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Die europäischen Versuche, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Japan Fuß zu fassen, begannen mit missionarischem Eifer und der Hoffnung auf ertragreiche Handelsgeschäfte. Sie führten nur wenige Jahrzehnte später zur fast vollständigen Isolation Japans und zu einer der brutalsten Christenverfolgungen der Geschichte. Studien zur Politik der Shogunatsregierung in der Edo-Zeit haben gezeigt, dass das Bild vom "abgeschlossenen Japan", insbesondere im Hinblick auf den Waren- und Wissensaustausch, revidiert werden muss. Dagegen wird von der Forschung nicht in Frage gestellt, dass der Zugang des katholischen Europa nach Japan verhindert und alle vorhandenen christlichen Einflüsse im Land ausgemerzt werden sollten. Die Werkzeuge der japanischen Inquisition waren vielfältig. Die Glaubensüberprüfung der japanischen Bevölkerung, bei der eine Reihe speziell entwickelter Foltermethoden zum Einsatz kam, war eingebettet in ein ausgeklügeltes System zur Untertanenkontrolle. In dem Repertoire der inquisitorischen Maßnahmen nahm die e-fumi-Zeremonie, das Treten christlicher Symbole mit den Füßen, eine besondere Rolle ein, da bei dieser Methode zunächst auf physische Gewaltanwendung verzichtet und stattdessen psychischer Druck auf mögliche Anhänger des christlichen Glaubens ausgeübt wurde. Doch wer den Tritt verweigerte, den erwartete der Tod. War die Christenverfolgung und speziell die e-fumi-Zeremonie wirklich eine rein innerjapanische Angelegenheit? War es nicht gerade die erfolgreiche Arbeit der Missionare in den Jahrzehnten vor der Landesabschließung, die die Effektivität dieser Inquisitionsmaßnahme erhöhte? Welche Rolle spielten die wenigen Europäer, die sich nach der Landesabschließung in Japan aufhielten und wie wirkten ihre Berichte über die e-fumi-Zeremonie in Europa? Die Analyse der e-fumi-Zeremonie anhand japanischer, jesuitischer und niederländischer Quellen zeigt, dass neben dem Austausch von Waren und Wissen auch religiösen Aspekten eine wesentliche Bedeutung für die Wechselwirkung zwischen Japan und Europa in der Zeit der vermeintlichen Landesabschließung zukam.
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Seitenzahl: 106
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Als mit dem Eintreffen einer Gruppe von Jesuiten um Francisco Xavier1 in Kagoshima auf Kyūshū2 im Jahre 1549 die Verbreitung des Christentums auf japanischem Boden begann, war das Land ein Flickenteppich aus Herrschaftsgebieten, deren Fürsten sich um Macht und Einfluss stritten.3 Dass die christliche Lehre sich in den folgenden Jahrzehnten ausbreiten konnte, lag nicht zuletzt daran, dass im Gefolge der Missionare portugiesische und spanische Händler nach Japan kamen, die den lokalen Herrschern den Zugang zu Feuerwaffen sowie Reichtum aus Handelsgeschäften und damit Vorteile in den Hegemonialkämpfen versprachen.4 Nach der Reichseinigung am Beginn des 17. Jahrhunderts und ausgelöst durch die Angst der wiedererstarkten Shōgune vor inneren Unruhen und der Kolonisierung Japans durch europäische Mächte, kam es zu einer an Intensität zunehmenden Verfolgung des Christentums, in deren Verlauf die Missionare das Land verlassen mussten.5 Durch die Ausweisung der portugiesischen und spanischen Händler und die Verlagerung der niederländischen Handelsniederlassung auf die streng kontrollierte Insel Deshima sollte Japan gegenüber europäischen Einflüssen weitgehend abgeschlossen werden.6
Studien zursakoku-Politik7desbakufu8 haben gezeigt, dass das im 17. und 18. Jahrhundert entstandene Bild vom „abgeschlossenen Japan“, insbesondere im Hinblick auf den Waren- und Wissensaustausch, revidiert werden muss.9 Dagegen wird von der Forschung nicht in Frage gestellt, dass in der Edo-Zeit10 durch die Maßnahmen des bakufuder Zugang des katholischen Europa nach Japan verhindert und alle vorhandenen christlichen Einflüsse im Land ausgemerzt werden sollten.11 Doch auch die Christenverfolgung war keine rein innerjapanische Angelegenheit. Auch bei diesem Aspekt zeigte sich, dass es in der Zeit der vermeintlichen Landesabschließung zu einer Wechselwirkung zwischen Europa und Japan kam. Die Arbeit der Missionare hatte Spuren in der japanischen Gesellschaft hinterlassen, die sich bis zum Ende der Tokugawa-Herrschaft nicht beseitigen ließen.12 Auch nach dem Verbot des Christentums gaben vereinzelte Missionare ihre Versuche nicht auf, die Arbeit im Verborgenen fortzusetzen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein versuchten katholische Glaubensbrüder, aus Macao und den Philippinen kommend, in Japan Fuß zu fassen.13 Für die verschiedenen europäischen Handelsorganisationen, die sich in der Edo-Zeit um Geschäfte mit Japan bemühten, war das Bekenntnis zur Religionszugehörigkeit der entscheidende Erfolgsfaktor. Die Sieger im Gerangel um wirtschaftlichen Einfluss waren die Niederländer, die sich in der entscheidenden Phase glaubhaft vom Katholizismus distanzieren konnten.14 Nach dem Verstummen der Missionare und dem Abzug der englischen, spanischen und portugiesischen Händler nahmen die auf Deshima stationierten Mitarbeiter der niederländischen Handelsorganisation für mehr als zweihundert Jahre die Rolle der europäischen Beobachter und Berichterstatter zur Christenverfolgung in Japan ein.15
Die Werkzeuge der japanischen Inquisition waren vielfältig. Die Glaubensüberprüfung der japanischen Bevölkerung, bei der eine Reihe speziell entwickelter Foltermethoden zum Einsatz kam, war eingebettet in ein ausgeklügeltes System zur Untertanenkontrolle.16 In dem Repertoire der inquisitorischen Maßnahmen nahm die e-fumi-Zeremonie,17 das Treten christlicher Symbole mit den Füßen, eine besondere Rolle ein, da bei dieser Methode zunächst auf physische Gewaltanwendung verzichtet und stattdessen psychischer Druck auf mögliche Anhänger des christlichen Glaubens ausgeübt wurde.18 Im Folgenden soll die e-fumi-Zeremonie einer vertieften Betrachtung unterzogen werden. Die Analyse wird sich von der Frage leiten lassen:
Welche Bedeutung hatte diee-fumi-Zeremonie im System der Christenverfolgung und Untertanenkontrolle des Tokugawa-Staates sowie für die Wechselwirkung zwischen Europa und Japan in der Edo-Zeit?
Dabei gilt mein Interesse besonders der aktiven und passiven Beteiligung der Europäer an der Zeremonie und deren persönlicher Wahrnehmung und Beurteilung. Zur Beantwortung der übergeordneten Frage sollen deshalb folgende Teilaspekte geklärt werden:
Wie entstand diee-fumi-Zeremonie?
Welche Funktion nahm diee-fumi-Zeremonie im Verfolgungs- und Kontrollsystem des Tokugawa-Staates ein und inwieweit war diese Funktion Wandlungen unterzogen?
Wie genau lief diee-fumi-Zeremonie ab und welche Wirkung erzielte sie bei japanischen Christen?
Mussten sich Europäer, die sich in der Edo-Zeit in Japan aufhielten, dere-fumi-Zeremonie unterziehen?
Waren sie aktiv in das System der Christenverfolgung und in die Ausübung dere-fumi-Zeremonie eingebunden?
Wie haben Europäer diee-fumi-Zeremonie vor Ort beobachtet?
Wie wurden ihre Berichte in Europa rezipiert?
Alle Namen sind in der Schreibweise der ersten Quelle angegeben, in der die jeweilige Person erwähnt wird. Japanische Namen sind in der in Japan üblichen Reihenfolge wiedergegeben, das heißt zuerst der Nachname, dann der Vorname.
Bei japanischen Namen und Begriffen werden die in der Literatur gängigen Transkriptionen nach dem Hepburn-System verwendet.
Vgl. Murakami (1940) I; Elison (1991 [1973]) 1.
Vgl. Breen & Williams (1996) 1; Winnerling (2014) 181-185.
Vgl. Jennes (1973) 114-121; Ōhashi (1996) 46; Higashibaba (2001) 127.
Vgl. Goodman (1986) 11-14; Hesselink (2002b) 10-14.
Politik der Landesabschließung (1639-1854).
Shōgunatsregierung.
Vgl. Goodman (1986) 1; Hesselink (2002b) 3, 170; Mochizuki (2009) 77 FN 34; Osterhammel (2006) 26; Screech (1996) 1.
Zeit des Tokugawa-Shōgunats (1603-1868).
Vgl. Turnbull (1998) 43.
Vgl. Breen & Williams (1996) 2.
Vgl. Elison (1991 [1973]) xi.
Vgl. Hesselink (2002b) 7-8.
Vgl. Hesselink (2005) 515-516; van der Velde (1990) 102-104.
Vgl. Jennes (1973) 140-143, 165-168.
Zeremonie des Bildtretens.
Vgl. Jennes (1973) 166.
Die grundlegenden Arbeiten zur Geschichte der katholischen Kirche in Japan von Boxer,1 Jennes2 und Elison3 enthalten wertvolle Informationen zum historischen Kontext. Die Autoren gingen jedoch nur oberflächlich auf die e-fumi-Zeremonie ein. Geschichtswissenschaftler der Societas Jesu haben sich ausführlicher mit der Thematik befasst. Hervorzuheben sind die Arbeiten von Cieslik4 bzw. Voss und Cieslik,5 die eine Vielzahl übersetzter japanischer Quellen mit Bezug zur e-fumi-Zeremonie enthalten. Die Autoren zielten jedoch in erster Linie darauf ab, die Schicksale der japanischen Christen und der europäischen Missionare aufzuklären. Auf die Rolle der Niederländer und auf die Informationsflüsse zwischen Japan und Europa gingen sie nur am Rande ein. Einzelne Vorgänge beim Kontakt der Niederländer mit den japanischen Inquisitionsbehörden wurden von Hesselink6 detailliert untersucht. Bei jüngeren Untersuchungen zur e-fumi-Zeremonie von Mochizuki7 und Kaufmann8 standen kunsthistorische Aspekte im Mittelpunkt. Die Arbeiten enthalten auch einige Details zum historischen Kontext, die ich jedoch nur mit Vorsicht verwendet habe, da einige Aussagen nicht ausreichend durch Quellen belegt wurden. Die Berichte der Angehörigen der niederländischen Handelsorganisation zur e-fumi-Zeremonie waren bislang noch nicht Gegenstand einer systematischen Untersuchung. Auch fand der Abschnitt zure-fumi-Zeremonie in Engelbert Kaempfers Japanschrift9in der umfangreichen Sekundärliteratur zu diesem Werk bislang keine Beachtung.
Wichtigste Primärquellen für die eigene Untersuchung waren die Schriften von Georg Meister,10 Engelbert Kaempfer11 und Hendrik Doeff,12 die sich im 17. bzw. 19. Jahrhundert in Diensten der Vereenigden Oostindischen Compagnie13 (VOC) mehrere Jahre in Japan aufhielten. Ihre Werke enthalten die ausführlichsten Schilderungen dere-fumi-Zeremonie durch europäische Autoren. Darüber hinaus stand die Auswertung derdaghregister-Eintragungen14 der niederländischen opperhofden15 auf Deshima im Mittelpunkt meiner Analyse. Bei der Prüfung der daghregisterhabe ich ausschließlich auf die in gedruckter Form in niederländischer oder englischer Sprache vorliegenden Texte zurückgegriffen, das heißt auf die vollständigen Versionen für die Jahre 1633 bis 165116 bzw. auf Auszüge für den Zeitraum von 1641 bis 1670 und 1680 bis 1800.17 Die Auszüge aus den daghregisternwurden in jahrzehntelanger Arbeit von einer Forschergruppe um Blussé und Viallé übersetzt und verschlagwortet, um diese Quelle einfacher für wissenschaftliche Auswertungen zugänglich zu machen.18 Da die Ergebnisse dieses noch nicht abgeschlossenen Projekts fast den gesamten für die Fragestellung relevanten Zeitraum abdecken, habe ich auf die Auswertung der im Nationaal Archiefin Den Haag befindlichen Sammlung der originalendaghregisterverzichtet.
Eine Fundgrube für frühe europäische Berichte über Japan mit Bezug zure-fumi-Zeremonie war die kommentierte Quellensammlung von Kapitza.19 Die umfangreichste Auflistung derartiger Berichte enthält die Arbeit von Shimada und Shimada.20 Die Zusammenstellung erwies sich jedoch als unvollständig. Des Weiteren wurden japanische Quellen in deutscher oder englischer Übersetzung verwendet. Als wichtigstes Beispiel sei das Kirishito-ki,21 die von den ersten Leitern der japanischen Inquisitionsbehörde erstellte Dokumentensammlung zur Methodik der Christenverfolgung, genannt.
Siehe Boxer (1993 [1951]).
Siehe Jennes (1973).
Siehe Elison (1991 [1973]).
Siehe Cieslik (1951b, 1959, 1974).
Siehe Voss & Cieslik (1940).
Siehe Hesselink (2002a, 2002b, 2016).
Siehe Mochizuki (2009).
Siehe Kaufmann (2004, 2010).
Siehe Kaempfer (1727c).
Siehe Meister (1692).
Siehe Kaempfer (1727c).
Siehe Doeff (1833).
Niederländische Ostindien-Kompanie.
Tagebucheintragungen.
Faktoreileiter.
Siehe Historiographical Institute (1974a, 1974b, 1977, 1981, 1984, 1986, 1989, 1993, 1999, 2003, 2007, 2013).
Siehe Blussé(2004); Blussé & van der Velde (1989, 1990, 1991); van der Velde & Bachofner (1992); Vermeulen (1986, 1989, 1990, 1993, 1994); Viallé (1996, 1997a, 1997b, 2005); Viallé & Blussé (2010).
Für nähere Informationen zu diesem Projekt siehe van der Velde (1990); Hesselink (2005).
Siehe Kapitza (1990a, 1990b).
Siehe Shimada & Shimada (1994).
Siehe Inoue & Hōjō (1670).
Schon bald nach seiner Ankunft in Japan im Jahre 1549 realisierte Francisco Xavier, dass bildlichen Darstellungen aufgrund der hohen Sprachbarriere eine besondere Bedeutung für die Propagierung der christlichen Religion zukamen.1 Auch in den Abschlussdokumenten zum Konzil von Trient wurde 1563 auf die didaktische Wirkung von Devotionalien hingewiesen und ihre intensive Nutzung bei der Missionsarbeit gefordert.2 Unter Alessandro Valignano errichteten die Jesuiten im Jahre 1583 in Arima eine Kunstakademie, die fortan den zunehmenden Bedarf an christlichen Objekten durch lokale Produktion decken sollte.3 Japanische Christen entwickelten eine tiefe Verehrung für Devotionalien, die für sie den christlichen Gott symbolisierten und denen sie heilende und Wunder bewirkende Eigenschaften zusprachen.4 So konnten in den ersten Jahrzehnten der Missionierung unter Verwendung geweihter Kreuze, Amulette und Bilder beachtliche Erfolge erzielt werden.5
Die christliche Missionierung wurde in den letzten Jahrzehnten dersengoku-Periode6 von vielen daimyō7 und später auch von Oda Nobunaga, dem ersten der drei Reichseiniger, unterstützt.8 Die Rahmenbedingungen änderten sich nach der Machtübernahme durch Toyotomi Hideyoshi, der im Jahre 1587 ein Edikt zur Ausweisung der Missionare erließ und damit den Prozess der Unterdrückung der christlichen Religion in Japan einleitete.9 Die Verordnung wurde zunächst nur zögerlich umgesetzt, da auch Hideyoshi nicht auf die attraktiven Handelsgeschäfte mit den Spaniern und Portugiesen verzichten wollte, die die Missionierung begleiteten.10 Erst nach dem San-Felipe-Zwischenfall im Jahre 1596 zog Hideyoshi die breit angelegte Verfolgung der japanischen Christen in Erwägung. Zu dieser Zeit soll Mayeda Gen-i, der bugyō11 von Kyōto, vorgeschlagen haben, die Wirkkraft von Devotionalien zur Identifizierung japanischer Christen zu nutzen.12 Sein Vorschlag, das Treten auf christliche Objekte als Glaubenstest einzuführen, soll jedoch nicht umgesetzt worden sein, da Hideyoshi schließlich doch von einer organisierten Verfolgung absah und sich mit der Hinrichtung von 26 Christen in Nagasaki als abschreckende Maßnahme sowie lokal begrenzten Verfolgungsmaßnahmen in der Provinz Bungo und auf der Insel Hirado begnügte.13 Zu einer breiter angelegten Verfolgung kam es erst unter Tokugawa Ieyasu, der 1614 ein umfassendes Edikt zur Ausweisung aller Missionare, zur Zerstörung der christlichen Kirchen und zur Rekonversion aller japanischen Christen erließ, nachdem er mit den Niederländern und Engländern nichtkatholische Alternativen für den Handel mit europäischen Waren gefunden hatte.14
Unter Tokugawa Iemitsu erreichte die Christenverfolgung in den Jahren 1627 bis 1634 ihren Höhepunkt an Brutalität.15 Der niederländische Protestant Reyer Gysbertszoon stand von 1622 bis 1629 in Diensten der VOCin Japan und war dort Augenzeuge der Verfolgungsmaßnahmen gegen die Christen.16 Sein Bericht enthält eine detaillierte Beschreibung der Folter- und Hinrichtungsmethoden, die von den japanischen Inquisitoren praktiziert wurden.17 Die Ausführungen des Niederländers bestätigen frühere Schilderungen in Jesuitenbriefen.18 An keiner Stelle in Gysbertszoons Bericht findet sich ein Hinweis auf die Anwendung der e-fumi-Zeremonie, die in dieser Zeit wohl noch nicht zum Repertoire der Verfolgungsbeamten gehörte. Zumindest war sie noch nicht sichtbar für westliche Beobachter wie Gysbertszoon. Dieser wies aber bereits auf einen Strategiewechsel der Inquisitoren hin.19 Stand in den ersten Jahren der Verfolgung die Tötung identifizierter Christen im Vordergrund, war seit 1627 auf Veranlassung des bugyōvon Nagasaki, Mizuno Kawachi-no-kami, deren öffentliches Abschwören vorrangiges Ziel. Durch das Beispiel der Apostaten wollte man andere Christen, die bislang die Märtyrer für ihre Tapferkeit und Glaubensfestigkeit bewundert und verehrt hatten, demoralisieren und dazu bringen, ebenfalls dem christlichen Glauben abzuschwören.20 Um dieses Ziel zu erreichen, wurden neue Foltermethoden entwickelt, unter denen sich der Ritt auf dem Holzpferd (mokuba) und das Kopfüberhängen in der Grube (ana-tsurushi) als am wirkungsvollsten erwiesen.21 Zum Beweis des Abfalls vom christlichen Glauben mussten die Apostaten öffentlich japanische Gottheiten anbeten,22 schriftlich einen doppelten Eid ablegen23 und mit den Füßen auf christliche Objekte treten.24 Wann genau und durch wen die e-fumi-Zeremonie eingeführt wurde, ist umstritten. Ich folge Voss und Cieslik, die die Einführung auf das Jahr 1629 datierten und sich dabei auf japanische Quellen beriefen.25 Initiator war wohl Takenaka Uneme-no-sho, der für die Entwicklung und Durchführung der inquisitorischen Maßnahmen verantwortlich war, nachdem er 1629 das Amt des bugyōvon Nagasaki übernommen hatte.26
Bis zum Ende der 1630er Jahre war die Anwendung dere-fumi-Zeremonie auf Christen im Raum Nagasaki und somit auf einen engen Personenkreis beschränkt. In den zwei Jahrzehnten von 1640 bis 1660 erfolgte eine schrittweise Ausdehnung auf andere Regionen Japans und auf alle Personen, auch auf Nichtchristen.27 Damit wurde die e-fumi-Zeremonie zum integralen Bestandteil eines Systems zur Untertanenkontrolle, dessen Aufbau Tokugawa Iemitsu vorangetrieben und mit densakoku-Edikten der Jahre 1633 bis 1639 begleitet hatte, um die Festigung des Staates im Inneren und die Abschottung von äußeren Einflüssen zu erreichen.28
Wichtigste Maßnahme zur Systematisierung der Christenverfolgung war im Jahre 1640 die Einrichtung deskirishitan-shūmon-aratame-yaku,eines zentralen Inquisitionsamts in Edo.29 Dessen erster Leiter, Inoue Masashige Chikugo-no-kami, war selbst bis 1625 ein Anhänger des christlichen Glaubens.30