Der Sohn des Gehenkten (Western) - Pete Hackett - E-Book

Der Sohn des Gehenkten (Western) E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Männer im Kampf um Recht und Rache - seit langem ist es nicht mehr gelungen, die Epoche der amerikanischen Pionierzeit so plastisch darzustellen, wie in Romanen von Pete Hackett.

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Der Sohn des Gehenkten

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956172946

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Der Sohn des Gehenkten

Der Sohn des Gehenkten

Wyoming-Territorium, in einer wolkenverhangenen Augustnacht des Jahres 1855. Aus einem Fenster der Duncan-Ranch fiel gelbes Licht. Es war kurz nach Mitternacht. Die drei Männer, die am Tisch saßen, verströmten Unruhe und Rastlosigkeit. Das Licht der Petroleumlampe in der Tischmitte geisterte über ihre angespannten Gesichter, warf ihre Schatten auf Fußboden und Holzwände.

Juliet Duncan stand am Herd und ahnte, dass sich über ihren Köpfen das Unheil zusammenbraute wie ein vernichtendes Gewitter. Etwas Genaues aber wusste sie nicht. Nur, dass ihr Mann und seine beiden Freunde Jesse Lawson und John Corda vor einer halben Stunde abgehetzt, bleich und voll hektischer Nervosität ankamen, und dass sie seitdem stumm und düster vor sich hin brütend am Tisch saßen.

Auf ihre Fragen hatte Juliet nur ausweichende, unwirsche und ungeduldige, fast zornige Antworten erhalten. Die Frau hatte das Empfinden, als säße ihr eine Eisenklammer im Genick, und die bedrückenden Ahnungen, die sie innerlich erbeben ließen, wurden mehr und mehr zur bitteren Ungewissheit. Etwas Kaltes, Beklemmendes schien zwischen den vier Wänden zu lagern. Der Hauch von Tod und Unheil. Die junge, hübsche Frau spürte es nahezu körperlich: Ben, ihr Mann, war mit seinen Komplizen wieder einmal einen rauchigen Trail geritten. Und irgendetwas war diesmal ins Auge gegangen.

Voll Sorge fragte sich Juliet, was es war. Und wo vor allen Dingen war der vierte Mann? Wo war Fred Monroe?

Ben Duncan sprang plötzlich auf. Die Unrast, die in ihm tobte, war nicht mehr zu ertragen, es hielt ihn nicht mehr auf seinem Platz. Er nahm eine unruhige Wanderung auf. Drei Schritte hin, drei zurück. Er mied den fragenden Blick Juliets. In seinem kantigen Gesicht arbeitete es. Die dunklen Brauen hatten sich zusammengeschoben wie dicke Raupen. Eine steile Falte stand über seiner Nasenwurzel.

»O Gott, setz dich hin, Ben«, flüsterte Jesse Lawson krächzend. In seinen Mundwinkeln zuckte es. Fahrig strich er sich über das Kinn. »Du machst mich verrückt.«

John Corda seufzte, was Jesses Aufforderung unterstreichen sollte.

Ruckartig hielt Ben an. Er legte den Kopf schief. Die Linien in seinen Zügen vertieften sich. Er lauschte angestrengt, hatte das Ohr zur Tür gedreht. »Heavens, sie kommen!«, entrang es sich ihm fassungslos, fast verzweifelt.

Jesse Lawsons und John Corda fuhren in die Hohe. Ihre Gesichtsmuskeln erschlafften. Juliet entging nicht das ängstliche Flackern in ihren Augen. Und sie vernahm den trommelnden Hufschlag, der rasch zu einem unheilvollen Grollen anschwoll.

»Monroe hat also gesungen …« Die jähe Furcht, die Jesse Lawson wie mit zornigen Klauen erfasste, würgte seine Stimme ab. Er schluckte krampfhaft.

Ben Duncan war zum Fenster gelaufen, zog den Vorhang etwas zur Seite und starrte in die Nacht hinaus. Jesse Lawson lief zur Tür und verschwand im finsteren Korridor. John Corda blieb beim Tisch stehen und rang die schweißnassen Hände.

»Will mir nicht endlich einer sagen, was los ist?« Hysterie drohte Juliet zu befallen. Ihre Brust hob und senkte sich unter schweren Atemzügen. Das Herz wollte ihr zerspringen. Tiefe Bestürzung und fiebriges Entsetzen wogte in langen, heißen Wellen durch ihren Körper, und die Angst stieg wie ein Schrei in ihr empor.

Das Hufgetrappel kündete es an wie eine Warnung vor Untergang und Tod.

Juliets Augen füllten sich mit Tränen. Es waren Tränen der Hilflosigkeit, der bitteren Ohnmacht, der nagenden Ungewissheit. Und als sich die Tür zur Schlafkammer öffnete und der sechsjährige Lane mit verschlafenem Gesicht, sich die Augen reibend, herauskam, trat ein Ausdruck stummer Verzweiflung in ihr Antlitz und ließ es versteinern. Sie stürzte zu dem Jungen hin und nahm ihn auf den Arm. Er schlang seine Arme um ihren Hals und sagte mit heller Stimme: »Da kommen Reiter, Ma. Warum kommen sie so spät?«

Juliet drückte den Knaben fest an sich und wusste nicht, was sie ihm darauf antworten sollte. Ben war herumgewirbelt. Verstört fixierte er seinen Sohn. Der verlorene Ausdruck in seinen Augen ließ Juliet frösteln.

»Ben«, hauchte sie flehend. »Ben, sag mir, was vor sich geht. Habt ihr wieder einmal versucht, Gibsons Vieh zu stehlen? Ben«, bettelte sie, »du darfst mich nicht im Ungewissen lassen.«

Ben starrte sie an, als hätte sie etwas völlig Unsinniges gesagt. Nun war der Hufschlag ganz nah. Bens Wangen wurden um eine Schattierung dunkler. Seine Miene zeigte einen verkniffenen Ausdruck, der nur mühsam unterdrückte Angst verriet. »Ach, Juliet«, flüsterte er spröde.

Mit Viehdieben machte man in diesem Land kurzen Prozess. Man knüpfte sie an den nächsten Baum. Das Grauen schüttelte Ben Duncan. Im Ranchhof brach der Hufschlag ab. Nur mehr vereinzeltes Hufestampfen drang herein, das Klirren der Gebissketten, das Janken der Sättel, ein kurzes, helles Wiehern.

Bens Züge verzerrten sich auf erschreckende Art. Er riss den Colt heraus und schaute wieder zum Fenster hinaus.

»Nicht schießen, Ben!«, mahnte John Corda. »Du würdest alles nur noch viel schlimmer machen.« Er kam langsam, mit abgezirkelten, marionettenhaften Bewegungen um den Tisch herum. Und ein Blick in seine Augen offenbarte Juliet einen Abgrund von Entsetzen und Hoffnungslosigkeit. Und Cordas hohe Gestalt krümmte sich, als auf dem Ranchhof eine Stimme ertönte. Hart wie Metall kam sie, wie das Brausen eines Orkans: »Ben Duncan, ich weiß, dass du dich in deinem Haus verkrochen hast. Ich habe ein Dutzend Boys dabei, und sie haben deine Ranch umstellt. Also sei vernünftig und ergib dich. Das gleiche gilt für Corda und Lawson. Kommt mit erhobenen Händen heraus und versucht nichts.«

»Warum?«, wisperte Juliet erstickt.

Ben Duncan wurde einer Antwort enthoben. Denn bei der Haustür schrie Jesse Lawson: »Was willst du denn von uns, Gibson? Weshalb sollen wir uns deiner Horde ausliefern?«

Ben Duncan lauschte Lawsons Worten hinterher. Er stand neben der Wand am Fenster und äugte wieder hinaus. Der Junge auf Juliets Armen fing an zu schluchzen. Es war, als spürte der Knabe, dass etwas Fürchterliches bevorstand. Juliet klopfte ihm beruhigend den Rücken, strich ihm sanft über den Hinterkopf und war selbst nur mehr ein bebendes Nervenbündel.

»Ihr elenden Rustler habt versucht, eine Herde von der Nordweide der Red Desert Plain Ranch zu stehlen. Mein Vieh!« Brent Gibsons kräftiges Organ rollte über den Hof und klang präzise, verriet Unheil. Und es jagte eine Welle fiebriger Schauer durch Juliets Blutbahnen.

Nach einer Atempause erschallte wieder Brent Gibsons brechende Stimme; schärfer, schneidender: »Versucht nicht, es zu leugnen. Euer Freund Fred Monroe hat alles gestanden, ehe er starb. Ihr stehlt seit Monaten Vieh von meinen Weiden und verkauft es in Rawlins oder Fort Laramie. Aber damit ist jetzt Schluss. Ergebt euch!«

Ein Zug eisiger Entschlossenheit legte sich in Ben Duncans Miene. »Geh zum anderen Fenster, John«, knurrte er düster. »Und du, Juliet, verschwinde aus der Küche. Verkriech dich mit Lane in den Schlafraum.«

Und während John Corda zum Fenster huschte und dabei seinen Colt zog, während Juliet wie zu einer Salzsäule erstarrt stehen blieb, zertrümmerte Ben Duncan mit dem Revolverlauf die Fensterscheibe. Es klirrte. Scherben regneten auf den Boden. Ben Duncan brüllte: »Das ist eine infame Anschuldigung, Gibson. Wir waren den ganzen Abend auf meiner Ranch. Yeah, Juliet wird es dir bestätigen. Ich weiß nicht, wie Fred Monroe dazu kommt, uns in seine schmutzigen Geschäfte hineinzuziehen.«

»Es hat keinen Sinn, Ben! Ihr seid überführt. Ich weiß, dass ihr gemeine Viehdiebe seid, du und deine verkommenen Freunde Lawson und Corda. Dass du aber derart niederträchtig bist und sogar versuchst, Juliet hineinzuziehen, das hätte ich nicht gedacht.«

Ben Duncan zerkaute einen lästerlichen Fluch, schaute schnell über die Schulter auf Juliet, seine Kiefer mahlten. Dann rief er heiser: »Warum hast du uns nicht beim Sheriff in Red Desert angezeigt, Gibson, wenn du schon annimmst, dass wir dein Vieh stehlen?«

Ein höhnisches Lachen wehte heran. »Auf dieser Weide bin ich das Gesetz. Und das weißt du auch. Du hast gewusst, worauf du dich einlässt, wenn du dich an meinen Rindern vergreifst. Und du konntest dir an fünf Fingern abzählen, dass wir kommen, nachdem uns Monroe lebend in die Hände fiel. Du dachtest wahrscheinlich, er wäre tot, als er vom Pferd flog. Nun, er war nicht tot.«

»Heiliger Rauch, warum haben wir uns nicht gleich nach Colorado abgesetzt?«, giftete John Corda. »Wir hätten es wissen müssen …«

»Wir werden uns nicht ergeben, Gibson!«, erklärte Ben Duncan klirrend. »Wenn ihr uns wollt, dann müsst ihr uns schon holen. Aber vergiss dabei nicht, Gibson, dass wir mit unseren Waffen umzugehen verstehen.«

»Sicher, wir holen euch heraus aus dem Bau.« Es klang wie ein Versprechen. »Wir werden ihn niederreißen, und was von euch dann noch übrig ist, hängen wir an den höchsten Ast, den wir finden. Allerdings solltest du Juliet und den Jungen herausschicken, Ben. Ich will nicht, dass ihnen etwas zustößt.«

»Einen Dreck werde ich, Gibson.« Ben Duncans Stimme sank herab zu einem stockenden Geflüster. »Heh, Juliet, komm her. Sag diesem Narren, dass wir den ganzen Abend über hier waren.«

Wie in Trance setzte Juliet sich in Bewegung. Aus ihrem Antlitz schien jeder Rest von Leben gewichen zu sein. Ihre Augen brannten. Und sie konnte sich des bedrückenden Gefühls, der unheimlichen Ahnung, dass in dieser Nacht ihrer aller Schicksal einer Entscheidung zutrieb, nicht erwehren. Sie klammerte sich an den Jungen, als wäre er ihr letzter Halt im Leben. Und dann stand sie am Fenster.

*

Juliet Duncan räusperte sich, als musste sie sich den Hals erst freimachen. Dann rief sie und sie bemühte sich vergebens, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Brent – Brent Gibson, hörst du mich?«

»Gewiss!«, kam es rau zurück.

Juliet schluckte. »Ben hat die Wahrheit gesagt. Er, Lawson und Corda waren den ganzen Abend über hier. Sie können nicht auf deiner Weide gewesen sein, um …« Sie verstummte erschreckt.

»Gib dir keine Mühe, Juliet. Soeben meldet mir einer meiner Reiter, dass im Stall drei völlig abgetriebene Pferde stehen. Klar, Juliet, du versuchst, den Kopf deines Mannes aus der Schlinge zu ziehen. Aber er hat ihn selbst hineingesteckt. Ich hatte ihn schon längere Zeit in Verdacht. Und ich habe ihn sogar gewarnt. Du hättest diesen Sattelstrolch niemals heiraten dürfen, damals, als …«

»Als du ihr den Hof machtest, wie!«, fauchte Ben wild und unbeherrscht. »Yeah, Brent, du hast bei Juliet den Kürzeren gezogen. Und seitdem verfolgst du mich mit deinem Hass.«

»Das ist Unsinn, Ben. Ich bin mit Helen glücklich geworden. Was mal war, ist Vergangenheit. Die Zeit heilt alle Wunden. Den einzigen Vorwurf, den ich dir mache, ist, dass du dich an meinem Eigentum vergriffen hast. Und dafür wirst du bezahlen.«

»Dann komm und hol uns — das Licht aus, Juliet!« Ben drängte seine Frau vom Fenster weg.

Bei der Haustür peitschte ein Schuss. Ein bösartiger Knall, der die Stille sprengte. Aufbrüllend antwortete das Echo, rollte zwischen den Gebäuden der kleinen Ranch und zerflatterte schließlich mit geisterhaftem Geflüster über den Dächern.

Ben atmete auf, als löste sich in diesem Augenblick eine Spannung in seinem Innern. Er stieß den Colt in die Fensteröffnung und jagte zwei Schüsse hinaus. Juliet drängte sich mit dem Jungen an die Wand neben dem Geschirrschrank, sank daran zu Boden und schützte den Sechsjährigen mit ihrem Körper. Denn draußen brach die Hölle los. Schüsse hämmerten heran. Es krachte, knirschte und splitterte. Immer wieder bellten die Colts der Rustler. Pulverrauch legte sich in dem kleinen Raum auf die Schleimhäute und ließ die Augen tränen. Bei der Haustür brüllte Jesse Lawson Panik und Schmerz hinaus, als ihm ein Geschoss die Schulter zerschmetterte. Die Kugeln meißelten den Putz von der Wand, ließen ihn auf Juliet und Lane herunterregnen. Querschläger jaulten sirrend durch die Küche, zerschlugen Geschirr und die Gläser im Schrankaufsatz.

Ein höllisches Inferno, das die Frau lähmte, in das das jämmerliche Weinen des Jungen drang und sich wie ein giftiger Stachel in ihr Herz bohrte. Juliets einziges Bestreben war es, den schreienden Jungen gegen das durch die Stube quarrende Blei mit ihrem Körper abzuschirmen.

»Aufhören!«, gellte Lawsons Stimme durch die von Geschossen zerfetzte Haustür nach draußen. »Heiliger Rauch, hört auf!« Er schleuderte seine Waffe fort und stolperte ins Freie, die linke Hand gegen die zerschossene Schulter gepresst.

Ben Duncan fluchte lauthals. Mit fliegenden Fingern lud er seinen Colt nach. Einige Patronen fielen auf den Fußboden. Er war wie von Sinnen, schloss die Trommel und schoss wieder wie verrückt. Die Detonationen drohten den kleinen Raum zu sprengen.

John Corda hatte ebenfalls nachgeladen und eröffnete wieder das Feuer. Draußen schwankte Jesse Lawson durch den Kugelhagel. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Heiseres unartikuliertes Geschrei brach über seine Lippen. Er wurde getroffen, torkelte weiter. Plötzlich wurde er halb herumgerissen. Er knickte im Rücken ein, brach in die Knie. Sein Gebrüll verebbte, im Zeitlupentempo fiel er auf das Gesicht. Ein langes schwarzes Bündel mitten im Ranchhof, das sich nicht mehr rührte.

Ein Schemen hastete in die Lücke zwischen Pferdestall und Remise. Das unwirkliche Licht zeichnete seine Konturen verschwommen nach. Ben Duncan feuerte. Die schattengleiche Gestalt verschwand. Duncan wusste nicht, ob er getroffen hatte. Aber er fühlte Leere in sich, eine grenzenlose Leere. Das durchdringende Weinen des Jungen setzte ihm zu, schnitt ihm ins Herz, und er begriff mit aller Entschiedenheit, dass er das Leben seiner Frau und des Jungen nicht länger aufs Spiel setzen durfte. Er selbst hatte begonnen, abzuschließen. Hier gab es kein Entrinnen mehr. Das Unabänderliche seiner Situation wurde ihm voll und ganz bewusst. Ernüchtert ließ er die Faust mit dem Revolver sinken. Sein Puls jagte, sein Atem flog, und der Schweiß rann ihm in Bächen über das hohlwangige Gesicht. Sein Kampfgeist war erlahmt. Seine Wildheit wich der Bestürzung, den Skrupeln, die plötzlich wie ein kochender Lavastrom durch sein Gehirn rasten. Kälte senkte sich in sein Herz. Und in das Gehämmer der Gewehre, das Wummern der Colts hinein kreischte er: »Schluss, hört auf Brent, lass das Feuer einstellen. Ich gebe auf!«

»Verrückt geworden, was?«, geiferte am anderen Fenster John Corda. »Die hängen uns an den nächstbesten Ast!«

Ben Duncan ruckte zu ihm herum. Er richtete den Colt auf seine Gestalt, die durch die pechige Finsternis kaum auszumachen war. Und mit tödlicher Ruhe sagte er: »Auch du wirst aufgeben, John. Okay, wir haben Gibsons Rinder gestohlen und nicht schlecht verdient dabei. Wir wussten, was auf dem Spiel stand. Und wir werden den Preis bezahlen. Wir beide, und nur wir beide noch. Denn Monroe und Lawson sind tot. Aber meine Frau und der Junge sollen leben. Und hier schweben sie in höchster Gefahr. Also …«

»Du Narr, du gottverdammter Narr!«, brüllt«Corda. »Denkst du, ich will mit einem Lasso um den Hals elend zugrunde gehen? Ohne mich!« Er riss den Colt hoch.

Ben schoss ohne zu zögern. Corda wurde geschüttelt, gegen die Wand getrieben und rutschte langsam und röchelnd zu Boden.

Draußen verklangen die letzten Detonationen. Bleierne Stille legte sich über alles. Knisternde, bleischwere Ruhe. In sie hinein rief Ben: »Ich werde jetzt herauskommen, Brent. Allerdings knüpfe ich eine Bedingung daran. Lass Juliet und den Jungen weiterhin hier leben. Sie haben mit allem nichts zu tun. Zerstöre wenigstens ihnen nicht die Existenzgrundlage.«

»Das geht in Ordnung, Ben.« Die Tonlage in Brent Gibsons Stimme ließ keinen Zweifel darüber offen, dass er sein Versprechen halten würde.

»Nein, Ben«, kam es wie ein Windhauch von Juliet. »Geh nicht hinaus. Lieber will ich …« Ihre Stimme brach.

»Ich muss es tun, Darling«, murmelte er mit brüchigem Unterton. »Und – gib gut auf den Jungen Acht. Und sag ihm nie, dass sein Vater ein Dieb war.«

Er ging zur Tür, ihr entsetzter Aufschrei ging ihm durch Mark und Bein, aber er hielt nicht mehr an. Im Flur ließ er die Waffe fallen. Sie polterte dumpf auf die Dielen. In Ben Duncan war plötzlich keine Furcht mehr, nur mehr der wühlende, fast leidenschaftliche Wunsch, dass es schnell ging. Eine fast fiebrige Erregung. Er hatte viel riskiert, und er hatte verloren. Und er wusste, dass er dem Tod diesmal ins unheimliche Antlitz sehen musste.

Weidereiter mit Colts in den Fäusten nahmen ihn in Empfang. Fackeln wurden angezündet. Der Lichtschein hatte Mühe, die Finsternis zu durchdringen. Zuckendes Licht geisterte verschwimmend über den Boden. Die gestrafften Gesichter der Cowboys zeigten grimmige Erwartung. Ihre Blicke waren mitleidlos. Bens Magen begann zu rebellieren. Er hatte gegen eine gewaltsam hochschwappende Übelkeit anzukämpfen.

Am Rand des Lichtscheins erschien Brent Gibson. Ohne jede Gemütsregung starrte er auf Ben Duncan. Seine Augen schienen ihn zu durchbohren. So musterte man einen Mann, der so gut wie tot war. Ben sah sich einem Dutzend Gewehr- und Revolvermündungen gegenüber. Den gnadenlosen Tod vor Augen entrang es sich ihm: »Drinnen liegt Corda. Ich musste ihn niederschießen. Ich weiß nicht, ob er tot ist.«

Brent Gibson, ein großer Mann in Bens Alter, breitschultrig und unbeugsam, knurrte: »Seht nach. Verdammt, Ben, ich frage mich, weshalb du immer wieder mein Vieh gestohlen hast.« Er atmete rasselnd aus. »Du hattest dein Auskommen. Wir leben in Ruhe und Frieden als Nachbarn nebeneinander. Du hast mich nie gestört. Warum, Ben?«

Duncan schwieg. Aber er hatte nicht die Kraft, dem Blick des Ranchers standzuhalten. Betreten, voll rotierender Gedanken und wühlender Empfindungen starrte er auf den Boden.

Brent Gibsons verbitterte Worte hingen noch wie eine vernichtende Anklage zwischen ihnen, als zwei der Cowboys John Corda in den Hof schleiften. Dar Rustler schrie wie am Spieß. Eine bretterharte Hand traf seinen Mund, sein Geheul zerrann. »Er hat Duncans Kugel in die rechte Seite bekommen«, erklärte einer der Cowboys. »Keine schlimme Verletzung.«