Der Traum von der Unsterblichkeit - Renée Schroeder - E-Book

Der Traum von der Unsterblichkeit E-Book

Renee Schroeder

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Beschreibung

Wissen Sie, was ein Xenobot ist? Es ist der erste lebende Roboter, hergestellt aus embryonalen Stammzellen eines Frosches. Diese Frosch-Roboter sind nur eines der vielen, bis vor kurzem ungeahnten Ergebnisse der biotechnologischen Forschung. Die Entwicklung ist rasant, etwa in der Gentechnologie, in der Bioinformatik, oder in der synthetischen Biologie, ein junges Forschungsgebiet, das programmierbare Organismen mit neuen Eigenschaften schaffen will. Dahinter steckt der wahrscheinlich stärkste Antriebsmotor der Menschheit: die Idee der Unsterblichkeit. Ist der Traum vom ewigen Leben eine reine Utopie, oder werden wir ihn tatsächlich umsetzen können? Klar und verständlich zeigt uns Renée Schroeder, wo die Wissenschaft heute schon steht und welche Meilensteine bald tatsächlich erreicht werden können. Ihre scharfsinnige Analyse führt auch zu der Frage: Wollen wir wirklich alles für den Traum von der Unsterblichkeit tun, was möglich wird?

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Renée Schroeder

Der Traumvon derUnsterblichkeit

Aus der Reihe »Auf dem Punkt«Herausgegeben von Hannes Androsch

Vorwort des Herausgebers

Vorbemerkung

1Was ist (artifizielles) Leben?

2Die menschliche Utopie Unsterblichkeit

3Die Meilensteine auf dem Weg zur molekularen und synthetischen Biologie

4SELEX:Die In-vitro-Evolution von RNA-Therapeutika

5Warum altern wir? Sechs Probleme

6Der programmierte Zelltod

7Die Hydra und weitere Tiere, die nicht (schnell) altern

8Gene für ein langes Leben

9Drogen für ein langes Leben

10 Sollten wir den Neandertaler wieder zum Leben erwecken?

11 Die Wiederauferstehung des Wollmammuts

12 Der genetisch reprogrammierte Mensch

13 10 Gebote zum ewigen Leben

Literatur

Glossar

Dank

Die Autorin

Impressum

Vorwort des Herausgebers

Unsere Welt befindet sich in tiefgreifendem, rasantem Wandel. Der Umbruch der Gesellschaft mit ihrer zunehmenden Komplexität und der Umbruch politischer Ordnungen führen zu neuer Unübersichtlichkeit, welche wachsende Verunsicherung erzeugt.

Um dies abzuwenden, bedarf es Orientierung und zukunftsfähiger Perspektiven. Angesichts von Halbwahrheiten und Schlagworten in alten und neuen Medien ist es notwendig, Relevantes und Irrelevantes, Sinn und Unsinn zu unterscheiden. Und es wird fundiertes Wissen über die großen Themen der Gegenwart benötigt, um durch die Flut von Daten, Halbwahrheiten und Fake News navigieren zu können und sich zurechtzufinden. Aus diesem Grund nehmen führende Intellektuelle, Expertinnen und Experten in der Reihe Auf dem Punkt zu den großen Fragen unserer Zeit Stellung.

Eine dieser drängenden Fragen ist die weltweit steigende Lebenserwartung, die sich im vergangenen Jahrhundert verdoppelt hat. In der EU wird ein Mann im Schnitt 77 Jahre alt, eine Frau 83 Jahre. Grundsätzlich eine erfreuliche Entwicklung, basierend auf besserer Ernährung, medizinischem Fortschritt, besseren hygienischen Bedingungen, mehr Freizeit, höherer Bildung und vergleichsweise friedlichen Zeiten.

Die steigende Lebenserwartung geht aber auch mit einer fortschreitenden Überalterung einher: In der EU wird bis 2050 jede dritte Person über 65 Jahre alt sein. Gepaart mit niedrigen Geburtenraten, stellt das Gesundheits- und Sozialsysteme sowie die Wirtschaft vor Herausforderungen. Zumal die Zahl der gesunden Lebensjahre nicht in gleichem Ausmaß wie die Lebenserwartung zunimmt.

Deshalb boomt das „Anti-Aging“-Geschäft und viel Geld geht in den Wunsch, das Unvermeidliche möglichst lange hinauszuzögern – oder gleich ganz abzuschaffen. „Unsterblichkeit! Schöner Gedanke!“, meinte schon Heinrich Heine.

Die religiöse Komponente des ewigen Lebens ist einer realistischen Hoffnung in die Macht der Wissenschaft gewichen. Renée Schroeder zeigt in diesem Buch, wie nahe wir dem Traum gekommen sind, das Leben nicht nur einfacher, angenehmer, sicherer und gesünder zu machen, sondern auch länger.

Dr. Hannes Androsch

Vorbemerkung

Der Mensch ist im Allgemeinen unzufrieden. Schon früh hat er erkannt, dass er ein Mangelwesen ist, dass vieles nicht so funktioniert, wie er es gerne hätte. Er hat die Erfahrung gemacht, dass das Leben jedes Einzelnen ein Ende hat. Das kränkt ihn. Er leidet unter seinen Unzulänglichkeiten. Und der Tod ist überhaupt der größte Spielverderber.

Der Traum, nicht altern zu müssen, scheint da sehr attraktiv, Versprechungen vom ewigen Leben sind seit Langem ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Dank unserer Fähigkeit, kreativ zu denken und zu handeln, haben wir schon sehr erfolgreich unsere Lebenserwartung verlängert – trotzdem haben wir Menschen immer noch ein Ablaufdatum. Können wir dieses weiter ausdehnen oder sogar ganz abschaffen? Könnten wir es schaffen, uns so umzuprogrammieren, dass wir nicht mehr altern? Ich bin davon überzeugt, dass dies möglich ist. In diesem Buch möchte ich zeigen, wie weit wir auf diesem Weg bereits sind und was wir tun können, um tatsächlich nicht mehr zu altern.

Seit Beginn der menschlichen Kultur, vor 70.000 Jahren, wird der Mensch immer erfinderischer, um sein Überleben auf der Erde sicherzustellen. Er hat nach und nach seine eigene Evolution in die Hand genommen. Er hat immer mehr Dinge erfunden, um seine Mängel ausgleichen und ein möglichst bequemes Leben führen zu können. Das beginnt bei einfachen Dingen wie Kleidung, Behausungen, Sehbehelfe, Maschinen und Medizin und führt zur Züchtung von Lebewesen, die ihm dienen. All das in der Hoffnung, dass er sein Leben beherrscht und ihm genug Nahrung zur Verfügung steht. Jetzt, im 21. Jahrhundert, haben wir die Werkzeuge, um unsere Gene zu korrigieren, aber auch um uns neue Eigenschaften anzueignen. Wenn wir uns genau betrachten, sind wir natürlich programmierbare Organismen. Und wir haben mittlerweile gelernt, wie es technologisch machbar ist, unsere Gene so umzuprogrammieren, dass wir möglichst lange leben.

Ich verrate es gleich: Nicht zu altern heißt noch lange nicht, unsterblich zu sein. Etliche Tiere, die nicht altern und sich ständig regenerieren können, sterben – ganz einfach, weil sie gefressen werden. Sollten wir es schaffen, die Biotechnologie so einzusetzen, dass wir nicht mehr altern, gibt es immer noch sinnlose Kriege, Verbrechen, Krankheiten und Unfälle.

Trotzdem können wir »Was wäre, wenn« spielen und über Szenarien nachdenken, wie eine Welt aussehen könnte, in der wir Menschen nicht mehr altern. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch überlegen, ob wir das überhaupt wollen. Sterben werden wir weiterhin. Den Tod kann man nicht abschaffen. Das Ziel ist aber, ihn möglichst lange hinauszuzögern.

Die derzeitige maximale menschliche Lebenserwartung liegt bei 122 Jahren. Theoretisch: Nur sehr wenige erreichen dieses Alter tatsächlich. Die Wissenschaft streitet darüber, ob es überhaupt ein maximales Alter für Menschen gibt oder ob diese Altersgrenze beliebig verschoben werden kann. Dieses hohe Alter hat aber eine Kehrseite: Ich gehe davon aus, dass wir Menschen nicht mehr ohne unsere technologischen Errungenschaften und Hilfsmittel überleben können. Wir leben zwar länger und haben eine hohe Lebensqualität, aber wir sind biologisch gesehen weniger fit, als wir das vor dem Beginn unserer Kultur waren. Anders formuliert: Wären wir allein mit einem Affen auf einer Insel, wäre der Affe uns in puncto Überlebensfähigkeit überlegen.

In den folgenden Kapiteln werde ich einen Streifzug durch die Biotechnologie unternehmen und zeigen, dass wir schon sehr weit gekommen sind in unserem Bestreben, gesund und fit ein hohes Alter zu erreichen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen uns darüber hinaus spannende Projekte: Wir könnten nicht nur das Wollmammut, sondern auch den Neandertaler wiederauferstehen lassen. Wir könnten »Wesen« erschaffen, die uns das Leben einfacher machen und uns mühselige Arbeiten abnehmen. Diese Beispiele sind keine ferne Zukunftsmusik, unserer Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es dank technologischer Meilensteine meistens viel schneller vorangeht, als man erahnen hätte können. Die Biotechnologie hat in meiner Lebenszeit bereits verblüffende Fortschritte gemacht. Ich bin sehr gespannt, was noch alles kommt.

1 Was ist (artifizielles) Leben?

Um die Unsterblichkeit thematisieren zu können, müssen wir vorher das Phänomen Leben unter die Lupe nehmen. Was ist Leben, so wie es bei den Lebewesen auf unserem Planeten Erde vorzufinden ist?

Die Frage »Was ist Leben?« ist wohl die fundamentalste Frage, die man als Wissenschaftlerin stellen kann. Ich habe diese Frage Google gestellt und mit Erstaunen erfahren, dass es keine allgemein akzeptierte Definition für den Begriff Leben gibt. Das kann doch nicht wahr sein! Das ist doch die grundlegendste aller Fragen! Das musste ich natürlich ändern und eine Definition finden, die allen Menschen genügt (Schroeder, 2021).

Die Philosophie beschäftigt sich mit der Frage, was ein gelungenes Leben sein könnte, und denkt seit ein paar Tausend Jahren darüber nach. Ich als Naturwissenschaftlerin möchte eine brauchbare Definition, die mir hilft, das Phänomen Leben bis in seine tiefsten Eigenschaften zu verstehen.

Hier einige Gedanken über das Leben, die zu meiner Definition beigetragen haben: »Das Leben ist ein Prozess! Keine Substanz.« Einerseits muss das Leben als ein System betrachtet werden, das in der Lage ist, Funktionen wie Stoffwechsel, Ausscheidung, Atmung, Bewegung, Wachstum, Vermehrung und Reaktionen auf externe Reize durchzuführen. Das genügt jedoch nicht. Das sind Eigenschaften von lebenden Systemen; sie reichen aber nicht für eine umfassende Definition des Lebens an sich.

Der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger sagte: »Leben ist ein Kampf gegen den Zerfall.« Sein Beitrag zur Definition des Lebens ist die Erkenntnis, dass Lebewesen Ordnung erhalten können (Schrödinger, 1944). Ganz entscheidend ist, dass diese Lebewesen dafür eine ständige Energiezufuhr brauchen. Nicht nur zur Erhaltung der Ordnung – auch für ihre Fähigkeit, Ordnung zu schaffen, was ein essenzielles Merkmal von Lebewesen ist. Sie tun das aus eigenem Antrieb. Lebewesen organisieren sich selbst, solange sie genug Energie zur Verfügung haben.

Die kleinste Einheit des Lebens ist die biologische Zelle. Der Nobelpreisträger Paul Nurse hat in seinem Buch »Was ist Leben?« (Nurse, 2021) die Zelle in den Mittelpunkt der Analyse des Lebens gestellt und die fundamentale Frage der Biologie durch ihre kleinste Einheit, die Zelle, bearbeitet. Durch die Vielfalt der Zellen, die wir derzeit auf der Erde vorfinden, lernen wir, wie unterschiedlich Lebewesen sich entwickeln können. Das hilf uns wiederum dabei, den Weg der Evolution zu erkennen. Dass die Evolution als Naturgesetz für die enorme, sich immer abwechselnde Diversität verantwortlich ist, ermöglicht eine grundlegende Erkenntnis. Obwohl Zellen die kleinste biologische Einheit sind, die den Prozess Leben durchlaufen, machen sie deutlich, wie komplex dieser Prozess namens Leben ist.

Ich bin Chemikerin, genauer Biochemikerin. Das ist jene Disziplin, welche sich mit den Molekülen des Lebens beschäftigt und die chemischen Reaktionen, die Lebewesen durchführen müssen, untersucht. Mich hat es daher interessiert, welche chemischen Reaktionen es möglich gemacht haben, dass Leben auf der Erde entstehen konnte. Meine Definition betrachtet daher die kleinsten Einheiten, welche das Leben möglich machen, die Moleküle. Meine Betrachtungsebene des Lebens ist molekular.

Um die Komplexität dieser Moleküle irgendwie erfassen zu können, brauchen wir eine weitere Disziplin: die Bioinformatik. Die Computerwissenschaften machen es möglich, die unvorstellbare Menge an Daten, welche die Forschung generiert, so zu analysieren, dass wir verstehen, was diese Daten bedeuten könnten. Ganz fundamental für unser Verständnis des Lebens ist die künstliche Intelligenz, die es ermöglicht, Algorithmen zu entwerfen, die das Leben simulieren. Das ist derzeit eine sehr ergiebige Quelle, um Hypothesen aufzustellen, die dann experimentell getestet werden können. Ziel dieser Forschungen ist es, den Prozess Leben so genau zu verstehen, dass man durch Simulationen das Verhalten von Zellen und Lebewesen voraussagen könnte (England, 2014).

Meine Definition von Leben lautet also: Das Leben ist ein Prozess, der von einer starken Energiequelle getrieben wird. Einige Atome und Moleküle sind besonders gut geeignet, diese Energie umzusetzen, um ihre eigene Komplexität zu erhöhen und Strukturen aufzubauen, die sie in die Lage versetzen, sich selbst zu vermehren. Sie können diese komplexe Organisation auch aufrechterhalten, indem sie Information generieren und vererben können.

Aus dieser Definition ergibt sich eine essenzielle Eigenschaft von Lebewesen: Sie organisieren sich selbst. Es ist kein »Schöpfer« in Sicht, der ihren Bauplan entwerfen hätte können. Diese Erkenntnis ist entscheidend, wenn wir versuchen möchten, artifizielles Leben zu definieren. Wir gehen ja davon aus, dass wir Menschen den Versuch machen, artifizielle Lebewesen zu schaffen.