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In "Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis: Aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg" entfaltet Otto Schoetensack eine fesselnde Untersuchung über eines der bedeutendsten Fossilien der Menschheitsgeschichte. Der Autor kombiniert eine präzise wissenschaftliche Analyse mit einem klaren, verständlichen literarischen Stil, der sowohl Fachleute als auch interessierte Laien anspricht. Mit einem scharfen Blick auf die archäologische Bedeutung des Unterkiefers erzählt Schoetensack von den Entstehungsbedingungen, den geologischen Hintergründen und den evolutionären Implikationen, die dieses Fossil für das Verständnis unserer Vorfahren hat. Diese detaillierte Auseinandersetzung wird durch zahlreiche Abbildungen und Tabellen ergänzt, die die Argumentation visuell unterstützen und den Leser auf eine spannende Reise in die prähistorische Welt mitnehmen. Otto Schoetensack, ein längst angesehener Paläoanthropologe, ist bekannt für seine fundierten Forschungen im Bereich der Menschheitsgeschichte. Aufgewachsen in der Region Heidelberg, wird sein persönlicher Bezug zur Lokalität und die häufige Referenz auf lokale Fossilien in seiner Arbeit offenbar. Schoetensacks Passion für die Elfenbein- und Steinzeitarchäologie hat ihn motiviert, eine tiefere Kenntnis über die Entwicklung des Homo Heidelbergensis zu erlangen und somit einen wertvollen Beitrag zur Anthropologie zu leisten. Dieses Buch ist für alle Leser zu empfehlen, die ein Interesse an der Menschheitsgeschichte und der Evolution des Menschen haben. Schoetensacks eingehende, aber verständliche Darstellung bietet nicht nur neues Wissen, sondern regt auch zum Nachdenken über unsere eigene Herkunft und Identität an. Lassen Sie sich von den fesselnden Erkenntnissen über den Homo Heidelbergensis inspirieren und erweitern Sie Ihr Verständnis über die Wurzeln der Menschheit.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Der den Gegenstand vorliegender Abhandlung bildende menschliche Unterkiefer wurde in den 10 km südöstlich von Heidelberg anstehenden, in der Literatur als Sande von Mauer bekannten fluviatilen Ablagerungen aufgefunden. Das Alter dieser Sande wird nach den darin angetroffenen Säugetierresten gemeinhin als altdiluvial angegeben; einige darin vertretene Arten lassen aber auch deutliche Beziehungen zu dem jüngsten Abschnitte des Tertiärs, dem Pliocän, erkennen. So durfte man vermuten, daß etwa in diesen Schichten sich findende Menschenknochen bedeutsame Aufschlüsse über die Morphogenese des menschlichen sowie überhaupt des Primatenskelettes geben würden. Diese Annahme hat nunmehr durch den Fund der Mandibula Bestätigung erfahren.
Ich habe mich bemüht, in dieser Schrift vor allem eine möglichst erschöpfende Beschreibung des Fundobjektes und der — bei fossilen Menschenresten äußerst wichtigen — Fundumstände zu geben. Bei den vergleichenden Studien habe ich mich im wesentlichen auf das von den Direktoren der hiesigen Universitätssammlungen, den Herren O. Bütschli, M. Fürbringer und W. Salomon, sowie von Herrn H. Klaatsch in Breslau mir in entgegenkommendster Weise zur Verfügung gestellte Material gestützt. Letztgenannter Freund sowie Herr G. Port standen mir bei meinen Untersuchungen mit ihren reichen Erfahrungen bei, die mir insbesondere bei den diagraphischen und Röntgenaufnahmen sehr zustatten kamen. Die Herren Gorjanović-Kramberger in Agram und J. Fraipont in Brüssel waren so liebenswürdig, mir Gipsabgüsse fossiler Unterkiefer zu überlassen. Ferner lieh mir Herr Assistent W. Spitz bei den photographischen Aufnahmen freundlichst seinen Beistand. — Allen diesen Herren sei hiermit herzlicher Dank ausgesprochen.
Universität Heidelberg im September 1908.
DER UNTERKIEFER DES HOMO HEIDELBERGENSIS AUS DEN SANDEN VON MAUER BEI HEIDELBERG
Das Dorf Mauer, auf dessen Feldmark unser Fund am 21. Oktober 1907 gemacht wurde, ist 10 km südöstlich von Heidelberg und 6 km südlich von Neckargemünd, dicht an der südlichen Grenze des Odenwaldgebirges gelegen. Dieses wird in seinem südlichen Teile von dem aus dem schwäbischen Muschelkalkgebiete kommenden Neckar durchbrochen, der unterhalb Neckarelz auf den Buntsandstein stößt, den er bis zum Eintritt in die Rheinebene in vielfach gewundenem Laufe erodiert hat. Diese Talbildung reicht, worauf E. W. Benecke[8] zuerst hingewiesen hat und was auch A. Sauer[70] in den Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden, Blatt Neckargemünd, bestätigt, bis in die Tertiärzeit zurück.
Wenige Kilometer südlich von Neckargemünd verschwindet der Buntsandstein dauernd unter der Oberfläche, und das Muschelkalkgebirge stellt sich ein. Mannigfach zergliedert und reichlich mit Löß und Lehm bedeckt, bietet es fruchtbares Ackerland dar, das, von der bei Neckargemünd in den Neckar sich ergießenden Elsenz durchflossen, frühzeitig zur Besiedelung einlud. — Schon in alter Zeit führte eine Verkehrsstraße von hier aus in das Schwabenland, der jetzt auch die Eisenbahnlinie Heidelberg-Neckargemünd-Jagstfeld folgt, die uns von Heidelberg in 30Minuten an den Fundort bringt.
Die geologischen und topographischen Verhältnisse des unteren Elsenztales lassen sich an der Hand der oben genannten Karte, von der auf Taf. I, Fig. I ein Ausschnitt auf 1:50000 reduziert gegeben ist[I.], leicht übersehen. Im nördlichen Teile herrscht der Buntsandstein vor, der in ostwestlicher Richtung von dem Neckar durchfurcht wird. Senkrecht zu diesem Flusse erblicken wir zwei parallel verlaufende Täler, die „in ihrer engen felsigen Beschaffenheit dem Haupttale des Neckars unter- und oberhalb Neckargemünds gleichen“. Es sind dies, wie Sauer gezeigt hat, Teile einer alten Neckarschlinge, die weiter südlich, wo sie in das leichter zerstörbare Muschelkalkgebirge eintrat, eine beträchtliche Talerweiterung erfuhr und den terrassenförmigen Absatz der unter dem Namen „Sande von Mauer“ bekannten, von Sauer als altdiluvial bezeichneten Aufschüttungen veranlaßte, deren Ursprung auch durch typische Neckargerölle bezeugt wird.
Von den beiden vom Neckar verlassenen Paralleltälern wird das westliche von der Elsenz zum Abfluß benutzt, während das östliche, durch welches jetzt die Landstraße von Wiesenbach nördlich zum Neckar führt, trocken liegt. Daß dies schon seit der mittel-diluvialen Zeit der Fall ist, wird durch die Verbreitung der Ablagerungen von älterem und jüngerem Löß erwiesen, die sich auf und nahe der Sohle des Wiesenbacher Tales vorfinden.
Die „Sande von Mauer“, auf der Karte (Taf. I, Fig. 2) mit der Signatur „dun“ versehen und großpunktiert eingezeichnet, sind namentlich an dem rechten Elsenzgehänge durch Gruben erschlossen, die schon zu Bronns Zeiten (in den dreißiger und vierziger Jahren des vor. Jahrh.) paläontologisches Material lieferten.
Seit 30 Jahren hat die etwa 500 m nördlich vom Dorfe Mauer im Gewann Grafenrain gelegene, von Herrn J. Rösch in Mauer zur Gewinnung von Bausand betriebene Sandgrube zahlreiche Tierreste ergeben, die von dem genannten Herrn mit großer Sorgfalt geborgen und in uneigennütziger Weise, hauptsächlich durch Schenkung an badische Staatssammlungen, der Wissenschaft zugänglich gemacht wurden.
Bei dem lebhaften Abbau des Sandes, von dem nach gütiger Mitteilung des Herrn Rösch seit 1877 159750 cbm gewonnen sind, wobei 182250 cbm Abraum beseitigt, insgesamt also 342000 cbm bewegt werden mußten, entstehen beständig frische Anbrüche, die entsprechend dem wechselnden Bilde, das fluviatile Ablagerungen darzubieten pflegen, in den einzelnen Schichten wohl stark variieren, in der Gesamterscheinung aber, wie die von E. W. Benecke und E. Cohen[9] gegebene Beschreibung und die von A. Sauer mitgeteilten Profile erkennen lassen, Übereinstimmung mit dem nachstehenden Profile zeigen, das 12 Tage nach Auffindung des menschlichen Unterkiefers unter freundlicher Mitwirkung von Prof. W. Salomon, Herrn W. Spitz und den Praktikanten des Heidelberger geologisch-paläontologischen Instituts aufgenommen wurde:
Profil der Sandgrube im Grafenrain (Grundstück Nr. 789), Gemarkung Mauer (Amtsbezirk Heidelberg), aufgenommen am 2. November 1907
(vgl. Taf. III, Fig. 5).
Richtung der Grubenwand Nord 26 West. Fußpunkt 1,40 m nördlich von der Fundstelle des menschlichen Unterkiefers.
Ordnungszahl der Schichten
Mächtigkeit in Metern
Jüngerer Löß
27
5,74
Jüngerer
Löß
, unten mit kleinen Lößkindeln.
26
2,25
Brauner
Lehm
ohne sandige Lagen.
Älterer Löß bzw. Sandlöß
25
1,30
Brauner
Lehm
, stellenweise etwas sandig, aber ohne ausgesprochene Sandschmitzchen.
24
1,63
Letten
, meist stark sandig, mit vereinzelten Sandschmitzchen und Lagen von Lößkindeln.
23
etwa 1,80
Grauer, mittelkörniger
Sand
, in abwechselnden Lagen ± verfestigt (etwa 15 Gesimse).
22
0,36
Graue feste
Sand
bank, mittelkörnig, mit HCl ganz schwach brausend, gesimsbildend.
21
1,30
Lockerer eisenschüssiger
Sand
, bald gröber, bald feiner, mit HCl ganz schwach brausend.
20
0,07
Festere, sehr eisenschüssige mittelkörnige
Sand
bank.
19
0,40
Eisenschüssiger
Sand
.
18
0,70
Grauer mittelkörniger
Sand
, mit HCl nicht brausend, unmittelbar über dem Letten stark eisenschüssig.
17
0,70
Brauner
sandiger Letten
und lettiger Sand; oben reiner, unten ziemlich reiner Letten; gesimsbildend.
16
0,22–0,25
Sand
schicht mit dünnen eisenschüssigen Lagen nach S. anschwellend, nach N. auskeilend.
15
etwa 0,20–0,23
Geröll
schicht mit Eistransportblöcken und Unioresten.
14
etwa 0,34
Grauer bis gelbbrauner
Sand
mit Andeutung von Schrägschichtung und Neigung zur Windpfeilerbildung.
13
etwa 0,50
Sand
, reich an kleinen Geröllen, z. T. eisenschüssig.
Mauerer Sande.
12
etwa 0,50
Grauer mittelkörniger
Sand
mit einer schwach eisenschüssigen Schicht.
Lettenbank.11
2,25
Sehr fester
Letten
, mit HCl schwach brausend.
10
1,65
Abwechselnde Schichten von schwach eisenschüssigem
Sand
und grauem, manchmal auch braunem Letten. Die jüngste der nach oben an Mächtigkeit zunehmenden etwa 9 Lettenschichten enthält nur sehr wenig Sand.
9
etwa 0,55
Reiner
Sand
mit unregelmäßig verteilten eisenschüssigen Stellen.
8
etwa 0,25
Mittelkörniger, grauer
Sand
mit vereinzelten kleinen Geröllen und vielen Lettenbrocken.
7
1,35
Mittelkörniger
Sand
mit vereinzelten kleinen Geröllen und Lettenbröckchen.
6
0,60–0,65
Grauer, mittelkörniger
Sand
mit vereinzelten Geröllen und kleinen Geröllschmitzchen. (Die Lage mit den vereinzelten Geröllen tritt nur stellenweise auf.)
5
etwa 0,23
Grobkörniger, mit HCl nicht brausender
Sand
mit eisenschüssigen Bändern.
4
etwa 0,10
Geröll
schicht, durch kohlensauren Kalk etwas verkittet, mit ganz dünnen Lagen von Letten, der mit HCl schwach braust.
(Fundschicht des menschlichen Unterkiefers.)
3
0,22
Gröberer
Sand
, mit HCl nicht brausend.
2
etwa 0,20
Geröll
schicht, z. T. deutlich zu einem Conglomerat verkittet. Der verkittende Sand ist stark eisenschüssig, mit HCl nicht brausend. Weiß-Juragerölle und Reste von Unio sind häufig.
1
etwa 0,45
Mittelkörniger, mit HCl nicht brausender
Sand
.
Grubensohle.
Hiernach wurde der menschliche Unterkiefer etwa 0,87 m über der Sohle und etwa 24,10 m unter der Oberkante der Sandgrube aufgefunden, welch letztere Zahl der vom Geometer festgestellten 24,63 m (vgl. Taf. II, Fig. 3) bis auf 0,53 m nahekommt. Um diesen Punkt für die Zukunft festzulegen, ließ ich auf dieser Stelle einen kubischen Sandstein mit der eingemeißelten Inschrift „Fundstelle des menschlichen Unterkiefers 21. Oktober 1907“ errichten. Dieser Stein soll liegen bleiben, auch wenn die Grube wieder zugeworfen wird. Es soll dann oben ein neuer Stein mit entsprechender Inschrift gesetzt werden.
Die in dem vorstehenden Profil mit No. 23-1 bezeichneten, von 5,18 m älterem Löß und 5,74 m jüngerem Löß überlagerten Mauerer Sande haben wegen ihres Reichtums an Tierresten seit langer Zeit die Aufmerksamkeit der Geologen auf sich gelenkt. So führt A. Braun[13] in der auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Mainz 1842 gegebenen vergleichenden Zusammenstellung der lebenden und diluvialen Molluskenfauna des Rheintals mit der tertiären des Mainzer Beckens unter der Rubrik „Ältere Diluvialbildung“ die Sande bei Bruchsal, bei Mauer im Elsenztal und bei Mosbach zwischen Mainz und Wiesbaden an. Während er von Mosbach auf Grund der Untersuchungen des Bergsekretärs Raht 66 Conchylienarten zu verzeichnen in der Lage ist, muß er sich für Mauer auf folgende Bemerkung beschränken: „Der dortige, durch seine interessanten Säugetierknochen bekannte, hoch von Löß bedeckte Sand enthält eine Menge von Unionen und größeren Helices, jedoch sämtlich so weich und mürbe, daß eine vollständige Herauslösung und genaue Bestimmung bis jetzt nicht möglich war.“