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Ein gastfreundliches Ehepaar wird getötet für einen Fahrschein nach München. Im Altersheim findet man eine alte Dame in ihrem Lesesessel auf - einen Seidenschal um den Hals, leblos. Eine Frauenleiche fällt aus einem Schneehaufen auf ein Autodach. Auf mysteriöse Weise gelangt ein niedergestochener Mann in die Notaufnahme der Charité. Und einem westdeutschen Besucher wird auf dem Alexanderplatz der Arm abgebissen - von einem Tiger und bei Weihnachtsmusik. Unglaubliche Fälle, denen sich der ehemalige Kriminaloberrat Ralf Romahn als damals zuständiger Ermittler zuwendet. Ob nun Eifersucht oder Rache, Sexualtrieb oder schlichtweg Übermut zur Tat führten, stets schildert der Autor die Fälle auf spannende, ergreifende Weise und gibt nebenbei einen interessanten Einblick in Polizei- und Justizstrukturen und behördliche Entwicklungen.
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Seitenzahl: 239
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Impressum
ISBN eBook 978-3-360-50092-2
ISBN Print 978-3-360-02198-4
© 2015 Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin,
unter Verwendung eines Motivs von Fotolia
Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin
erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden alle Namen von Tätern und Opfern sowie Tatorte verfremdet. Namensgleichheiten sind dem Zufall zuzuschreiben.
Ralf Romahn
Der Tigerbiss auf dem Weihnachtsmarkt
Authentische Kriminalfälle
Das Neue Berlin
Vorwort des Autors
Mein Berufsleben war unmittelbar geprägt von den Entwicklungen der späten DDR. Während des Aufstiegs bis in den Rang des Oberstleutnants lernte ich hier das ganze Spektrum der kriminalistischen Arbeit kennen. Meine Aufgaben erstreckten sich vom einfachen Streifendienst bis hin zur Organisation und Verwaltung wichtiger Bereiche der Kriminalpolizei; ich ermittelte gegen gewöhnliche Eierdiebe, straffällig gewordene ausländische Besucher und wichtige Entscheidungsträger, letztlich gegen den ehemaligen Generalsekretär Erich Honecker.
Ganz entscheidend für die Vielfältigkeit dieser Erlebnisse war dabei meine Tätigkeit bei der K– der Kriminalpolizei– in Berlin-Mitte. Nirgendwo sonst in dieser Stadt gab es eine derartige Ballung von Politik, Wissenschaft und Kultur. Hinzu kam, dass die Stadtbezirksgrenze zu zwei Dritteln gleichzeitig Staatsgrenze war. Besonders in Mitte bekam man so sehr schnell gesellschaftliche und politische Veränderungen zu spüren.
Ab 1987 änderte sich die Situation im Bezirk und damit auch für mich als Kriminalist rasant und umfassend. Schutzpolizei, Verkehrspolizei und Kriminalpolizei waren immer häufiger für Ordnungseinsätze unterwegs. Sie mussten zum Brandenburger Tor, auf den Alexanderplatz und zu den Kirchen. Überall fanden Demonstrationen, Versammlungen und Mahnwachen statt. Die Bürger revoltierten, sie wollten eine andere, eine neue DDR. Sie wollten gehört werden, mitentscheiden, frei sein. Politisch motivierte Straftaten und Autokorsos nahmen zu, bei denen mit Fähnchen für die Ausreise in den Westen protestiert wurde.
Am 9.November 1989 entstand durch die Maueröffnung ein rechtsfreier Raum, der bis zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 3.Oktober 1990 bestehen blieb. Daraus ergaben sich äußerst komplizierte Situationen für die Polizei: Täglich gab es Veränderungen, es fehlte an allgemeinen Bewertungsmaßstäben und Richtlinien. Und die Ungewissheit hielt Einzug, mit der nicht alle Kollegen umzugehen wussten. Wir hingen– wie alle Bürger– zwischen Alt und Neu, nur dass uns für unsere berufliche Tätigkeit nicht selten die rechtliche Handhabe fehlte.
Im Januar 1990 fand eine große Umwandlung statt: Die Genossen waren nun Frau Kollegin oder Herr Kollege oder sie wurden namentlich angesprochen. Vier Monate später wurden wir entmilitarisiert, aus dem Leutnant wurde ein Kommissar und aus dem Major ein Rat. Und natürlich fragte sich jeder: Was wird aus mir, meiner Arbeitsgruppe, meiner Familie? Werde ich meine Arbeit behalten, und welchen Stellenwert wird sie haben– jetzt, da die DDR zur BRD gehört?
Neben den privaten Bedenken während der folgenden weitreichenden Umstrukturierungen innerhalb der Polizeibehörde nahmen auch die beruflichen Herausforderungen deutlich zu. Durch die schnelle Öffnung der Grenzen entstanden in vielen Bereichen Schieflagen. Die Anzahl der Kunst-und Kulturdiebstähle stieg ins Unermessliche, die Währungsspekulanten hatten Hochkonjunktur, und mit der hochwertigen D-Mark wurden die DDR-Regale leergekauft. Es wurde immer schwerer, die öffentliche Ordnung sicherzustellen und auch aufrechtzuerhalten.
Häufig kam in dieser Umbruchssituation Kritik auf an der politisch gesteuerten Medienpolitik in der DDR. Die Bevölkerung war in Zeitungen, Funk und Fernsehen stets positiv motiviert worden, gesellschaftliche Fehlentwicklungen wurden verschwiegen oder nur am Rande erwähnt. Der »Feind« stand ganz klar im Westen, nicht im eigenen Land. Kriminalitätsentwicklungen gelangten kaum zur Veröffentlichung, und wenn doch, dann handelte es sich um Zahlen, die Jahre zurücklagen. Wir dürften keine Handlungsanleitungen für Straftaten geben, so hieß es intern. Verbrechen jedweder Art seien Ausnahmefälle, war der nach außen propagierte Tenor.
In diesem Buch nun möchte ich solche Ausnahmefälle vorstellen. Sie stammen aus meiner Zeit als Leiter »Untersuchung« im Stadtbezirk Mitte und als Leiter des Dezernats II »Leben und Gesundheit« im Präsidium der Volkspolizei. In den Geschichten bemühe ich mich bei der Schilderung des Hergangs redlich, immer auch Einsichten in die Arbeitsweise von Kriminalisten der DDR zu vermitteln und den Einfluss der gesellschaftlichen Begleitumstände nachvollziehbar zu machen. Alle Fälle haben sich tatsächlich zugetragen und wurden in ihrem Verlauf aus der Erinnerung nachgezeichnet. Dialoge wurden frei nachempfunden.
Mancher Kollege wird sich in diesen Fällen wiederfinden. Das ist gewollt und stellt erneut, jetzt nach 25Jahren, ein großes Dankeschön an ihn dar. Ich hatte das große Glück, mit gut ausgebildeten und charakterlich anständigen Menschen zusammenzuarbeiten und dabei auch erfolgreich zu sein.
Kriminaloberrat a. D. Ralf RomahnBerlin im Juni 2015
Die Tote im Schnee
»Meine Güte, was für ein Haufen!«, entfuhr es dem jungen Akademiker, während er seinen ratternden Trabant vor einem übermannshohen Schneeberg zum Stehen brachte. Riesige Schneemassen türmten sich auf dem Parkplatz der Bibliothek. Auch wenn schon seit einer Woche kein Schnee mehr gefallen war, erschwerten die inzwischen schmuddeligen Hügel das Durchkommen. Dem jungen Mann blieb allerdings keine Zeit, weiter über das Wetter und seine Begleitumstände nachzudenken. Er hatte es eilig. Voller Hast stieg er aus dem Wagen, so dass er die große Tauwasserpfütze neben der Fahrertür erst bemerkte, als seine Schuhe schon nass und seine Socken augenblicklich durchweicht waren. Ein ekeliges Gefühl. Er fluchte und lief, einen Beutel mit Büchern in der Hand, zügig weiter in Richtung Bibliothek.
Nach einem besonders kalten Winter und vielen Wochen tief unter dem Gefrierpunkt waren die Temperaturen im März 1986 erst seit einem Tag wieder über Null gestiegen. Die Spree war noch nicht einmal aufgetaut. Es würde dauern, bis sich die Eisschollen bedächtig vorwärts schoben. Bis vor Kurzem musste der von den Straßen geräumte Schnee irgendwo zwischengelagert werden. Auf der Spreeinsel im Stadtzentrum, genau dort, wo der junge Mann sein Auto abgestellt hatte, machte sich dieser Umstand besonders bemerkbar. Der Parkplatz neben der Breiten Straße, Ecke Mühlendammbrücke lag direkt an der Protokollstrecke, die von den Mitgliedern des Politbüros auf dem Weg zum Palast der Republik genutzt wurde. Die entsprechenden Straßen mussten stets einwandfrei geräumt sein, wenn täglich in einem genau geplanten Zeitfenster nacheinander die verschiedenen Funktionäre in ihren Dienstwagen die Strecke passierten. Der dabei anfallende Schnee wurde für gewöhnlich auf dem Parkplatz abgeschüttet, um dann regelmäßig über den Rand des Platzes in die Spree geschoben zu werden. In diesem Winter aber war dem Niederschlag nicht so leicht beizukommen. Der zugefrorene Fluss zwang die Stadtreinigung dazu, den Schnee am Ufer immer weiter aufzuhäufen.
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