Der Tote von Wynden Manor - Elisabeth Marienhagen - E-Book
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Der Tote von Wynden Manor E-Book

Elisabeth Marienhagen

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Beschreibung

Ein Mord, ein Mops und eine Möchtegern-Detektivin
Der britisch-humorvolle Cosy Crime im idyllischen Dartmoor

Lady Persephone Temper führt erfolglos eine Frühstückspension auf ihrem Landsitz Wynden Manor in Dartmoor, England. Als sie in Geldnot gerät, ist Kunstexperte Torquill Thornfield dazu bereit, ihre antiken Statuen zu kaufen. Doch bei der Besichtigung der Objekte im Garten entdecken sie die Leiche von Persephones Ex-Verlobtem – in Gips gehüllt. Unversehens steht Lady Temper im Fokus der Ermittlungen von Scotland Yard. Um ihre Unschuld zu beweisen, beginnt sie auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen und lüftet dabei die Geheimnisse der Bewohner von Wynden Manor. Als Persephone von ihrem Mops Sir Charleston auf eine heiße Spur gebracht wird, gerät sie dabei selbst in Gefahr. Wem kann sie noch trauen und weshalb kreuzt der ebenso charmante wie undurchsichtige Torquill bei den Ermittlungen so oft ihren Weg?

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Der Tote von Wynden Manor.

Erste Leser:innenstimmen
„Ein Krimi, der Gemütlichkeit und Spannung zugleich vermittelt, einfach super zum Abtauchen!“
„Spannender Fall mit vielen überraschenden Wendungen und einem wunderbaren Schauplatz in England.“
„Wohlfühl-Krimi vom Feinsten!“
„Sehr unterhaltsamer Cosy Crime, der mich direkt in den Bann gezogen hat.“

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Seitenzahl: 470

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Über dieses E-Book

Lady Persephone Temper führt erfolglos eine Frühstückspension auf ihrem Landsitz Wynden Manor in Dartmoor, England. Als sie in Geldnot gerät, ist Kunstexperte Torquill Thornfield dazu bereit, ihre antiken Statuen zu kaufen. Doch bei der Besichtigung der Objekte im Garten entdecken sie die Leiche von Persephones Ex-Verlobtem – in Gips gehüllt. Unversehens steht Lady Temper im Fokus der Ermittlungen von Scotland Yard. Um ihre Unschuld zu beweisen, beginnt sie auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen und lüftet dabei die Geheimnisse der Bewohner von Wynden Manor. Als Persephone von ihrem Mops Sir Charleston auf eine heiße Spur gebracht wird, gerät sie dabei selbst in Gefahr. Wem kann sie noch trauen und weshalb kreuzt der ebenso charmante wie undurchsichtige Torquill bei den Ermittlungen so oft ihren Weg?

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Der Tote von Wynden Manor.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe August 2023

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-625-9 Hörbuch-ISBN: 978-8-72639-251-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-850-6

Copyright © 2019, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2019 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Der Tote von Wynden Manor (ISBN: 978-3-96087-760-8).

Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © davidschrader, © ElenStock, © phb.cz shutterstock.com: © Eric Isselee, © Radek Sturgolewski stock.adobe.com: © johannes Lektorat: Daniela Pusch

E-Book-Version 23.08.2023, 12:16:18.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Der Tote von Wynden Manor

Vorwort

Gerade habe ich vom Verlag erfahren, dass mein Cosy-Krimi Der Tote von Wynden Manor, der 2019 erschienen ist, eine weitere Auflage mit einem neuen Cover erhalten wird. Das ist nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Premiere auf meinem Weg als Autorin.

Davon gab es einige bei diesem Manuskript: Es ist das erste meiner Werke, das ich in gedruckter Form in Händen halten durfte, eine unvergessliche Erfahrung, die mir sehr viel bedeutet. Und noch etwas verbindet mich mit diesem Buch: Meine erste, bewusst für ein Projekt geplante Urlaubsreise, die mich an reale Schauplätze der Handlung geführt hat. 

Obwohl das Örtchen Wynden mit seinem Herrenhaus und alle Figuren einzig und allein meiner Fantasie entsprungen sind, sollte das fiktive Dorf möglichst authentisch wirken. Dazu hatte ich mir vorgenommen, Fotos der Gegend um Ashburton, Torquay und Dartmoore zu knipsen, viele sind es letztlich nicht geworden. (Typisch für mich, ich war viel zu sehr mit Aufsaugen und Genießen der Eindrücke beschäftigt …) Auch Pubs musste ich aufsuchen, selbstverständlich nur zu Recherchezwecken …

Bei diesem Cosy-Krimi wollte ich meine Sache unbedingt gut machen: Also habe ich stundenlang am Exposé gefeilt und mit meiner geplagten Familie und einigen Freunden über Inhalt und Auflösung beraten und diskutiert. Zu vorhersehbar sollten Täter und Tathergang nicht daherkommen. Den Rückmeldungen nach zu schließen, ist mir die Verschleierungstaktik gelungen. Ein kleiner Tipp: Im ersten Drittel des Romans gibt es einen Hinweis auf den oder die Täterin, wenn auch dezent verpackt. 

Was ich noch erwähnen möchte: In diesem Krimi spielt ein Mops namens Sir Charleston eine tragende Rolle, immerhin entdeckt er die Leiche des Mordopfers. Seine Figur hat meinen Kindern derart gut gefallen hat, dass einige Zeit nach dem Erscheinen des Buches und meiner ersten Lesung vor einem größeren Publikum eine entzückende Mops-Dame bei uns eingezogen ist. Die beste Entscheidung, die wir treffen konnten – und Bruni ist bei unseren Spaziergängen fleißig am Schnüffeln. Einen solch verstörenden Fund wie Sir Charleston hat sie zum Glück noch nicht erschnuppert: Ich hoffe sehr, dass etwas Derartiges auch nie der Fall sein wird. Kurzum, den Job der Hobby-Detektivin überlasse ich lieber meiner Heldin Persephone Temper. 

Viel Spaß beim Lesen ihrer Geschichte wünscht euch

Elisabeth 

Wie eine Statue

Samstag, 20. Oktober

In der Senke eines der zahllosen, sanft geschwungenen Hügel Dartmoors, die Tors genannt wurden, hatte jemand eine sitzende Statue platziert. Sie thronte erst seit einem Tag in dem Wäldchen, noch fremd und ungewohnt, den Augen und Nasen umherstreifender Tiere ausgesetzt. Alte Eichen und Ahornbäume umgaben das Kunstwerk, das weiß durch das herbstlich bunt gefärbte Blattwerk des dichten Unterholzes schimmerte.

In der Nacht zuvor war Starkregen auf den Boden und das Standbild geprasselt, fast so als ob der Guss eine neue Sintflut einläuten wollte. Selbst jetzt, nachdem die Morgensonne durch die Wolken gebrochen war, dampfte der Boden noch.

Weitab von dem Hügel roch es nach feuchter Erde und klarer Luft. Doch je näher man der Idylle kam, umso stärker trat ein widerlich süßer Geruch hervor.

Insekten surrten und schwirrten um die einsame Statue herum, deren Material bereits abbröckelte. Eine Krähe hockte auf dem Kopf des Sitzenden und hämmerte mit ihrem Schnabel gegen den brüchigen Gips, in dem sie einen Spalt entdeckt hatte. Darunter schimmerte etwas und erregte das Interesse des Vogels.

Als Vorbild für den Sitzenden mochte der berühmte Denker Rodins gedient haben, vielleicht auch die Darstellung eines modernen Performancekünstlers oder eine griechische Götterstatue. Doch die Ausführung des Kunstwerks war grob. Es zeigte unbeholfene, wie von den Händen eines Kindergartenkindes geformte Gesichtszüge.

Die Macht des Regens hatte einen Teil der Hülle weggespült. Auf dem Boden um die Statue herum lagen hinuntergeschwemmte weiße Stücke und Bröckchen. Das Unkraut zu Füßen der Statue war von mit Gips gefärbtem Wasser getränkt, das in der Regennacht wie Spuren weißer Tränen im Grün den Hügel abwärts geflossen war.

Ein freigelegter menschlicher Zeh lugte aus dem beschädigten Material. Eine emsige Ameise krabbelte zielstrebig in die Öffnung, aus der er hervorschaute. Eine Fliege ließ sich auf dem pedikürten Zehennagel nieder und putzte ihre Beine. Die Krähe flatterte auf, als ihre Schnabelhiebe Erfolg zeitigten und ein Stück Gips wegbrach. Es stürzte zu Boden, plumpste weich auf und zerfiel. Unschlüssig kreiste der Vogel über dem Toten. Nachdem keine weiteren Brocken folgten, landete er auf der eingegipsten Schulter der Leiche.

Aufmerksam betrachtete die Krähe das zum Teil freigelegte Gesicht. Der Nasenansatz und ein Stück bleiche Haut kamen zum Vorschein. Dazu die Augenhöhle und eine durch eine kleine Narbe verunzierte dunkle Braue.

Die Krähe legte den Kopf schief, musterte den Toten und hackte entschlossen zu. Nur selten tauchten Menschen in dieser Gegend des Parks von Wynden Manor auf. Wer sollte sie also bei ihrem Mahl stören?

Sir Charleston

Sonntag, 21. Oktober

Lady Persephone Temper saß in ihrem Arbeitszimmer, das früher als Besenkammer des Herrenhauses gedient hatte: Staubwedel aus weichen Straußenfedern, Schrubber, Wischmopp und allerlei Putzzeug waren längst aus dem langen schmalen Raum verbannt worden, der nicht gerade als repräsentatives Büro gelten konnte. Aber dank eines Fensters wirkte es hell und licht. Als Kind hatte sie hier mit Staubwedeln bewaffnet Steckenpferd, Degenfechten oder Theater gespielt, inzwischen leitete sie eine Frühstückspension, erledigte Bestellungen, heftete Rechnungen ab oder telefonierte mit neuen Gästen.

Ein leises Schnauben ließ Persephone aufhorchen. Sir Everard Charleston lag auf einer Wolldecke vor dem Schreibtisch, ihr mehr oder weniger zu Füßen. Sie reckte den Kopf, um ihn anzusehen. Er runzelte die Stirn, ließ einen knatternden Furz fahren und öffnete unschuldig die großen dunklen Augen.

„Das stinkt! Pfui, Charlie, schämst du dich nicht?“ Weit davon entfernt, die Stinkattacke damenhaft zu übergehen, rümpfte Persephone die Nase.

Ein freudiges Waff genügte dem beigen Retro-Mopsrüden als Antwort. Fragend ruhte der Blick seiner dunklen Kulleraugen auf ihr. Er war ein außerordentlich guter Zuhörer und wusste vermutlich genau, dass sein Frauchen nur Spaß machte. Und je länger er sie musterte, umso schwerer fiel es ihr, das Lachen zu verkneifen.

„Du bist mir ein Schlimmer!“, tadelte Persephone ihn liebevoll.

Genau wie sie entstammte er einem altadeligen Geschlecht. Eine hohe Ehre, sollte man meinen. Obwohl er an der Last, ein Edler von Charleston zu sein, herzlich wenig trug.

„Ja, du hast das richtig verstanden. Deine Manieren lassen wieder einmal zu wünschen übrig, werter Sir.“

„Waff!“ Fröhlich wedelte sein Ringelschwänzchen hin und her.

Persephone beobachtete, wie er seinen gedrungenen Körper dehnte, herzhaft gähnte und schnurstracks um den Schreibtisch herum zu ihr trabte.

Sie tätschelte ihm den Kopf.

„Du bist ein kluger Hund, ich weiß. So wie du aussiehst, willst du am liebsten mit mir rausgehen, und es wäre ja auch gut für mich. Aber ich habe noch zu arbeiten.“ Im Gegensatz zu dem, was viele dachten, war Charlie alles andere als ein bequemer Schoßhund, der ständig döste.

Ihr Vater hatte bei seiner Anschaffung großen Wert darauf gelegt, einen Mopswelpen aus einer Zucht zu kaufen, die bei den Rassestandards Vernunft walten ließ. Sir Everard Charlestons Schnauze war nicht so platt, als dass er dem Ideal entsprochen hätte. Dafür blieb er von Augenentzündungen verschont und er brauchte auch nicht asthmatisch nach Luft zu ringen. Seine Beine kamen Persephone etwas länger vor als bei den Hunden, denen die Preisrichter Auszeichnungen verliehen. Aber sie war nicht mit derart vielen Möpsen bekannt, dass sie diese Beobachtung mit Fakten untermauern konnte. Wie auch immer, Charlie fegte gerne wie ein Wilder durch Wynden Manor, den Landsitz von Persephones’ Vorfahren. Allerdings nicht an der Seite ihres Vaters. Nicht mehr …

„Na, los, wenn du rauswillst, lauf in die Küche. Emma lässt dich in den Garten.“

Charlie kannte den Weg zu Mrs Carson, Persephones Köchin und Haushälterin. Außerdem wusste er natürlich, wie er Einlass erhielt zu diesem Reich voller verlockender Düfte und seinem Stück umzäunten Garten. Doch höflich wie er war, blieb er kurz stehen, um sein Frauchen aus dunklen Augen fragend zu mustern. So als ob er ihr die Chance geben wollte, ihre Meinung noch einmal von Grund auf zu überdenken.

Erst als sie ihn nochmals aufforderte, ohne sie zu ihrer Haushälterin zu gehen, drängte er seinen Kopf durch den Türspalt. Der Rest samt Ringelschwanz folgte. Persephone lauschte dem leisen Klacken seiner Krallen auf dem Marmor in der großen Halle und einem fröhlichen Beller. Offensichtlich hatte er etwas entdeckt.

Kurzentschlossen schob sie den Stuhl zurück, ließ den Computer mit einer Stornierungsmail ruhen und betrat die große Halle. Ihr Mops hatte tatsächlich etwas hinter einem der Sessel entdeckt, das er ausgiebig beschnüffelte.

„Na, hast du wieder etwas aufgestöbert?“ Persephone erlebte den Fluchtversuch einer verängstigten Spinne mit. Schon als Welpe jagte Charlie diese Krabbeltiere mit Leidenschaft. Dass sie den Weg in seinen Magen fanden, hatte Persephone bislang noch nicht beobachtet. Wobei seine Zurückhaltung vermutlich weniger darauf beruhte, dass er als Mops von Adel Gnade walten ließ. Sondern eher auf dem Umstand, dass Mrs Carson ihn von klein auf mit Leckerbissen verwöhnt hatte. Er speiste von hübschem Geschirr wie ein Feinschmecker und war entsprechend heikel beim Fressen. Persephone konnte beim besten Willen nicht glauben, dass Spinnen seinem verwöhnten Gaumen mundeten – oder überhaupt irgendjemandem mit verfeinerten Geschmacksnerven.

Leider schaffte das Krabbeltier es diesmal nicht schnell genug, ein sicheres Versteck zu erreichen. Charlie verstellte ihm den Weg und beobachtete fasziniert das Phänomen, das dieses schlaue Biest vor seinen Augen vollführte. Das Tier sah mit einem Schlag vertrocknet aus, wie tot. Nur ungern dachte Persephone an die erste Wiederauferstehung einer Spinne, die sie miterlebt hatte. Mit Besen und Schaufel bewaffnet hatte sie Sir Charlestons Opfer aufkehren wollen. Im nächsten Moment kreischte sie erschrocken auf, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass das Tier loskrabbelte.

Für den vorwitzigen Sir Everard Charleston bedeutete diese Totenstarre seither ein spannendes Spiel. Auflauern, anstupsen und zuschauen. Ob er außerdem auf eine ordentliche Schreiattacke von ihrer Seite wartete, konnte sie schlecht abschätzen.

„Du lässt die Spinne brav in Ruhe!“ Persephone lief in ihr Zimmer und eilte mit Wasserglas und Papier bewaffnet in die Halle zurück, um einmal mehr ihr Karma durch eine Rettungsaktion zu verbessern.

Das Tier lag noch in Totenstarre, als Persephone zurückkam. Hoffentlich blieb es bei der Rettungsaktion brav hocken. Mit zitternden Fingern ging sie in die Knie und stülpte das Glas rasch, aber vorsichtig über die schwarze Spinne mit den behaarten langen Beinen und dem dicken Körper. Ein Riesenexemplar. Behutsam schob Persephone das Blatt Papier unter das Glas.

„Oh, Lady Persephone, bitte, lassen Sie mich das machen.“ Mrs Carson, die auffallend blass aussah, eilte ihr aus der Küche entgegen und nahm ihr Glas, Papier und Spinne ab.

Bevor Persephone ihre Haushälterin fragen konnte, ob etwas nicht in Ordnung war, machte Mrs Carson kehrt und entschwand mit Spinne und Charlie, der aufgeregt an ihr hochsprang, in die Küche.

Das leidige Geld

In der großen Halle duftete es zart nach Lavendel und Rosen. Potpourris standen auf kleinen Beistelltischen neben den Sesseln, die Besucher zum Verweilen einluden. Für die großzügigen Treppenaufgänge mit den kostbaren Schnitzereien und Drechslerarbeiten war Wynden Manor sogar über die Grenzen Dartmoors hinaus bekannt. Perserteppiche und Seidenläufer auf Marmor und Parkett sorgten für ein wenig Gemütlichkeit in dem riesigen Raum. Ebenso der offene Kamin, um den die Sitzgruppe arrangiert war. Persephone lehnte die Tür zu ihrem Arbeitszimmer nur an, falls Sir Charleston Lust verspüren sollte, sie zu besuchen.

Ihr Blick glitt über die vollgefüllten Regale. Seit sie die Arbeit ihres Vaters übernommen hatte, standen alle Geschäftsbücher der letzten zehn Jahre in Griffhöhe eingeordnet. Sie zog einen mit Rechnungen des laufenden Jahres heraus. Ältere Bücher, Berichte und Personallisten längst vergangener, glanzvoller Zeiten erreichte sie nur mit einer verschiebbaren Bibliotheksleiter, die ein Schreiner eigens an die Regale angebracht hatte. Persephone haderte oft damit, dass sie nicht nur klein, sondern winzig war. Sie brauchte schon einen Tritt, wo andere nicht einmal die Zehenspitzen benutzten.

Nachdem ihr die Mahnung eines Klempners ins Haus geflattert war, musste sie prüfen, ob die Summe aus Versehen offenstand. Dabei hätte sie jeden Eid geschworen, den eingeforderten Betrag schon vor Monaten bezahlt zu haben. Was durchaus sein konnte: Manchmal gingen unberechtigte Forderungen ein, weil sie ihre Schulden vielleicht zu prompt überwies.

Eine Angewohnheit, die sie aus gutem Grund nach dem Tod ihres Vaters übernommen hatte, der ein säumiger Zahler gewesen war. Seufzend legte sie den Ordner auf den Schreibtisch. Das elegante Möbelstück aus Kirschholz war das letzte Geschenk ihres krebskranken Vaters. Trotz seiner quälenden Therapien hatte er es nicht versäumt, eine ‚Kleinigkeit‘ für ihr Arbeitszimmer auszusuchen. Wehmut durchflutete sie. Vor zwei Jahren war er gestorben.

Draußen zwitscherte eine Amsel. Persephones Blick fiel auf das Fenster, dessen Originalverglasung einem rebellischen Knecht zum Opfer gefallen war. Oder einem eifersüchtigen Ehemann? Die Familienaufzeichnungen waren in der Hinsicht nicht sehr ergiebig. Persephone konnte diese und jede Menge anderer historischer Details für Touristen auswendig und vermutlich auch im Schlaf herbeten, obwohl sie das nie überprüft hatte.

Schwierig wenn es keinen gab, mit dem man sein Bett teilte. Sie presste ihre Kiefer fest zusammen. Nicht mehr gab … Dabei war es nicht einmal so, dass sie die gelöste Verlobung bedauerte. Sie nahm auf ihrem Schreibtischstuhl Platz. Die Dielen knarrten während des Hinsetzens.

Trotz des Laptops auf dem Schreibtisch erinnerte vieles in ihrem Lieblingsraum an ein Museum. Kein Wunder, die Anfänge Wynden Manors reichten fünfhundert Jahre zu einem nahegelegenen Steinbruch zurück. Tja, und sie selbst verkam mit ihren siebenundzwanzig Jahren langsam aber sicher auch zum altertümlichen Inventar. Vielleicht war es doch nicht die schlechteste Idee, alles in Bausch und Bogen zu verkaufen? Wie herrlich musste es sein, ohne Schulden und unbeschwert von Rechnungen, Mahnungen und Hypotheken zu leben.

Aber von was? Als was? Persephone hatte englische Literatur studiert und über Jane Austens Persuasion promoviert. Beides erfolgreich, aber nicht herausragend. Mit den Verdiensten aus diesen Meriten konnte sie nicht einmal die Kosten einer ausgewogenen Sonntagsmahlzeit ihres Feinschmecker-Mopses decken. Geschweige denn die Ansprüche ihrer Mutter. Außerdem lebten sie nicht alleine hier: Sie konnte und wollte das Ehepaar Carson nicht entlassen. Schon bei dem Gedanken, ihre beiden treuesten Helfer auf die Straße zu setzen, blutete ihr Herz. Vor allem wenn sie an das Leid dachte, das die beiden um ihre Tochter trugen. Persephone faltete die Hände untätig auf der Schreibtischplatte, starrte auf die Kirschholzvertäfelung und die zart grüne Seidentapete. Ein leises Klopfen riss sie aus ihren Gedanken.

Die schöne Charlotte

Persephone lauschte. Doch, da klopfte jemand. Und richtig, ihre Mutter lugte ins Zimmer.

„Störe ich?“

„Nein, bitte komm herein.“

Persephone stockte manchmal der Atem, wenn sie die schöne Frau betrachtete, die ihre Mutter sein sollte. Die im trüben Licht eines Oktobertages, der rasch zur Neige ging, vertraut und fremd zugleich wirkte. Alles an Charlotte war eine Spur klarer und schöner als bei Persephone. Ihre Augen strahlten in einem intensiven Vergissmeinnichtblau, während Persephones nur ein undefinierbares Grüngraublau aufwiesen. Charlottes kinnlanger Pagenkopf glänzte in einem warmen Goldton, während Persephones Haar in schlichten dunkelblonden Wellen bis über ihre Schultern fiel. Persephone galt trotzdem als hübsches Mädchen, aber an ihre Mutter reichte sie vom Aussehen her nicht heran.

Darüber hegte sie keine Illusionen und sie verübelte es ihr nicht. Sie verübelte es ihr auch nicht, dass Charlotte sie nie selbst versorgt hatte. Zumal die Mutter keinen Hehl aus ihrer Geschichte machte: Als Siebzehnjährige lernte sie den weit älteren Reginald Temper, Earl Wynden of Wynden, kennen. Sie heirateten und ein Jahr später schenkte sie, selbst noch ein halbes Kind, ihrer Tochter das Leben.

Persephone kam sie nicht wie eine Respektsperson vor, sondern eher wie eine Schwester. Fremde hielten die Mutter vermutlich auch dafür. Denn ihre fünfundvierzig Jahre sah man Charlotte beim besten Willen nicht an. Ruhig wie eine Statue stand sie im Türrahmen.

„Komm endlich rein und setz dich, Mama. Du weißt doch, wie ungemütlich ich es finde, wenn du nur stumm dastehst.“

„Ach, Liebes, wie oft soll ich dich noch darum bitten: Ich wünschte, du würdest mich Charlotte nennen. Ich fühle mich so unsagbar alt, wenn du Mama zu mir sagst. Wie eine Matrone, dabei brennt mein Herz noch heiß.“

Das war nicht das, was Persephone zu hören wünschte. Sie lächelte verlegen, während ihre Mutter vor einem der Kupferstiche haltmachte. Aufmerksam betrachtete sie einen Fantasie-Schmetterling mit bunt schillernden Flügeln. Sie seufzte und wandte ihr reizendes Profil so weit zur Seite, bis sie Persephone in die Augen sah.

„Es ist so öde hier“, erklärte Charlotte unvermittelt. „Ich fahre ein paar Tage nach London. Willst du mich begleiten? Du brauchst unbedingt Abwechslung. Überlege es dir, Schätzchen. Du bist nur einmal jung, genieß es.“

„Tut mir leid, Mama, ich habe zu arbeiten, außerdem erwarte ich heute noch einen Gast.“

„Ich wollte, du würdest den Unfug mit diesem Betrieb lassen“, wischte ihre Mutter den Einwand weg. „Als ob ein Gast etwas an der Misere ändern könnte.“

„Einer sicher nicht, das stimmt. Aber wenn wir alle Zimmer vermieten würden, die infrage kommen …“

„Wenn …, wenn …, wenn …, warum tust du es nicht, wenn es dir so wichtig ist?“

Charlotte sah nicht so aus, als ob sie an einer Antwort ernsthaft interessiert wäre. Aber Persephone brachte es nicht fertig, höflich den Mund zu halten.

„Hörst du mir eigentlich nie zu, Mama? Das Dach muss repariert werden! Ich kann von unseren Gästen schlecht verlangen, dass sie in unserem Haus Schirme aufspannen und einen Slalom um Eimer hinlegen, die unter undichten Stellen aufgebaut sind.“

Wenn sie daran dachte, wie die Tropfen bei dem Wolkenbruch gegen die Fenster geplatscht und getrommelt hatten! Jeder im Haus war heilfroh um die vier Wände und das Dach über ihrem Kopf gewesen. Wobei Letzteres wie ein guter Witz klang. Alles an Eimern und Töpfen, was Mrs Carson entbehren konnte, hatten sie an diesem denkwürdigen Abend auf den Speicher geschleppt. Spätestens nachdem Persephone das Sammelsurium von gut dreißig Behältnissen betrachtet hatte, wusste sie, dass es so nicht weiterging. Die Ziegel waren mürbe und brüchig. Das arg verwinkelte Dach musste dringend neu eingedeckt werden.

„Und ich dachte, das dient als Markenzeichen für deine besondere Frühstückspension. Apropos Gäste, irgendetwas wollte ich dir noch sagen …“ Charlotte machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, so wichtig war es sicher nicht!“

„Oh, Mama!“ Statt böse zu sein, lachte Persephone hell auf. „Ich wünsche dir viel Spaß in der Stadt und bitte keine teuren Shoppingaktionen. Das sprengt unsere Finanzen.“

„Eigentlich müsste es umgekehrt sein, nicht wahr? Ich sollte dich davon abhalten, in der Stadt Unsummen für Frisör, Kleider und Theater auszugeben. Du bist es, die sich amüsieren sollte.“

„Gerne, aber dazu braucht man Geld.“

„Verkauf das Haus.“

„Um wovon zu leben, Mama?“ In Momenten wie diesen kam Persephone die eigene Mutter wie eine um Jahre jüngere Schwester vor. „Du hast nichts gelernt.“

„Das nenne ich hart formuliert.“

„Ich habe doch auch nichts gelernt. Jedenfalls nichts, von dem man anständig und komfortabel leben könnte.“ Persephone machte eine weit ausholende Geste. „Außerdem liebe ich das Haus …“

„Deshalb hockst du ja auch bei Tag und Nacht in der Besenkammer. Du solltest alles an den Erben des Titels verkaufen.“

Nachdem Haus und Grund Persephone persönlich gehörten, stellte diese Option tatsächlich eine der wenigen Möglichkeiten dar, die ihr blieben. Nur wer übernahm freiwillig ein marodes Haus, in das Millionen, zumindest aber hunderttausende Pfund, investiert werden mussten, und zahlte den Verkäufern obendrein noch ein nettes Auskommen zum Leben?

Ihre Mutter runzelte die perfekt gezupften Brauen. „Ist dieser Anwärter auf den Titel inzwischen aufgetaucht?“, fragte sie. „Hast du etwas gehört?“

„Nein, überhaupt nichts.“

„Umso besser! Vielleicht kippen sie diese dummen Erbgesetze noch, bevor der Mann überhaupt gefunden wird. Ich sehe gar nicht ein, dass du ihn nicht erben sollst, nur weil du ein Mädchen bist. Ihre Majestät ist schließlich auch eine Frau. Dein Vater war so entzückt, als du geboren wurdest. Weißt du, bis heute rechne ich es ihm hoch an, dass er nicht darauf bestanden hat, mich den Strapazen einer weiteren Schwangerschaft auszusetzen. Nur damit er einen Sohn und Erben bekommt. Dieser dicke Bauch und die Übelkeit. Nichts gegen dich, Schatz, aber die Zeit war grässlich.“ Mit einer eleganten Geste strich ihre Mutter eine golden schimmernde Strähne hinter das Ohr. Eine Marotte, mit der sie ihre Verlegenheit überspielen wollte, wie Persephone im Lauf der Zeit erkannt hatte. Meist funktionierte es.

Charlottes Blick blieb an ein paar Fotografien auf einer Collage an der Wand hängen. „Hast du die Bilder von deinem Ex und dir immer noch nicht abgenommen? Ich dachte, du bist schon lange über Blake hinweg?“

„Bilder von uns?“ Es gab nur eins. Ein Gruppenfoto von dem 45. Geburtstag ihrer Mutter, auf dem Blake zwischen ihr und Charlotte stand. Zum ersten Mal seit Monaten betrachtete Persephone das Bild und überlegte, warum sie es nicht abgehängt hatte.

Der Mann auf dem Foto bedeutete ihr nichts mehr, obwohl ihr Ex-Verlobter neben seinem ebenmäßigen fotogenen Gesicht jede Menge Charme und hervorragende Manieren zu bieten hatte. Obendrein verfügte er über einen sehr guten Abschluss in Jura. Der ungeliebte Brotberuf langweilte Blake. Also hatte er ihn an den Nagel gehängt und baute auf sein künstlerisches Talent, nachdem er der Erbe des Vermögens seines Vaters geworden war.

Innerhalb kürzester Zeit hatte er sein Haus mit selbstgemalten surrealistischen Bildern ausstaffiert, die Persephone gefielen, ansonsten aber keinen Anklang fanden. Schließlich begrub er die Pläne, den Durchbruch mit seiner Kunst zu schaffen, und arbeitete weiter wie bisher. In Luxus schwelgte er nicht, war aber gut betucht. Und wenn es zwischen ihnen funktioniert hätte, wäre Persephone bereit gewesen, Schulden und Haus samt Park dem National Trust zu überlassen.

Der Park war ein Prunkstück, dessen Unterhalt Jahr um Jahr Unsummen verschlang. Allein die Personalkosten brachten Persephone regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Dabei arbeitete Paul Carson, ein gelernter und sehr fähiger Gärtner, ohnehin nur mit Aushilfskräften aus dem Dorf. Oder Studenten, die Bachelorarbeiten über Flora und Fauna Devons und speziell über Dartmoor schreiben wollten. Als Gegenleistung für sein bereitwillig geteiltes Wissen über interessante Standorte von Libellen, Orchideen, Moosen und seltenen Flechten unterstützten die Studenten ihren Mentor für den Mindestlohn eifrig bei allen anfallenden Arbeiten. Trotzdem blieb viel zu viel auf Mr Carsons Schultern lasten. Es klopfte.

„Ihr Vormittagstee, Lady Persephone.“ Geschickt balancierte Carsons Frau Emma ein Tablett mit Tee- und Milchkanne. Immer noch sah die Haushälterin auffallend blass und mitgenommen aus. Schade, dass Persephone nicht allein war. Sonst hätte sie Emma gefragt, ob es etwas mit ihrer Tochter Indira zu tun hatte und sie irgendwie helfen konnte. Später würde sie das nachholen.

„Möchtest du auch eine Tasse, Mama?“ Persephone nahm eine Kanne aus hauchzartem, im Gegenlicht durchscheinendem Porzellan mit Rankenornamenten im japanischen Stil vom Stövchen und schenkte die goldbraun plätschernde Flüssigkeit ein.

„Nein danke, ich werde gleich aufbrechen.“

„Wie Schade, dass du dafür keine Zeit mehr hast.“ Einen Schuss Milch gab Persephone in die Tasse und einen kleinen Löffel Zucker.

Der Antwort auf das unangenehme Thema Blake war sie durch die Unterbrechung vielleicht enthoben, nicht aber ihren Gedanken. Zumindest eines stand fest: Ihre Verlobung mit Audley Blake hatte keinen Bestand gehabt. Vorbei war vorbei, und ihre Probleme musste sie alleine lösen. Charlotte drang nicht weiter in sie, aber Persephone spürte die forschenden Blicke ihrer Mutter voller Unbehagen.

War sie über ihren Ex hinweg? Sie hatte ihn kaum je Audley, also bei seinem Vornamen genannt, sondern Blake, wie alle anderen. Ein Mangel an Intimität oder nur die Macht der Gewohnheit? Schließlich kannten sie einander seit ihrer Kindheit.

Sie betrachtete das Bild und sein schönes Gesicht, dabei schwappte eine Welle von Ekel in ihr hoch. In Wynden ging die Version um, dass er nach der Lösung der Verlobung zu einem Sabbatical aufgebrochen war. Angeblich verbrachte er ein Jahr zum Nachdenken und In-sich-Gehen auf dem Kontinent. Ob es stimmte, wusste sie nicht.

„Wärest du sehr unglücklich, wenn Blake für immer aus deinem Leben verschwände?“, forschte Charlotte behutsam. „Vielleicht hat er unterwegs jemanden kennengelernt?“

„Oh, hast du Nachricht von ihm?“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. Energisch rührte Persephone ihren Tee um und verfolgte die hellen Milchschlieren, bis sie in ein einheitliches Braun übergingen. Vom Aussehen her fand sie Blake eine Spur zu perfekt. Das hatte sie von Anfang an so empfunden und schon damals befürchtet, dass er nicht fähig war, sein Interesse auf eine einzige Frau zu beschränken. Verlangte sie zu viel von einem Mann, wenn sie Treue forderte?

„Sich eine Freundin und ein paar Nebenfrauen anzulachen wäre typisch für ihn“, antwortete Persephone leichthin. „Außerdem ist es beileibe nicht so, als ob ich mir Tag und Nacht darüber den Kopf zerbreche, was aus ihm geworden ist, Mama. Von mir aus kann er tun und lassen, was er will.“

Von ihr hatte er für die Affäre mit Indira eine Ohrfeige einkassiert. Unwillkürlich ging ihr Blick zu ihrer linken Hand. Ihr Verlobungsring war eher eine Spur zu eng als zu weit gewesen. Ihn an dem Tag abzustreifen, gelang ihr fast nicht und sie wurde bei dem Versuch immer wütender. Mit Blake zu reden, lehnte sie kategorisch ab. Aufgebracht hatte sie ihn aus dem Haus gewiesen. Noch am gleichen Tag war er verschwunden.

Kurz nach Antritt der Reise schickte er ihr zwei Postkarten, in denen er um Verzeihung bat. Seither herrschte Funkstille. Niemand aus dem Ort, in dem gut zweihundert Seelen lebten, hatte noch etwas von ihm gehört. Trotzdem erhofften die Leute ausgerechnet von ihr Auskunft über Blakes Verbleib.

„Na, so versunken?“

„Entschuldige, ich dachte, du wolltest los?“ Erschrocken fuhr Persephone zusammen, als ihre Mutter sie ansprach.

„Ich hatte dir eine Frage gestellt. Weißt du, manchmal glaube ich, Blake hat sein Ziel erreicht“, fuhr Charlotte nachdenklich fort. „Durch sein Verschwinden zwingt er dich, an ihn zu denken.“

„Nein, Mama, er bedeutet mir nichts mehr.“

Charlotte kam näher und umrundete den Schreibtisch, bis sie direkt vor Persephone stand, der sie einen Kuss auf die Stirn drückte.

„Was ist das für ein Parfüm, es riecht so gut.“ Persephone schnupperte. „Aber nicht zu erdrückend. Ist da Vanille und Moschus drin?“

Charlotte zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Na gut, wie heißt es?“

„Es heißt … es hat keinen Namen. Es hatte keinen. Weißt du was, ich taufe es Temper’s One. Jules, ein göttlicher Parfümier, hat es bei meinem letzten Besuch in London extra für mich zusammengemischt.“

„Mama, bitte!“ Persephone sank tiefer in ihren Stuhl. „Was hat es gekostet?“

„So schlimm war das gar nicht. Kaum mehr als fünfhundert Pfund.“

„Das nennst du sparen?“

„Aber ja, Jules hatte so viele Ideen, dass er mir zehn Düfte kreieren würde, wenn ich es ihm erlaube. Also habe ich nur eins genommen und ganze viertausendfünfhundert Pfund gespart. Byebye, dieses Mal werde ich brav sein. Ich verspreche es.“

Seufzend sah Persephone der großen, schlanken Gestalt nach, die anmutig aus dem Zimmer schritt.

Der Überraschungsgast

Unerbittlich schob Persephone den Gedanken an Charlotte beiseite, zum Weiterarbeiten war sie aber noch zu aufgewühlt. Sie griff nach der Tasse und behielt sie in der Hand. Sehr bewusst umschloss sie die Schale mit den Fingern und spürte der angenehmen Wärme nach, die der Tee verbreitete. Ab und zu führte sie das Porzellan an die Lippen, nahm einen Schluck Tee und trat schließlich ans Fenster.

Müßig beobachtete sie eine Krähe, die einen hellen Kiesel im Schnabel hielt, den sie auf dem Weg ablegte. Mit Nachdruck hackte sie darauf herum. Vielleicht war es etwas Essbares? Aus irgendeinem Grund ließ der Anblick Persephone schaudern.

Dabei war sie nicht abergläubisch. Sie sah in den schwarzen Tieren weder Unglücksboten noch Totenvögel. Weshalb dann dieses mulmige Gefühl? Gedankenverloren musterte sie das Gefieder der Krähe, das in der Sonne blau- und grünmetallisch aufschimmerte. Erst als Charlie zwei Mal in dem Ton bellte, mit dem er sie zum Spielen aufforderte, fuhr Persephone herum.

„Ja, ich weiß, wonach es aussieht. Erst schicke ich dich weg, weil ich arbeiten muss, und dann erwischst du mich beim aus dem Fenster gucken und Träumen.“

Großmütig rieb Charlie seinen Kopf an ihrem Bein. Zum Glück war er kein nachtragender Hund.

„Tja, jetzt muss ich dich furchtbar enttäuschen. Alles, was ich hätte erledigen sollen, ist liegengeblieben.“ Sie kraulte ihn hinter den Ohren, wo er es wie verrückt mochte. „Ein bisschen kalt ist mir. Dir auch?“

Charlie würdigte die alberne Unterstellung keiner Antwort. Mollig warm wurde es in diesem Haus nie. Vermutlich schätzten etliche Besucher der Pension ihre modernen Behausungen ganz anders wert nach einem kurzen Abschreckungsurlaub auf Wynden Manor. Im Winter froren Persephones Füße dank eines zusätzlichen elektrischen Radiators immerhin nicht zu Eisklötzen ab und in den Gästezimmern gab es neben der Zentralheizung offene Kamine, in denen Mrs Carson auf Wunsch Feuer entfachte.

„Tut mir leid, Charlie, ich kann nicht mit dir spielen“, schloss sie ihre Ausführungen.

Missmutig trottete der Mops an seinen Platz und Persephone nahm notgedrungen die Buchführung in Angriff.

Während sie die Zahlenkolonnen auf dem Monitor so hartnäckig anschaute, als ob sie eine Schlange beschwören wollte, wippte sie mit dem Fuß. Ab und zu streifte ihr Blick Charlie, der die Bewegung aufmerksam verfolgte. Sie ahnte, worauf er spekulierte. Ihren linken Slipper. Er rutschte immer weiter vor und drohte jeden Moment, auf den Boden zu fallen. Womit er zur Jagdbeute eines gewissen Sir Everard Charleston wurde.

„Ha, ich wusste es doch. Ich hatte die Rechnung bezahlt!“, rief Persephone triumphierend. „Und zwar schon im Mai! Was sagst du dazu, Charlie? Ist das nicht ein Skandal?“

Der Mops spitzte die Ohren, ließ seinen Blick aber nicht von dem Slipper. Das war normalerweise der Moment, in dem Persephone mit dem Fuß zurück in den Schuh fuhr und Sir Charleston das Nachsehen hatte.

Heute nicht. In der Halle schrillte die Hausglocke. Persephone zuckte erschrocken zusammen. Der Slipper rutschte von ihrem Fuß. Sir Charleston stürzte auf das Beutestück, nahm es eilig zwischen die Zähne und raste davon. Von klein auf hegte ihr Mops eine unheilbare Schwäche für Leder, und für Schuhe allemal. Wenn es wenigstens eines der zahllosen Exemplare aus dem Bestand ihrer Mutter getroffen hätte. Ein Modell aus dem Vorjahr, nicht würdig, überhaupt noch getragen zu werden. Charlotte verschmerzte diese Art von Verlusten leichter als Persephone, die nicht sehr viele Paare ihr Eigen nannte.

Ausgerechnet jetzt musste ihr Gast erscheinen. Vielleicht konnte sie bei der Begrüßung so tun, als ob es für eine Lady Temper of Wynden selbstverständlich war, jahraus jahrein nur am rechten Fuß einen Schuh zu tragen? Zu ihrem Aufzug passte es vielleicht? Bei ihrer Arbeit trug sie eine klassische Kombination aus weißer Bluse und blauem Rock, die Charlotte als viel zu altmodisch für ihre Tochter bekrittelte. Je nach Jahreszeit ergänzt durch wärmere Strumpfhosen und eine passende Strickjacke. Kurzentschlossen streifte Persephone den zweiten Slipper ab, behielt ihn in der Hand und wackelte prüfend mit den Zehen. Noch sahen die Füßlinge der Strumpfhose präsentabel aus. Weder Löcher noch Laufmaschen.

Sie hastete los.

„Charlie! Mein Schuh ist kein Kauknochen. Haben wir uns verstanden?!“

Dass sie den Mops ungerecht verurteilte, war ihr klar. Trotzdem wuchs ihr Ärger mit jedem Schritt. Besonders als sie auf den eiskalten Marmor in der Halle trat. Aber sie hatte Glück. Sir Everard Charleston stand der Sinn derzeit eindeutig nach ‚Lock-das-Frauchen-zum-Spielen-aus-dem Zimmer‘. Er war Richtung Küche geflitzt, wo er die ergebene Mrs Carson auf seiner Seite wusste. Auf halbem Weg dorthin stand er da, linste neckisch nach Persephone und wedelte mit dem Schwanz.

„Braver Hund!“, lobte sie ihn. „Schön warten.“

Ihr Mops spitzte die Ohren und schnüffelte.

„Emma …?“

„Ja bitte, Lady Persephone?“, kam es von Sir Charlestons vergötterter Mrs Carson fragend aus der Vorhalle zurück.

Sie nahm dort wohl gerade den Gast in Empfang.

„… seien Sie doch so nett und halten Charlie fest, wenn Sie in die Halle kommen. Er hat meinen Schuh gemopst.“

„Ist das etwa ein Hund?“, hörte Persephone einen Mann fragen.

Es klang unduldsam, aber Mrs Carsons antwortete zuvorkommend.

„Gewiss, das ist ein Mops.“

„Ich weiß, was ein Mops ist“, grantelte der Gast.

„Er ist sehr brav. Charlie, komm mit, du kriegst auch etwas besonders Leckeres. Das schmeckt dir viel besser als Frauchens Schuh. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“ Erleichtert lauschte Persephone der einschmeichelnden Stimme Mrs Carsons.

Während die Haushälterin mit dem Mops zur Küche eilte, richtete Persephone ihren Körper stolz zu voller Höhe auf und trat lächelnd auf ihren Gast zu.

„Sie müssen Mr Thornfield sein. Ich bin Lady Persephone Temper, seien Sie mir herzlich willkommen.“

„Ich wüsste nicht, warum ich Mr Thornfield sein sollte.“

Ihr Gegenüber musterte sie irritiert. Falls der verhutzelte alte Herr jemals über Augenbrauen oder gar Bart- und Haupthaar verfügt hatte, konnte man jetzt nichts mehr davon erkennen.

„Seit meiner Geburt heiße ich Edward Summers. Hat mein Neffe mich nicht avisiert?“ Er zog seine Mundwinkel nach unten.

War dieser Mann etwa die unwichtige Kleinigkeit, die ihre Mutter mit einer Handbewegung als uninteressant abgetan hatte? „Doch natürlich! Er hat sie angekündigt, entschuldigen Sie bitte. Das Versehen liegt auf meiner Seite.“

Mit seinen abstehenden Ohren und einem Übermaß an Falten erinnerte der Mann verblüffend an eine haarlose Sphinx-Katze. In seinem Fall wohl eher an einen Kater, korrigierte Persephone prompt.

Zu ihrer eigenen Überraschung fand sie den alten Herrn auf Anhieb sympathisch. Schon allein, weil er das Kunststück fertigbrachte, ein paar Zentimeter kleiner zu sein als sie. Wie bei jedem Neuankömmling versuchte sie zu schätzen, wie alt er sein mochte. Von seinem Aussehen her hätte sie an hundert Jahre aufwärts gedacht, aber er musterte sie aus unheimlich wachen Augen.

„Bitte, entschuldigen Sie nochmals“, warf Persephone hastig ein. „Willkommen auf Wynden Manor, Mr Summers.“

Er hob gnädig seine Hand, die wie dünnes, bläuliches Pergament schimmerte.

„Dieser Hund da …?“

Charlie kam wie auf Kommando an. Mrs Carson, die deutlich besser aussah als vorhin, folgte ihm. Unauffällig reichte sie Persephone den Slipper. Ohne einen Dank abzuwarten eilte sie in ihre Küche zurück, vermutlich um den Lunch zu richten, einen Mittagsimbiss, den man in Wynden Manor gegen halb zwei einnahm.

„Dieser Hund soll sofort von mir weggehen!“

„Wie bitte? Oh, Entschuldigung!“ Sir Charleston hatte den unbeobachteten Moment genutzt und Mr Summers mit der Schnauze angestupst. Persephone pfiff ihn zurück und fuhr den Mops schärfer an, als er es gewohnt war.

„Nein! Aus! Sir Charleston! Mr Summers will nicht mit dir spielen.“

„Gehört dieses Biest etwa Ihnen?“

„Ja, aber keine Sorge. Er darf sich nur im unteren Stockwerk aufhalten und ist immer unter Aufsicht“, gab Persephone nicht ganz wahrheitsgemäß zurück. „Außerdem ist er sehr sanft und brav.“

„Ha, das sagen alle, bis ihre Hundeviecher zubeißen. Hatte er da gerade Ihren Schuh im Maul?“

„Ja, aber das ist nur ein kleiner Spaß unter Freunden. Sie brauchen wirklich keine Sorge zu haben: Ich bringe Sir Charleston gleich zu Mrs Carson. Er wird Ihren Weg nicht mehr kreuzen.“

„Gott sei Dank.“

„Moment!“ Persephone streifte ihre Slipper über. Ihr Mops beobachtete sie intensiv, vermutlich weil er eine Gelegenheit witterte, erneut zuzuschlagen. „Denk nicht daran, Charlie.“

„Hör auf das, was dein Frauchen sagt.“

Das zweite Mal an diesem Tag fuhr Persephone erschrocken zusammen.

„… hier, Onkel, dein Gepäck.“ Ein junger Mann war lautlos in die Halle getreten. Hände und Schultern vollgepackt mit Taschen.

Sir Charleston begrüßte den Neuankömmling wie einen alten Freund und sprang begeistert an ihm hoch. Gegenüber Fremden besaß er ansonsten die Tugend der Zurückhaltung, aber heute war alles verdreht: Den unwilligen Mr Summers forderte er dazu auf, mit ihm zu spielen, und den jüngeren Gast empfing er noch viel enthusiastischer. Begeistert schleckte er ihm die Hand ab und wollte beachtet und gestreichelt werden.

Der junge Mann stellte die Taschen ab und kraulte den Mops hinter den Ohren.

„Torquill, kennst du diesen Hund?“, fragte Mr Summers spitz. „Ich dachte, hier sind keine erlaubt.“

„Gäste dürfen keine mitbringen, das stimmt“, bestätigte Persephone.

Charlie lief unterdessen in ihr Arbeitszimmer und kehrte gleich darauf mit einem Ball im Maul zurück, seinem Lieblingsspielzeug. Erwartungsvoll legte er es dem Fremden zu Füßen.

„Darf ich?“, fragte er Persephone.

„Bitte, ein guter Werfer hat bei Sir Charleston grundsätzlich einen Stein im Brett.“

„Bist du von Sinnen“, fuhr Mr Summers seinen Begleiter ungnädig an. „In einer Halle wie dieser, in der es vor Antiquitäten strotzt?“

„Keine Sorge, ich werfe ihn nicht.“ Gleich darauf kullerte der Ball über den Teppich und Sir Charleston jagte ihm glücklich hinterher.

„Torquill Thornfield.“ Der junge Mann streckte die Hand aus und nahm Persephones mit festem Druck in seine. „Ich hatte zwei Zimmer bestellt.“

Während ihr Hund lospreschte, um Torquill Thornfield zu beeindrucken, errötete Persephone. Hitze schoss ihr in die Wangen. Der Preis für den anziehendsten Gast, der je die Pension besucht hatte, gebührte eindeutig ihm. Neben seinen Grübchen beim Lachen gefielen ihr seine kurz geschnittenen, aber vollen dunklen Haare, die auf kunstvolle Art verwuschelt aussahen. Mit seinem etwas zu kantigen Gesicht und den dunkelblauen Augen, in denen Humor aufblitzte, gefiel er ihr sogar besser als Blake. Du lieber Himmel, wie kam sie nur dazu, einen Wildfremden mit ihrem Ex zu vergleichen?

„Sie hatten mit meiner Mutter gesprochen?“

„Ja, genau. An Ihre reizende Stimme würde ich mich erinnern“, setzte er charmant hinzu und musterte Persephone neugierig. „Ich habe zwei Mal mit der Dame des Hauses telefoniert, wenn ich mich recht entsinne. Warum? Gibt es Probleme?“

„Nein, keineswegs.“ Persephone überlegte nur gerade, wohin sie Charlotte mit ihren Kleinigkeiten wünschte. Charlie kam mit dem Ball im Maul angetrabt und hielt ihn Torquill erwartungsvoll entgegen.

„Wie wäre es, machen wir zwei nachher zusammen mit deinem Frauchen einen Spaziergang in den Garten?“

In ihrem Job erlebte Persephone durchaus unliebsame Überraschungen. Dass ein Gast ihr, ohne vorher ein Wort mit ihr zu wechseln, einen Spaziergang vorschlug, war noch nicht dabei gewesen. Nach ein, zwei Tagen, oder wenigstens einem gemeinsamen Tee gab es gegen einen Versuch nichts einzuwenden. Aber nach einer Minute gleich in die Vollen? Ihr gelang es wohl nicht, eine verblüffte Miene zu unterdrücken, obwohl sie darin geübt war.

„Ich wollte sie nicht bedrängen, Lady Persephone“, erläuterte Mr Thornfield. „Ich habe nur den Vorschlag Ihrer Mutter aufgenommen. Sie meinte, dass von Ihrer Seite sicher keine Einwände bestünden, die Angelegenheit so schnell wie möglich miteinander zu besprechen.“

Wieso hatte Charlotte ihr nicht wenigstens eine Andeutung gemacht, worum es ging?

„Aber wenn es Ihnen lieber ist, verschieben wir unser Treffen auf morgen.“ Mit einem amüsierten Glitzern in den Augen lächelte Mr Thornfield auf sie hinunter. Es hellte sein Gesicht auf und ließ ihn jungenhaft und fröhlich erscheinen.

„Ich äh …“

„Meinetwegen macht, was ihr wollt“, knurrte Mr Summers. „Solange bis ihr einen Entschluss gefasst habt, werde ich nicht in dieser zugigen Halle herumstehen! In der zudem ein Hundevieh frei herumläuft.“

Sir Charleston legte seine Stirn in tiefe Falten. Offensichtlich überlegte er, ob dieser seltsamen Mischung aus Katze und Mensch für seine eindrucksvollen Laute nicht doch mehr Respekt gebührte.

„Achtung, Charlie, pass auf!“ Mr Thornfield hob den Arm.

Gleich darauf rollte nach drei plumpen Täuschungsversuchen der Ball durch den Raum und Mr Summers war für Sir Charleston vergessen.

Persephone reichte Torquill ungefähr bis zur Schulter und er neigte seinen Kopf freundlich zu ihr hinunter, wenn sie etwas sagte. Ob er kleine Frauen mochte? Überhaupt Frauen? Wenn ja, war er bei seinem Aussehen und seiner netten Art vermutlich längst verheiratet. Oder zumindest vergeben.

„Was ist? Soll ich mir hier den Tod holen?“, nölte der Onkel.

„Entschuldigen Sie, Mr Summers. Wie unhöflich von mir.“ Persephone machte eine einladende Handbewegung. „Hier entlang geht es zum Fahrstuhl. Ich hole nur rasch die Meldeformulare, die Sie mir bitte ausgefüllt zurückbringen müssten.“

„Mit Vergnügen“, erwiderte Torquill.

Persephone hastete in ihr Büro, in dem Klemmbretter und Bögen bereitlagen.

Nach einem kurzen Seitenblick auf Mr Summers händigte Persephone ihm das für seinen Onkel gleich mit aus. Normalerweise setzte sie hinzu, dass der Name und die Adresse genügten, unter der ihr Gast zu erreichen war. Für heute verzichtete sie auf den Zusatz. Wenn sie Glück hatte, würde sie so unverfänglich über sein Alter und seinen Familienstand aufgeklärt werden. Nicht, dass das viel aussagte, selbst wenn er ledig war, konnte er trotzdem in festen Händen sein.

„Mein Onkel ist sonst nicht so bärbeißig“, flüsterte er ihr zu. „Aber er hat als Kind sehr schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht.“

„Ist er etwa gebissen worden?“, fragte Persephone mitleidig.

„Er könnte Ihnen tiefe Narben an seinem Bein zeigen.“

„Ich glaube es Ihnen, auch ohne den Beweis.“ Laut sagte sie: „Ich bringe nur rasch noch den Hund zu Mrs Carson.“ Sie schnappte ihren Mops, der darüber nicht sehr erbaut war, und verfrachtete ihn zu ihrer Haushälterin.

„Immerhin ein Mindestmaß an Komfort“, stellte der Onkel fest, als sie wenig später vor einer schmiedeeisernen Gittertür standen. „An einen Fahrstuhl habe ich in einem Gemäuer wie diesem kaum zu hoffen gewagt.“

„Er ist eingebaut worden, als mein Ururgroßvater schwer an Gicht erkrankt war. Aber keine Sorge, er wird ordnungsgemäß gewartet.“ Persephone schob die Tür beiseite und beschloss, Mr Summers im ‚grünen‘ Zimmer unterzubringen. Für einen Gast waren sie gerüstet. Blieb Mr Thornfield.

Zum Glück lüftete Mrs Carson alle Räume einmal die Woche gründlich durch, putzte und saugte die Teppiche ab. Frisch bezog sie die Betten jeweils bei Ankunft eines Gastes. Wenn das für den zweiten Gast noch nicht geschehen war, würde Persephone es umgehend selbst herrichten.

Mit einem leisen Quietschen stoppte der Fahrstuhl. Mr Summers Neffe hatte es vorgezogen, auf eine Fahrt in dem altertümlichen Käfig zu verzichten. Zum Dank dafür musste er schuften wie ein Packesel. Sein Onkel schickte ihn los, das Gepäck hochzuschaffen, noch bevor Persephone selbst Hand anlegen oder Mr Carson den Auftrag geben konnte.

Torquill lehnte es sogar ab, für das Gepäck den Aufzug zu benutzen. Während er die Taschen nach oben schleppte und zum größten Teil im Zimmer seines Onkels ablud, schlüpfte Persephone in den angrenzenden Raum. Erleichtert stellte sie fest, dass dort alles in bester Ordnung, sauber und aufgeräumt war. Draußen krächzten ein paar Krähen. Auffällig viele flogen in letzter Zeit hier herum und Persephone überlegte, was sie wohl anziehen mochte.

Frühstückspension?

Kaum zwanzig Minuten später klopfte jemand an die Tür ihres Büros. Sir Charleston war schon vorher aufgesprungen, schnüffelte und spitzte die Ohren. An seinem freudigen ‚Waff‘ erkannte Persephone, dass Torquill und nicht etwa sein Onkel bei ihr zu erscheinen gedachte. Unwillkürlich lächelte sie.

„Darf ich hereinkommen?“ Die Klemmbretter mit den Anmeldebögen hielt er in der Hand und nahm Platz, als sie auf die Stühle wies. „Mein Onkel wartet auf seinen Lunch und ich habe ehrlich gesagt auch Hunger.“

Aus gutem Grund führte Persephone, wie der Name ihres Hauses schon sagte, eine Frühstückspension. Weitere Mahlzeiten schloss der Umfang ihrer Leistungen normalerweise nicht ein. Sie wartete trotzdem ab und entschied kurzerhand, Torquill vorerst nicht zu unterbrechen. Schließlich konnte es gut sein, dass ihre Mutter nicht nur über die Zeit ihrer Tochter verfügt, sondern auch den Gästen das Blaue vom Himmel versprochen hatte. In der irrigen Annahme, Persephone dadurch zu helfen.

„Wenn Sie mir die Meldebögen geben, organisiere ich Ihnen anschließend einen Imbiss“, meinte sie, als Torquill geendet hatte. Sie streckte die Hand aus und nahm die Klemmbretter in Empfang. „Ich fürchte nur, dass Mrs Carson mittags keine warme Mahlzeit auftischt. Bis auf eine Pastete vielleicht? Dazu würden wir etwas Roastbeef reichen?“

„Danke, mir wäre beides recht, aber mein Onkel ist magenleidend. Er bevorzugt einen Tee und etwas Leichtes.“

„Oh, da frage ich gleich in der Küche nach.“

„Er möchte am liebsten im Bett speisen und anschließend seine Ruhe haben. Wären Sie so nett, mir das Speisezimmer zu zeigen, Lady Persephone.“

„Gerne, ich habe übrigens auch noch nicht gegessen.“ Ihre Mutter hatte sie bisher nicht erreicht. Allerdings waren Persephones eigene Überlegungen so weit gediehen, dass sie das anfänglich kurz aufgeflammte Misstrauen gegen Torquill sang- und klanglos beerdigte. Dieser ominöse ‚Spaziergang‘ beinhaltete offensichtlich rein Geschäftliches. Ob es um das Grundstück ging, auf dem der Park angelegt war?

„Wie wäre es, wenn Sie mir beim Essen Gesellschaft leisten, bevor wir beide Sir Charleston auf seiner Runde begleiten?“ Persephone überflog seine Daten auf dem Bogen.

Selbst wenn er unter der Fuchtel seines Onkels stand: Verheiratet war er nicht, von Beruf arbeitete er als Landschaftsarchitekt. Daher wohl sein Interesse an der Gartengestaltung von Wynden Manor, die der großartige Salomon de Caus Anfang des 17. Jahrhunderts in seine fähigen Hände genommen hatte.

Die in lauschigen Nischen aufgestellten Marmorstatuen stammten, so weit Persephone das beurteilen konnte, durchgehend aus einer späteren Zeit. Den Aufzeichnungen zufolge hatte ein George, der vierte oder fünfte Earl Wynden of Wynden, keinen geringeren als Louis-François Roubiliac mit der Aufgabe betraut, lebensgroße Figuren der klassischen Mythologie aus feinstem Marmor zu meißeln. Ein bombastisches Unterfangen, das mit der kompletten Verschuldung des Earls endete, zumal ihr Vorfahr kein gutes Händchen mit Spielkarten bewies und Unsummen verlor. Eine reiche Heirat machte Georges Börse rechtzeitig vor dem Bankrott wieder flott. Die daraus resultierende Ehe verlief wohl nicht sonderlich zufriedenstellend, wenn man dem Chronisten glaubte.

Persephone runzelte die Stirn. Genauso wenig wie ihre mit Blake glücklich geworden wäre. Dabei wusste sie nicht, welche Tatsache schwieriger zu ertragen war: Der Fakt, dass ihre Menschenkenntnis derart zu wünschen übrigließ. Oder Blakes Neigung, die Wahrheit zu verdrehen, wie es ihm passte.

Umständlich löste Persephone die Anmeldeformulare aus den Klemmbrettern. Das bot ihr die Gelegenheit, weitere Informationen unauffällig zu überfliegen. Als Zusatz führte Torquill die Bezeichnung ‚Kunstexperte‘. Vermutlich kam er in dieser Funktion als Besucher von Wynden Manor voll auf seine Kosten.

Er hatte sogar sein Geburtsdatum aufgeschrieben. Sie rechnete die Zahl schnell im Kopf aus und kam zu dem Ergebnis, dass er mit seinen Zweiunddreißig viereinhalb Jahre älter war als sie.

Persephone unterdrückte das breite Grinsen, das ihr Gesicht überziehen wollte, und begleitete ihn in die Halle hinaus, wo Sir Charleston mit wehenden Ohren und seinem Ball im Maul auf ihn zuraste. Torquill und ihr Mops waren beschäftigt.

Audley Blake

Persephone eilte in die Küche, um mit Mrs Carson den Speiseplan zu besprechen. Außerdem wollte sie ihrer Haushälterin auf den Zahn fühlen. Sie musste wissen, ob es ihr tatsächlich gut ging. Wenn nicht würde sie Mrs Gordon anrufen. Die Mutter des Wyndener Postboten sprang derzeit trotz ihres Alters ein, da die anderen Aushilfen Mallorca unsicher machten.

Sie klopfte, öffnete die Tür und stellte überrascht fest, dass besagte Dame gerade zu Besuch bei Mrs Carson weilte. „Entschuldigen Sie, ich wollte nicht ungebeten in Ihren Plausch hereinplatzen.“

„Als ob Sie stören würden, Lady Persephone. Kommen Sie bitte herein“, forderte Mrs Carson sie auf.

„Danke, Emma.“ Sie folgte der Einladung und reichte der Besucherin, einer zierlichen alten Dame, die Hand. „Gerade habe ich an Sie gedacht.“

Mrs Gordon war die Mutter des Postboten, eine hilfsbereite Frau, die Blake in seiner Kinderzeit Geborgenheit geschenkt hatte. Nicht nur Persephone mochte sie, alle anderen schätzten sie auch.

„Wie schön, Sie zu sehen, Lady Persephone. Ich bin nur kurz vorbeigekommen, um Mrs Carson das Rezept für die Maracuja-Orangen-Torte zu bringen, die ihr letzthin so gut geschmeckt hat.“

„Oh, das klingt lecker.“

Mrs Carson lächelte: „Ich werde das Rezept heute noch für die Schwestern auf der Station meiner Tochter zubereiten. Sie sind so nett, genau solche Schleckermäuler wie Sie, Persephone. Ihnen stelle ich morgen ein Stück zum Probieren auf die Anrichte.“

„Wie lieb von Ihnen, danke. Sie wissen ja, wie sehr ich ihre Backkünste schätze.“

„Ich würde zu gerne noch bleiben, um ein wenig zu plaudern. Mein Junge hat dafür keinen Sinn.“

Das glaubte Persephone ihr gerne. Der behäbige Rhys scheuchte seine Mutter gnadenlos herum. Ihr Fall war der Kerl nicht. Mrs Gordon hingegen mochte sie sehr gerne. Gelegentlich redete die alte Dame ein wenig viel, aber das musste man ihr nachsehen. Viel Ansprache hatte sie zuhause nicht.

Mrs Gordon, die ihre weißen Haare zu einem Dutt hochgesteckt trug, warf einen Blick auf die Wanduhr der Carsons und sprang auf. „Du liebes bisschen, so spät schon! Ich muss mich leider verabschieden.“

„Oh je, ich wollte Sie nicht vertreiben“, meinte Persephone erschrocken.

„Das tun Sie keineswegs. Aber ich muss noch einen Krankenbesuch und eine Besorgung erledigen. Vorhin komme ich vom Einkaufen und stelle fest, dass ich ausgerechnet die Würstchen für die Suppe vergessen habe. Dabei bin ich extra deswegen losgelaufen.“ Eilig streifte die alte Dame den Mantel über, den sie über einen Stuhl gelegt hatte, und trippelte zur Gartentür hinaus.

Persephone sah ihr lächelnd nach, während Mrs Carson die Teetassen zusammenräumte und in die Spüle stellte.

„Emma, kann es sein, dass meine Mutter unseren Gästen einen Imbiss versprochen hat?“

„Ausnahmsweise, hier steht es im Kalender. Hat Lady Wynden Ihnen das nicht mitgeteilt?“

„Nein, Sie wissen ja, wie sie ist. Meine Mutter denkt nicht im Traum daran, ernstzunehmen, was ich tue. Geschweige denn, dass sie glaubt, dass es Arbeit ist. Kann ich Ihnen mit dem Essen irgendwie helfen?“ Ärger klang in Persephones Stimme an, aber auf Mrs Carsons Verständnis konnte sie bauen.

„Wenn Sie Tee kochen würden.“

„Gerne.“ Persephone füllte Wasser in einen altmodischen Kessel, auf dessen Tülle eine Pfeife saß. Eine reiche Auswahl an Teesorten wartete hinter der linken Schranktür auf ihren Einsatz. Alles hier in der Küche machte einen hellen und fröhlichen Eindruck. Angefangen von den weißen Schränken bis zu Indiras Zeichnungen auf dem Kühlschrank, die dort schon seit einer halben Ewigkeit mit Magneten angepinnt waren. Vielleicht wünschten die Carsons sich die Kinderjahre zurück? Inzwischen war Indira siebzehn Jahre alt und das arme Mädchen machte eine schwere Zeit durch, statt in Discos zu tanzen und Spaß zu haben.

Auf Zehenspitzen durchstöberte Persephone das Tee-Sortiment und holte zwei Kräutermischungen heraus, eine spezielle für Magenbeschwerden, die andere mit Malventee, der vielleicht auch von Nutzen war.

„Mutter fand es nicht einmal nötig, mir mitzuteilen, dass heute zwei Gäste kommen und nicht nur einer. Dem alten Herrn steht der Sinn nach etwas Leichtem.“

„Ich dachte mir schon, dass ein Süppchen das Richtige für ihn ist, als ich ihn vorhin in das Haus geleitet habe.“ Mrs Carson setzte ein Häubchen auf und band eine Schürze um, wie immer wenn sie kochte.

Beides sah reizend an ihr aus. Obwohl sie die Vierzig schon seit einigen Jahren überschritten hatte, kam sie Persephone wegen ihres rundlichen, fast faltenfreien Gesichts und den kurz geschnittenen dunklen Haaren immer um einiges jünger vor als sie war. Mit verblüffender Geschwindigkeit schwang sie ihren Schneebesen. Zuletzt tauchte sie einen Löffel in den Topf und kostete von dem Inhalt.

„Gut!“ Mrs Carson nickte zufrieden. „Für den jungen Herrn und Sie habe ich Platten mit Sandwiches vorbereitet: Gurken-, Roastbeef- und Käse- …“

„… aus eigener Produktion, sollte ich unserem Gast vielleicht erläutern.“ Die kleine Molkerei warf als einziger Geschäftszweig ordentliche Gewinne ab, seit Persephone einen Markt beliefern durfte, der fleißig von Touristen frequentiert wurde.

„Außerdem stehen schon Kürbis-Pie, Seehechtterrine und Nierenpastetchen im Speisezimmer bereit.“

„Wunderbar, danke, Emma.“ Persephone hörte Sir Charleston verzückt bellen und wollte neben ihm in die Knie gehen, hielt aber inne. Einen Moment sah sie schweigend zu, wie Mrs Carson eine unappetitlich grau aussehende Porridge-Pampe in eine Porzellanschale füllte. Sorgsam drapierte sie Suppentasse, Löffel, Stoffserviette, Teekanne, Tasse und Untertasse auf einem Silbertablett, das seit einer halben Ewigkeit zum Familienbesitz der Earls of Wynden zählte. Selbstverständlich hatte Mrs Carson es vor seinem Einsatz auf Hochglanz poliert und jetzt strahlte es so, als ob es einen Spiegel ersetzen sollte.

„Sie waren gestern zu Besuch bei Ihrer Tochter in Torquay, nicht wahr?“

Mrs Carson schreckte zusammen, nickte aber.

„Mir ist aufgefallen, dass Sie vorhin sehr mitgenommen ausgesehen haben. Wenn ich fragen darf, geht es Indira schlechter?“ Obwohl Persephone nichts für die Misere des Mädchens konnte, überfiel das Schuldgefühl wegen Blakes liederlichen Verhaltens sie mit aller Macht. Wenn sie nur nie auf ihn hereingefallen wäre. Aber sie war es. Er hatte sie geblendet. Dass ein Abgrund hinter seiner charmanten Maske lauerte, war ihr zu der Zeit entgangen.

Am schlimmsten dabei fand sie, dass sie insgeheim immer eine Entschuldigung für ihn auf den Lippen trug. Sogar jetzt: Sie wusste, wie tierisch Blake darunter litt, dass er ein Bastard war. Gerade weil es in Persephones Familie keinen Mangel an unehelich gezeugten Kindern gab, fühlte sie ihm seinen Kummer nach.

So glänzte schon der erste Earl Wynden of Wynden durch die Abwesenheit einer legitimen Geburt. Ihm hatte der fehlende Trauschein seiner Eltern nichts ausgemacht. Auch ohne schaffte er es, die Gunst Heinrich des Siebten zu erringen. Er starb, bevor er die Position eines bevorzugten Höflings verlor, hinterließ seiner arg vernachlässigten Gattin aber doch einen legitimen Sohn.

Bei Blake sah die Sache anders aus. Sein Erzeuger leugnete die Vaterschaft entschlossen. Der Mann, ein hochrangiger Politiker der Konservativen, brachte es später zum Minister. Blakes Mutter strengte schließlich eine Unterhaltsklage gegen den Vater ihres Kindes an. Sie hasste beide, Minister und Sohn, die einander ähnlich sahen wie gespuckt. Der Prozess und seine Lügen brachten Blakes Erzeuger letztlich zu Fall. Was dem Vater-Sohn-Verhältnis nicht förderlich gewesen war.

Blake wuchs bei seiner versoffenen Großmutter mütterlicherseits auf, die ihn grün und blau schlug, wenn ihr danach war. So lange Persephone denken konnte, versuchte Blake, ‚dazu‘ zu gehören. Verzweifelt gierte er nach der Anerkennung der ‚höheren Kreise‘.

Ob ihre Verlobung nur zu dem großen Plan gehört hatte, dank der richtigen Frau gesellschaftlich anerkannt zu werden? Mrs Carson, die ihren eigenen Gedanken nachhing, ließ schließlich ein leises Räuspern vernehmen.

„Danke der Nachfrage, Persephone. Ich weiß gar nicht, was ich antworten soll. Die Wahrheit? Indira geht es nicht gut. Sie musste wieder auf die geschlossene Abteilung verlegt werden. In der Nacht zum Sonntag, bevor wir gekommen sind, hat sie es schon wieder versucht.“ In Mrs Carsons Augen schwammen Tränen. „Sie hat das Betttuch zusammengerollt, eine Schlinge an den Heizkörper geknotet und über den Kopf gezogen. Sie hat versucht … So genau wollten Sie das wahrscheinlich nicht wissen, aber …“

„Oh Emma, das tut mir so leid!“ Persephone umarmte ihre Haushälterin, die fassungslos schluchzte. „Kann ich irgendetwas für Sie tun? Wollen Sie sich den Rest des Tages frei nehmen?“

„Nein, bitte nicht, die Arbeit hilft mir. Ich würde sonst verrückt werden, wenn ich mir vorstelle, wie meine Tochter da hängt. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Heizkörper reicht. Ich dachte, man braucht einen Haken und einen Stuhl. Indira konnte kaum reden, als wir sie besucht haben. Heiser und fremd klang ihre Stimme. Ich wusste nicht, dass das dabei so ist. So schlimm … Und auch nicht, wie man danach aussieht. Am Hals der breite rote Striemen. Strangulationsmarke, so haben sie es genannt. Ihr Gesicht war so furchtbar verquollen. Die Augen blutunterlaufen und überall diese winzigen Einblutungen. Sie wird einfach nicht fertig damit. Vielleicht hätten wir … Vielleicht war unsere Entscheidung für sie falsch?“

„Sie haben doch nur das Beste für Indira gewollt. Das alles ist so entsetzlich.“ In dem Moment hasste Persephone Blake bis aufs Blut. Wie konnte er nur eine Sechzehnjährige schwängern? Der Schock der Eltern, als ihre Tochter ihnen den Befund der Frauenärztin mitteilte. Persephones Wut auf Blake loderte mit der Erinnerung wieder hoch. Mr Carson, der Blake in ihrem Beisein am Kragen gepackt hielt und schüttelte. Seine weinende Frau und die verstörte Indira, die Zuflucht bei Blake suchte, der sie brüsk wegschob.

„Es ist furchtbar, unser kleines Mädchen so zu sehen. Während dieser Mensch, dieser Kinderschänder, in der Weltgeschichte herumstreift und seinem Vergnügen nachgeht.“

Bei dem Wort Kinderschänder zuckte Persephone zusammen.