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"Ihre Schilddrüsenwerte stimmen nicht." Diesen Satz hören zwischen 30-40% aller Hilfesuchenden. Was sich allerdings hinter dem winzigen, aber hochkomplexen Organ in unserem Hals verbirgt und wie sich selbst kleinste Änderungen im Haushalt der Schilddrüsenhormone radikal auf unser Leben auswirken, davon haben wohl die Wenigsten eine Vorstellung. In seinem neuen Buch räumt der Arzt und Erfolgsautor Falk Stirkat mit den Gerüchten und Halbwahrheiten über unser wichtigstes Organ auf. Einfach, verständlich und humorvoll legt er dar, wie die kleine Drüse funktioniert und weshalb Störungen hier so weitreichende Folgen haben. Dabei wird der Sprachstil immer bewusst auf Augenhöhe mit dem medizinischen Laien gewählt. Neben zahlreichen Patientengeschichten, Interviews mit Betroffenen und Fachärzten bekommt der Leser hilfreiche Tipps im Umgang mit den unterschiedlichen Schilddrüsen-Erkrankungen an die Hand. Verschiedene Charts und Empfehlungen runden das abwechslungsreiche Leseerlebnis ab.
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Seitenzahl: 226
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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019
© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019
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Projektleitung: Barbara Fellenberg
Lektorat: Irmela Sommer
Bildredaktion: Simone Hoffmann
Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München
eBook-Herstellung: Isabell Rid
ISBN 978-3-8338-7211-2
1. Auflage 2019
Bildnachweis
Illustrationen: Hassan Al Mohtasib; Dmitri Broido; Alexandra Vent
Fotos: Adobe Stock; Prof. Cordes, Nürnberg; Getty Images; iStockphoto; Science Photo Library; Falk Stirkat (Medic-Center Nürnberg)
Syndication: www.seasons.agency
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Geht es Ihnen auch so? Trotz disziplinierter Ernährung nach Plan gelingt es Ihnen nicht, Ihr Gewicht zu halten? Trotz genügend Schlaf fühlen Sie sich ständig müde und abgespannt und können Ihr Potenzial nicht abrufen? Daran könnte der Schmetterlingseffekt schuld sein. Denn die Schilddrüse, der kleine Schmetterling im Hals, beeinflusst unser Leben deutlich stärker, als viele denken.
Leicht verständlich und mit vielen Bildern erläutert der Arzt und Erfolgsautor Falk Stirkat, wie die kleine Drüse im Hals funktioniert und weshalb Störungen so weitreichende Folgen haben. Belauschen Sie mit ihm die »WhatsApp-Korrespondenz« im Gehirn, staunen Sie über den großen Einfluss allerkleinster Hormone und lesen Sie über alle Untersuchungen, die auf dem Weg zur korrekten Diagnose durchgeführt werden. Damit Sie im Fall der Fälle wissen, was auf Sie zukommt, und mitreden können über den Schmetterlingseffekt – auf Augenhöhe mit Ihrem behandelnden Arzt.
Die Schilddrüse wurde in der öffentlichen Wahrnehmung über viele Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Erst seit ein paar Jahren wächst das Interesse an diesem faszinierenden und überaus wichtigen Organ.
Dabei ist es schon verwunderlich, dass zu der Reihe an medizinischen Sachbüchern, die während der letzten Jahre das Licht der Welt erblickt haben und in denen Darm, Haut, Herz und andere Körperteile eingehend erläutert werden, noch kaum eine unterhaltsame und trotzdem fachlich gut recherchierte Abhandlung über die Schilddrüse ihren Weg ins Bücherregal gefunden hat. Das soll sich nun ändern!
In meiner Praxis sehe ich beinahe täglich Schilddrüsenpatienten, halte sogar eine gesonderte Schilddrüsensprechstunde ab. Die von den Patienten an mich gestellten Fragen sind dabei eigentlich immer gleicher Natur und lassen sich oft nicht auf die Schnelle beantworten. Fragen wie zum Beispiel:
»Habe ich eine Unter- oder eine Überfunktion?«
»Was ist eigentlich dieses Hashimoto?«
»Was darf ich noch essen?«
»Kann ich selbst irgendetwas für meine Schilddrüse tun?«
»Wo kommt nur das Fremdkörpergefühl im Hals her?«
begegnen mir täglich. Die Unsicherheit in Bezug auf dieses kleine, aber unglaublich wichtige Organ ist groß. Viele Patienten wollen mehr über die Zusammenhänge zwischen der Fehlfunktion und dem Einsatz von Medikamenten wissen, mehr als wir Ärzte ihnen in den paar Minuten Sprechstundenzeit erklären können. Aber Aufklärung ist gerade im medizinischen Bereich unglaublich wichtig, besteht sonst doch die Gefahr, dass sich die Patienten von den vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen abwenden und eigene Wege gehen. Wege, die im besten Falle zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, im schlimmsten Fall jedoch großen Schaden anrichten können.
Um hier etwas Abhilfe zu schaffen, habe ich dieses Buch geschrieben. Es konzentriert sich ganz bewusst auf die Dinge, die wir sicher über unsere kleine Drüse wissen (oder zumindest sicher glauben zu wissen, ist doch der aktuelle Stand der Wissenschaft trotz größter Akribie auch immer nur der aktuelle Stand des Nichtwissens). Das Hauptaugenmerk liegt dabei natürlich auf der medizinischen und wissenschaftlichen Korrektheit meiner Beschreibungen.
Trotzdem ist es mein erklärter Anspruch, Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu unterhalten. Denn ich bin eigentlich immer bemüht, Medizin und Unterhaltung unter einen Hut zu bringen, damit sich meine Patienten qualitativ hochwertig über medizinische Fragestellungen informieren können, ohne sich zu langweilen. Diesem Anspruch versuche ich auch im vorliegenden Buch gerecht zu werden.
Für Selbstbestimmung in der Medizin benötigt der Patient fundierte Informationen. Nur ein informierter Patient kann den Arzt als Partner in der Behandlung sehen. Zum Thema Schilddrüse möchte ich Ihnen diese Informationen auf den folgenden Seiten so präsentieren, dass Sie am Ende überrascht sagen können: »Was für ein tolles Organ!«
In diesem Sinne wünsche ich alles Gute und viel Freude beim Lesen!
Falk Stirkat
Das Herz pumpt Blut, die Lunge atmet und das Hirn denkt. So weit sind die grundlegenden Körperfunktionen eines Säugetieres schon Grundschülern bekannt. Die meisten Erwachsenen können so gut wie jedem Organ eine Aufgabe zuordnen. Auf die Schilddrüse angesprochen, sind viele jedoch erst einmal ratlos. Und das ist überraschend, da etwa 30 Prozent der Deutschen Probleme mit diesem Organ haben. Weiter nachgefragt, geht das Wissen vieler allerdings nicht über den Umstand hinaus, dass sie Schilddrüsenmedikamente nehmen müssen. Das »Warum« bleibt meist unbeantwortet.
Den meisten Menschen ist wohl klar, dass, wenn das Herz versagt, der Transport des Blutes zum Erliegen kommt, was unweigerlich einen Herz-Kreislauf-Stillstand und in letzter Konsequenz den Tod zur Folge hat. Das Krankheitsverständnis – und daraus folgend die Einsicht, einer bestimmten Therapieempfehlung nachzukommen – leitet sich in diesem Fall unweigerlich vom grundlegenden Verständnis der Funktion des Herzens ab. Da es aber schwierig ist, die Schilddrüse als Organ zu verstehen, weil sie in komplexen Interaktionen mit so gut wie allen anderen Organsystemen steht, ist es umso verzwickter, Funktionsstörungen und damit Therapieschemata zu begreifen. Diese Unsicherheit kann in der Folge zu einer schweren Disharmonie zwischen unserem so wichtigen Schmetterlingsorgan und dessen Besitzer führen. Als Konsequenz entsteht oft ein problematischer Hang zu Eigen- und Alternativtherapien – mit fatalen Folgen für den Betroffenen.
Um das zu vermeiden, ist das Verständnis der kleinen und doch so wichtigen Drüse von grundlegender Bedeutung …
Unsere Gesellschaft ist schnelllebig geworden. Jeder Handgriff wird akribisch geplant, unsere Terminpläne sind oft Wochen und Monate im Voraus ausgebucht. Da ist es keine große Überraschung, dass sich immer mehr Menschen müde und ausgebrannt fühlen. Eine logische Konsequenz sind häufig auftretende mentale und schließlich auch körperliche Symptome. Die Haare werden immer dünner, die Haut ist trocken und spröde, das Körpergewicht macht, was es will, der Magen-Darm-Trakt stellt völlig auf stur und alles scheint jeder versuchten Einflussnahme zu trotzen. Spätestens jetzt suchen die meisten Menschen einen Arzt auf. Nicht selten fördert schon eine einfache Blutentnahme Erstaunliches zutage.
»Ihre Schilddrüsenwerte stimmen nicht. Das müssen wir uns mal genauer anschauen.« Diesen Satz hören 30 bis 40 Prozent aller Hilfesuchenden. Was sich allerdings hinter dem winzigen, aber hochkomplexen Organ in unserem Hals verbirgt und wie sich selbst kleinste Änderungen im Haushalt der Schilddrüsenhormone radikal auf unser Leben auswirken, davon haben wohl die wenigsten eine Vorstellung. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Konzentration der Hormone in Schilddrüsenpräparaten in Mikrogramm gemessen wird, also mindestens um den Faktor zehn geringer ist als bei den meisten anderen Präparaten, dann wird einem schnell klar, wie feinfühlig das gesamte System Schilddrüse ist. Es ist also ein Leichtes, hier Unordnung hineinzubringen. Trotz der geringen Konzentration, in der die Schilddrüsenhormone im Blut vorkommen, ist ihre Wirkung an so gut wie allen Organen beeindruckend. Es genügt eine winzige Änderung in der Konzentration, und der Betroffene erkennt sich kaum wieder.
Schilddrüsenhormone beeinflussen aber nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche des Menschen. Je nachdem, ob zu viele oder zu wenige von ihnen vorliegen, kann das zu unkontrollierbaren Abweichungen von normalen Körperfunktionen oder vom normalen Körperempfinden führen. Den Unterschied zwischen Gewichtszunahme auf der einen und einem überaktiven Stoffwechsel, der es dem Betroffenen schwer macht, überhaupt ein bisschen zuzunehmen, auf der anderen Seite oder zwischen chronischer Müdigkeit, Abgeschlagenheit und fehlender Libido einerseits und einer kaum zu bändigenden Aktivität andererseits können schon ein paar wenige Hormone ausmachen, deren absolute Menge so gering ist, dass man sie mit bloßem Auge nicht sehen könnte. So sind wir alle abhängig von einer kleinen Drüse im Hals, die in verschwindend geringem Maße Hormone produziert, die ihrerseits wiederum all das beeinflussen, was uns ausmacht, und von der die meisten Menschen doch kaum etwas wissen. Funktionsstörungen des kleinen Organs haben dramatische Auswirkungen, nicht nur auf die Drüse selbst, sondern auf so gut wie alle anderen Organe des menschlichen Körpers, was sie zu einer Art medizinischem Chamäleon macht. Im Gegensatz zu Erkrankungen anderer Körpersysteme, wie etwa der Lunge oder des Herzens, verursacht die der Schilddrüse keine klassischen Symptome, sondern zwingt die Patienten oft zu einem monate- oder sogar jahrelangen Ärztemarathon. Dabei werden nicht selten Fachärzte verschiedenster Fachrichtungen konsultiert, die den Betroffenen die allerbeste Gesundheit bescheinigen – obwohl diese sich nicht gesund fühlen. Oft endet die Odyssee mit der verzweifelten Frage, ob die eigenen Symptome nicht vielleicht doch auf die Psyche zu schieben sind – dabei wäre ein einziger Laborwert völlig ausreichend, um dem Übeltäter auf die Schliche zu kommen. Denn Schilddrüsenfunktionsstörungen sind bei Weitem keine Seltenheit: Um die 30 Prozent der Deutschen leiden darunter – mit schwerwiegenden Folgen ...
Stellen Sie sich eine klitzekleine Knospe vor, die an einem winzigen Stängel sitzt, welcher aus ein paar Zellschichten besteht. Dieser winzige Gewebsknubbel ist aus lediglich zwei Zellen hervorgegangen, die an sich nicht einmal richtige Zellen waren, weil sie nämlich nur jeweils einen halben Chromosomensatz besaßen. Nach deren Verschmelzung jedoch entsteht eine gänzlich neue Zelle mit völlig neuen Eigenschaften. Und weil die sich tierisch des Lebens freut, macht sie erst einmal genau das, woraus sie selbst entstanden ist: Sie vermehrt sich. Aber das passiert nicht einfach ziellos und ohne Plan, sondern folgt einem genau vorgeschriebenen Algorithmus, den wir bis heute noch nicht komplett verstanden haben. Er sorgt dafür, dass aus jenen zwei halben Zellen (von Mutter und Vater) ein riesiges Zellkonglomerat entsteht, dem die Eltern später die Namen Eva, Karla oder Heinz geben.
Die Schilddrüse wandert vom Zungengrund in den Hals. Wenn sie auf ihrem Weg ein paar Zellen »verliert«, kann ein dritter Schilddrüsenlappen entstehen.
Irgendwann im Laufe der Entwicklung, der sogenannten Embryogenese, genauer gesagt am 22. Tag nach der Befruchtung sprießt eben jener kleine Knubbel aus ein paar Stammzellen – das sind Zellen, aus denen jede mögliche Art Gewebe entstehen kann – heraus und beschließt, zur Schilddrüse zu werden. Dumm nur, dass der Bursche sich in einem Bereich des Embryos entwickelt hat, der eher dem Mund des sich formenden Menschlein zuzuordnen ist, wobei dieser »Mund« momentan noch eher aussieht wie ein paar Fischkiemen, weniger wie ein richtiger Mund. Nichtsdestotrotz muss sich der Gewebeknoten doch irgendwie einen anderen Ort suchen, um zu wachsen, denn im Mund, genauer gesagt auf dem Mundboden, also dort, wo sich später der hintere Teil der Zunge befindet, kann er nicht bleiben. Aber kein Problem! Die wenigen Zellen rutschen einfach ein Stockwerk tiefer. Und tatsächlich kann man sich die Migration der Schilddrüsenknospe wie eine fröhliche Rutschpartie im Schwimmbad vorstellen. Rutsche Black Neck, nur für Fortgeschrittene und nur hintereinander rutschen! Dem Verlauf des embryonalen Schlauches, der später mal zum Magen-Darm-Trakt wird, folgend, macht sich die Urschilddrüse auf den Weg nach unten, so lange, bis sie am Eingang zum Brustkorb stecken bleibt. Von hier aus kommt man nur mit VIP-Ticket weiter. Manchmal »verliert« der Zellhaufen auf seinem Weg nach unten ein paar Zellkollegen, die sich dann auf der Rutschbahn festsetzen und den sogenannten Lobus pyramidalis bilden. Dabei handelt es sich um einen dritten Schilddrüsenlappen (die normale Schilddrüse besteht aus zwei Lappen, wir kommen gleich darauf zurück), der bis zum Zungengrund reichen kann und bei etwa 30 Prozent der Bevölkerung vorhanden ist.
Nachdem wir jetzt wissen, wie die Schilddrüse dorthin kommt, wo sie dann das ganze Leben lang sitzt, sollten wir uns der Frage widmen, um was es sich bei einer Drüse denn eigentlich handelt.
Die Mediziner unterscheiden sogenannte endokrine von exokrinen Drüsen. Beide vereint ihre Eigenschaft, Hormone oder Enzyme zu produzieren. Hormone sind Stoffe, die durch ihre Wirkung an bestimmten Rezeptoren in Körpergeweben Signale weitergeben können und so spezielle Körperfunktionen beeinflussen. Dabei gehen sie meist nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip vor. Das bedeutet, dass die Hormone zwar im gesamten Körper über den Blutstrom zirkulieren, aber nur in denjenigen Geweben wirken, die den entsprechenden Rezeptor, also das Schloss, zu dem ihr Schlüssel passt, besitzen (siehe Abbildung, >). Enzyme wiederum werden gebraucht, um spezielle Reaktionen im menschlichen Stoffwechsel zu beschleunigen. Ohne Verdauungsenzyme beispielsweise würde es Monate dauern, bis sich eine Mahlzeit in ihre Bestandteile aufgelöst hätte. Die freigesetzte Energie, von der unser Körper lebt, könnte nicht genutzt werden.
Der Unterschied zwischen endokrinen und exokrinen Drüsen ist die Art und Weise, wie sie ihre Botenstoffe loswerden. Während exokrine Drüsen, wie beispielsweise die Speicheldrüse, ihre Sekrete an Ort und Stelle über einen winzigen Gang freisetzen, geben endokrine Drüsen die Hormone direkt ins Blut ab und regulieren so die Konzentration der Stoffe im gesamten Kreislauf. Wegen der Sache mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip werden Hormone aber nur dort aktiv, wo sie auch benötigt werden, was an einer ganz anderen Ecke des Körpers sein kann. So schüttet die Nebennierenrinde, eine endokrine Drüse, beispielsweise Hormone aus, die im Gehirn ihren Dienst verrichten. Und auch die Rezeptoren für Schilddrüsenhormone sitzen nicht nur im Hals, sondern überall im gesamten Körper. Das Faszinierende bei der Sache ist, dass sie nicht überall dieselbe Wirkung haben. Je nachdem, wo ein Rezeptor sitzt und in welcher Konzentration er an den Wänden der Gewebe vorhanden ist, kann ein und dasselbe Hormon ganz unterschiedliche Auswirkungen auf den Organismus haben.
Hormone wirken über das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Eine Zelle schüttet Hormone aus, die wiederum an Rezeptoren anderer Zellen ihre Wirkung entfalten.
Ein Hormon steuert aber nicht nur die Wirkung anderer Organe, sondern ist oft auch an demjenigen Körperteil aktiv, von dem es produziert wird. Der Körper reguliert die Aktivität der Drüsen nämlich mithilfe dieses Mechanismus. Sie produzieren oft nur dann Hormone, wenn diese eine niedrige Aktivität an der Drüse selbst aufweisen. Ganz schön kompliziert, aber sinnvoll, weil nur so verhindert werden kann, dass jede einzelne Drüse, sei es nun die Schild-, Bauchspeichel- oder Zirbeldrüse, macht, was sie will.
Jetzt wissen wir also schon eine ganze Menge über dieses faszinierende kleine Organ. Und klein ist es in der Tat ...
Das Volumen der menschlichen Schilddrüse beträgt lediglich ein paar Milliliter. Normalerweise reicht ein Milliliter Schilddrüsengewebe pro zehn Kilogramm Körpergewicht vollkommen aus. Von einer Schilddrüsenvergrößerung, dem sogenannten Kropf, spricht man bei Männern ab einem Volumen von 20 Milliliter, bei Frauen reichen schon 18 Milliliter. Stellen Sie sich das mal bildlich vor: Zehn Milliliter – das ist ein kleines Schnäpschen. Und in diesem Schnäpschen Schilddrüse ist alles drin, was das Organ so einzigartig macht und ihm die Fähigkeit verleiht, alle möglichen Körperfunktionen, inklusive des Gemütszustandes und sogar der Libido, zu kontrollieren. Die eigentlichen Schilddrüsenhormone bilden dabei lediglich einen Bruchteil dieser ohnehin schon winzigen Gewebemasse.
Mikroskopischer Einblick in die Struktur der Schilddrüse. Die großen, blasenartig anmutenden Strukturen sind Follikel. In ihnen werden die Hormone gespeichert.
Vergrößert man die Schilddrüse mit einem Mikroskop und schaut auf diese Weise tief hinein in das kleine Organ, so wird eine Art wabenförmige Konstruktion sichtbar, fast wie in einem Bienenstock. Die Schilddrüse besteht nämlich aus lauter kleinen, separaten Funktionseinheiten, den sogenannten Follikeln.
Jedes dieser Follikel besteht wiederum aus einer Reihe von spezialisierten Zellen, den Epithelzellen. Deren Aufgabe ist es, Schilddrüsenhormone zu produzieren. Weil sich aber der Bedarf an den winzigen Molekülen ständig ändert und immer wieder an die aktuelle Situation des Körpers angepasst werden muss, können die von den Epithelzellen produzierten Hormone nicht direkt ins Blut abgegeben, sondern müssen zwischengespeichert werden. Das geschieht im Raum zwischen den Follikelzellen. Man kann sich einen Schilddrüsenfollikel vereinfacht wie einen Fußball vorstellen. Die ledernen Pentaeder und Hexaeder wären in diesem Falle die Epithelzellen und die Pressluft im Inneren des Balles wäre das sogenannte Kolloid. Dabei handelt es sich um eine Masse aus Schilddrüsenhormonvorläufern und einem ganz speziellen Protein, dem sogenannten Thyreoglobulin, das uns später, wenn wir uns mit den Krankheiten der Schilddrüse beschäftigen, auf der > noch mal begegnen wird. Die Konsistenz des Kolloids ist gallertartig, es ist eine homogene, glibberige Masse.
Übrigens: Die Produktion der Schilddrüsenhormone findet nicht immer in gleichem Maße statt. Diesbezüglich ist das Organ eher träge und ruht sich gerne mal aus. Während dieser Pausen wird der Hormonbedarf des Körpers mithilfe der im Kolloid gespeicherten Hormone gedeckt. Nur selten legt die kleine Drüse den Produktionsbooster ein und füllt ihre Speicher auf.
Zwischen den einzelnen Follikelzellen findet man immer wieder kleine Blutgefäße – vergleichbar mit Straßen –, deren Aufgabe es ist, die in der Schilddrüse produzierten Hormone abzuholen und in den Körper zu transportieren. Dafür verzweigen sich die zwei großen Blutgefäße, die auf jeder Seite in die Schilddrüse führen, immer weiter, um am Ende so dünnwandig und filigran zu sein, dass es kein Problem mehr darstellt, die winzigen Hormone ins Blut aufzunehmen und über sogenannte Rezeptoren überall dort hinzutransportieren, wo sie im Körper ihre wichtige Arbeit verrichten müssen. Allerdings handelt es sich hier nicht um einen einseitigen Transport von der Schilddrüse in den Körper. Auch das Organ selbst empfängt über die Arterien spezielle Hormone, deren Aufgabe es ist, Produktion und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen zu steuern.
Schematische Darstellung einer Schilddrüse
Die Schilddrüse liegt tief im Hals verborgen unter einer dicken Schicht aus Haut und Muskeln. Sie schmiegt sich direkt an die Luftröhre und hat in etwa die Form eines Schmetterlings.
Wegen der vielen Follikel, aus denen das kleine Organ gebildet wird, wirkt die Drüse auch von außen relativ homogen, will heißen einheitlich. Eine funktionelle Gliederung, wie man sie zum Beispiel im Herz findet, bei dem Vorhöfe und Kammern zu einer Einheit verschmelzen, existiert hier nicht. Auch geht die Schilddrüse keiner greifbaren physikalischen Aufgabe wie der des Blutpumpens nach. Wollen wir Sinn und Zweck des kleinen Organs verstehen, müssen wir tief in dessen Struktur hineinschauen. Genau wie bei der Leber oder der Milz spricht man im Falle der Schilddrüse von einem parenchymatösen Organ. Unter Parenchym verstehen die Mediziner nämlich genau diese homogene Zellmasse, die ihre wahre Struktur erst unter dem Mikroskop offenbart.
Die Schilddrüse besteht aus zwei Lappen, einem rechts und einem links im Hals. In 30 Prozent der Fälle findet man den bereits auf > erwähnten dritten Schilddrüsenlappen, den Lobus pyramidalis, in der Mitte, also direkt auf der Luftröhre aufliegend.
Um die Schilddrüse mit Blut zu versorgen, zweigen auf jeder Seite zwei große Arterien, entweder aus der Halsschlagader oder aus einem Hauptast der Aorta (unserer Hauptschlagader) in Richtung Schmetterlingsorgan ab und bringen frisches, sauerstoffhaltiges Blut. Andersherum wird das »verbrauchte« Blut, das zwar wesentlich weniger Sauerstoff enthält, dafür aber mit den wichtigen Hormonen vollgepackt ist, über drei Venen aus der Drüse geleitet. Die Blutversorgung der Schilddrüse ist also ziemlich gut. Bei Operationen stellt das eine große Herausforderung dar, da das kleine Organ richtig stark bluten kann. Es ist allerdings für sein korrektes Funktionieren unabdingbar, denn nur so können die Hormone an ihre vielen Zielorte gelangen.
Wer denkt, die Schilddrüse mit ihren paar Millilitern Volumen wäre ein kleines Organ, der hat noch nichts von den Nebenschilddrüsen gehört. Das sind richtig kleine Kerle. Sie verstecken sich auf der Rückseite eines jeden Schilddrüsenlappens – und das gleich doppelt. Die kleinen »Gewebsknöpfchen« sitzen ganz oben und ganz unten und sind dafür da, den Kalziumstoffwechsel im Körper zu regeln. Obwohl es gerade in Bezug auf deren Namen, aber auch deren Lokalisation den Anschein hat, sie gehörten auch funktionell zur Schilddrüse, ist dem nicht so. Aus diesem Grund finden sie in diesem Buch keine weitere Erwähnung.
Versteckt zwischen den Follikeln der Schilddrüse liegen die sogenannten C-Zellen, auch parafollikuläre Zellen genannt. Ihre Aufgabe ist die Produktion eines Hormons mit dem Namen Calcitonin, das maßgeblich für den Kalziumstoffwechsel verantwortlich ist. Entarten diese Zellen (was aber glücklicherweise eher die Ausnahme ist), dann entsteht ein medulläres Schilddrüsenkarzinom, ein Tumor, der zwar den Krebsarten der Schilddrüse zugeordnet wird, jedoch eigentlich überhaupt nichts damit zu tun hat (siehe > f.).
Sie sehen also – selbst in den paar Millilitern, die da so unscheinbar im Hals sitzen, versteckt sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Funktionseinheiten. Man kann also eigentlich gar nicht von einem homogenen Organ sprechen. Bei der Schilddrüse handelt es sich vielmehr um eine Spielwiese essenzieller Hormone!
Nachdem wir uns mit dem Aufbau der Schilddrüse beschäftigt haben, wissen Sie nun, dass das kleine Organ im Hals die Aufgabe hat, Hormone zu produzieren und dem Organismus zur Verfügung zu stellen. Auf den nächsten Seiten werden wir uns damit beschäftigen, wie genau das vonstatten geht und welche Rolle der Stoff Jod bei der ganzen Sache spielt.
Falls Sie in den Achtzigerjahren oder früher geboren wurden, wissen Sie, dass eine jodarme Ernährung zur Bildung eines Kropfes führen kann. Den Grund dafür werden wir gleich kennenlernen. Vielleicht haben Sie auch schon davon gehört, dass die Behörden in Gebieten um Atomkraftwerke empfehlen, Jodtabletten vorrätig zu halten. Auch darauf werden wir später noch zurückkommen. Heute gibt es den Jodmangelkropf, wie das Krankheitsbild treffend genannt wird, nicht mehr so häufig. Schließlich gibt es mittlerweile in jedem Supermarkt jodiertes Speisesalz zu kaufen. Der Bedarf an Jod wird also durch die ganz normale Ernährung gedeckt. Jod ist ein essenzieller Stoff bei der Herstellung von Schilddrüsenhormonen. Erst das Jod macht aus einem mehr oder weniger nutzlosen Protein ein hochfunktionelles Hormon. Wenn man bedenkt, dass es sich beim Jod lediglich um ein winziges Atom handelt, ist das sehr bemerkenswert. So kann ein einzelnes kleines Teilchen, das – schaut man sich dessen atomare Struktur genau an – zu über 99 Prozent aus überhaupt nichts besteht (zwischen Atomkern und den Schalen befindet sich ein Vakuum, also nichts), nicht nur beeinflussen, ob wir Verstopfung haben oder Durchfall, sondern es entscheidet auch darüber, ob es beim romantischen Rendezvous bleibt oder ob man sich danach doch noch bei ihr oder ihm trifft ...
Schauen wir uns also an, was genau das Element Jod so unvergleichlich wichtig für unseren gesamten Stoffwechsel macht.
Nur mithilfe von Jod, das über die Nahrung aufgenommen wird, können aus Vorläufermolekülen die Hormone T3 und T4 entstehen.
Grundsätzlich existiert eine ganze Reihe von unterschiedlichen Schilddrüsenhormonen, die wichtigsten sind Thyroxin und Triiodthyronin. Weil diese Namen nicht sonderlich eingängig sind, nutzen wir Mediziner die Abkürzungen T4 für Thyroxin und T3 für Triiodthyronin. Die Zahlen drei und vier stehen hier für die Anzahl der Jodatome, die im komplizierten Geflecht der Hormone, bestehend aus sogenannten Aminosäuren und aromatischen Ringen (siehe Infobox, >), eingeflochten werden. Das Jod dient sozusagen als eine Art Klebstoff für die anderen Bestandteile des Hormons. Verantwortlich für das Verbinden der Jodatome mit dem Hormongerüst ist das Enzym Thyreoperoxidase, kurz TPO. Dieser Biokatalysator wird uns im Laufe des Buches noch ein paarmal begegnen (siehe >). Ohne ihn könnten wir so viel Jod essen, wie wir wollten, es würde trotzdem kein einziges Hormon dabei herauskommen. Der gesamte Vorgang der Hormonsynthese (also der Bildung von Hormonen) ist natürlich ungleich komplizierter. Es spielen noch viele Neben- und Unterhormone eine Rolle, die für das Verständnis der wichtigsten Schilddrüsenkrankheiten aber keine Bedeutung haben.
Von den beiden Haupthormonen, dem T3 und dem T4, ist Ersteres mit Abstand das biologisch aktivere. T4 ist eher der Hormonfaulenzer. Trotzdem schüttet die Drüse ungefähr 80 Prozent T4 und nur 20 Prozent T3 aus. Das macht auch Sinn, denn andernfalls wären wir immer sofort auf Hochtouren, wenn die Hormone den sicheren Hafen der Schilddrüse verlassen und im Körper auf Wanderschaft gehen. Die Faulheit des T4 ist sozusagen ein wichtiger zusätzlicher Schutzmechanismus. Erst wenn T4 die Zielzelle erreicht hat, wird es dort, wiederum mithilfe von Enzymen, in T3 umgewandelt, das den Laden dann so richtig rockt.
Info
BAUSTEINE DES LEBENS
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Biologieunterricht in der Schule? Da lernt man: Aminosäuren sind die Bausteine des Lebens. Aus ihnen kann der Körper unglaublich viele verschiedene Stoffe produzieren, die dann, ausgestattet mit ein paar schmissigen Extras wie beispielsweise den aromatischen Ringen, einen Stoff ergeben, den man Enzym oder eben auch Hormon nennt.
Stellen Sie sich mal vor, die Schilddrüse könnte schalten und walten, wie sie möchte: »Hey, da ist ein bisschen Jod, super! Lass uns Hormone herstellen, bis wir platzen, und den Körper mal so richtig damit fluten. Yippieyeahhhh!«
Diesen Zustand nennt man Schilddrüsenautonomie, er kommt durchaus vor und ist hochgradig gefährlich. Denn selbstverständlich muss so ein wichtiges und sensibles Organ wie die Schilddrüse kontrolliert und gesteuert werden. Und das geschieht dort, wo die Schaltzentrale für alle Organe sitzt, nämlich im Gehirn. Und auch dort wurde diese Aufgabe nicht einer Region allein übertragen, sondern nochmals so aufgeteilt, dass verschiedene Ebenen an der Steuerung beteiligt sind, damit auch ja nichts schiefgehen kann. Tief im Gehirn, ungefähr auf der Linie zwischen Ohr und Ohr sitzt eine Region, die sich Hypothalamus nennt. Dort nimmt alles seinen Anfang. Der Hypothalamus ist dafür verantwortlich zu berechnen, wie viele Hormone die Drüse ausschütten darf. Auf den ersten Blick ist das doch ziemlich skurril, dass da eine Region irgendwo in den Tiefen unseres Schädels zu sagen hat, was im Hals gerade abgeht.
Die Schilddrüse ist auf die Steuerung von oben angewiesen. Nur wenn Hypothalamus und Hypophyse die richtigen Signale geben, werden Hormone in ausreichendem Maß produziert und freigesetzt.