hatte Tiago damals zu mir gesagt. Er hat es nicht so gemeint. Im Augenblick ist er nur blind vor Kummer.

Zu dem Zeitpunkt waren Tiagos Worte bedeutungslos für mich.

Mein Vater stürmte durch die Vordertür herein und rief nach meiner Mutter. Die Neuigkeit von Sylveys Tod hatte ihn erreicht. Er war fort gewesen, hatte die Übeltäter gejagt, die eines unserer Gehöfte überfallen hatten. Schlammverschmiert und vor Nässe triefend, weil er durch ein Unwetter geritten war, stapfte er durch den Saal. Ich versuchte, ihn am Fuß der Treppe für eine Erklärung aufzuhalten, und er stieß mich beiseite. Weg von mir!

Im Verlauf der folgenden Tage richtete sich alles Augenmerk auf meine anderen Brüder und Schwestern, die immer noch krank waren. Micah starb. Die anderen erholten sich. Die Ängste, die ich mit meinem Vater teilen wollte, blieben in mir eingekesselt, vor allem, nachdem ich Sylveys Leichnam gestohlen hatte. Mein Vater konnte nicht wissen, welche Schuldgefühle sein Schweigen geschürt hatte. Aber Tiago schon. Warte einfach ab, wiederholte er Tage später, als man meine Eltern im ganzen Haus streiten hörte.

Wenn ich da gewesen wäre …

Du hättest nichts ändern können!

Ich hätte …

Du bist kein Gott, Karsen! Hör auf, dich wie einer aufzuführen! Du hast kein Heilmittel gegen das Fieber! Das hat niemand!

Wir hätten mehr Heiler haben sollen! Mehr …

Um der Götter willen, Karsen! Was geschehen ist, ist geschehen! Was zählt, ist, was wir jetzt tun!

Ihr Geschrei war mir durch und durch gegangen, schneidender als der eisige Wind, der draußen heulte. Und es hatte gestimmt. Mein Vater hätte nichts zu ändern vermocht. Was aber war mit mir? Hätte ich für Samuel etwas ändern können? Ich hätte ihn nicht in der Arena postieren sollen. Aber ich hatte gedacht, bei der Verwaltung in der Arena wäre er sicher. Wir hatten dort gut gerüstete Wachleute, weil eine Menge Geld die Hände wechselte. Wer hatte ihn angegriffen? Oder hatte es sich woanders ereignet? Ein wütender Händler in einer finsteren Gasse? Eine weitere geheimnisvolle Truppe wie die von Verrtig, die ihm entlang eines Wüstenpfads aufgelauert hatte? Wo waren seine Straza gewesen?

»Du bist wach«, flüsterte Kazi mit schläfriger Stimme.

»Schhh«, machte ich. »Schlaf weiter.«

»Woran denkst du gerade?«,

Ich verstärkte den Griff meines Arms um sie. »Ich denke gerade daran, wie sehr ich dich liebe.«

»Dann bin ich froh, dass du wach bist. Sag’s mir noch mal, Jase. Sag mir das Rätsel …«

Sie murmelte einige weitere unzusammenhängende Wörter, bevor sie mit der Wange an meiner Schulter wieder einschlief. Ich küsste sie auf den Kopf. Mein Atem, mein Blut, mein Ruhepol.

*