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Die Völker der Welt Roschar wurden von einer scheinbar unbesiegbaren Armee überrannt. Nichts scheint gegen die unheimlichen Bringer der Leere standzuhalten. Fürst Dalinar, Hauptmann Kaladin, die Adlige Schallan und der Orden der Strahlenden Ritter sammeln alle verfügbaren Kräfte, doch zunächst müssen sie das Rätsel der Turmfestung Urithiru lösen und die magische Kraft des Sturmlichts nutzbar machen. Die Zeit drängt …
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Seitenzahl: 1362
Das Buch
Die Völker der Welt Roschar wurden von einer scheinbar unbesiegbaren Armee überrannt. Nichts scheint gegen die unheimlichen Bringer der Leere standzuhalten. Fürst Dalinar, Hauptmann Kaladin, die Adlige Schallan und der Orden der Strahlenden Ritter sammeln alle verfügbaren Kräfte, doch zunächst müssen sie das Rätsel der Turmfestung Urithiru lösen und die magische Kraft des Sturmlichts nutzbar machen. Die Zeit drängt …
Der Autor
Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit fantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Seit seiner »Steelheart«-Trilogie und den epischen Sturmlicht-Chroniken ist der Autor auch in Deutschland einer der großen Stars der Fantasy. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah.
Alles über Brandon Sanderson und sein Werk auf:www.brandon-sanderson.de
Von Brandon Sanderson sind imWilhelm Heyne Verlag erschienen:
Die Seele des Königs
DIE STEELHEART-REIHE
Steelheart
Fireflight
Calamity
Mitosis
DIE STURMLICHT-CHRONIKEN
Der Weg der Könige
Der Pfad der Winde
Die Worte des Lichts
Die Stürme des Zorns
Der Ruf der Klingen
Die Splitter der Macht
Der Rhythmus des Krieges
Der Turm der LichterDie Tänzerin am Abgrund
MAGIC™: THE GATHERING
Die Kinder des Namenlosen
Die Sturmlicht-Chroniken
ACHTER ROMAN
Aus dem Amerikanischen vonMichael Siefener
Die Originalausgabe ist unter dem Titel The Rhythm of War – Book Four of The Stormlight Archive (Part II) bei Tor/Tom Doherty Associates, LLC, New York, erschienen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2020 by Dragonsteel Entertainment, LLC
Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Joern Rauser
Alle Illustrationen © Dragonsteel Entertainment, LLC, wenn nicht anders angegeben, Illustrationen vor Kapitel 18: Dan dos Santos
Illustrationen vor Teil eins und vor den Kapiteln 10, 33 und 35 sowie vor Zwischenspiel 1: Ben McSweeney
Illustrationen vor den Kapiteln 41 und 54: Kelley Harris
Karte von Roschar, Schwertglyphen, Kapitelanfangsbögen und die Illustrationen vor den Kapiteln 3 und 30: Isaac Stewart
Kapitelanfangsvignetten: Isaac Stewart, Ben McSweeney, Howard Lyon und Miranda Meeks
Karte auf der Coverinnenseite: Isaac Stewart
Illustrationen auf dem Vorsatzpapier vorne: Magali Villeneuve
Illustrationen auf dem Vorsatzpapier hinten: Karla Ortiz
Coverillustration: Federico Musetti
Covergestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Schaber Datentechnik, AustriaISBN: 978-3-641-26877-0V004www.brandon-sanderson.de
@HeyneFantasySF
Für Isaac Stewart,der meine Phantasie malt.
ERSTERTEIL: Lieder der Heimat
Zwischenspiele
ZWEITERTEIL: Ein Wissen
Zwischenspiele
DRITTERTEIL: Wissen um die Heimat der Lieder, genannt unsere Bürde
Epilog: Schmutzige Tricks
Schlussbemerkung
Ars Arcanum
ILLUSTRATIONEN
Anmerkung: Viele Illustrationen einschließlich der Beschriftungen enthalten Hinweise auf Ereignisse, die zuvor im Text beschrieben wurden. Wenn Sie die Bilder vor dem Lesen betrachten, geschieht das auf Ihr eigenes Risiko.
Karte von Roschar
Schallans Skizzenbuch: Urithiru
Schallans Skizzenbuch: Das Atrium
Karte des östlichen Makabak
Schallans Skizzenbuch: Greifer
Mode der Gesandtenform
Schallans Skizzenbuch: Großsprengsel
Alethi-Glyphen Seite 2
Schallans Skizzenbuch: Gipfelsprengsel
Schallans Skizzenbuch: Tintensprengsel
Navanis Notizbuch: Dolch
Navanis Notizbuch: Experimente
Mit großem Stolz präsentiere ich Ihnen »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter«, die Teile sieben und acht der Sturmlicht-Chroniken (die beiden Hälften der Übersetzung von Rhythm of War, Anm. d. Ü.). Zehn Jahre sind vergangen, seit ich mit dieser Serie angefangen habe, und es ist bisher für mich eine sehr befriedigende Erfahrung gewesen, die Vision, die ich all die Jahre hindurch mit mir herumgetragen habe, wachsen und gedeihen zu sehen. Insbesondere eine Szene am Ende von »Der Turm der Lichter« gehört zu den ersten, die mir je für diese Reihe in den Sinn gekommen sind – vor mehr als zwanzig Jahren!
Wir nähern uns dem letzten Buch dieser Folge der Sturmlicht-Chroniken. (Ich habe die Reihe als zwei Abteilungen von je zehn Bänden konzipiert, mit zwei größeren Handlungsbögen.) Haben Sie herzlichen Dank dafür, dass Sie all die Jahre bei mir geblieben sind! Mein Ziel ist es, die restlichen Bände in einem vernünftigen Zeitrahmen folgen zu lassen. Wie immer waren die Abgabetermine eng gesetzt, und damit sie eingehalten werden konnten, haben viele Personen eine Menge ihrer Zeit geopfert. Die Liste wird recht lang sein, aber jeder Einzelne von ihnen hat es verdient, für seine Mühen erwähnt zu werden.
Bei Tor Books war meine Hauptlektorin für diesen Roman Devi Pillai, und sie war unermüdlich, pünktlich und eine wunderbare Fürsprecherin für die Sturmlicht-Chroniken. Dies ist mein erstes Kosmeer-Buch, das nicht von meinem langjährigen Lektor Moshe Feder betreut wurde, der noch immer einen großen Dank dafür verdient, dass er diese Reihe während ihrer frühen Jahre umsorgt und beaufsichtigt hat. Aber ich will Devi besonders dafür danken, dass sie so sehr dabei geholfen hat, den Übergang glatt und leicht zu machen.
Wie immer geht ein Dank an Tom Doherty, der mir meine ersten Chancen zur Veröffentlichung gegeben hat. Devis und Toms Team bei Tor, die an diesem Buch mit uns zusammengearbeitet haben, besteht aus Rachel Bass, Peter Lutjen, Rafal Gibek und Heather Saunders.
Bei Gollancz, meinem englischen Verlag, möchte ich einen besonderen Dank an Gillian Redfearn aussprechen, die ihre redaktionelle Unterstützung während des gesamten Herstellungsprozesses zur Verfügung gestellt und auch sehr hart daran gearbeitet hat, dem Buch ein großartiges Aussehen zu verleihen.
Unser Redakteur war der stets großartige Terry McGarry, und zum ersten Mal war als Co-Redakteurin Kristina Kugler dabei. Ich hatte schon seit Langem mit Kristina an einem Kosmeer-Buch zusammenarbeiten wollen, und sie hat bei diesem hier eine ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Der Produzent unseres Hörbuchs war Steve Wagner. Zur Reihe zurückgekehrt sind Michael Kramer und Kate Reading, die besten Sprecher auf der ganzen Welt. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank dafür, dass sie einverstanden waren, dieses Monstrum einer epischen Fantasy-Serie zu vertonen.
Meine Hauptagentur für dieses Buch war JABberwocky Literary Agency mit Joshua Bilmes am Steuer. Assistiert haben ihm Susan Velazquez, Karen Bourne und Valentina Sainato. Unser englischer Agent ist John Berlyne von der Zeno Literary Agency. Für ihre Arbeit und Fürsprache bin ich wie immer sehr dankbar.
In meiner eigenen Firma Dragonsteel Entertainment ist meine wunderbare Frau Emily Sanderson die Managerin. Der unbeschreibliche Peter Ahlstrom ist unser Vizepräsident und redaktioneller Direktor, und Isaac Stewart ist unser künstlerischer Leiter. Normalerweise stelle ich etwas Dummes mit seinem Namen an, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dieses Buch ihm gewidmet ist, war ich der Meinung, dass ich es diesmal besser sein lassen sollte. Isaac ist nicht nur derjenige, der die wunderbaren Landkarten erschafft, sondern er hat mich auch damals meiner Frau vorgestellt (bei einem Blind Date!). Wenn Sie je die Gelegenheit haben sollten, ihm zu begegnen, lassen Sie sich Ihr Exemplar dieses Buches von ihm signieren und plaudern Sie mit ihm über Ihre liebsten Lego-Baukästen.
Auch bei Dragonsteel arbeiten Karen Ahlstrom, unsere Continuity-Redakteurin, und Kara Stewart, unsere Versandleiterin. Adam Horne ist mein Publicity-Manager und persönlicher Assistent, und er ist derjenige, der immer einfach alles hinbekommt. Die anderen Angestellten in unserem Laden sind Kathleen Dorsey Sanderson, Emily »Mem« Grange, Lex Willhite und Michael Bateman. Sie sind diejenigen, die Ihnen Ihre T-Shirts, Poster und signierten Bücher zuschicken. Ihre Assistenten, die »Mini-Minions« unseres Teams, sind Jacob, Hazel, Isabel, Matthew, Audrey, Tori und Joe. Zusätzlich geht ein Dank an alle freiwilligen Helfer, insbesondere an die immer so großartige Christi Jacobson.
Die Künstler, die zu »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter« beigetragen haben, haben während der Fertigstellung ihrer Kunstwerke nicht nur Tragödien und der Pandemie getrotzt, sondern buchstäblich auch Stürmen, die über sie hereingebrochen sind. Ich bewundere ihr Talent und ihre Hingabe, und ihnen allen möchte ich nicht nur meinen tief empfundenen Dank aussprechen, sondern ihnen auch Frieden in turbulenten Zeiten wünschen.
Einer der Höhepunkte in meiner Karriere ist die Arbeit mit Michael Whelan. Es macht mich demütig, dass er die Bücher so sehr unterstützt und sogar persönliche Projekte beiseitegelegt hat, damit er die wunderbaren Gemälde für die Reihe erschaffen konnte. Schon für ein einziges seiner Umschlagbilder wäre ich zutiefst dankbar gewesen, und deshalb schätze ich mich unglaublich glücklich, dass er seine Magie auch diesmal einsetzt und dabei das bisher beste Sturmlicht-Umschlagbild geschaffen hat. Es ist zweifellos ein Meisterwerk, und ich bewundere es sehr.
In »Der Ruf der Klingen« und »Die Splitter der Macht« hatten wir Porträts der Herolde auf den vorderen und hinteren Vorsatzblättern abgedruckt, und mit dieser Tradition fahren wir hier fort. Zu einem frühen Zeitpunkt des Schreibprozesses haben wir die sechs verbliebenen Herolde in Auftrag gegeben, auch wenn wir wussten, dass zwei von ihnen einem zukünftigen Buch vorbehalten sein würden. Jeder Künstler schuf Meisterwerke. Donatos Herold Talenelat ist sorgenzerfressen und doch triumphierend, und es bereitet mir großes Vergnügen, seine wundervolle Vision dieses Charakters zu sehen. Miranda Meeks ist keine Fremde in den Sturmlicht-Chroniken – wir arbeiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammen –, und ihr Herold Battah ist majestätisch und rätselhaft. Karla Ortiz, deren Werk ich schon seit geraumer Zeit bewundere, hat uns ruhmreiche und fast perfekte Visionen der Herolde Chanaranach und Nalan geschenkt. Und schließlich sind Magali Villeneuves Herolde Pailiah und Kelek verblüffend und wundervoll. Howard Lyon arbeitete mit ihr zusammen an Ölversionen der letzten beiden Bilder, die irgendwann zusammen mit den anderen ausgestellt werden.
Dan Dos Santos ist eine lebende Legende und ein guter Freund. Er bringt seinen besonderen Stil in die Modetafeln dieses Bandes ein, und es gelingt ihm, die Sänger zwar als fremdartig, aber auch auf eine Art zu zeigen, mit der sich der Leser emotional identifizieren kann. Ich finde, dieser Spagat ist ihm ausgezeichnet gelungen.
Ben McSweeney ist dieses Jahr als Vollzeitkraft zu Dragonsteel gestoßen, und das vorliegende Buch zeigt einige seiner besten Arbeiten. Schallans Sprengsel-Seiten helfen dabei, das Bild von Roschar zu vervollkommnen. Es gefällt mir, wie Bens Darstellung von Urithirus Atrium die ungeheure Größe der Stadt vermittelt; besonderer Dank gilt hier auch Alex Schneider, der bei einigen architektonischen Fragen beratend tätig war.
Ein dicker Dank geht an Kelley Harris, ein Mitglied des inneren Zirkels unseres Sturmlicht-Teams; sie erweckt Navanis Notizbuchseiten mit einem untrüglichen Sinn für Gestaltung zum Leben, der mich immer wieder an Alphonse Muchas Plakate aus den frühen 1920er-Jahren erinnert.
Überdies haben viele Künstler und andere Personen hinter den Kulissen dieses Buches gewirkt und verdienen ein großes Dankeschön: Miranda Meeks, Howard Lyon, Shawn Boyles, Cori Boyles, Jacob, Isabel, Rachel, Sophie und Hayley Lazo.
Ein paar sehr wichtige Unterstützer von außen haben uns bei diesem Buch geholfen. Shad »Shadiversity« Brooks war unser Experte für die Kriegskünste. Carl Fisk hat uns ebenfalls mit seinem Wissen über dieses Thema zur Seite gestanden. Wenn ich etwas falsch verstanden habe, dann ist es nicht ihre, sondern meine Schuld. In diesem Fall wird es sich um etwas handeln, wonach ich sie nicht rechtzeitig gefragt oder was ich zu ändern vergessen habe.
Unsere Expertin für dissoziative Identitätsstörungen war Britt Martin. Ich schätze ihre Bereitschaft, mit der sie meine Vorschläge angehört hat, wie ich geistige Krankheiten in diesen Büchern besser darstellen könnte. Sie war unsere geheime Strahlende Ritterin für diesen Roman und immer da, um mich anzutreiben.
Besonderer Dank geht an vier unserer Beta-Leser für ihre gehaltvollen Rückmeldungen zu einem bestimmten Aspekt der Sexualität: Paige Phillips, Alyx Hoge, Blue und E. N. Weir. Dem Buch haben eure Beiträge gutgetan.
Unsere Schreibgruppe zu diesem Buch bestand aus Kaylynn ZoBell, Kathleen Dorsey Sanderson, Eric James Stone, Darci Stone, Alan Layton, Ben »kannst du bitte diesmal meinen Namen richtig schreiben, Brandon« Olzedixploxipllentivar, Ethan Skarstedt, Karen Ahlstrom, Peter Ahlstrom, Emily Sanderson und Howard Tayler. Eine bessere Gruppe aus fröhlichen Herren und Damen wird niemand finden. Sie haben jede Woche große Portionen dieses Buches gelesen und es hingenommen, dass ich andauernd gewaltige Änderungen vorgenommen habe; sie haben mir dabei geholfen, den Roman in Form zu bringen.
Unser Expertenteam aus Beta-Lesern bestand aus Brian T. Hill, Jessica Ashcraft, Sumejja Muratagi´c-Tadi´c, Joshua »Jofwu« Harkey, Kellyn Neumann, Jory »Jor the Bouncer« Phillips (Glückwunsch, Jory!), Drew McCaffrey, Lauren McCaffrey, Liliana Klein, Evgeni »Argent« Kirilov, Darci Cole, Brandon Cole, Joe Deardeuff, Austin Hussey, Eliyahu Berelowitz Levin, Megan Kanne, Alyx Hoge, Trae Cooper, Deana Covel Whitney, Richard Fife, Christina Goodman, Bob Kluttz, Oren Meiron, Paige Vest, Becca Reppert, Ben Reppert, Ted Herman, Ian McNatt, Kalyani Poluri, Rahul Pantula, Gary Singer, Lingting »Botanica« Xu, Ross Newberry, David Behrens, Tim Challener, Matthew Wiens, Giulia Costantini, Alice Arneson, Paige Phillips, Ravi Persaud, Bao Pham, Aubree Pham, Adam Hussey, Nikki Ramsay, Joel D. Phillips, Zenef Mark Lindberg, Tyler Patrick, Marnie Peterson, Lyndsey Luther, Mi’chelle Walker, Josh Walker, Jayden King, Eric Lake und Chris Kluwe.
Unser Kommentar-Koordinator für die Beta-Leser war Peter Orullian, der selbst ein ausgezeichneter Schriftsteller ist.
Unsere Gamma-Leser bestanden aus vielen der Beta-Leser, und zusätzlich waren dabei: Chris McGrath, João Menezes Morais, Brian Magnant, David Fallon, Rob West, Shivam Bhatt, Todd Singer, Jessie Bell, Jeff Tucker, Jesse Salomon, Shannon Nelson, James Anderson, Frankie Jerome, Zoe Larsen, Linnea Lindstrom, Aaron Ford, Poonam Desai, Ram Shoham, Jennifer Neal, Glen Vogelaar, Taylor Cole, Heather Clinger, Donita Orders, Rachel Little, Suzanne Musin, William »aberdasher«, Christopher Cottingham, Kurt Manwaring, Jacob Hunsaker, Aaron Biggs, Amit Shteinheart, Kendra Wilson, Sam Baskin und Alex Rasmussen.
Ich weiß, dass viele von denen, die das hier lesen, gern dem Beta- oder Gamma-Team beitreten würden, aber Sie sollten wissen, dass es nicht annähernd so nett ist, wie es scheint. Diese Leute müssen das Buch oft unter großem Zeitdruck lesen, und sie bekommen es in unvollendeter Form vorgelegt. In vielerlei Hinsicht berauben sie sich der Möglichkeit, das Buch in seiner besten Form zu genießen, und sie erhalten einen nicht ganz so guten Eindruck davon, damit sie es für Sie alle besser machen können. Ich zolle ihrer unermüdlichen Arbeit große Bewunderung. Wegen ihrer Bemühungen ist das Buch viel besser, als es ohne sie gewesen wäre.
Ich weiß, das war eine lange Liste. Mit jedem neuen Buch wird sie länger! Aber ich schätze jeden Einzelnen von ihnen. Wie ich oft sage, steht zwar nur mein Name auf dem Umschlag, aber diese Romane sind wirklich Gruppenarbeiten, in welche das Talent und das Wissen vieler verschiedener Menschen einfließen.
Wegen ihnen können Sie jetzt »Der Rhythmus des Krieges« und »Der Turm der Lichter« lesen, die beiden Hälften der Übersetzung von »The Rhythm of War« und damit Teil sieben und acht der Sturmlicht-Chroniken. Mögen Sie die Reise genießen!
Ich empfinde dieses Format als höchst bequem, denn so habe ich auch in der Vergangenheit gearbeitet. Ich habe es jedoch nie auf diese Art gemacht, und nie mit dieser Art von Partner.
Aus Der Rhythmus des Krieges, Seite 1
Kaladin rannte mit Teft auf den Schultern durch die dunklen Tunnel von Urithiru und fühlte sich, als könnte er hören, wie sein Leben mit jedem Schritt unter ihm zerbröckelte. Das war ein Phantomklirren wie von zersplitterndem Glas.
Jeder schmerzhafte Schritt entfernte ihn weiter von seiner Familie und auch vom Frieden. Und brachte ihn tiefer in die Finsternis hinein. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er würde seinen Freund nicht den Unwägbarkeiten einer Gefangenschaft überlassen. Obwohl er seine blutbeschmierten Stiefel ausgezogen und sie sich mit den Schnürsenkeln um den Hals gebunden hatte, verfolgte ihn noch immer das Gefühl, dass er Blutspuren hinterließ.
Bei den Stürmen! Was glaubte er denn allein erreichen zu können? Er hatte sich dem Befehl der Königin zur Kapitulation widersetzt.
Diese Gedanken versuchte er zu verbannen und lief jetzt einfach weiter. Später mochte er noch so lange, wie er wollte, über das nachdenken, was er getan hatte. Erst einmal musste er aber einen sicheren Ort finden, an dem er sich verstecken konnte. Der Turm war nicht länger sein Zuhause, sondern eine feindliche Festung.
Syl schwirrte vor ihm dahin und überprüfte jede Abzweigung, bevor er bei ihr eintraf. Das Sturmlicht hielt ihn zwar in Gang, aber er fragte sich doch, was geschehen würde, wenn es einmal aufgebraucht war. Würden ihn dann seine Kräfte verlassen? Würde er mitten im Korridor zusammenbrechen?
Warum hatte er nicht mehr Kugeln von seinen Eltern oder von Laral mitgenommen, bevor er aufgebrochen war? Er hatte nicht einmal daran gedacht, die Axt der Sturmform zu ergreifen. Abgesehen von seinem Skalpell war er ganz unbewaffnet. Er hatte sich zu sehr daran gewöhnt, Syl als seinen Splitterspeer zu benutzen, aber da sie sich nicht mehr verwandeln konnte …
Nein, dachte er mit Nachdruck. Keine Gedanken. Gedanken sind gefährlich. Geh einfach weiter.
Er mühte sich voran und verließ sich ganz auf Syl, die nun in Richtung einer Treppe flog. Das Beste wäre es, wenn sie ein Versteck in einem der unbewohnten Stockwerke finden könnten, vielleicht in der elften oder zwölften Etage. Er nahm je zwei Stufen auf einmal und wurde durch das pulsierende Licht in seinen Adern vorangetrieben. Sein Glühen beleuchtete den Weg. Teft murmelte leise; vielleicht war dies eine Reaktion auf das Schaukeln.
Sie erreichten den siebenten Stock und stiegen gleich weiter hinauf zum achten. Hier führte ihn Syl tiefer in den Turm hinein. Kaladin versuchte die Echos seines Versagens zu überhören, aber es gelang ihm nicht. Die Rufe seines Vaters. Seine eigenen Tränen …
Dabei war er so nah gewesen. So nah.
In den endlosen Gängen hatte er jeden Richtungssinn verloren. Hier waren keine Pfeile auf den Boden gemalt, also verließ er sich ganz auf Syl. Sie flog voraus zu einer Kreuzung, drehte sich mehrfach im Kreis und schoss dann nach rechts. Er holte zwar zu ihr auf, aber Tefts Gewicht spürte er immer deutlicher.
»Nur eine Sekunde«, flüsterte er bei der nächsten Abzweigung, lehnte sich gegen die Wand – Teft hing immer noch schwer an seinen Schultern – und fischte einen Stein aus seinem Beutel. Der kleine Topas schenkte zwar kaum Licht, aber Kaladin brauchte ihn, da sein eigenes Sturmlicht allmählich erlosch. Und er hatte nicht mehr viele Kugeln übrig.
Unter dem Gewicht seines Freundes ächzte er, stieß sich von der Wand ab, richtete sich wieder auf und packte Teft schließlich mit beiden Händen, nachdem er sich die Kugel zwischen zwei Finger gesteckt hatte. Er nickte Syl zu, ging wieder hinter ihr her und war froh, dass ihn seine Kraft noch nicht verlassen hatte. So konnte er Teft auch ohne Sturmlicht tragen. Obwohl Kaladin die letzten Wochen ausschließlich als Arzt verbracht hatte, war sein Körper noch immer der eines Soldaten.
»Wir sollten höher steigen«, erklärte Syl, die nun als ein Band aus Licht neben seinem Kopf dahintrieb. »Schaffst du das?«
»Bring uns mindestens bis zum zehnten Stock«, sagte Kaladin.
»Ich werde gleich die nächste Treppe nehmen, auf die wir stoßen. Diesen Abschnitt des Turms kenne ich nicht besonders gut …«
Während sie weitergingen, ließ er es zu, in alte Denkweisen zurückzufallen. Tefts Gewicht auf seinen Schultern war kaum anders als das einer Brücke. Es führte ihn in jene Tage zurück. Die Brückenläufe. Die Eintöpfe.
Wie er seinen Freunden beim Sterben zugesehen hatte … und jeden Tag von Neuem den Schrecken gespürt hatte …
Diese Erinnerungen boten keinen Trost. Aber der Rhythmus der Schritte, das Tragen der Last, die körperliche Anstrengung auf diesem Marsch … das alles war ihm wenigstens vertraut.
Er folgte Syl eine Treppe hoch, und dann noch eine weitere. Danach durch einen langen Tunnel, dessen Gesteinsadern wie auf der Oberfläche eines aufgewühlten Teichs Wirbel bildeten. Kaladin blieb in Bewegung.
Bis er plötzlich hellwach war.
Er konnte nicht genau sagen, was ihn alarmiert hatte, aber instinktiv bedeckte er seine Kugel und drückte sich in eine Seitenpassage. Dort kniete er sich hin, sodass Teft von seinen Schultern gleiten konnte. Er legte die Hand gegen den Mund des Bewusstlosen, damit sein Murmeln nicht mehr zu hören war.
Einen Augenblick später flog Syl zu ihnen. Er konnte sie zwar in der Dunkelheit erkennen, aber sie beleuchtete nichts in ihrer Umgebung. Er steckte seine andere Hand mit der Kugel darin in die Tasche, damit sie kein verräterisches Licht abgeben konnte.
»Was ist los?«, fragte Syl.
Kaladin schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht, aber er wollte jetzt auch nicht sprechen. Er hockte in der Passage und hoffte, dass Teft sich nicht regte und keinen Laut von sich gab, während ihm sein eigener Herzschlag in den Ohren hallte.
Schließlich kroch ein schwaches rotes Licht in den Gang, den sie gerade eben verlassen hatten. Sofort flog Syl hinter Kaladins dunkle Gestalt, damit ihr Schimmern nicht mehr zu sehen war.
Das Licht näherte sich und enthüllte einen einzelnen Rubin sowie ein Paar rot glühender Augen. Sie beschienen ein schreckliches Gesicht in reinem Schwarz, nur mit einer Andeutung von roter Marmorierung unter den Augen. Langes dunkles Haar, das zu einem einfachen Kleidungsstück verwoben schien. Dies war die Kreatur, gegen die Kaladin in Herdstein gekämpft hatte – und die er in dem brennenden Zimmer des Herrenhauses getötet hatte. Obwohl der Verschmolzene in einem neuen Körper wiedergeboren worden war, erkannte Kaladin an den Hautmustern, dass es sich um dieselbe Kreatur handelte.
In der Finsternis schien der Verschmolzene Kaladin bisher nicht bemerkt zu haben, aber er hielt lange an der Abzweigung an. Zum Glück ging er schließlich doch weiter in die Richtung, in der auch Kaladin vorhin unterwegs gewesen war.
Bei den Stürmen! Kaladin hatte das Wesen beim letzten Mal ohne Sturmlicht besiegt, aber er hatte es nur geschafft, weil der Verschmolzene so anmaßend gewesen war. Kaladin bezweifelte, dass er die Kreatur noch einmal so leicht töten konnte.
Die Sänger in der Krankenstation … einer von ihnen hat doch erwähnt, dass ein Verschmolzener nach mir sucht. Sie haben ihn den Verfolger genannt. Dieses Wesen … es war zum Turm gekommen, weil es Kaladin finden wollte.
»Folge ihm«, bat er Syl. Er hatte die Worte stumm mit den Lippen geformt und zählte darauf, dass Syl ihn verstand. »Ich suche nach einem besseren Versteck.«
Mit ihrem Lichtband formte sie kurz eine schimmernde Kejeh-Glyphe – ein Symbol der Zustimmung – und schwirrte dann hinter dem Verfolger her. Sie konnte sich nicht mehr allzu weit von Kaladin entfernen, aber sie sollte doch in der Lage sein, dem Verschmolzenen für eine Weile zu folgen. Hoffentlich blieb sie vorsichtig, denn einige Verschmolzene waren in der Lage, Sprengsel zu sehen.
Kaladin lud sich Teft wieder auf die Schultern und schritt in die Finsternis hinein; er erlaubte sich kein Licht. So tief im Turm zu stecken, das fühlte sich immer bedrückend an – so weit entfernt von Himmel und Wind. Aber in der Dunkelheit war es noch schlimmer. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es sein mochte, hier ohne Kugeln gefangen zu sein und auf ewig in dieser Gruft aus Stein herumwandern zu müssen.
Er brachte einige Biegungen hinter sich und hoffte, eine weitere Treppe hinauf in ein anderes Stockwerk zu finden. Leider murmelte Teft wieder. Kaladin biss die Zähne zusammen und betrat das erste Zimmer, an dem er vorbeikam. Es hatte eine äußerst schmale Tür. Im Innern setzte er Teft ab, dann versuchte er, dessen Laute zu dämpfen.
Einen Augenblick später kam Syl in den Raum hineingeschossen – Kaladin zuckte zusammen.
»Er kommt«, zischte sie. »Er ist den Korridor nur noch ein paar Schritte weitergegangen und dann stehen geblieben. Er hat den Boden betrachtet und ist umgekehrt. Ich glaube nicht, dass er mich gesehen hat. Ich bin ihm gefolgt und habe bemerkt, dass er an der Stelle angehalten hat, wo du dich vorhin versteckt hast. Dort ist ihm ein kleiner Blutfleck an der Wand aufgefallen. Ich habe ihn überholt, aber er weiß, dass du in der Nähe bist.«
Bei den Stürmen! Kaladin schaute erst auf seine blutbeschmierte Kleidung und dann auf Teft – der trotz aller Versuche, ihn zum Schweigen zu bringen, noch immer vor sich hin murmelte.
»Wir müssen den Verfolger von hier weglocken«, flüsterte Kaladin. »Mach dich bereit, ihn abzulenken.«
Sie beschrieb ein weiteres Symbol der Zustimmung in der Luft. Kaladin ließ seinen Freund als unruhiges Bündel in der Dunkelheit zurück und begab sich nach draußen in den Korridor. Er näherte sich einer Abzweigung und griff nach seinem Skalpell. Ein anderes Licht als das von Syl erlaubte er sich dabei nicht; die wenigen Kugeln, die ihm noch verblieben waren, steckten in seinem schwarzen Beutel.
Mehrfach holte er tief Luft, dann flüsterte er Syl seinen Plan zu. Sie schwebte weiter den schwarzen Korridor entlang und ließ Kaladin in tiefster Finsternis zurück.
Es war ihm nie gelungen, die vollkommene Leere des Geistes zu finden, die manche Soldaten in der Schlacht zu erreichen behaupteten. Er war sich aber auch nicht sicher, ob er überhaupt danach strebte. Doch er fasste sich, atmete flach und lauschte aufmerksam.
Er war locker, entspannt, aber auch bereit loszuschlagen. Wie der Zunder, der auf den Funken wartete. Er würde das Sturmlicht aus seinen verbliebenen Kugeln einsaugen, damit aber noch bis zum allerletzten Augenblick warten.
Rechts von Kaladin schabten Schritte über den Boden, und die Wände wurden allmählich in rotes Licht getaucht. Kaladin hielt den Atem an, drückte den Rücken gegen die Wand und machte sich bereit.
Der Verfolger erstarrte, bevor er die Kreuzung erreichte, und Kaladin wusste, dass die Kreatur Syl entdeckt hatte. Sie sollte in der Ferne vorbeifliegen. Einen Herzschlag später verkündeten kratzende und schleifende Geräusche, dass der Verfolger die Hülle seines Körpers abgestreift hatte. Nun huschte er als ein Band aus rotem Licht hinter Syl her. Die Ablenkung war also geglückt.
Soweit sie wussten, konnte ein Verschmolzener ein Sprengsel nicht auf natürliche Weise verletzen – dies war nur mit einer Splitterklinge möglich. Und selbst eine solche Wunde war lediglich vorübergehend. Wenn ein Sprengsel mit einer Splitterklinge verwundet oder sogar in Stücke gehauen wurde, bildete es sich im Reich des Erkennens neu. Experimente hatten bewiesen, dass die einzige Möglichkeit, die Teile getrennt zu halten, darin bestand, sie in Edelsteine einzuschließen.
Kaladin gab sich zehn Herzschläge, dann holte er eine kleine Kugel als Beleuchtung hervor, warf einen kurzen Blick auf den abgelegten Körper des Verfolgers und rannte zu dem Zimmer, in dem er Teft zurückgelassen hatte.
Es war erstaunlich, welche Energie sich in ihm bildete, wenn er kurz vor einem Kampf stand. Mühelos hob er sich Teft auf die Schultern und lief davon – fast als wäre er wieder mit Sturmlicht vollgesogen. Im Licht der Kugel fand er bald eine Treppe. Beinahe flog er sie hinauf, hielt aber sofort an, als ein schwaches Licht von oben herabfiel.
Von dort hallten Stimmen in Rhythmen zu ihm herunter. Und dann bemerkte er, dass sie auch von unten kamen. Er verließ diese Treppe, aber zwei Gänge weiter sah er in der Ferne Lichter und Schatten. Er zog sich in einen Seitenkorridor zurück. Sein Schweiß floss in Strömen, und Angstsprengsel – kleine Glibberkugeln – wanden sich durch den Stein unter ihm.
Er kannte dieses Gefühl. Das Eilen durch die Finsternis. Menschen mit Lichtern, die systematisch nach ihm suchten. Die ihn jagten. Er atmete schwer, während er Teft durch einen weiteren Seitengang schleppte, und bald bemerkte er auch in dieser Richtung Lichter.
Der Feind bildete eine Schlinge, die er allmählich um Kaladins Position zusammenzog. Das erinnerte ihn an die Nacht, in der er Nalma und die anderen im Stich gelassen hatte. Eine Nacht wie so viele andere, in der er selbst überlebt hatte, während alle Übrigen gestorben waren. Kaladin war kein entlaufener Sklave mehr, aber das Gefühl war immer noch dasselbe.
»Kaladin!«, sagte Syl, die auf ihn zuflog. »Ich habe ihn an den Rand der Etage gelockt, aber wir sind einigen gewöhnlichen Soldaten begegnet, und daraufhin ist er zurückgekehrt. Er schien begriffen zu haben, dass ich nur ein Ablenkungsmanöver bin.«
»Zahlreiche Schwadronen befinden sich hier oben«, antwortete Kaladin und entwich in die Finsternis. »Vielleicht sogar eine ganze Kompanie. Bei den Stürmen! Der Verfolger muss die gesamte Streitmacht, die die Wohnungen im sechsten Stock durchsuchen sollte, umgeleitet haben.«
Er war entsetzt darüber, wie schnell sie ihre Falle aufgestellt hatten. Das war vermutlich dem Umstand zu verdanken, dass er den Soldaten verschont hatte. Gewiss hatte dieser den anderen sogleich Bericht erstattet.
Nun, Kaladin bezweifelte jedenfalls, dass der Feind die Zeit gehabt hatte, sich eine von Navanis Karten zu besorgen, die dieses Stockwerk darstellten. Es konnte ihnen einfach nicht möglich sein, Soldaten in jedem Gang und an jeder Treppe zu postieren. Das Netz, das sich um ihn zusammenzog, musste Lücken haben.
Er begann mit der Suche. In einem Seitenkorridor bemerkte er schattenhafte Gestalten, die sich ihm näherten. Und auch auf der nächsten Treppe. Sie waren unerbittlich, und sie waren überall. Außerdem kannte er diese Gegend nicht besser als sie. Er schlich durch zahlreiche Gänge, bis er das Ende einer Sackgasse erreichte. Eine rasche Erkundung der angrenzenden Zimmer ergab, dass hier keine anderen Ausgänge existierten. Er schaute über die Schulter und hörte Stimmen, die einander etwas zuriefen. Sie sprachen Azisch, glaubte er – aber zu bestimmten Rhythmen.
Mit einem Gefühl wachsenden Grauens setzte er Teft ab, zählte seine restlichen Kugeln und holte wieder das Skalpell heraus. Richtig. Er … er musste dem ersten Soldaten, den er tötete, die Waffe abnehmen. Hoffentlich war es ein Speer. Zumindest etwas mit großer Reichweite, wenn er einen Kampf in diesen Gängen überleben wollte.
Syl landete auf seiner Schulter, nahm die Gestalt einer jungen Frau an und setzte sich, während sie die Hände in den Schoß legte.
»Wir müssen uns durchkämpfen«, flüsterte Kaladin. »Vielleicht haben sie nur wenige Soldaten in diese Richtung geschickt. Wir töten sie, dann entkommen wir der Schlinge und laufen weg.«
Sie nickte.
Es klang aber nicht wie »wenige Soldaten.« Und er glaubte eine harschere, lautere Stimme unter den anderen zu hören. Der Verfolger war ihm noch auf der Spur und orientierte sich vermutlich an den schwachen Blutflecken auf dem Boden oder an den Wänden.
Kaladin zog Teft in eines der Zimmer, stellte sich selbst auf die Schwelle und wartete. Zwar nicht gerade ruhig, aber doch vorbereitet. Er hielt sein Skalpell so, dass er damit in die Spalten zwischen dem Panzer und dem Hals des Feindes stechen konnte. Als er dort stand, spürte er, wie ihn die Last der ganzen verzweifelten Lage niederdrückte. Die Dunkelheit, sowohl draußen als auch in ihm. Die Erschöpfung. Die Angst. Düstersprengsel erschienen wie Kleidungsfetzen, wie Banner an den Wänden.
»Kaladin«, sagte Syl leise, »könnten wir uns nicht einfach ergeben?«
»Dieser Verschmolzene ist nicht hier, um mich gefangen zu nehmen, Syl«, sagte er.
»Wenn du stirbst, bin ich wieder allein.«
»Wir haben uns schon aus größeren Schwierigkeiten befreit …« Er verstummte, als er sie ansah, wie sie auf seiner Schulter saß; sie wirkte viel kleiner als sonst. Er konnte den Rest der Worte nicht herauszwingen. Er konnte nicht lügen.
Licht erhellte den Korridor und kam auf ihn zu.
Kaladin ergriff sein Messer fester. Ein Teil von ihm schien schon immer gewusst zu haben, dass es zu dieser Begegnung kommen würde. Allein in der Dunkelheit, mit dem Rücken zur Wand, gegen einen Feind in der Überzahl. Das wäre eine ruhmreiche Art zu sterben, aber Kaladin lag nichts an Ruhm. Diesen dummen Traum hatte er schon als Kind aufgegeben.
»Kaladin!«, sagte Syl. »Was ist das? Dort, auf dem Boden!«
Ein schwaches violettes Licht war in der Ecke rechts vor ihnen erschienen. Es war fast unsichtbar, trotz der Finsternis. Kaladin runzelte die Stirn, verließ seinen Posten auf der Türschwelle und betrachtete das Licht. Hier verlief eine Granatader im Stein, und ein kleiner Teil davon schimmerte. Als er den Grund dafür herauszufinden versuchte, bewegte sich das Schimmern davon; es lief an der Ader entlang. Er folgte ihm bis zur Tür zurück und sah zu, wie es quer durch den Gang in das Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite kroch.
Er zögerte nur kurz, bevor er seine Waffe wegsteckte und Teft wieder anhob. Er taumelte quer durch den Korridor in das andere Zimmer – und hörte dabei, wie einer der näher kommenden Soldaten etwas auf Azisch sagte. Es klang jedoch zögernd – als hätten sie bestenfalls einen kurzen, unsicheren Blick auf Kaladin erhascht.
Bei den Stürmen! Was tat er hier? Jagte er Phantomlichtern hinterher, so wie den Sternensprengseln am Himmel? In dieser kleinen Kammer bewegte sich das Licht über den Boden und die Wand hoch und zeigte darin schließlich einen Edelstein, der tief in den Stein eingebettet war.
»Ein Fabrial?«, fragte Syl. »Lade es auf!«
Kaladin atmete ein wenig Sturmlicht ein und warf einen Blick über die Schulter. Draußen hörte er Stimmen, und er sah Schatten. Statt sein verbliebenes Sturmlicht für den Kampf aufzusparen, tat er das, was Syl ihm gesagt hatte. Er drückte das Licht in den Edelstein. Danach hatte er nur noch zwei oder drei kleinere Steine übrig – und damit war er so gut wie schutzlos.
Die Wand teilte sich in der Mitte. Er keuchte auf, als sich die Steine bewegten – allerdings mit einer Lautlosigkeit, die sich jedem Erklärungsversuch widersetzte. Die Wand spaltete sich gerade so weit, dass ein Mensch hindurchschlüpfen konnte. Er trug Teft in einen verborgenen Korridor. Sanft schloss sich die Wand hinter ihm wieder, und das Licht in dem Edelstein erlosch. Kaladin hielt den Atem an, als er Stimmen in dem Zimmer hinter ihm hörte. Er hielt das Ohr gegen die Wand und lauschte. Viel verstand er nicht – es war ein Streit, bei dem es um den Verfolger zu gehen schien. Kaladin befürchtete, sie könnten gesehen haben, wie sich die Wand wieder schloss, aber er hörte kein Kratzen und kein Hämmern. Allerdings würden sie die Sprengsel bemerken, die er angelockt hatte, und dann wussten sie, dass er in der Nähe war.
Kaladin musste in Bewegung bleiben. Das schwache violette Licht auf dem Boden zuckte und lief voran, und er folgte ihm zusammen mit Teft durch eine weitere Reihe von Gängen. Schließlich erreichten sie eine versteckte Treppe, die zum Glück unbewacht war.
Er stieg sie hoch, und jeder seiner Schritte war langsamer als der vorangegangene, während er von Erschöpfungssprengseln verfolgt wurde. Doch irgendwie schaffte er es, noch weiter hinaufzusteigen. Das Licht führte ihn bis in den elften Stock und dort in einen weiteren dunklen Raum. Die bedrückende Stille verriet ihm, dass er einen Teil des Turms erreicht hatte, den der Feind nicht absuchte. Er wollte schon zusammenbrechen, aber das Licht pulsierte beharrlich an der Wand – und Syl ermunterte ihn, es anzusehen.
Dort befand sich ein weiteres Juwel, in den Stein eingelassen und kaum sichtbar. Mit dem letzten Rest seines Sturmlichts lud er es auf und schlüpfte durch die Tür, die sich rasch öffnete. In der vollkommenen Dunkelheit dahinter setzte Kaladin Teft ab und spürte, wie sich die Tür hinter ihm schloss.
Er hatte nicht mehr die Kraft, seine neue Umgebung abzusuchen. Stattdessen glitt er zitternd auf den kalten Steinboden.
Und dort ließ er es endlich zu, dass er in den Schlaf trieb.
Eschonai hatte gehört, dass die Welt ihre Rätsel verlor, wenn sie kartografiert wurde. Einige der anderen Lauscher beharrten darauf, dass die Wildnis – das Reich der Sprengsel und der Großschalen – unerkundet bleiben sollte, denn indem sie versuchte, diese Wildnis auf das Papier zu bannen, stahl sie ihr möglicherweise ihre Geheimnisse.
Aber ein solcher Gedanke erschien ihr ausgesprochen lächerlich. Sie stimmte sich in den Rhythmus der Ehrfurcht ein, als sie den Wald betrat. In den Bäumen wimmelte es von Lebenssprengseln – hellgrüne Kugeln, aus denen weiße Stacheln hervorlugten. In der Nähe der Zerbrochenen Ebene war fast alles flach, bewachsen nur von gelegentlichen Steinknospen. Aber hier, gar nicht so weit entfernt, wuchsen die Pflanzen in wunderbarer Üppigkeit.
Ihre Leute unternahmen häufig Reisen in den Wald, wo Holz und Pilze zusammengesucht wurden. Doch sie nahmen immer dieselbe Route. Den Fluss hoch, einen Tagesmarsch ins Innere, dort ernteten sie, und dann kehrten sie zurück. Diesmal hatte Eschonai darauf bestanden, die Gruppe zu verlassen, was große Besorgnis ausgelöst hatte. Sie hatte versprochen, sich den anderen in ihrem Lager wieder anzuschließen, sobald sie den äußeren Rand des Waldes ausgespäht hatte.
Nachdem sie mehrere Tage um die Bäume herumgegangen war, war sie wieder auf den Fluss gestoßen. Von hier aus konnte sie seinem Verlauf quer durch den Wald folgen und würde das Lager ihrer Familie von dieser Richtung aus erreichen. Und dann würde sie eine neue Karte besitzen, auf der genau verzeichnet war, wie groß der Wald zumindest auf der einen Seite war.
Sie folgte dem Strom, eingestimmt auf den Rhythmus der Freude und begleitet von schwimmenden Flusssprengseln. Alle hatten sich so große Sorgen gemacht, weil sie allein in den Stürmen draußen sein würde. Nun, sie war schon ein Dutzend Mal in ihrem Leben im Sturm gewesen und hatte immer ohne Schwierigkeiten überlebt. Außerdem konnte sie ja zwischen den Bäumen Unterschlupf suchen.
Dennoch sorgten sich ihre Familie und ihre Freunde. Sie hatten ihr ganzes Leben in einem ausgesprochen kleinen Gebiet verbracht und von dem Tag geträumt, an dem sie eine der zehn alten Städte am Rande der Zerbrochenen Ebene eroberten. Was für ein kleingeistiges Ziel. Warum nicht losgehen und sich die ganze Welt ansehen?
Aber nein. Es gab nur ein einziges mögliches Ziel: eine der Städte zu gewinnen. Schutz hinter zerfallenden Mauern zu suchen und die Barriere zu missachten, die durch die Bäume gebildet wurde. Eschonai betrachtete es als einen Beweis dafür, dass die Natur stärker war als die Schöpfungen der Lauscher: Dieser Wald hatte vermutlich schon existiert, als die alten Städte noch neu gewesen waren. Und doch gedieh der Wald weiterhin prächtig, während die Städte in Trümmern lagen.
Man konnte etwas, das so stark war, keine Geheimnisse stehlen, bloß dadurch, dass man es erforschte. Man konnte nur lernen.
Sie setzte sich neben einen Felsbrocken und entrollte ihre Karte, die aus kostbarem Papier bestand. Ihre Mutter war eine der wenigen innerhalb der Familien, die den Sang der Papierherstellung kannte, und mit ihrer Hilfe hatte Eschonai den Prozess vervollkommnet. Mit einem Stift und Tinte zog sie den Weg des Flusses dort nach, wo er in den Wald eintrat, dann tupfte sie die Tinte ab und wartete, bis sie getrocknet war, bevor sie die Karte wieder aufrollte.
Auch wenn sie zuversichtlich war und sich in den Rhythmus der Entschlossenheit eingestimmt hatte, war das Klagen und Nörgeln der anderen in letzter Zeit doch eher unangenehm gewesen.
Wir wissen, wo der Wald liegt und wie wir ihn erreichen können. Warum sollte ihn jemand in seiner Gesamtheit aufzeichnen? Wem hilft das?
Der Fluss fließt in diese Richtung. Jeder weiß, wo er zu finden ist. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, ihn auf Papier zu malen?
Zu viele aus ihrer Familie wollten vorgeben, dass die Welt kleiner sei, als sie in Wirklichkeit war. Eschonai war davon überzeugt, dass dies der Grund für den andauernden Streit mit den anderen Lauscher-Familien war. Wenn die Welt nur aus dem Land um die zehn Städte herum bestand, erschien es durchaus sinnvoll, um dieses Land zu kämpfen.
Aber ihre Vorfahren hatten nicht gegeneinander gekämpft. Ihre Vorfahren hatten das Gesicht in den Sturm gehalten und waren davonmarschiert; sie hatten ihre Götter im Namen der Freiheit verlassen. Eschonai würde sich diese Freiheit zunutze machen. Anstatt am Feuer zu sitzen und sich zu beschweren, würde sie die Schönheiten erfahren, die die Bebauerin darbot. Und sie würde die beste aller Fragen stellen.
Was werde ich als Nächstes entdecken?
Eschonai ging weiter und schätzte den Verlauf des Flusses ab. Sie benutzte ihre eigene Methode, die Entfernung zu messen, und überprüfte ihre Ergebnisse, indem sie bestimmte Punkte von verschiedenen Seiten aus betrachtete. Nachdem ein Sturm vorübergezogen war, führte der Fluss tagelang Wasser. Aber warum? Wieso floss er denn weiter, wenn alles andere Wasser verdunstet oder aufgesogen worden war? Und wo hatte der Fluss seinen Ursprung?
Flüsse und deren gepanzerte Sprengsel fand sie aufregend. Flüsse waren Markierungen, Wegzeichen, Straßen. Man konnte sich nicht verirren, wenn man wusste, wo sich der Fluss befand. An einer seiner Biegungen hielt sie zur Mittagspause an und entdeckte dort eine Art von Kremling, die grün war wie die Bäume. Eine solche Färbung hatte sie bei diesen Wesen noch nie wahrgenommen. Sie würde es Venli berichten.
»Die Geheimnisse der Natur stehlen!«, sagte Eschonai zum Rhythmus der Verärgerung. »Was ist ein Geheimnis anderes als eine Überraschung, die entdeckt werden will?«
Sie aß ihre gedünsteten Hasper, löschte das Feuer und zerstreute die Flammensprengsel, bevor sie sich wieder auf den Weg machte. Ihrer Einschätzung nach würde es noch anderthalb Tage dauern, bis sie auf ihre Familie traf. Und wenn sie dann erneut allein aufbrach und die andere Seite des Waldes umrundete, würde sie seine Umrisse vollständig aufzeichnen können.
Es gab so vieles zu sehen, so vieles zu wissen – und auch so vieles zu tun. Und sie würde alles entdecken. Sie würde …
Was war das?
Sie runzelte die Stirn und hielt inne. Der Fluss war nicht mehr sehr tief; vermutlich würde er morgen nur noch ein Rinnsal sein. Über sein Gurgeln hinweg hörte sie Rufe aus der Ferne dringen. Hatten sich die anderen auf die Suche nach ihr gemacht? Sie eilte vorwärts und stimmte sich in den Rhythmus der Erregung ein. Vielleicht standen sie ihrem Forscherdrang jetzt nicht mehr so ablehnend gegenüber.
Erst als sie den Ursprung der Rufe beinahe erreicht hatte, erkannte sie, dass etwas an ihnen ganz und gar nicht stimmte. Sie waren flach, zeigten keine Spur von Rhythmus. Als wenn sie von den Toten stammten.
Einen Augenblick später umrundete sie eine Flussbiegung und fand sich etwas weit Wundersamerem – und Schrecklicherem – gegenüber, als sie es sich je hätte ausmalen können.
Menschen.
»… Fadform schlimm, verloren ist der Geist«, zitierte Venli. »Nicht hell, die Niederste hier. Sie zu finden viel zu zahlen heißt. Sie findet dich, bringt Verderben dir.«
Sie holte tief Luft und lehnte sich stolz in ihrem Zelt zurück. Alle einundneunzig Strophen, fehlerfrei rezitiert.
Ihre Mutter Jaxlim nickte, während sie am Webstuhl arbeitete. »Das war eine deiner besseren Rezitationen«, sagte sie zum Rhythmus des Lobes. »Noch ein klein wenig Übung, und wir können zum nächsten Lied schreiten.«
»Aber … ich habe es doch richtig gemacht.«
»Du hast die siebte und die fünfzehnte Strophe miteinander verwechselt«, sagte ihre Mutter.
»Die Reihenfolge spielt keine Rolle.«
»Außerdem hast du die neunzehnte vergessen.«
»Nein, habe ich nicht«, sagte Venli und zählte im Kopf nach. Arbeitsform? »… wirklich?«
»Ja, wirklich«, sagte ihre Mutter. »Aber das muss dir nicht peinlich sein. Du hast es gut gemacht.«
Gut? Venli hatte Jahre damit verbracht, die Lieder auswendig zu lernen, während Eschonai kaum je etwas Nützliches tat. Venli war besser als bloß gut. Sie war ausgezeichnet.
Aber … hatte sie wirklich eine ganze Strophe vergessen? Sie sah ihre Mutter an, die leise vor sich hin summte, während sie am Webstuhl arbeitete.
»Die neunzehnte Strophe ist nicht so wichtig«, sagte Venli. »Niemand wird je vergessen, wie man zum Arbeiter wird. Und erst die Fadform! Warum gibt es eine ganze Strophe darüber? Niemand würde sie freiwillig wählen.«
»Wir müssen uns an die Vergangenheit erinnern«, sagte ihre Mutter zum Rhythmus der Verlorenen. »Wir dürfen nicht vergessen, was wir durchgemacht haben, um hierherzukommen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir uns nicht selbst vergessen.«
Venli stimmte sich auf den Rhythmus der Verärgerung ein. Und plötzlich sang Jaxlim in einer wunderschönen Stimme zu den Rhythmen. Es war etwas Verblüffendes an der Stimme ihrer Mutter. Sie war weder kräftig noch kühn, sondern eher wie ein Messer: dünn, scharf, beinahe flüssig. Sie schnitt Venli bis in die Seele, und Ehrfurcht ersetzte die Verärgerung.
Nein, Venli war nicht vollkommen. Noch nicht. Aber ihre Mutter war es.
Jaxlim sang weiter, und Venli hörte verzaubert zu und schämte sich wegen ihrer Gereiztheit. Aber manchmal war es so schwer, jeden Tag hier zu sitzen und Lieder auswendig zu lernen, während Eschonai spielte. Inzwischen waren die beiden fast erwachsen; Eschonai fehlte zur Volljährigkeit nur noch ein einziges Jahr und Venli etwas mehr als zwei. Sie sollten Verantwortungsbewusstsein zeigen.
Schließlich verstummte ihre Mutter nach der zehnten Strophe.
»Danke«, sagte Venli.
»Dafür, dass ich dir etwas vorgesungen habe, das du schon tausendmal gehört hast?«
»Dafür, dass du mich daran erinnert hast, warum ich übe«, sagte Venli zum Rhythmus des Lobes.
Ihre Mutter stimmte sich in den Rhythmus der Freude ein und arbeitete weiter. Venli ging zur Zeltklappe und spähte nach draußen, wo die anderen Mitglieder der Familie Bäume fällten und Holz hackten. Ihre Leute waren die Familie des Ersten Rhythmus und konnten eine vornehme Abstammung nachweisen. Sie zählten Tausende Mitglieder, aber es war schon viele Jahre her, seit sie über eine ganze Stadt geherrscht hatten.
Andauernd redeten sie davon, eine der Städte zurückzugewinnen. Sie wollten aus dem Wald aufbrechen, vor dem Einsetzen eines Sturms angreifen und ihren rechtmäßigen Sitz beanspruchen. Es mochte zwar ein ausgezeichnetes und würdiges Ziel sein, aber Venli war unzufrieden, wenn sie die Krieger dabei beobachtete, wie sie Pfeile herstellten und alte Metallspeere schärften. War das wirklich der Sinn des Lebens? Immer wieder um dieselben zehn Städte zu kämpfen?
Sicherlich gab es mehr für ihre Familie. Sicherlich gab es mehr für sie. Inzwischen liebte sie die Lieder, aber sie wollte sie auch benutzen. Sie wollte die Geheimnisse entdecken, die von den Liedern versprochen wurden. Würde Roschar jemanden wie Venli hervorbringen, nur damit sie in einem Lederzelt saß und sich Worte einprägte, damit sie diese weitergeben und schließlich sterben konnte?
Nein. Sie musste eine andere Bestimmung haben. Etwas Großes war für sie vorgesehen. »Eschonai glaubt, wir sollten Bilder zeichnen, die die Strophen der Lieder wiedergeben«, sagte Venli. »Wir sollten ganze Papierstapel mit Bildern füllen, damit wir nicht vergessen.«
»Deine Schwester zeigt manchmal eine ganz eigene Weisheit«, sagte ihre Mutter.
Venli stimmte sich in den Rhythmus des Verrats ein. »Sie sollte sich nicht so oft von der Familie entfernen und mit ihrer Zeit so selbstsüchtig umgehen. Sie sollte ebenfalls die Lieder lernen, genau wie ich. Als deine Tochter ist es auch ihre Pflicht.«
»Ja, du hast recht«, sagte Jaxlim. »Aber Eschonai hat ein kühnes Herz. Sie muss noch lernen, dass ihre Familie wichtiger ist als das Zählen der Berge außerhalb der Lager.«
»Ich habe ebenfalls ein kühnes Herz!«, sagte Venli.
»Du hast einen scharfen und gewitzten Verstand«, sagte ihre Mutter. »So wie deine Mutter. Achte deine eigenen Gaben nicht gering, nur weil du jemand anderen um die seinen beneidest.«
»Beneiden? Sie?«
Venlis Mutter webte weiter. Sie musste diese Arbeit nicht verrichten – ihre Stellung als Bewahrerin der Lieder war hoch angesehen; es war vielleicht sogar die wichtigste innerhalb der Familie. Doch Jaxlim war immer mit irgendetwas beschäftigt. Sie sagte, dass Handarbeit den Körper stark hielt, während die Rezitation der Lieder ihren Geist kräftigte.
Venli stimmte sich in den Rhythmus der Angst, dann der Zuversicht und schließlich wieder der Angst ein. Sie ging zu ihrer Mutter hinüber und setzte sich auf den Schemel neben sie. Jaxlim strahlte stets Zuversicht aus, selbst wenn sie mit etwas so Einfachem wie dem Weben beschäftigt war. Ihr verschlungenes Hautmuster aus welligem Rot und schwarzen Linien war eines der schönsten im Lager – es war wie echter marmorierter Stein. Eschonai hatte die Färbungen ihrer Mutter geerbt.
Venli wiederum geriet nach ihrem Vater. Sie war hauptsächlich weiß und rot, und ihr eigenes Muster zeigte eher Wirbel als Wogen und wies alle drei Färbungen auf. Viele behaupteten, sie könnten die kleinen schwarzen Flecken an ihrem Hals nicht erkennen, aber sie selbst war dazu in der Lage. Alle drei Farben zu haben galt als sehr, sehr selten.
»Mutter«, sagte sie zum Rhythmus der Aufregung, »ich glaube, ich habe etwas entdeckt.«
»Und was soll das sein?«
»Ich habe wieder mit verschiedenen Sprengseln experimentiert und sie in die Stürme mitgenommen.«
»Deswegen bist du doch schon einmal verwarnt worden.«
»Du hast es mir aber nicht verboten, und so habe ich damit weitergemacht. Sollten wir etwa immer nur das tun, was uns gesagt wird?«
»Viele behaupten, dass wir außer der Arbeitsform und der Paarungsform nichts brauchen«, sagte ihre Mutter zum Rhythmus der Nachdenklichkeit. »Sie meinen, dass die Benutzung anderer Formen Schritte hin zu den Formen der Macht sind.«
»Und was sagst du dazu?«, fragte Venli.
»Du machst dir immer so viele Gedanken über meine Meinungen. Die meisten Kinder in deinem Alter widersetzen sich ihren Eltern und beachten sie kaum noch.«
»Die meisten Kinder haben nicht dich als Mutter.«
»Ist das eine Schmeichelei?«, fragte Jaxlim zum Rhythmus der Belustigung.
»Nicht … ganz«, sagte Venli und stimmte sich in den Rhythmus der Resignation ein. »Mutter, ich möchte das, was ich gelernt habe, anwenden. Mein Kopf ist voller Lieder über die Formen. Wie könnte ich es nicht wollen, alles über sie herauszufinden? Zum Besten unseres Volkes.«
Nun stellte Jaxlim ihr Weben ein. Sie drehte sich auf ihrem Schemel, rutschte näher an Venli heran und ergriff ihre Hände. Sie summte, dann sang sie leise zum Rhythmus des Lobes – nur eine Melodie, keine Worte. Venli schloss die Augen und ließ zu, dass das Lied sie überspülte, und sie glaubte spüren zu können, wie die Haut ihrer Mutter vibrierte. Sie glaubte, ihre Seele fühlen zu können.
Dies tat Jaxlim schon so lange, wie Venli sich erinnern konnte. Zu allen Zeiten hatte sie sich auf ihre Mutter verlassen – und auf ihre Lieder. Seit Vater von ihnen weggegangen war, weil er sich zur Suche nach dem Meer im Osten aufgerafft hatte.
»Du machst mich ganz stolz, Venli«, gab Jaxlim zurück. »Du hast in den letzten Jahren so vieles geleistet und die Lieder gelernt, nachdem Eschonai aufgegeben hatte. Ich möchte dich darin bestärken, dich zu verbessern, aber du darfst nicht abgelenkt werden. Ich brauche dich noch. Wir brauchen dich.«
Venli nickte, summte denselben Rhythmus und stimmte sich in das Lob ein, damit sie sich im Einklang mit ihrer Mutter befand. Unter ihren Fingern spürte Venli Liebe, Wärme und Zustimmung. Was auch immer geschehen mochte, ihre Mutter würde bei ihr sein und sie leiten. Sie aufrichten. Mit einem Lied, das sogar Stürme durchdrang.
Ihre Mutter webte weiter, und Venli sagte weiter auf. Sie rezitierte das gesamte Lied und ließ diesmal keine einzige Strophe aus.
Als sie damit fertig war, wartete sie, nahm einen Schluck Wasser und hoffte auf das Lob ihrer Mutter. Doch Jaxlim gab ihr etwas noch Besseres. »Berichte mir von deinen Experimenten mit den Sprengseln«, sagte sie.
»Ich versuche, etwas über die Kriegsform herauszufinden«, sagte Venli zum Rhythmus der gespannten Erwartung. »Ich habe mich während der Stürme am Rande des Unterschlupfes aufgehalten und versucht, die richtigen Sprengsel anzulocken. Das ist allerdings schwierig, denn die meisten Sprengsel fliehen vor mir, sobald der Wind auffrischt.
Aber beim letzten Mal habe ich gespürt, dass ich schon knapp vor dem Ziel war. Die Schmerzsprengsel sind der Schlüssel. Bei den Stürmen sind sie immer zu finden. Wenn ich eines in meiner Nähe halten kann, sollte es mir möglich sein, die Form anzunehmen.«
Wenn ihr das gelang, würde sie die erste Lauscherin seit vielen Generationen sein, die eine Kriegsform trug. Seit sich die Menschen und die Sänger des Altertums in ihrer letzten Schlacht gegenseitig vernichtet hatten. Das war etwas, das sie ihrem Volk schenken konnte – etwas, für das man sich an sie erinnern würde!
»Wir sollten mit den Fünfen reden«, sagte Jaxlim und stand neben dem Webstuhl auf.
»Warte«, sagte Venli, ergriff ihren Arm und stimmte sich in den Rhythmus der Anspannung ein. »Willst du ihnen berichten, was ich dir gerade gesagt habe? Über die Kriegsform?«
»Natürlich. Wenn du diesen Weg weitergehen willst, brauchen wir ihren Segen.«
»Vielleicht sollte ich vorher noch ein paar Versuche machen«, wandte Venli ein. »Also … bevor wir es jemandem sagen.«
Jaxlim summte zum Rhythmus des Tadels. »Das ist wie deine Weigerung, die Lieder öffentlich zu singen. Du hast wieder Angst vor dem Versagen, Venli.«
»Nein«, erwiderte sie. »Nein, natürlich nicht. Mutter, ich glaube nur, es ist besser, wenn ich mit letzter Sicherheit weiß, dass es funktioniert. Bevor es Schwierigkeiten gibt.«
Warum sollte denn jemand nicht sicher sein wollen, bevor er sich im Fall eines Versagens vielleicht der Lächerlichkeit preisgab? Das machte Venli doch nicht zu einem Feigling. Sie würde eine neue Form annehmen, die niemand sonst trug. Das war vielmehr kühn. Sie wollte den Prozess beherrschen, das war alles.
»Komm mit«, sagte Jaxlim zum Rhythmus des Friedens. »Die anderen haben längst darüber gesprochen – ich bin zu ihnen gegangen, nachdem du schon einmal mit mir darüber geredet hattest. Ich habe vor den Ältesten angedeutet, dass ich neue Formen für möglich halte, und ich glaube, sie sind bereit, einen Versuch zu wagen.«
»Wirklich?«, fragte Venli.
»Ja. Komm. Sie werden deinen Unternehmungsgeist feiern. Für uns ist das in dieser Form selten. Sie ist zwar weitaus besser als die Fadform, aber sie wirkt sich auf unseren Verstand aus. Wir brauchen andere Formen, gleichgültig was manche sagen mögen.«
Venli spürte, wie sie sich auf den Rhythmus der Erregung einstimmte, während sie ihrer Mutter aus dem Zelt hinaus folgte. Würde es ihren Geist öffnen, wenn sie die Kriegsform annahm? Würde es sie noch kühner machen? Würde es die Ängste und Sorgen beruhigen, die sie so oft verspürte? Sie dürstete nach Erfolg. Sie dürstete danach, ihre Welt besser zu machen – weniger fade und strahlender. Sie dürstete danach, diejenige zu sein, die ihr Volk zu neuer Größe führte. Aus dem Krem in den Himmel.
Die Fünf hatten sich um die Feuergrube zwischen den Bäumen versammelt und besprachen Angriffstaktiken für die bevorstehende Schlacht. Dabei ging es vor allem darum, welche Prahlereien sie vorbrachten und welche Krieger als Erste ihren Speer werfen durften.
Jaxlim trat auf die Ältesten zu und summte ein ganzes Lied der Erregung. Es war eine seltene Darbietung der Bewahrerin der Lieder, und mit jeder Strophe stand Venli aufrechter da.
Sobald das Lied vorbei war, erklärte Jaxlim, was Venli ihr mitgeteilt hatte. Tatsächlich waren die Ältesten interessiert. Sie begriffen, dass neue Formen das Risiko wert waren. Im Vertrauen darauf, dass man sie nicht zurückweisen würde, trat Venli vor und stimmte sich in den Rhythmus des Sieges ein.
Doch gerade als sie begann, ertönte etwas außerhalb des Dorfes. Die Warntrommeln? Die Fünf packten eilig ihre Waffen – uralte Äxte, Speere und Schwerter, jede einzelne von großer Kostbarkeit und seit Generationen weitergereicht, denn die Lauscher hatten keine Möglichkeit, neue Metallwaffen herzustellen.
Aber was konnte das sein? Keine andere Familie würde sie hier draußen in der Wildnis angreifen. So etwas war seit Generationen nicht mehr geschehen – seit die Reinsang-Familie die Familie der Vierten Bewegung überfallen und versucht hatte, ihre Waffen zu stehlen. Deswegen waren die Reinsänger fortan gemieden worden.
Venli blieb zurück, als die Ältesten loszogen. Sie wollte nicht in ein Scharmützel verwickelt werden – wenn es denn zu einem solchen käme. Sie war die Schülerin der Bewahrerin der Lieder und daher zu wertvoll, um sich in einer Schlacht in Gefahr zu bringen. Hoffentlich war es bald vorbei, damit sie sich wieder in dem Respekt der Ältesten sonnen konnte.
So kam es dazu, dass sie zu einer der Letzten geworden ist, die von Eschonais unglaublicher Entdeckung erfuhren. Sie war eine der Letzten, die hörten, dass ihre Welt sich für immer verändert hatte. Ihre großartige Ankündigung wurde von den Taten ihrer leichtsinnigen Schwester vollkommen überschattet.
Ich nähere mich diesem Projekt mit einer Mischung aus Beklemmung und Hoffnung. Und ich weiß nicht, was von beidem stärker sein soll.
Aus Der Rhythmus des Krieges, Seite 1
Raboniel gestattete Navani keine Diener. Offensichtlich glaubte die Verschmolzene, es sei hart für Navani, ohne sie zu leben. Und deshalb gönnte sich Navani einen kleinen Augenblick des Stolzes, als sie am ersten vollen Tag der Besatzung Urithirus aus ihren Gemächern trat. Ihre Haare waren sauber und geflochten, ihre einfache Havah gebügelt und frisch, und ihr Gesicht war aufwendig geschminkt. Das Waschen im kalten Wasser mochte nicht angenehm gewesen sein, aber die Fabriale arbeiteten nicht, und daher hätte sie auch dann, wenn ihr noch einige Diener geblieben wären, nicht auf warmes Wasser hoffen dürfen.
Navani wurde hinunter in die Bibliotheksräume im Kellergeschoss von Urithiru geführt. Dort saß Raboniel an Navanis Schreibtisch und durchblätterte ihre Notizen. Als Navani eintraf, verbeugte sich die ehemalige Königin gerade so tief, dass es Gehorsam andeutete, aber nicht tief genug, um unterwürfig zu erscheinen.
Die Verschmolzene lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, stützte sich mit dem Ellbogen auf der Tischplatte ab und entließ die Wachen mit einem summenden Laut und einer eindeutigen Geste.
»Wie lautet deine Entscheidung?«, fragte die Verschmolzene.
»Ich werde meine Gelehrten anweisen, Altehrwürdige«, sagte Navani, »dass sie ihre Forschungen unter Eurer Obhut weiterführen sollen.«
»Die weisere Wahl, und auch die gefährlichere, Navani Kholin.« Raboniel summte nun einen anderen Ton. »Ich kann die Risszeichnungen für deine Flugmaschine nicht in diesen Unterlagen finden.«
Navani gab vor, mit sich zu hadern, aber sie hatte sich schon entschieden. Die Geheimnisse der fliegenden Plattform waren unmöglich zu bewahren – zu viele von Navanis Gelehrten wussten schon um sie. Außerdem wurden zahlreiche der neuen, zusammengefügten Fabriale – die eine Längsbewegung ermöglichten, während sie stiegen oder fielen – bereits überall im Turm eingesetzt. Obwohl die Fabriale gegenwärtig nicht arbeiteten, würden Raboniels Untergebene gewiss ihre Funktionsweise herausfinden.
Nach einem langen Streit mit sich selbst war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sie dieses Geheimnis preisgeben musste. Ihre beste Aussicht darauf, der gegenwärtigen misslichen Lage zu entkommen, bestand darin, dass sie so tat, als wäre sie bereit, mit Raboniel zusammenzuarbeiten, während sie gleichzeitig für Verzögerungen sorgte.
»Ich bewahre die wichtigsten Pläne aus Vorsicht nur in meinem Kopf auf«, log Navani. »Ich erkläre meinen Wissenschaftlerinnen jedes Einzelteil erst in dem Augenblick, wenn ich es brauche. Wenn ich genug Zeit habe, kann ich Euch aber den Mechanismus aufzeichnen, durch den die Maschine bewegt wird.«
Raboniel summte zu einem Rhythmus, von dem Navani zunächst nicht wusste, was er bedeutete. Doch Raboniel schien skeptisch zu sein. Sie stieß ihren Stuhl zurück, stand auf und bedeutete Navani, sich zu setzen. Sie steckte eine Feder zwischen Navanis Hände, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.
Also gut. Navani begann mit schnellen, festen Strichen zu zeichnen. Sie schuf das Diagramm eines vereinigten Fabrials, setzte noch eine Erklärung der Funktionsweise hinzu und zeichnete schließlich eine erweiterte Version von Hunderten dieser Fabriale, die in die Flugmaschine eingelassen waren.
»Ja«, sagte Raboniel, als Navani die letzten Abschnitte skizzierte, »aber warum bewegt es sich in der Horizontalen? Gewiss kann man mit dieser Konstruktion eine Maschine hoch in die Luft heben – aber da würde sie bleiben, an Ort und Stelle. Ich soll doch wohl nicht glauben, dass ihr eine Maschine am Boden habt, die sich im Einklang mit der im Himmel bewegt?«
»Ihr versteht mehr von Fabrialen, als ich erwartet hatte, Herrin der Wünsche.«
Raboniel summte einen besonderen Rhythmus. »Ich lerne eben schnell.« Dabei deutete sie auf die Notizen, die sich vor Navani stapelten. »In der Vergangenheit war es schwierig für meine Art, Sprengsel dazu zu bringen, sich im Körperreich als Geräte zu manifestieren. Anscheinend sind Leersprengsel nicht so … selbstaufopfernd wie jene von Ehr oder der Bebauerin.«
Navanis Lider zuckten, als sie diese Andeutung begriff. Plötzlich verknüpften sich ein Dutzend loser Fäden in ihrem Geist miteinander und bildeten ein Gewebe. Eine Erklärung. Das war der Grund, warum die Fabriale des Turms – die Pumpen, die Aufzüge – keine Edelsteine mit darin gefangenen Sprengseln besaßen. Bei den Stürmen! … das war die Erklärung der Seelengießer.
Ehrfurchtssprengsel bildeten einen Ring aus blauem Rauch um sie. In Seelengießern steckten keine Sprengsel, weil sie Sprengsel waren. Sie manifestierten sich im Körperreich wie Splitterklingen. Sprengsel wurden auf dieser Seite zu Metall. Und die alten Sprengsel sollen dazu gebracht worden sein, sich nicht als Klingen, sondern als Seelengießer zu manifestieren?
»Wie ich sehe, hast du das bisher noch nicht gewusst«, sagte Raboniel und zog sich einen Stuhl heran. Als sie saß, war sie noch immer einen Fuß größer als Navani. Sie gab ein merkwürdiges Bild ab: eine Gestalt in einer gepanzerten Schale, als wollte sie in den Krieg ziehen. Doch sie durchblätterte einen Stapel mit Aufzeichnungen. »Seltsam, dass ihr zwar so viele Fortschritte gemacht habt, die wir uns in der Vergangenheit nie hätten träumen lassen, aber die viel einfacheren Methoden vergessen konntet, die eure Vorfahren benutzt haben.«
»Wir … wir hatten ja keinen Zugang zu solchen Sprengseln, die mit uns sprechen wollten«, erklärte Navani. »Bei Vevs goldenen Schlüsseln … das … ich kann gar nicht glauben, dass wir das nicht erkannt haben sollen. Die ganze Tragweite …«
»Die horizontale Bewegung?«, fragte Raboniel.
Navani fühlte sich benommen, während sie die Antwort aufzeichnete. »Wir haben gelernt, Ebenen für vereinigte Fabriale zu isolieren«, berichtete sie. »Ihr müsst diese Konstruktion aus Aluminiumdrähten einsetzen, die den Edelstein berühren. Mit ihrer Hilfe wird die vertikale Position beibehalten, aber der Edelstein kann nun horizontal bewegt werden.«
»Faszinierend«, entgegnete Raboniel. »Ralkalest – ihr nennt es in eurer Sprache Aluminium – greift in die Verbindung ein. Das ist nicht weniger als … genial. Enorm viele Tests müssen nötig gewesen sein, bis die Konfiguration stimmte.«