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Bodo Kröber, ein Privatdetektiv von der Mittelmosel, und seine Freundin Claire finden in vier Fällen den Hundevergifter, ermitteln den Brandstifter, überführen einen Erpresser und lösen das Rätsel um die Leiche im Hochwasser.
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Seitenzahl: 283
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© 2011 eBook-Ausgabe 2011Rhein-Mosel-VerlagBrandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel Tel. 06542-5151 Fax 06542-61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-89801-804-3 Korrektorat: Melanie Oster-Daum Umschlagaquarell: Ralf Kramp
Peter Friesenhahn
Der Tote im Hochwasser
RHEIN-MOSEL-VERLAG
Inhalt
Bodos erster Fall: Erpresste Schatten
Bodos zweiter Fall: Hundemord
Bodos dritter Fall: Feuer
Bodos vierter Fall: Der Tote im Hochwasser
***
Dienstag 12. Juni 20 Uhr. Bad Tannberg. Tresen der Pilsbar im Kurpark.
»Haben Sie auch schon das Gerücht von den Erpressungen im Kurort gehört?«, fragte Ambros. Sein Gegenüber schaute ihn an und grinste.
»Gerücht? Gehört? Nicht nur gehört, man hat mich auch schon versucht zu erpressen, aber da hat man die Rechnung ohne den Schmitz gemacht.«
»Wieso?«, fragte Ambros erstaunt. Schmitz richtete sich auf dem Barhocker auf, reckte den Kopf in die Höhe, und sagte selbstbewusst: »Ein Schmitz lässt sich nicht erpressen. Hab da mit einer Frau was angefangen, ging nur ein paar Nächte, war aber nix für die Dauer der Kur, muss noch eine Woche die Anwendungen über mich ergehen lassen. Mal sehn was sich noch an Frauen findet in diesem öden Nest. Da kann der Erpresser ja noch einmal schöne Bilder machen denn dann hab ich wenigstens etwas, was ich meiner Frau aus der Kur mitbringen kann.«
Schmitz griff in die Jackentasche und zeigte Ambros Bilder, die der Erpresser von ihm und dieser Frau gemacht hatte.
»Was?« Ambros schüttelte den Kopf. »Ich darf Ihnen diese Frage doch stellen, Sie zeigen tatsächlich ihrer Gemahlin diese Bilder, obwohl es sich doch, wie Sie sich selbst ausdrücken, um Erpresserbilder handelt?«
»Na klar«, meinte Schmitz, »bis jetzt haben wir uns immer von unseren jeweiligen Kurschatten nur erzählt, aber das mit den Bildern, das gibt unserer Ehe noch einen zusätzlichen Kick.«
Ambros schaute ungläubig und meinte: »Äh, Sie wollen mir also damit sagen, entschuldigen Sie bitte, das kommt mir nicht leicht von den Lippen, Ihre Gemahlin macht es in ihrer Kur genauso wie Sie, sie geht auch fremd?«
»Sagen Sie nicht dauernd Gemahlin, das klingt so von gestern, ja, meine Frau geht auch fremd, und wenn wir wieder zu Hause sind, erzählen wir uns alles und das gibt unserer Ehe neuen Schwung.«
Ambros schaute verschämt in sein Bierglas und sagte: »Nun, in unserer Ehe herrschen andere, konservativere Muster. Ich dürfte meiner Gemahlin nie und nimmer, also ich meine, einen Seitensprung in der Kur könnte ich ihr nicht zumuten, wenn sie das wüsste, wäre das für unsere Ehe eine Katastrophe.«
Schmitz griff nach seinem Bierglas, lehnte sich in den Barhocker zurück, drehte den Kopf langsam zu Ambros und fragte leise: »Also hamse oder hamse nich? Raus damit, ist doch nix dabei.«
Ambros druckste herum und wackelte ein wenig mit dem Kopf. »Also unter uns, ja, also, ich hatte da eine Dame, der bin ich etwas näher gekommen, also, es fällt mir schwer weiter zu erzählen, tiefer in die Sache einzudringen, denn, wir kennen uns kaum, Herr Schmitz, aber vielleicht können Sie mir ja helfen, einen Tipp geben, ich werde tatsächlich erpresst. Genau so wie Sie, mit Bildern, die der Erpresser von mir und meiner Bekanntschaft gemacht hat und nun meiner Frau schicken will.«
»Na also«, meinte Schmitz gönnerhaft, »hab ich mir doch gedacht, Sie sehn doch noch gut aus und haben bestimmt ’nen Schlag bei Frauen und wo liegt Ihr Problem?«
Ambros antwortete mit rotem Kopf: »Meine Gemahlin darf es auf keinen Fall erfahren, auf gar keinen Fall.«
Schmitz musterte Ambros von oben nach unten und meinte trocken: »Hamse schon bezahlt?«
Ambros schaute sich kurz um, seine Stimme wurde leiser und er flüsterte: »Ja, unter abenteuerlichen Umständen, der Erpresser mutete mir einen längeren Spaziergang zum Wasserfall zu und ich musste …«
Schmitz unterbrach ihn.
»Ja ja, ich weiß was jetzt kommt, Brotbox mit Geld füllen, ins Wasser und so weiter, bei mir kann der lang ins Wasser gucken, bei mir geht nix den Bach runter, ich sollte es genau so machen wie Sie.
Zum Wasserfall gehen und so weiter, Pustekuchen. Wie gesagt, ein Schmitz lässt sich niemals erpressen. Aber mir fällt da gerade was ein. Mir fällt, besser gesagt, jemand ein.
Ich hab ’ne Idee, wenn Sie rausfinden wollen, wer sie erpresst hat, ich kenne da einen Detektiv, der findet das für Sie raus.«
Schmitz zog aus seinem Jackett die Brieftasche und daraus eine Visitenkarte hervor.
Er reichte sie Ambros mit den Worten: »Rufen Sie den mal an, ein fähiger Typ, sieht zwar nicht so aus, täuscht aber, der hat mir schon öfters aus der Patsche geholfen.«
Ambros nahm die Karte dankend entgegen und las halblaut vor: »Bodo Kröber, Privatdetektei für Ermittlungen, Überprüfungen und Beweissicherungen.«
Er ließ die Karte sinken, schaute traurig in sein leeres Bierglas und stöhnte leise: »Der muss mir unbedingt helfen, gleich morgen früh werde ich diesen Herr Kröber kontaktieren. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen, darf ich Sie noch zu einem weiteren Getränk einladen Herr Schmitz?«
»Na klar«, freute sich Schmitz und rief, »noch zwei Bier und zwei klare Kurwässerchen dazu, geht auf den Herrn hier.«
Mittwoch 13. Juni. Gartengrundstück von Bodo und Claire.
»Ich ruf Sie zurück«, sagte Bodo. »Hm, Hm, hab verstanden, kann ich so noch nicht sagen, ich ruf Sie heute noch zurück, ja, bestimmt, ja gut, tschüss.«
Bodo steckte das Handy wieder in seine Hemdtasche und versuchte weiterhin auf dem Dachfirst die Balance zu halten.
Claire rief von unten: »Wer war das, Schatz?«
Bodo umklammerte mit der rechten Hand die Fahnenstange des Gartenhauses und rief nach unten: »Ein Herr Ambros, der in Bad Tannberg zur Kur ist, hat sich einen Kurschatten geangelt, jemand hat Bilder von den Zweien gemacht und damit wird Ambros erpresst. Das Übliche. Ich soll den Jemand finden.«
»Nimmst du den Auftrag an?«, fragte Claire.
Bodo zog sich am Seil der Fahnenstange hoch und stand jetzt mit beiden Beinen auf einem schmalen Balken.
»Eigentlich hab ich keine Lust, hab mir Bedenkzeit erbeten, müsste im Terminkalender nachschauen, habe ich gesagt.«
»Wie viel Kohle gibt’s denn?«, fragte Claire.
»Für einen neuen Rasenmäher würde es reichen«, antwortete Bodo und balancierte auf dem Balken zu einem Stück Stoff, das auf dem First des Gartenhauses lag. Er bückte sich und griff nach dem Stoff, drehte sich langsam um und wollte wieder aufstehen, doch er rutschte mit einem Fuß vom Balken und strauchelte. Nur mit Mühe und ausgleichenden Armbewegungen blieb er in dieser luftigen Höhe.
»Mensch Bodo, pass auf«, rief Claire erschrocken und schaute entsetzt nach oben zu Bodo, der jetzt wieder über den Balken balancierte und das Stück Stoff in einer Hand hielt.
Er kam zur Stange und hielt sich daran fest. Mit einer Hand führte er das Seil in die Öse der Fahne, bei der zweiten Öse musste er wieder freihändig auf dem Firstbalken balancieren.
Er verknotete das Seil mit den Ösen und dann kam der spannende Moment.
Claire stand unten, das Fahnenseil in der Hand.
»Jetzt kannst du ziehen«, rief Bodo und Claire zog mit beiden Händen. Die Fahne stieg empor, und bald flatterte sie im lauen Wind.
»Kannst du es lesen?«, rief Bodo.
»Und ob«, antwortete Claire, »Gartenverein Schafwiese.«
Claire machte das Seil an der Stange fest, und Bodo stieg vom Dach auf die angelehnte Leiter und ging rückwärts nach unten.
Er stellte sich neben Claire und beide schauten nach oben zur Fahne.
»Herzlichen Glückwunsch Herr Vorsitzender«, sagte Claire, »ich hoffe, dass du als Vorsitzender des Gartenvereins niemals das machst, was die Fahne gerade macht.«
»Was macht sie?«, fragte Bodo.
»Sie dreht sich mit dem Wind.«
Bodo klappte die Aluleiter zusammen und stellte sie ins Gartenhaus. Zufrieden schaute er noch einmal auf die Fahne und sagte dann zu Claire: »Als Vorsitzender muss ich doch immer wissen, woher der Wind weht, das geht jetzt.«
»Ich will dir ja nicht den Wind aus den Segeln nehmen«, alberte Claire, »aber was ist nun mit dem Auftrag aus Bad Tannberg?«
Bodo überlegte kurz und meinte lachend: »Den will ich dann doch nicht in den Wind schreiben.«
Er griff zum Handy und rief Ambros an.
»Hallo Herr Ambros, also gut, ich will’s versuchen, wo und wann können wir uns in Bad Tannberg treffen? In der Kapelle auf dem Hügel? Ja gut, und wann? Okay, also morgen um 17 Uhr. Alles klar Herr Ambros, werde ich schon finden. Bis morgen dann.«
Donnerstag 14. Juni. Bad Tannberg.
Bodo fuhr auf einer sehr engen, kurvenreichen Straße durch dichten Buchenwald nach Bad Tannberg und stellte im Ort das Auto auf das obere Stockwerk des Parkhauses, einem hässlichen Betonklotz mitten im Kurbezirk. Er stieg aus und blickte sich suchend um.
Die Kapelle auf dem Hügel hatte er schnell entdeckt und er machte sich auf den Weg.
Ein kleiner, in Serpentinen angelegter Weg, führte nach oben. Bodo betrat die Kapelle und schaute sich um, in einer Nische mit Madonna zündete ein Mann eine Kerze an und stellte sie zu anderen brennenden Kerzen. Dann warf er eine Münze in einen schwarzen Kasten, der mit Eisenspangen in der Wand verankert war.
Bodo räusperte sich und fragte leise: »Herr Ambros?« Der Mann drehte sich um: »Ja bitte?«
»Kröber mein Name, wir haben telefoniert.«
Ambros ging auf Kröber zu und meinte: »Schön dass Sie gekommen sind, ich bin da in was reingeraten.«
Er schüttelte Bodo die Hand.
Der fragte: »Wie sind Sie denn auf mich gekommen?«
»Der Bauunternehmer Schmitz aus Rebdorf hat Sie mir empfohlen. Er sagte, Sie seien fähig den Mann zu finden, der mich erpresst hat.«
Bodo schaute Ambros an und meinte trocken: »Wer sagt denn, dass es ein Mann ist, bedenken Sie, die Mehrzahl der Menschen auf diesem schönen Planeten sind Frauen.«
Ambros fragte überrascht: »Sie glauben …?«
Bodo unterbrach.
»Nichts glaube ich, ehe ich was nicht weiß, das gilt auch für das hier. Nur glauben ist zu wenig.«
Er schaute sich in der Kapelle um und machte eine raumgreifende Handbewegung.
»Haben Sie die Bilder dabei?«, fragte er.
»Natürlich. Hier, das sind die Bilder und das ist der Brief, kam alles zusammen in einem Umschlag in mein Hotel. Mir ist die ganze Angelegenheit furchtbar peinlich, meine Frau Gerda darf unter keinen Umständen davon erfahren.«
Bodo sah sich die Bilder an und meinte: »Kommen Sie Herr Ambros, wir setzen uns in die Bank hier, und Sie erklären mir, wo die Bilder aufgenommen worden sind, wo ist das hier zum Beispiel?«
Sie setzten sich auf eine Bank.
»Da tanzen wir gerade vor dem Kurpavillon. Am Wochenende spielt die Kurkapelle zum Tanztee.«
»Und hier, wo ist das Bild aufgenommen, sieht ja idyllisch aus.«
»Das ist unten am Bach, eine sehr schöne romantische Stelle«, meinte Ambros.
»Hoppla«, sagte Bodo überrascht, als er das nächste Bild herauszog, »das ist ja ziemlich eindeutig.«
»Und mir ziemlich peinlich.« Ambros druckste herum. »Das ist in meinem Hotelzimmer, der Fotograf muss eine erhöhte Position gehabt haben, denn das Zimmer liegt im dritten Stock. Vielleicht vom Wasserturm aus aufgenommen.«
»Ihre Position ist ja eher etwas tiefer angesiedelt, aber die Bilder sind sehr scharf, ich meine, entschuldigen Sie Herr Ambros, ich meine scharf trotz der Entfernung, der Zoom muss …«
»Machen Sie sich nur lustig, Herr Kröber«, Ambros unterbrach Bodo, »wer den Schaden hat, ich fühle mich so mies. Sind sie verheiratet Herr Kröber?«
»Nein«, sagte Bodo, »aber so was ähnliches wie verheiratet, ich lebe seit elf Jahren mit meiner Freundin zusammen.«
Bodo zog ein anderes Bild aus dem Umschlag.
»Herr Ambros, wo ist das?«
»Das ist im Kurpark, in der Nähe vom Minigolfplatz, so eine Art Waldlichtung.«
»Gut, dann werde ich sehen, was ich mit diesen Informationen anfangen kann«, sagte Bodo.
»Sie haben mir schon angedeutet, wie Sie dem Erpresser das Geld übergeben haben, erzählen Sie mir das bitte genauer.«
»Übergeben ist gut«, meinte Ambros, »dem Bach habe ich es übergeben, oben am Wasserfall, aber der Reihe nach. Es steht zwar alles im Brief, aber ich erzähle es gerne noch einmal, denn ich glaube, je öfter ich davon berichte, desto leichter fällt es mir dieses, für mich doch traumatische Ereignis, schneller in Vergessenheit geraten zu lassen. Also der Brief des Erpressers, ich habe mich genau an seine Vorschriften gehalten und bin in den Supermarkt gegangen. Dort habe ich eine wasserdichte Plastikbrotbox der Marke Duvex Größe 10, Farbe Rot erstanden. Beim Geldinstitut, der hiesigen Raiffeisenbank, habe ich mir zweitausend Euro auszahlen lassen, die ich in die Brotbox verstaute. Wie gefordert, ging ich den Wanderweg am Bach entlang zum Wasserfall, eine Entfernung, die mich nach meiner Knieoperation doch einige Mühe gekostet hat. Das schlimmste kommt aber noch. Die vielen Treppen am Wasserfall und der Höhenunterschied von sechzig Metern hat mir sehr zu schaffen gemacht. Mein Herz ist solchen Steigungen nur selten ausgesetzt, also, um es einfach zu sagen, ich bin das Treppensteigen nicht gewohnt.«
Bodo versuchte diese langatmigen und umständlichen Erklärungen zu verkürzen, unterbrach und fragte: »Und dann?«
Aber Ambros fuhr in seiner ausholenden Art fort.
»Ja und dann. Als ich oben an der Aussichtsplattform angekommen war, musste ich mich vom Aufstieg erholen, eine Bank, die dort oben stand, kam mir sehr gelegen. Als ich wieder ruhig atmen konnte, ging ich zum Bach und legte die Brotbox mit dem Geld hinein. Die Strömung erfasste die Box und nach wenigen Metern stürzte sie über die Kante und fiel, für mich nicht sichtbar, in die Tiefe.
Ich bin auf die Aussichtsplattform gegangen und habe hinabgesehen, in wenigen Sekunden hatte sie den Höhenunterschied, den ich mühsam in Minuten aufwärts benötigte, überwunden, und trieb nun auf dem langsam fließenden Bach. Der macht gleich nach dem Wasserfall eine Kurve und dort unten muss der Unhold gewartet und sie aus dem Wasser gefischt haben. Eine geniale, weil einfache Idee, wie ich finde.«
Bodo fragte erstaunt: »Wie, Sie finden das genial?«
»Ja«, dozierte Ambros weiter, »denn sehen Sie, kein Mensch kann die 289 Stufen am Wasserfall so schnell hinunterlaufen wie die Brotbox hinunterfällt. Der Erpresser hat also genügend Zeit die Box aus dem Wasser zu fischen, und darauf muss man erst einmal kommen.«
»Na ja«, meinte Bodo, »kriminelle Energie ist auch eine Kraft. Sagen Sie mal Herr Ambros, wie hat Sie der Umschlag eigentlich erreicht?«
»Im Hotel hat jeder Gast unten an der Rezeption ein Postfach, dort habe ich ihn gefunden. Mit gleicher Post ein Brief von meiner Frau, in dem sie mir mitteilt wie sehr sie mich vermisst, oh Herr Kröber, da habe ich einen sehr großen Lebensfehler gemacht, das Geld ist nicht das was …«
Bodo unterbrach ihn und sah sich den Umschlag an.
»Der Brief von Ihrer Frau hatte bestimmt, so vermute ich, einen Poststempel, der Umschlag hier nicht.«
Ambros antwortete: »Das ist richtig vermutet, ich sehe, Sie verstehen ihr Handwerk und wenn ich dazu bemerken darf, wenn mich mein Gefühl nicht trügt, muss der Erpresser ja auch hier aus dem Umfeld stammen, aber ich möchte nicht in Ihre Ermittlungen eingreifen Herr Kröber, es ist nur eine vage Vermutung, dass der Unhold eine sehr gute Kenntnis der Gegend hier haben muss, also ein Einheimischer sein könnte.«
Bodo dachte nur, dieser Mensch hat Sprechdurchfall in einer altertümlichen Sprache, welche Frau geht mit so einem komplizierten Menschen ins Bett, und wenn wie?
Um abzulenken fragte er: »In welchem Hotel wohnen Sie eigentlich Herr Ambros?«
»Im Kurhotel.«
»Und wo wohnte Schmitz?«
»Auch im Kurhotel.«
Bodo überlegte kurz und sagte dann: »Dann werde ich mir wohl da auch ein Zimmer nehmen müssen. Also Herr Ambros, die Bilder und den Brief behalte ich mal vorerst, Ihre Telefonnummer habe ich, und wenn wir beide uns hier in Bad Tannberg noch mal über den Weg laufen sollten, wir haben uns noch nie gesehen, wir kennen uns nicht, alles klar?«
»Alles klar«, sagte Ambros dankbar, »ich hoffe, Sie finden den Erpresser. Wie wollen Sie vorgehen Herr Kröber?«
Bodo kratzte sich am Kopf und meinte: »Ich habe gerade eine Idee bekommen.«
Er verabschiedete sich von Ambros und ging den kleinen Pfad hinunter, der sich in Serpentinen bis in den Kurpark schlängelte. Bodo setzte sich auf eine Bank und fischte sein Handy aus der Tasche. »Hallo Claire, mir ist da so eine Idee gekommen, kannst du dir vorstellen ein paar Tage in Bad Tannberg zu kuren?«
»Was soll der Quatsch«, empörte sich Claire, »ich bin doch noch nicht alt oder krank.«
Bodo versuchte es noch einmal.
»Claire, könntest du dir vorstellen in Bad Tannberg ein paar Tage Urlaub zu machen?«
Sie entgegnete: »Bodo was ist los, erzähl, du bist erst ein paar Stunden weg und hast wohl schon Sehnsucht nach mir, oder wie soll ich das verstehen?«
»Egal ob Kur oder Urlaub«, meinte Bodo, »ich glaube, du könntest mir bei der Lösung des Falles behilflich sein.«
»Wie das?«, fragte Claire gespannt.
»Ganz einfach«, entgegnete Bodo gut gelaunt, »du kommst nach Bad Tannberg und mietest dir in irgendeiner Pension oder einem Hotel ein Zimmer. Aber nicht im Kurhotel. Wichtig ist, dass wir uns nicht kennen, wir haben uns noch nie gesehen.«
»Aber ich kenne dich doch Bodo, was soll das?«
»Ich stelle mir das so vor, du gehst am Nachmittag zum Tanztee in den Kurgarten, dort wirst du dann von einem netten gut aussehenden Herrn angebaggert, zum Tanzen aufgefordert und dergleichen mehr.«
»Dergleichen mehr, Bodo, ich soll mich von wildfremden Menschen anbaggern lassen?«
Bodo lachte.
»Der wildfremde Herr bin ich, Claire, du kennst mich, musst aber so tun, als ob du mich nicht kennst, noch nie gesehen hast, du musst Sie zu mir sagen, und wir tun so, als ob wir uns gerade erst kennenlernen.«
Claire tat entsetzt. »Was, ich soll einen Lockvogel spielen?«
»Nein«, meinte Bodo, »ich bin der Lockvogel, denn nach dem Muster, das der Erpresser an den Tag legt, werden nur Männer erpresst. Bitte Claire, ich möchte dich neu kennenlernen.«
Claire überlegte und sagte: »Das klingt spannend, neu kennenlernen, den eigenen Freund, reicht dazu ein Wochenende? Wir werden es erfahren. Also abgemacht Bodo, äh Herr Kröber, Sie finden mich morgen ab 15 Uhr im Kurgarten.«
Bodo spazierte nach dem Gespräch gut gelaunt durch die gepflegte Parkanlage.
Die Kieswege liefen alle auf das große Kurhaus zu, in dem im Eingangsbereich die berühmte Heilquelle sprudelte. Bodo ging hinein und fand sich unter vielen Menschen, die mit einem Becher in der Hand durch die gläserne Wandelhalle spazierten.
Er nahm sich einen Becher und hielt ihn unter einen der vielen Wasserhähne. Das Wasser roch schweflig, nach faulen Eiern. Er nippte daran, verzog den Mund und dachte, das krieg ich nicht runter.
Er ging mit dem Becher nach draußen und suchte einen Papierkorb, in dem er den Becher mit dem Heilwasser versenkte. Er sah sich um und ging auf den Pavillon zu, in dem die Kurkapelle bei schönem Wetter am Wochenende zum nachmittäglichen Tanztee aufspielte. Vor dem Pavillon war eine Tanzfläche und gleich daneben lag das Kurcafé.
Bodo ging ein paar Treppenstufen zur Terrasse hoch, und setzte sich an einen freien Tisch, nahm die Karte und suchte sich ein Stück Kuchen aus. Er entschied sich für Käsesahne und ein Kännchen Darjeeling. Er winkte der Bedienung.
Bodo war überrascht, eine sehr hübsche, etwa dreißigjährige Frau kam lächelnd auf ihn zu, zückte den Bestellblock und fragte: »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Ein Stück Käsesahne und ein Kännchen Darjeeling bitte«, sagte Bodo.
»Gerne«, sagte die nette Bedienung und drehte sich zum Nachbartisch um.
Ein bisschen zu viel Parfüm, und ein bisschen zu viel Make up, dachte Bodo, aber ansonsten hübsch, wirklich hübsch.
Am Nebentisch wurde es laut, ein Gast redete auf die Bedienung ein: »Das ist mir schon einmal hier passiert, ich habe keine zwei Stücke Kuchen gehabt, gestern dachte ich noch, das sei ein Versehen, aber heute schon wieder, da steckt doch System dahinter, machen Sie das mit jedem?«
Die hübsche Bedienung unterbrach den Mann: »Kann doch mal vorkommen bei der Hektik hier, ist doch kein Problem, oder?«
»Was heißt hier kein Problem«, fauchte der Gast wütend, »Sie sind das Problem. Wenn Sie mit der Hektik hier nicht zurecht kommen, suchen Sie sich einen ruhigeren Job, und von wegen, kann doch mal vorkommen. Gestern, und heute schon wieder, ich möchte Ihren Chef sprechen, aber dalli.«
Seine Frau schaltete sich ein: »Aber Heinz, doch nicht so laut, die anderen Gäste schauen schon zu unserm Tisch.«
»Sollen sie doch schauen«, schrie er, »ist doch wahr, das kann man doch nicht immer durchgehen lassen.«
Sie meinte besänftigend: »Wir reisen morgen doch sowieso ab Heinz, ich will keinen Ärger mehr haben.«
Sie öffnete ihre Handtasche und legte Geld auf den Tisch. »Stimmt so Frollein.«
Ihr Mann schüttelte vehement den Kopf und trompetete: »Auch noch Trinkgeld geben, jetzt ist aber gut.«
Er stand abrupt auf.
Die Bedienung nahm das Geld vom Tisch und sagte zu der Frau: »Dankeschön«, und zu dem wütenden Mann: »Bleiben Sie bitte noch sitzen, ich bringe Ihnen noch ein Kännchen Kaffee aufs Haus.«
»Wir sind nicht bestechlich«, rief er laut, »Unverschämtheit, komm wir gehen, Elfriede.«
Er nahm sie am Arm und zog sie von der Terrasse. Bodo sah den beiden nach und dachte, die kriegen jetzt bestimmt Krach. Nach einer Weile kam die Bedienung mit dem Kuchen und dem Tee. Sie lächelte Bodo an und wünschte guten Appetit. Bodo durchtrennte die Kuchenspitze mit der Gabel, ließ sich die Käsesahne schmecken und schaute sich um.
Vor ihm der Kurpark, rechts der Musikpavillon, davor die Tanzfläche. Links das Kurhaus, dahinter auf einem kleinen Hügel der Wasserturm. Und vor sich sah er hinter der Mauer des Kurgartens die Vorderfront des Kurhotels.
Er nahm die Bilder des Erpressers aus dem Umschlag und schaute sie sich noch einmal an. Bei dem Bild, auf dem Ambros vor dem Pavillon tanzte, schaute er genauer hin. Das musste aus der Richtung des Musikpavillons geschossen worden sein, denn im Hintergrund war das Kurhaus zu sehen.
Bodo bezahlte bei der hübschen Bedienung und ging noch einmal zum Pavillon. Er stellte sich auf den Rasen links neben den Pavillon und hielt das Bild hoch. Fast wärs das schon, ein bisschen zu weit links, dachte er, und ging um den Bau herum, stellte sich rechts neben den Pavillon und verglich wieder die Perspektive.
Zu weit rechts. Also folgerte er, das Bild ist aus dem Pavillon heraus aufgenommen worden.
Er ging die fünf Stufen hinauf und stand vor der verschlossenen Glastür. Er sah die Notenständer der Kurmusiker, den mit einer Decke zugehangenen Flügel und zwei große Blumentöpfe aus denen, Kunstblumen herausragten. Ein Schild war an der Tür angebracht: Freitag bis Sonntag 15–17 Uhr Tanztee.
Er schlenderte durch den Kurpark und suchte den Weg der zum Wasserturm führte.
Den ging er hinauf und es wunderte ihn nicht, als er eine am Turm angebrachte Eisenleiter entdeckte, die rund um den Turm bis unter die Kuppel führte. Doch ein verschlossenes schmiedeeisernes Tor versperrte den Zugang zur Treppe.
Bodo schaute sich um, und da keiner zu sehen war, kletterte er über das Tor und ging dann die Treppe hoch bis das Kurhotel zu sehen war. Bodo zog das Bild mit dem Zoom heraus und verglich wieder.
»Bingo«, sagte er, »von genau dieser Stelle aus hat der Erpresser das Bild von Ambros und der Frau im Hotelzimmer machen können.«
Mit einem guten Zoom kam er tatsächlich ins Zimmer hinein. Von hier oben hatte Bodo einen schönen Blick auf den etwas verschlafen wirkenden Kurort. Aber Ruhe und Schlaf gehörten wohl zu einer Kur. Er stieg wieder hinab, kletterte über das Tor und ging zurück in den Kurpark. Viele Menschen mit Krücken und Stöcken waren im Park unterwegs. Einige schoben Rollatoren vor sich her, Bodo nannte sie scherzhaft »AOK Shopper« und dachte, wann werde ich hier wohl mal kuren, das Treppensteigen fällt schon etwas schwerer und das Klettern ging auch schon mal besser. Vielleicht sollte ich mal wieder ins Fitnessstudio gehen?
Durch ein Tor des Parks gelangte er in die Fußgängerzone des kleinen Kurortes, Mode- und Ledergeschäfte, bei denen Bodo die Preise doch etwas hoch vorkamen, zwei Apotheken, die eine stand auf der linken, die andere genau gegenüber auf der rechten Straßenseite. Konkurrenz belebt das Geschäft, dachte Bodo. Er ging zum Parkhaus, bezahlte die Gebühren und fuhr dann zum Kurhotel. Er nahm seine Tasche vom Rücksitz und ging zur Rezeption. Ein grauhaariger älterer Mann saß dahinter und tippte etwas in den Computer.
Er sah auf, als Bodo näher kam.
»Guten Tag«, sagte Bodo, »haben Sie noch ein Zimmer für mich?«
Der Portier fragte: »Einzel oder Zweibettzimmer?«
»Ich bin alleine.«
»Ich schau mal nach«, und während er in den Computer schaute, fragte er: »Wie lange möchten Sie denn bleiben?«
Bodo überlegte kurz und sagte: »Also, sagen wir, Abreise Montagmorgen.«
Der Portier nickte: »114 wäre frei, im zweiten Stock.«
Bodo fragte schnell nach: »Ist das Zimmer auch mit Blick auf den Kurgarten?«
»Ja«, sagte der Portier, »wenn Sie sich bitte hier eintragen würden.«
Er schob Bodo den Anmeldeblock über die Theke und Bodo trug seine Adresse ein.
»Danke sehr, Herr Kröber«, sagte der Portier und überreichte Bodo den Schlüssel.
»Zimmer 114 im zweiten Stock, Ihr Postfach hat die gleiche Nummer, wir wünschen einen angenehmen Aufenthalt. Falls Sie irgendetwas benötigen oder Fragen haben, wir sind immer für Sie da.«
Bodo bedankte sich, nahm seine Tasche und ging durch die Hotelhalle zum Aufzug. Das Zimmer mit Aussicht auf den Kurgarten war in Ordnung. Von hier aus konnte Bodo den Wasserturm sehen und ihm gegenüber war das Kurcafé. In der Mitte des Gartens plätscherte ein Springbrunnen, hoffentlich wird der nachts ausgestellt, sonst muss ich dauernd pieseln, dachte Bodo. Er verstaute ein paar Sachen im Schrank. Als er die Tür zumachen wollte, sah er sich im Spiegel. Er strich sich eine Locke aus dem Gesicht und tätschelte seinen Bauch.
Ein bisschen weniger essen, etwas weniger Wein, dann würde die Hose auch nicht so spannen.
Rasieren wäre auch nicht schlecht, die dunklen Bartstoppeln waren schon zwei Tage alt.
Und duschen wollte er noch. Na ja, dachte er, für zweiundvierzig sehe ich noch ganz passabel aus.
Er fasste sich an seine Nase, die lang und vorspringend aus seinem eher runden Gesicht ragte, und drückte sie einmal nach rechts und dann nach links. Eine Angewohnheit, die er schon als Kind gehabt hatte.
Nachdem er sich rasiert und geduscht hatte verließ er das Hotel und ging in den Ort um eine Kleinigkeit zu essen.
Es war ein warmer Sommerabend und vor vielen Lokalen in der kleinen Fußgängerzone saßen die Menschen im Freien. Er schlenderte an den Restaurants vorbei, blieb vor einigen Speisekarten stehen und war erstaunt, dass er so viele Schweinereien entdeckte: Schweineschnitzel natur, Schweineschnitzel Jägerart, Schweineschnitzel Zigeunerart, usw.
»Immer noch nicht ausgestorben diese Schnitzel, trotz Schweinepest und Grippe, der Deutschen liebstes Gemüse.«
Er fand ein chinesisches Lokal, in dem er ein sehr wohlschmeckendes Entengericht verspeiste. Danach ging er in die Hotelbar und nach zwei Gläsern Wein ins Bett.
Freitag 15. Juni. Bad Tannberg.
Bodo hatte gut geschlafen. Nach dem Frühstück verbrachte er den Morgen mit einer Wanderung zum Wasserfall, um sich, wie Ambros es ausdrücken würde, einen Überblick der örtlichen Gegebenheiten zwecks Aufklärung einer Straftat zu verschaffen.
Der Wasserfall war eine von Bad Tannbergs Sehenswürdigkeiten, aber der Weg nicht ganz einfach. Ein paar heftige Steigungen und steil abwärts führende Serpentinenpfade erschwerten den Weg dorthin, aber der Wasserfall selbst war fantastisch, wie Bodo fand. Das Wasser stürzte in mehreren Kaskaden über Felsen und Vorsprünge sechzig Meter in die Tiefe. Dort unten, wo das Wasser ankam, rauschte und spritzte es mächtig, und überall in der Luft war ein feiner Wasserdunst zu spüren. Er legte sich auf eine geschwungene Ruhebank und atmete tief ein. Durch den feinen Wasserdunst, in dem Schiefermineralien gelöst waren, sollte die Luft besonders besänftigend wirken.
Neben dem Wasserfall führte eine Treppe mit vielen Stufen nach oben zu einer Aussichtsplattform, von der man, wie er es in einem Prospekt gelesen hatte, eine großartige Aussicht auf einen der schönsten Wasserfälle Deutschlands hatte. Die Treppen und die Aussicht sparte er sich und wanderte zurück nach Bad Tannberg.
Am Nachmittag ging er in den Kurpark.
Die Terrasse des Kurcafés war gut besetzt, die Kurkapelle spielte, Bodo suchte sich einen freien Platz und war gespannt, wann Claire auftauchen würde. Das Musikstück war zu Ende, die Musiker blätterten in ihren Noten, der Pianist nahm das Mikrofon vom Stativ und sagte: »Meine sehr verehrten Gäste, das nächste Stück, das wir spielen, ist von Josef Ivanovici, die berühmten Donauwellen, es darf getanzt werden.«
Er steckte das Mikrofon wieder auf das Stativ und begann das Stück mit einem furiosen Klaviersolo. Bodo war überrascht und dachte, das hätte ich jetzt nicht erwartet, der kann ja richtig was.
Das Solo war zu Ende, die anderen Musiker setzten ein, der Walzer begann und einige Paare standen auf und gingen zur Tanzfläche.
Ein weißhaariger braun gebrannter Mann ging auf einen Tisch zu, verbeugte sich vor einer Frau in einem Kleid mit altmodischem Rosendesign.
So etwas, dachte Bodo, war in den Sechzigern mal modern.
Die Frau stand auf und ging mit dem Mann zur Tanzfläche. Als sie sich umdrehte erschrak Bodo. Claire, das kann doch nicht wahr sein, dachte er, wie kommt die an ein solches Kleid? Der Mann da passt mir aber gar nicht ins Konzept, wieso habe ich Claire eben nicht erkannt?
Bodo zwirbelte aufgeregt seinen Schnurbart und drückte nervös seine Nase nach links und rechts, sein Plan schien in Gefahr. Er wartete ungeduldig, bis der Tanz zu Ende war. Claire sagte etwas zu dem Mann, der sie wieder an ihren Tisch zurück brachte.
Sie saß bei einer älteren Dame, die ihre Mutter hätte sein können.
Als die Kurkapelle das nächste Stück begann, ging er schnell auf Claire zu. »Darf ich bitten?«
»Sehr gerne«, hauchte Claire.
Er nahm ihren Arm und führte sie zur Tanzfläche. Die ersten Umdrehungen waren für Bodo sehr ungewohnt, aber nach einer Weile ging es immer besser.
Bodo fragte: »Machen Sie hier Urlaub oder kuren Sie etwa?«
Claire antwortete scherzhaft: »Natürlich mache ich hier Urlaub, für eine Kur fühle ich mich noch nicht fit. So was ist bestimmt anstrengend.«
»Tanzen ist auch anstrengend«, meinte Bodo und drehte Claire schwungvoll herum.
»Ja, aber nur, wenn man es lange nicht mehr gemacht hat«, sagte Claire.
Bodo fragte weiter: »Wie lange ist es denn bei Ihnen schon her?«
Claire schaute ihn an. »So lange wie bei Ihnen, denke ich.«
»Dafür klappt es aber noch erstaunlich gut bei uns«, lächelte Bodo.
»Bin auch überrascht«, sagte Claire und schmiegte sich enger an Bodo.
»Mal im Ernst Bodo, ob der Jemand uns schon im Visier hat? Wer könnte es sein?»
Bodo schaute in den Pavillon und erklärte: »Die Bilder von Ambros und seinem Kurschatzi sind überwiegend hier im Kurgarten aufgenommen worden, vermutlich läuft der schon hier rum.«
»Oder sitzt«, meinte Claire und schaute sich die Menschen im Kurcafé an.
»Wenn wir den erwischen«, sagte Bodo, »sitzt er länger als ihm lieb ist.«
Der nächste Tanz war ein Tango und Bodo erinnerte sich schnell wieder an die notwendigen Schritte. Er legte die Hand um Claires Taille und fragte: »Sag mal Claire, wo hast du dieses schöne Blumenkleid denn her? Meine Mutter hatte in den Sechzigern auch mal so ein geblümtes Kleid.«
»Gleich als ich mit dem Zug ankam, hab ich neben dem Bahnhof eine Boutique entdeckt«, erwiderte Claire, »gefällt es dir?«
»Ein bisschen auffallend«, meinte Bodo, »aber für unsere Zwecke genau richtig.«
Der Tanz war zu Ende, die Paare blieben stehen, klatschten und gingen zu ihren Plätzen.
Bodo brachte Claire an ihren Tisch und setzte sich zu ihr und der alten Dame.
Sie redeten wieder per Sie miteinander und hörten sich von der alten Dame all die Krankheiten an, die sie schon überstanden hatte. Beim nächsten Tanzdurchgang ließen sie keinen Tanz aus.
Beiden machte es großen Spaß.
Bodo sagte: »Mir ist da was aufgefallen Claire, Ambros ist öfter beim Tanzen mit seinem Kurschatz fotografiert worden. Wenn ich das richtig deute, sind die Bilder aus dem Musikpavillon heraus gemacht worden.«
Claire schaute Bodo fragend an: »Du meinst einer der Musiker hat was damit zu tun?«
Bodo nickte und meinte: »Wer sonst?«
Claire überlegte: »Aber die machen doch Musik, und außerdem, jeder würde sehen, wenn einer von denen fotografiert.«
Bodo gab zur Antwort: »Ich kannte mal einen Orgelspieler, der hat mit beiden Füßen die Pedale bedient, mit der linken Hand gespielt, und mit der rechten telefoniert.«
»Gibt’s so was?«, fragte Claire.
»Ab und zu gibt’s solche Talente«, sagte Bodo, »die so was können.«
Der Klavierspieler der Kurkapelle nahm wieder das Mikrofon und sagte: »Meine sehr verehrten Damen und Herren, nutzen Sie unser nächstes Musikstück für einen letzten Tanz, unsere Zeit ist um, wenn unsere Musik Ihnen gefallen hat, kommen sie morgen bitte wieder. Nun ein langsamer Walzer. Dankeschön.«
Wieder begann er mit einem virtuosen Klaviersolo, das in keinem Verhältnis zu dem anschließenden Musikstück stand. Bodo und Claire tanzten auch noch diesen Tanz und setzten sich dann wieder an den Tisch.
»Augenblick«, sagte Bodo, stand auf und ging zum Podium der Musiker, die ihre Instrumente und die Noten verstauten. Bodo ging auf den Klavierspieler zu und fragte ihn: »Entschuldigen Sie eine Frage, kann man sich bei Ihnen auch ein Musikstück wünschen?«
Der Pianist zuckte zusammen als er von Bodo angesprochen wurde, und wich einen Schritt zurück. »Ja natürlich, das machen wir gerne, wenn wir es kennen.«
»Gut«, sagte Bodo, »dann überlege ich mir was für morgen. Sie spielen übrigens fantastisch Klavier. Bis morgen.«
»Danke«, sagte der Pianist und steckte seine Noten in einen Ordner. Bodo drehte sich um und schaute schnell auf die rechte Seite der Flügeltastatur. Sie war der Tanzfläche zuge- wandt.
Er sah auf dem schwarzen Holz am oberen Ende helle Streifen, wie sie ein Klebeband erzeugt, wenn es entfernt wird. Bodo ging von der Bühne zu Claire.
»Wir gehen jetzt in den Kurpark, dort werde ich dich zum ersten Mal küssen.«
Er winkte der Bedienung.
»Das ist richtig aufregend mit dir Bodo, das macht Spaß so verliebt zu tun.«
»Zu tun?« Bodo sah sie streng an. »Ich bin verliebt in dich, neu und wieder, ich finde das auch aufregend.« Er sah sie lächelnd an. Er bezahlte bei der hübschen Bedienung, die er gestern schon gesehen hatte und gab ihr ein kräftiges Trink- geld.
Bodo und Claire schlenderten durch den Kurpark.
»Hier«, sagte Bodo, blieb stehen und zeigte auf eine Rose, »die Rosensorte fehlt noch in unserem Garten, eine Benjamin Britten, eine Neuzüchtung aus England.«
»Die ist wunderschön«, sagte Claire.