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Londoner Luxusleben oder unerwartetes Inselabenteuer? Sadie liebt ihr ruhiges Leben auf der Isle of Wight vor der Küste Englands. Mit ihrem besonderen Schmuck aus heimischem Strandglas erobert sie jeden Tag aufs Neue die Herzen der Inselgemeinde. Doch als Sadie die Chance erhält, ihren Schmuck bei einem berühmten Londoner Traditionsjuwelier vorzustellen, beschließt sie, etwas Neues zu wagen. Allerdings verläuft ihre Reise in die Großstadt ganz anders als geplant – und das Chaos scheint ihr zurück in die Whitecliff Bay zu folgen, denn plötzlich steht der unverschämte Sohn des früheren britischen Lordkanzlers vor ihr und meint, Forderungen stellen zu können. Aber was sucht Magnus wirklich auf der Insel? Und warum scheint er sich hier Tag für Tag mehr zuhause zu fühlen? Jeder Band in der zauberhaften »Isle of Wight«-Reihe kann unabhängig gelesen werden und wird Fans von Jenny Colgan und Susanne Oswald begeistern.
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Seitenzahl: 171
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Sadie liebt ihr ruhiges Leben auf der Isle of Wight vor der Küste Englands. Mit ihrem besonderen Schmuck aus heimischem Strandglas erobert sie jeden Tag aufs Neue die Herzen der Inselgemeinde. Doch als Sadie die Chance erhält, ihren Schmuck bei einem berühmten Londoner Traditionsjuwelier vorzustellen, beschließt sie, etwas Neues zu wagen. Allerdings verläuft ihre Reise in die Großstadt ganz anders als geplant – und das Chaos scheint ihr zurück in die Whitecliff Bay zu folgen, denn plötzlich steht der unverschämte Sohn des früheren britischen Lordkanzlers vor ihr und meint, Forderungen stellen zu können. Aber was sucht Magnus wirklich auf der Insel? Und warum scheint er sich hier Tag für Tag mehr zuhause zu fühlen?
Über die Autorin:
Annette Weber, 1956 in Lemgo geboren, schreibt seit über 20 Jahren Romane, in die sie stets ihre Begeisterung für Pferde einfließen lässt. Annette Weber ist verheiratet, hat drei Söhne, fünf Enkelkinder und lebt in der Nähe von Paderborn.
Die Autorin im Internet: www.annette-weber.com/ und www.sina-trelde.de
Bei dotbooks veröffentlichte Annette Weber in ihrer »Verliebt auf der Isle of Wight«-Reihe auch »Das Cottage in Seagrove Bay«, »Die Teestube in Freshwater Bay« und »Der Inselhof in Woodside Bay«.
Auch bei dotbooks erscheint ihre »Gut Werdenberg«-Familiensaga mit den Bänden »Stürme einer neuen Zeit«, »Hoffnung eines neuen Lebens« und »Der Glanz eines neuen Morgens«.
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Originalausgabe April 2025
Copyright © der Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Textbaby Medienagentur, www.textbaby.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion: Ronja Beck
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von © Adobe Stock / MVProductions sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98952-467-5
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Annette Weber
Der Schmuckladen in Whitecliff Bay
Roman
dotbooks.
Den Typen, der an diesem Nachmittag in mein Lädchen kam, kannte ich vom Sehen. Ich hatte ihn auf der Hochzeit meiner Freundin Ruby kennengelernt, als wir zusammen am Buffet standen. Von Ruby wusste ich, dass er Schauspieler war, und nur deshalb hatte ich sogar die Serie geguckt, in der er mitspielte. Dabei interessierte ich mich eigentlich gar nicht für Liebesfilme. Colin Porter hieß er. Er war mit Rubys bester Freundin Nele verheiratet, und die beiden hatten vor einigen Wochen Zwillinge bekommen. Wie ich Nele um diesen Typen beneidete! Er sah unglaublich gut aus, ein bisschen wie Liam, mit dem ich zwei Jahre zusammen gewesen war, und der mich mit meiner besten Freundin Lana betrogen hatte. Als ich an Liam dachte, musste ich einmal tief durchatmen. Der Gedanke an ihn schien doch immer noch mehr weh zu tun, als ich mir selbst zugestand.
Dieser Colin schien jedenfalls nett zu sein, und er war offenbar auch ein liebevoller Vater. Er hatte eines seiner Babys in einem Tuch vor den Bauch gebunden und strich dem schlafenden Mäuschen immer wieder zärtlich über den Rücken. Gleichzeitig schaute er sich meine Kollektion an Kettenanhängern an, die aus Strandglas bestanden. Danach blickte er ein bisschen hilflos zu mir herüber. Ich winkte ihm kurz zu.
Komme gleich, sollte das heißen, und er nickte.
Ich war gerade dabei, ein Schmuckstück für eine Kundin schön zu verpacken. Meine Kollegin Gwyneth beriet einen anderen Kunden in Sachen Trauringe und war ebenfalls beschäftigt. Aber ich wollte die Beratung für Colin sowieso gerne persönlich übernehmen, erst recht, wenn es um die Strandglas-Kollektion ging. Die hatte ich nämlich selbst entworfen.
Meine Kundin nahm ihr kleines Päckchen strahlend im Empfang, zahlte und verließ den Laden. Nun ging ich zu Colin hinüber.
»Hi, grüß dich. Wir kennen uns, oder?«
Colin nickte. Seine grünen Augen fixierten mich nachdenklich.
»Von Rubys Hochzeit, oder?«
Er hatte mich also nicht vergessen. Das machte mich richtig stolz. Ich hatte nämlich das Gefühl, mit meinem Allerweltsgesicht überhaupt nicht aufzufallen. Schließlich sah ich aus wie alle Menschen: Nase normal, Haare normal, Augen normal. Nur meine Zähne waren schön weiß und gleichmäßig, aber das hatte ja mittlerweile auch jeder.
»Sadie heißt du, oder?«
Er kannte sogar meinen Namen. Ich war richtig gerührt.
»Toll, dass du dir das gemerkt hast. Dich kennt man als Schauspieler natürlich.«
Colin verzog kurz das Gesicht und sah dabei aus, als wenn ihm das gar nicht recht wäre. Ich kannte von Ruby eine wilde Geschichte über ihn. Angeblich hatte er sich hier auf der Insel versteckt, um reiten zu lernen und war an Nele geraten. Und dann hatte es einen riesigen Run auf ihn gegeben, der damit endete, dass eine Serie hier auf der Insel und sogar auf Neles Reiterhof gedreht wurde. Nele hatte ihn am Anfang überhaupt nicht leiden können, dann aber hatten sich die beiden total ineinander verliebt.
»Wie kann ich dir helfen? Suchst du ein Kettchen aus Strandglas?«, versuchte ich, das Kundengespräch weiterzuführen. Ich hatte eine Reihe an schönen Anhängern in verschiedenen Größen und Strandglasfarben angefertigt.
Colin fuhr sich durch die Haare und sah nun ein wenig verlegen aus.
»Ich liebe diesen Strandglas-Schmuck sehr. Ich habe Nele bestimmt schon drei Ketten davon geschenkt.«
Er lachte, aber es klang fast ein wenig gequält. Jetzt strich er seinem Mäuschen wieder über den Rücken. Ich betrachtete das schlafende Baby. Es hatte seine Nase in Colins T-Shirt gedrückt. Die Augenlider waren geschlossen, die langen Wimpern legten sich über die Wangen. Zu süß sah es aus. Und so unglaublich vertrauensvoll.
»Ihr habt Zwillinge, oder? Ruby hat das mal erzählt.«
»Genau. Das hier ist Janet.«
Ich wartete geduldig. Colin schien unsicher mit dem zu sein, was er wollte.
»Möchtest du dich erst mal umschauen?«
»Eigentlich brauche ich deinen Rat.«
Ich nickte. »Klar. Gerne. Dazu bin ich da!«
Colin atmete tief durch. »Ich würde Nele so gerne etwas Außergewöhnliches schenken. Sie ist … sie ist einfach toll, und sie macht das alles so klasse mit den Kids und den Pferden …«
Wieder musste ich an Liam denken. Einmal hatte er mir auch Schmuck geschenkt, eine bunte Perlenkette, die ziemlich schwer gewesen war. Ich hatte sie ihm zuliebe manchmal getragen, aber eigentlich hatte ich sie nicht gemocht. Nach unserer Trennung hatte ich sie für einen Flohmarkt aussortiert.
Colin dagegen schien sich tatsächlich viele Gedanken über sein Geschenk zu machen. Schade, dass solche Männer immer vergeben waren.
»Wie lieb von dir, dass du sie überraschen willst«, sagte ich. »Dachtest du eher an eine Perlenkette? Oder einen Ring?«
Jetzt sah Colin noch gequälter aus.
»Das ist es ja«, meinte er. »Ich würde Nele so gerne Schmuck schenken. Das Problem ist nur, dass sie ganz ungern welchen trägt.«
Jetzt sah er richtig verlegen aus.
»Du denkst wahrscheinlich, ich bin total bescheuert, oder? Da gehe ich in einen Schmuckladen, dabei will sie so was gar nicht. Sie mag natürlich Schmuck, aber er stört sie immer bei der Arbeit auf dem Hof und wenn sie mit den Kindern beschäftigt ist.« Er seufzte erneut. »Dabei würde ich ihr damit so gern zeigen, wie besonders sie für mich ist.«
»Das ist überhaupt kein Problem«, versuchte ich ihm die Verlegenheit zu nehmen. »Ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe sogar Schmuck für Menschen, die keinen Schmuck tragen. Das kommt nämlich gar nicht so selten vor.«
Colin sah mich nun dankbar an. »Ich wusste, dass du mir helfen kannst«, meinte er.
Ich führte ihn zu meinem Tresen und öffnete eine Schublade.
»Hier zum Beispiel habe ich einen Entwurf. Er ist noch nicht ganz fertig, aber du kannst sehen, wie er aussieht.«
Ich zeigte ihm drei Lederbändchen, die ich miteinander verflochten hatte. Um die Lederbändchen herum hatte ich Ringe gelegt, die die Bändchen miteinander verbanden, und auf die ich Namen eingraviert hatte.
»Du könntest zum Beispiel so ein Lederbändchen nehmen und vier Ringe drum herum legen, in die ich eure Namen eingravieren könnte. Und weil dir ja auch das Strandglas so gut gefällt, könnte ich hinter jeden Namen auch noch einen kleinen Splitter von dem Strandglas einfügen. Für jeden eine eigene Farbe, wenn du willst.«
An Colins Blick konnte ich erkennen, dass ihn diese Idee faszinierte.
»Das sieht ja schick aus. Richtig genial!« Er strahlte jetzt. »So ein Armband trägt sie bestimmt.«
»Da bin ich mir auch sicher«, stimmte ich zu. »Das ist ganz leicht. Und es fühlt sich weich und gut an.«
Ich legte Colin nun das Armband um und schloss es. Er betrachtete es nachdenklich.
»Das ist perfekt.«
»Dann sollten wir mal überlegen, welche Steine wir für euch wählen wollen«, schlug ich vor, während ich mich insgeheim freute, mal wieder einen Volltreffer gelandet zu haben. Ich öffnete eine Schublade und holte die kleinen Glassteinchen heraus, die ich auf meinen Strandspaziergängen gefunden hatte. Ich hatte sie nach Größen sortiert. Für die Ringe kamen nur kleine Splitter in Frage. Colin strich vorsichtig mit seinen Fingern darüber. Faszination lag in seinem Blick.
»Die sind wunderschön. Hast du sie alle gefunden?«
»Nicht nur ich«, erklärte ich. »Auch Ruby und ihr Mann sammeln immer für mich, wenn sie am Strand spazieren gehen. Ebenso Noah und seine Freundin, wenn sie mit der Schafsherde über die Insel ziehen – die beiden kennst du, oder …?«
Colin nickte.
»Wir sind auch oft am Strand«, erklärte er. »Ich werde in Zukunft mal die Augen für dich auflassen. Diese Schmuckkollektion ist eine großartige Idee. Ein ganz besonderes Geschenk von der Isle of Wight. Die solltest du dir prämieren lassen.«
»So einzigartig ist sie gar nicht«, gestand ich. »Es gibt einige, die Schönes aus Strandglas herstellen. Ich verkaufe den Schmuck auch nicht nur hier im Laden, sondern auch im Internet bei Etsy. Da kann ich sehen, dass es recht viel Konkurrenz gibt.«
»Aber bestimmt nicht das Strandglas von der Isle of Wight«, gab Colin zurück. »Das ist einzigartig.«
Wieder beugte er sich über die Steinchen. Dann suchte er einen braunen Strandglassplitter heraus, der einen grünlichen Schimmer hatte. Nachdenklich hielt er ihn gegen das Licht.
»Der hat genau die Farbe von Neles Augen. Braun, aber wenn das Licht darauf fällt, funkeln sie grün«, sagte er etwas verträumt. »Gut, und welches Glas nehmen wir für dich?«
Wieder betrachtete er die Auslage eingehend. »Hm. Ich weiß nicht.«
Ich nahm eine Pinzette und zog einen blau-grünen Splitter aus den Steinchen. »Ich finde, dieses hier passt zu deinen Augen.«
»Findest du? Okay, dann nehmen wir das.«
Wieder konzentrierte sich Colin auf das Strandglas.
»Zu Janet würde der orange Stein passen«, sagte er. »Und Jacob … ah, dieser türkise wäre perfekt.«
»Alles klar.« Ich notierte mir die Namen der Familie, legte die passenden Steine zur Seite und stellte Colin verschiedene Schriften vor. Er suchte sich eine gut lesbare Schrift heraus – Calibri – und auch die passte irgendwie zu ihm. Jetzt kam die Gretchenfrage.
»Möchtest du die Ringe für das Armband in Gold oder in Silber anfertigen lassen?«, fragte ich und fügte vorsichtig hinzu: »Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber der Goldpreis ist im Moment ziemlich hoch, und sogar der Silberpreis …«
Colin machte eine wegwerfende Handbewegung. Geld schien für ihn keine Rolle zu spielen. Er dachte keine Minute nach.
»Für Nele in Gold«, sagte er sofort. »Sag mal, kannst du für mich auch so ein Armband machen? In Silber?«
O ehrlich, mir ging das Herz auf.
»Natürlich. Das mache ich gerne. Soll ich die gleichen Farben für die Steinchen heraussuchen?«
Colin nickte. »Das wäre perfekt.«
Er strich seinem Baby erneut zärtlich über den Rücken. Janet drückte ihr Näschen tiefer in sein Shirt.
»Und wenn die Kleinen größer sind, bekommen sie auch Armbänder.«
»Das ist wunderbar. Ich bin dabei«, versicherte ich.
Wir besprachen den Abholtermin, und Colin bot an, eine Anzahlung zu leisten, aber darauf verzichtete ich. Ich wusste genau, dass ich mein Geld bekommen würde.
Als Colin schon in der Tür stand, drehte er sich noch einmal zu mir um.
»Was deinen Schmuck betrifft«, begann er. »Du solltest diese Strandglaskollektion unbedingt mal einem Schmuckdesigner vorstellen. Die ist wirklich einzigartig schön.«
Ich war ganz überrascht und fühlte mich sehr geschmeichelt.
»Gib mir mal deine Mailadresse. Dann schicke ich dir den Kontakt von einem bekannten Designer in London. Ich kann mir vorstellen, dass sie begeistert sind.«
Ich war mir zwar nicht so sicher wie er, aber gab ihm trotzdem meine Visitenkarte. Er verabschiedete sich mit einem Strahlen, und ich hatte das gute Gefühl, zwei Menschen glücklich gemacht zu haben.
Der Kontakt zu dem bekannten Schmuckdesigner Ron Rachel Jewellery am Covent Garden in London kam überraschend schnell zustande, was sicherlich an den Referenzen von Colin lag. Ich hatte mich nur schwer von meinem Laden loseisen können. Die Saison hatte angefangen, und wir hatten unglaublich viel zu tun, aber meine Kollegin Gwyneth versicherte mir, einen Tag allein klarzukommen. Ich nahm den frühsten Zug nach London und irrte durch die U-Bahn-Stationen – ich war und blieb eine Insulanerin, die Großstadt überforderte mich –, bis ich endlich die richtige Bahn gefunden und an der richtigen Station ausgestiegen war. Schließlich stand ich klein und verzagt mit meinem Köfferchen, in dem ich die schönsten meiner Strandglas-Schmuckstücke hatte, vor einem großen Haus im viktorianischen Stil. Im Parterre befand sich ein Schmuckladen von einer Größenordnung, bei dessen Anblick durch das Schaufenster ich schon beeindruckt war, obwohl ich von hier aus nur einen kleinen Teil sehen konnte. Ich betrat den Laden – eine Mischung aus moderner Bijouterie und Antiquitätengeschäft – und wurde fast erschlagen von den Angeboten. Von Modeschmuck über echte edle individuelle Anfertigungen war alles vorhanden, in einer Ecke gab es dazu noch alte Schmuckantiquitäten, wie man sie sich an den Fingern von Queen Viktoria vorstellen konnte.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Eine junge Verkäuferin baute sich vor mir auf und betrachtete mich mit einer Mischung aus Mitleid und Neugierde. Vermutlich sah ich genauso verloren aus, wie ich mich fühlte.
»Mein Name ist Sadie Kalen. Ich habe einen Termin bei Shirley Rachel«, erklärte ich, und dabei klopfte mein Herz ziemlich laut und unkoordiniert. Die junge Frau schien Bescheid zu wissen, und sie begleitete mich in ein hinteres Zimmer, wo sie auf einen Sessel zeigte, auf dem ich mich niederließ. Ich versank fast in diesem Blümchenplüschmeer und kam mir klein und unbedeutend vor. Umso mehr, während die Minuten verstrichen. Eine halbe Stunde später kam schließlich die Schmuckdesignerin, eine selbstbewusste ältere Lady, die mir zur Begrüßung die Fingerspitzen reichte. Ich hatte Mühe, aus dem Blümchensessel herauszukommen, um ihre Hand zu schütteln. Es folgten ein paar freundliche Floskeln, und auch da konnte ich spüren, dass sie gar nicht bei der Sache war. Wahrscheinlich kriegte sie täglich irgendwelche Designerstücke gezeigt und betrachtete meine unbedeutende Kollektion fast als Angriff auf ihre Zeit.
»Ich wollte Ihnen einige meiner Schmuckstücke zeigen, die ich aus Strandglas angefertigt habe«, begann ich vorsichtig. »Ich wohne nämlich auf der Isle of Wight …«
»Wie reizend«, sagte sie, aber selbst das wirkte aufgesetzt. »Da wurde doch gerade diese Serie gezeigt. Wie hieß die noch? Sommerzauber auf der Insel?«
»Genau«, übernahm ich hastig und beschloss, Colins Namen ins Gespräch zu bringen. »Da spielt ja auch Colin Porter mit. Er ist ein Freund von mir …«
Ich hoffte, dass er mir den Ausdruck verzieh. Wir waren gerade mal flüchtige Bekannte. Immerhin, für kurze Zeit ruhte ihr Blick interessierter auf mir.
»Ist er das?«
»Na ja«, relativierte ich hastig. »Wir kennen uns ja auf der Insel alle. Er hatte ein paar schöne Schmuckstücke bei mir für seine Frau und sich gekauft …«
Jetzt hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Colin Porter öffnete alle Frauenherzen.
»… und er war so begeistert von meinem Strandschmuck. Er meinte, ich sollte Ihnen die Sachen mal vorstellen.«
Jetzt wurde sie wieder unwilliger. Offenbar war sie nur an Colin interessiert. »Dann zeigen Sie mal.«
Ich öffnete mein Köfferchen, zeigte ihr die Kettenanhänger, Armbändchen, Ringe und Ohrringe. Auch das Armbändchen für Colin hatte ich mitgenommen.
»Ach, das ist ja reizend. Wirklich ganz hübsch«, sagte sie, aber ich konnte schon heraushören, dass es nicht ihren Geschmack traf. In diesem Laden verdiente man an echtem Schmuck sein Geld, an Rubinen, Diamanten und Aquamarinen in Gold, Weißgold und Silber. Glasschmuck war Schmuck für Arme, für Touristen, die sich ein Andenken kaufen wollten. Mrs Rachel nahm meine Schmuckstücke mit spitzen Fingern und betrachtete sie im Schein ihrer Lampe. Relativ schnell legte sie den Schmuck jedoch in den Koffer zurück.
»Wirklich hübsch. Und ganz eigen. Das muss man sagen.« Sie lächelte mich mit ihren kirschroten Lippen an. »Aber letztlich ist der Kundenkreis für diesen Schmuck klein. Gerade mal die Touristen der Insel –«
»Ganz England ist eine Insel«, versuchte ich sie zu erinnern. »Und überall gibt es Strandglas.«
»Ja ja, das ist richtig«, gab sie zurück, aber sie wirkte trotzdem nicht überzeugt.
»Ich denke gerne mal darüber nach«, sagte sie dann. »Und ich bespreche das auch mit meinen Kollegen. Aber im Grunde passt es nicht in unsere Auswahl, verstehen Sie?«
Klar. Ich verstand. Hier bewegte man sich auf anderem Niveau.
»Lassen Sie mir doch gerne mal Ihre Karte da. Ich melde mich, wenn ich Interesse habe.«
Die zog ich aus meiner Tasche und reichte ihr eine davon.
Etwas enttäuscht und niedergeschlagen packte ich meine Schätze zurück in den Koffer. Der Abschied war kurz und schmerzlos. Das war verlorene Zeit gewesen. Hastig warf ich einen Blick auf die kostbare mit Diamanten besetzte Wanduhr. Es war kurz nach drei. Wenn ich mich beeilte, kriegte ich gerade noch knapp den Nachmittagszug zur Insel zurück. Gwyneth wäre mir bestimmt dankbar. Ich klemmte mein Köfferchen unter den Arm und rannte zur U-Bahn-Station.
Um von Convent Garden zur Main Station an der London-Bridge zu kommen, hatte ich verschiedene Möglichkeiten – leider waren alle Verbindungen umständlich und mit einigem Umsteigen verbunden. Für mich als Insulanerin ein zusätzlicher Stress. Schon allein als ich die endlos lange Rolltreppe zur Tube-Station hinunterfuhr, wurde mir schwindelig. Mir war es ein Rätsel, wie manche Menschen dabei auch noch auf ihr Handy gucken konnten. Ich klammerte mich am Handlauf fest und dachte: Wenn hier unten ein Unglück passiert, ist man rettungslos verloren. Ich betrachtete die Menschen um mich herum. Ein paar Typen waren dabei, die ich als drogenabhängig einschätzte. Einige sahen arm und heruntergekommen aus, andere wirkten verloren und orientierungslos. Dazwischen bewegten sich die Businessgestalten in Anzügen und Kostümen, wieder andere mit Einkaufstaschen und Körben. Es waren Menschen allen Alters und Herkunft, coole Mädels, aufgebrezelte Typen, Alte, Kinder, die ganze bunte Palette. Einige bettelten, andere fragten nach Pfandflaschen, die Mehrheit der Menschen starrte auf ihr Handy.
Jetzt wurde die Piccadilly-Tube Richtung Heathrow angekündigt. Das war meine Bahn. Lautlos fuhr sie ein. Direkt vor mir stoppte die Tür und öffnete sich. Menschenmassen drängten sich aus der Bahn. Ich trat neben die Tür und wartete, bis sie ausgestiegen waren. Dann wurde ich hineingeschubst. Ich stolperte direkt auf einen Sitzplatz zu und setzte mich. Anschließend zog ich mein Schmuckköfferchen auf den Schoß und umschloss es mit meinen Armen wie einen Schatz. Dabei dachte ich noch einmal an das Gespräch mit der Schmuckdesignerin. Da hätte ich auch zu Hause bleiben können!