Der vierte Sündenfall - Adolf Josef Gillrath - E-Book

Der vierte Sündenfall E-Book

Adolf Josef Gillrath

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Beschreibung

Durch seine Träume inspiriert, setzt sich Bilal, ein gläubiger Muslim, mit seinen guten Freunden Simon, Ahmad und Joseph zusammen, um über die für sie grundlegende und wichtige Frage nachzudenken und zu diskutieren, ob es überhaupt einen Gott geben kann. Sie versuchen diesen Themenbereich mittels der Kirchen-, der Menschheitsgeschichte, den weltweiten Gräueltaten fundamentalistischer Terrorbanden wie der sogenannte IS, Boko Haram, Al- Kaida, Al-Shabaab und den Taliban, aber auch durch ganz private Erfahrungen zu beantworten. Das Ergebnis fällt am Ende erstaunlicherweise unterschiedlich aus.

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INHALT

BILALS TRAUM

RÜCKBLICK IN DIE GESCHICHTE DES MENSCHEN – VOM ANBEGINN BIS ZUM 19. JAHRHUNDERT

EIN MANN MIT VERGANGENHEIT

DIE 2000-JAHR-LÜGE

DER ISLAM IM WANDEL

LOGOS UND MYTHOS – DER GLAUBENSKAMPF DER MONOTHEISTISCHEN RELIGIONEN

GLAUBE ALS EINZIGE HOFFNUNG

DIE VERBOTENE FRAU

FAIR TRADE

EPILOG

QUELLENNACHWEIS

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

Talmud

Nur weil der Mensch wie ein Mensch denkt, er sich das für

ihn Unvorstellbare nicht erklären kann, meint er, es müsse

einen Schöpfer, einen Gott geben.

Der Glaube an einen Gott ist grundsätzlich nicht gefährlich,

sondern die Macht, die von ihm ausgeht.

Der Autor

BILALS TRAUM

In den letzten Jahren setzt sich Bilal, ein bislang frommer Muslim, in seinen nächtlichen Träumen immer häufiger mit der Frage auseinander, ob sein Glaube an Allah noch der richtige ist. Gerade wenn er an all die Gräueltaten der ISIS denkt, des selbsterklärten „Islamischen Staats im Irak und Syrien“, oder, wie er sich neuerdings nennt, des „Islamischen Staats“ (IS), der das Ziel hat, ein weltweites Kalifat aufzubauen, überkommen Bilal tiefe Zweifel: Sollte er nicht besser zum Christentum konvertieren oder womöglich gar nicht mehr an einen Gott glauben?

Bilal fragt sich immer öfter: Kann es überhaupt diesen einen Gott geben, der nach Ansicht der Dschihadisten zum heiligen Krieg aufruft, obwohl das Wort „Dschihad“ eigentlich „die Bemühung auf Gottes Weg“ bedeutet? Einen Gott, der menschenverachtende, brutale Morde an Nichtgläubigen (Muschrik) hinnimmt, dessen Name, wie man ihn auch im alltäglichen Gebetsruf hört, von islamistischen Terroristen als kriegerischer Schlachtruf „Allahu akbar“ (Gott ist groß) missbraucht wird? Einen Gott, der eine Religion toleriert, die in seinem Namen medienwirksame öffentliche Enthauptungen durchführt oder die zahllose nichtmuslimische Mädchen und Frauen aus Schulen und Dörfern entführt und versklavt, so wie Boku Haram es betreibt? Einen Gott, der es geschehen lässt, dass diese Entführungsopfer unter Todesdrohung gezwungen werden, augenblicklich zum Islam überzutreten, und anschließend mit sogenannten Märtyrern Allahs (Mudschaheddin) sofort zwangsverheiratet und als Sexsklavinnen gehalten werden – nur zu dem Zweck, neue Kinder für den Dschihad zu gebären? Eine grausige Praxis, die Bilal an Adolf Hitlers „Lebensborn“ erinnert. Soll das etwa der Islam sein, dem sich schon seine Vorfahren unterworfen haben und dessen Suren auch er in seiner Madrasa (Koranschule) jahrelang intensiv rezitiert und verinnerlicht hat?

Augenscheinlich ist der Islam, wie er sich oft selbst bezeichnet, nicht nur eine Religion des Friedens. Man sieht das schon daran, dass man ihn nicht kritisieren darf, denn sofort wird jede ausgesprochene Wahrheit über „den Islam“ von vielen seiner Anhänger als ein sehr schlimmes Verbrechen angesehen, manchmal sogar mit einer Fatwa, einem Rechtsgutachten, belegt. Der Islam an sich ist inhaltlich sehr wohl gewalttätig, und ein Aufruf zur Gewalt ist im Koran – in den Medina-Suren – deutlich enthalten und somit durchaus über diese Schrift zu rechtfertigen. Warum gibt es im Islam so viele Fundamentalisten, die Andersgläubigen ihren radikalen Glauben aufzwingen wollen? Warum fordern so viele die gewaltsame Durchsetzung der Scharia (Vorschriften, Strafrecht und Regeln)? Bilal ist nicht nur in seinen Träumen sehr verwirrt, er weiß auch schon seit längerer Zeit nicht mehr, an welchen Gott er sein tägliches Gebet richten soll oder welcher ihm bekannten Religion er weiterhin glauben kann. Seine Träume, aber auch sein Alltag sind ununterbrochen mit Fragen und Zweifeln gefüllt.

Er muss an seinen langjährigen Freund Simon denken, der sich seinerseits immer mehr vom christlichen Glauben abwendet, oder an Joseph, einen anderen guten Freund, der jahrelang mit einer Muslima aus Kenia verheiratet war und der die Kluft zwischen Glaubensinhalten und Lebensrealität ganz praktisch erfuhr.

Vor allem sein belesener Freund Simon ist es, der in Bilal immer wieder Zweifel nährt. Eines Tages erzählte er ihm bei einem ihrer Treffen die spannende Geschichte von dem biblischen Knaben Daniel, der alle Art von Träumen deuten konnte und der mit drei weiteren Knaben aus königlichem Geschlecht, also intelligenten Jünglingen, als Auszubildende im Dienst des herrschenden Königs Nebukadnezar drei Jahre lang ein privilegiertes Dasein genoss. Da der König einen schlimmen Traum hatte, ließ er Daniel kommen, um sich von ihm den Traum deuten zu lassen. Der König sah eine gewaltige Bildsäule vor sich; der Kopf massiv aus Gold, Brust und Arme aus Silber, Bauch und Hüften aus Erz, seine Schenkel aus Eisen und seine Füße teils ebenfalls aus Eisen, teils aus Ton. Ein Stein, der die Säule traf und völlig zerstörte, wurde zu einem Berg, der die ganze Erde erfüllte. Daniel sagte daraufhin dem König, dass er in seinem mächtigen Reich selbst das Haupt aus Gold sei. Nach ihm entsteht allerdings ein geringeres Reich und danach ein drittes aus Erz. Das vierte so hart wie Eisen und das folgende nicht einheitlich. Ein Teil wird stark und der andere Teil zerbrechlich sein. Der besagte alles zerstörende Stein, der daraufhin einen riesigen Berg hervorbringt, wird das Reich Gottes sein, das von da an bis in Ewigkeit nicht zugrunde geht.

Bilal überlegt, welches die fünf Reiche sind, die vor Gottes Königreich vergehen werden? Es können nach seinem Wissen nur das babylonische, das persische, das römische, das „Dritte Reich“ Hitlers und das angloamerikanische Reich sein. Auch hier zitierte sein guter Freund Simon eine passende Stelle aus dem Neuen Testament, nämlich Mt. 24, 4 ff.: „Gebt Acht, dass euch niemand irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin der Messias! Und sie werden viele irreführen. Ihr werdet von Kriegen hören, und Nachrichten über Kriege werden euch beunruhigen. Gebt Acht, lasst euch nicht erschrecken. Das muss geschehen. Es ist aber noch nicht das Ende. Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere, und an vielen Orten wird es Hungersnöte und Erdbeben geben. Doch das alles ist erst der Anfang der Wehen. Dann wird man euch in große Not bringen und euch töten, und ihr werdet von allen Völkern um meines Namens willen gehasst. Dann werden viele zu Fall kommen und einander hassen und verraten. Viele falsche Propheten werden auftauchen, und sie werden viele irreführen. Und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhandnimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten. Wer jedoch bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet. Aber dieses Evangelium vom Reich (Gottes) wird auf der ganzen Welt verkündet werden, damit alle Völker es hören; dann erst kommt das Ende.“ Gerade hierzu hat auch der Koran eine eindeutige Antwort in der Sure 2, 217: „Sie werden dich befragen nach dem Kampf im heiligen Monat (Ramadan). Sprich: Kämpfen in ihm ist schlimm; aber Abwendigmachen von Allahs Weg und Ihn und die heilige Moschee verleugnen und Sein Volk daraus vertreiben, ist schlimmer bei Allah; und Verführung ist schlimmer als Totschlag. Und sie werden nicht aufhören, euch zu bekämpfen, als bis sie euch von eurem Glauben abtrünnig machten, so sie dies vermögen. Wer sich aber von euch von seinem Glauben abtrünnig machen lässt und als Ungläubiger stirbt, deren Werke sind vergeblich hienieden und im Jenseits, und des Feuers Gefährten sind sie und verweilen ewig darinnen.“ Verblüffend ist, so stellt Bilal fest, wie sehr sich die Texte der verschiedenen heiligen Bücher ähneln. Das kann doch kein Zufall sein! Simons Kommentar hierzu war schon vor einiger Zeit folgender:

„Wie du siehst, ist all das Gesagte bereits im vollen Gang und unübersehbar aktuell. Da die Liebe unter den Erdenbewohnern aber noch nicht gänzlich erloschen ist, werden wir heute Lebenden von der so heftig beschriebenen Apokalypse wohl noch etwas entfernt sein. Aber wer weiß das schon? Oder wird am Ende unsere Erde von einem riesigen Kometen getroffen, der die Menschheit vollständig auslöscht?“

Über all das völlig erschrocken, richtet sich Bilal im Bett auf, öffnet kurz die schlaftrunkenen Augen, orientiert sich im Raum und lässt sich noch erschlafft ins leicht verschwitzte Kopfkissen zurückfallen.

„Na, überlegst du immer noch, ob es den einen Gott gibt, an den du glauben sollst?“

„Wer bist du eigentlich, und warum interessiert dich mein Traum, meine Zweifel?“

„Ich bin Iblis, deine Versuchung und deine Zweifel im Glauben, deine Unsicherheit, besser bekannt als deine innere Stimme. Du kennst mich doch. Ich komme zu dir, wenn du träumst. Ich berate dich, ich offenbare dir die Erkenntnis, du solltest es eigentlich wissen.“

Im Zustand des langsamen Erwachens antwortet Bilal meist demütig leise und noch nicht bei vollem Bewusstsein. Aber jetzt, da ihn ein nächtlicher Traum erschaudern ließ, der ihn bis an die Grenzen seiner physischen Belastbarkeit gebracht hat und orientierungslos zurückließ, flucht Bilal laut erregt los, als müsse er sich selbst rechtfertigen – zugleich aggressiv und etwas ausweichend:

„Ich dachte, du wärest Gott und nicht so ein Höllenteufel. Merke dir, an dich glaub ich schon mal gar nicht, obwohl mir meine Religion stets vehement mit dir droht.“

„Du solltest mich aber ernst nehmen, denn es gibt mich. Ein von Gott Gesandter, sozusagen ein Engel, wenn auch ein abgefallener, aber immerhin! Also, was ist, glaubst du an Allah, deinen über alles geliebten Gott, dem du dich täglich zu unterwerfen hast, oder bist du dir nicht mehr ganz sicher? Es scheint mir, als hättest du plötzlich Zweifel.“

„Na und? Hattest du sie nicht auch einmal vor langer Zeit? Höre mir deshalb jetzt genau zu, was mir mein Freund Simon noch erzählt hat, und danach erwarte ich eine überzeugende Stellungnahme von dir.

Ein vom harten Leben und seiner Vergangenheit gezeichneter alter Mann, der nach dem Eindruck seiner Zeitgenossen ein sehr gläubiger, ständig betender Christ war, sagte zu Simon, der ihn hin und wieder besuchte, kurz vor seinem Tod, dass er inständig und fest an Gott glaubt. Allerdings mit dem sehr bemerkenswerten Nachsatz: ,Wenn es keinen Gott gibt, der mich nach meinem Tod erlöst und ins Paradies aufnimmt und alles vorbei und aus ist, dann tut es mir als Toter sowieso nicht mehr weh. Für die Hinterbliebenen bin ich bestenfalls Erinnerung oder Geschichte. Gibt es Gott aber doch, dann habe ich zu meinen Lebzeiten nichts falsch gemacht und schaue im Tod Gottes Herrlichkeit.‘“

Da Bilal immer noch an Allah glaubt, entweicht ihm aus seinem morgendlich trockenen Mund, wegen der jetzt ängstlichen Ungewissheit, ein eher hastig gesprochenes „La ilaha illallah“. Es ist die Schahāda, das Glaubensbekenntnis der Muslime. Bilal misst als gläubiger Muslim seinen Träumen schon eine große Bedeutung zu, heißt es doch in Sure 6, 60: „Er ist’s, der euch zu sich nimmt zur Nacht, und Er weiß, was ihr schaffet am Tag.“ Bilal ist traditionell davon überzeugt, was der Koran sagt, nämlich dass die Seelen im Schlaf zu Gott gehen.

„Nein, nein, so geht das nicht! All das ist mir viel zu einfach. Ich sage dir, Bilal, der alte Mann hat bis zu seinem Tod an Gott oft gezweifelt, darum betete er ständig. Und dann baute er sich schnell eine für ihn logische Doppelstrategie und eine dazu angenehme Alternative auf. Das gefiel ihm, und daran hielt er bis zum Schluss fest. Er war zwar ein Leben lang fromm, doch fromm sein schützt keinesfalls vor Zweifel. Bilal, glaube mir, die meisten Menschen haben derartige Bedenken, die sie eine gewisse Zeit lang mit sich herumtragen oder die sie lebenslang begleiten. Du beschäftigst dich zwar häufig mit dem Phänomen, aber gerade dein Verstand ist hierbei der Übeltäter und die Schaltstelle deines Zweifels.“

Bilal wird sauer auf seine innere Stimme, und noch während er vor sich hin döst, will er Iblis umgehend von einer göttlichen Existenz überzeugen.

„Dann erkläre mir mal, warum mein Freund Jussuf, der nach einem sehr schweren Autounfall ins Koma versetzt wurde, und der mittlerweile, Gott sei Dank, alhamdulillah, vollständig genesen ist, mir noch am Krankenbett folgende Geschichte erzählte:

,Ich schwebte über dem Operationstisch und konnte jeden Eingriff des Arztes und jede Handreichung des medizinischen Personals visuell verfolgen und sogar zuhören, worüber sie sprachen. Dann schwebte ich einem grellweißen Licht entgegen, und plötzlich befand ich mich inmitten eines wunderschönen Gartens. Das Gras, über das ich barfuß lief, war samtweich und angenehm warm. Ein Bach durchlief den blühenden und früchtevollen Garten. Aus der Ferne kamen mir meine verstorbenen Verwandten schnell entgegen, umarmten mich, sagten mir aber, dass ich wieder zurückkehren müsste, denn meine Zeit des Todes sei jetzt noch nicht gekommen. Seit diesem mystischen Erlebnis glaube ich fest an die Existenz eines Gottes, an das Jenseits und an ein Paradies, an Engel oder einen Himmel, egal wie man es nennen mag und wo das alles ist.‘“

„Vergiss es. Alles Blödsinn! Eine esoterische, also eine nur für Eingeweihte verständliche Vorstellung, sprich Wahrnehmung deines Freundes Jussuf. Wichtig ist doch wohl, was sagt dir dein gesunder Menschenverstand? Bevor du mir jetzt antwortest, möchte ich dir zuerst einmal gerne unterbreiten, was ich darüber weiß und auch denke. Erstens gibt es wissenschaftlich gesehen keinerlei Beweis für ein Jenseits. Zweitens tritt dieser neurologische Zustand, der mit einer Halluzination gleichzusetzen ist, nicht nur bei Unfällen auf, sondern auch bei einem Herzinfarkt oder einer Ohnmacht. Es ist lediglich die Ausschüttung des körpereigenen Opiats, verbunden mit einer außerkörperlichen Erfahrung. Das Ganze ist so eine Art von geballter Ausschöpfung aus unseren Erinnerungen. Drittens kann die Nahtoderfahrung locker mit einer Offenbarung gleichgestellt werden. Du als Muslim müsstest das doch besonders gut kennen. Hierbei erinnere ich dich kurz mal an den Propheten. Bereits Anfang des 7. Jahrhunderts meditierte der Mekkaner Muhammad, aus der Sippe Quraisch, in der Höhle des Berges Hirā. Ihm wurden Visionen und Offenbarungen durch den Engel Gabriel zuteil. Er selbst zweifelte jedoch stark an den seltsamen Erscheinungen und tat sie als Halluzinationen ab. Diese Praxis der Bewusstseinserweiterung durch intensives Fasten und totale Abgeschiedenheit gibt es, wie du vielleicht weißt, auch in anderen Religionen. Zum Beispiel bei Jesus in der Wüste, bei den Gurus im Hinduismus oder nach der Einnahme von Drogen wie LSD oder Morphium.

Denn nur durch das Vertrauen seiner ersten Frau Chadidscha wurde Muhammad zum Warner und Gründer einer neuen Religion, des Islams.

Und viertens löst die Nahtoderfahrung stets eine Krise vom Gehirn aus, die im selben Moment die Wirklichkeit verwischt. Die Folge sind der erlebte Schwebezustand und die Sicht von außen auf den Körper und seine Umgebung. Deshalb ist und bleibt die Existenz eines Gottes, ein Jenseits, ob ein Paradies oder ein Höllenfeuer, ausschließlich eine rein menschliche Glaubenssache. Diese soll uns Menschen helfen, leichter, besser und ruhiger durchs Leben zu gehen. Glaube ist niemals direkt. Was du nicht sehen kannst, musst du eben glauben. Glaube verstärkt sich erst durch einen anderen, der an mich glaubt. Genauso war es bei Muhammad mit seiner Frau Chadidscha, die als erste Muslima gesehen werden muss, und bei Jesus mit Maria von Magdala, die als erste Christin ebenbürtig zu akzeptieren ist.

Noch eins möchte ich dir zu bedenken geben. Ist es nicht äußerst sonderbar, dass die Propheten der verschiedensten Glaubensrichtungen, sei es nun der jüdische Moses des Alten Testaments in Ägypten, der Nazarener Jesus des Neuen Testaments in Jerusalem oder der Mekkaner Muhammad mit dem Koran in Medina und später, als der Prophet von dort zurück nach Mekka kehrte, immer dann an Glaubwürdigkeit, an Einfluss und auch an Macht gewonnen haben, ihre religiösen und messianischen Richtungsweisungen immer dann fanatisch befolgt wurden, wenn gleichzeitig politische Unruhen im Gang waren, eine Knechtschaft unerträglich wurde oder Umbrüche kurz bevorstanden? Das kann doch kein Zufall sein! Wenn das verheißene Paradies irgendwo in einem Himmel oder von mir aus auch in sieben sein soll, dann scheint es mir laut Bibel oder Koran aber dort recht irdisch auszusehen. Denn vierarmige Ströme, Schätze wie Gold, Karneolsteine, Balsamharz und allerlei Früchte in Fülle, dazu womöglich noch als absolutes Toppräsent etliche reine, dunkeläugige Jungfrauen (Huris), die besonders den Märtyrern (Mudschaheddin) Tag und Nacht als Ehefrauen frei zur Verfügung stehen, kommen mir recht weltlich vor. Aber wie auch immer: Bei solchen Versprechungen ist es kein Wunder, dass junge muslimische Männer feuchte Augen bekommen und scharf auf einen frühen Tod sind. Zumal ein Teil unserer westlichen Jugendlichen einer Null-Bock-Generation angehören und so den islamischen Dschihad, den sie verherrlichen, aber nicht kennen, als ihre religiöse Pflicht ansehen und als lohnende Anerkennung ihrer nicht auf die Reihe bekommenden Lebenssorgen erfahren.“

„Wenn das wahr ist, Iblis, dann ist das ganze Gerede von einem oder mehreren Himmeln wohl wirklich nur konstruiert. Mir erscheint es jetzt, muss ich dir sagen, völlig unglaubwürdig.“

„Bilal, ich gebe dir noch weitere, anmutige und allzu schöne Geschichten als Gedankenanstoß. Vergleiche doch nur mal die Texte der Bibel mit denen des Korans zum Thema Himmel. Du wirst feststellen, wie ähnlich und zugleich irdisch sie sind. Denn der Himmel in der christlichen Bibel wird genauso plastisch, fantastisch schön, im Vorfeld grausam, dennoch vielversprechend dargestellt, wie der Koran es tut. Da du Muslim bist, fange ich mit der Himmelfahrt Muhammads an.

Der Mythos besagt, dass der Prophet Muhammad, während er eindöste, den Erzengel Gabriel im goldenen Gewand neben einem Ross mit weißen Flügeln und Menschenkopf bemerkte. Es war das himmlische Ross Burak. Beim Überflug kamen sie nach Jerusalem und wurden dort von Abraham, Moses und Jesus empfangen. Der Prophet stieg dann vom Stein Jakobs (schwarzer Stein), auf den ein heller Strahl von oben fiel, zum Himmel auf. Dort öffnete Adam ihm die Tür. Er sah einen zweiten Himmel aus Stahl, einen dritten aus Edelsteinen, im vierten einen riesigen Engel, den fünften bewachte Aron, im sechsten wohnte Moses, und im siebten saß Abraham und unterhielt sich mit einem phänomenalen Engel, der 70.000 Köpfe hatte, jeder Kopf hatte 7000 Münder, jeder Mund hatte 7000 Zungen, und jede Zunge sprach 7000 Sprachen, die alle Allah priesen. Und Engel saßen mit Huris, himmlischen Jungfrauen, unter dem Baum Sidrat Al-Muntaha. Gott selbst zeigte Muhammad den Engel Malik, aber auch die Hölle, die Sünder, falsche Propheten, Wucherer, Volksverführer, Ehebrecher, Frauen, die ihren Männern falsche Kinder unterschieben, und was sie alle zu erwarten haben. Danach kehrte der Prophet auf Buraks Flügeln nach Mekka zurück; er ging zum schwarzen Stein Kaaba und predigte.

Da ich gerade vom Pferd Burak sprach, möchte ich ergänzend hinzufügen, dass das Lieblingstier des Propheten eine Katze war.

Jetzt komme ich zu den Christen. Hier gibt es auch eine Menge Engel, die stets in das Angesicht Gottes sehen. Bei 2 Kor. 12, 2 steht: ,Ich kenne jemand, einen Diener Christi, der vor 14 Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde.‘ Beachte hierbei die genaue Übersetzung des Wortes ,diistamai‘; heißt es doch bei Jesu Auferstehung noch ,aufgefahren‘. ,Ich weiß allerdings nicht, ob es mit dem Leib oder ohne den Leib geschah, nur Gott weiß es. / Er hörte unsagbare Worte, die ein Mensch nicht aussprechen kann.‘ Interessanter wird es in der Offb. 1, 10 bis 2, 5: ,… Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der wie ein Mensch aussah, er war bekleidet mit einem Gewand, das bis zu den Füßen reichte, und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold. – Sein Haupt und sein Haar weiß wie weiße Wolle, leuchtend weiß wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen; seine Beine glänzten wie Golderz, und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne, und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne. – Er sagte: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt. – Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden. – … Wer siegt, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes steht.‘

Darum auch der siebenarmige Leuchter in den jüdischen Synagogen und der Baum des Lebens aus dem Paradies von Adam und Eva.

Nun, Bilal, vergleiche doch mal. Erkennst du nun die Parallelen zu den blühenden und fruchtreichen Gärten des Korans, die Gott den Gerechten als Lohn ihrer treuen Gefolgschaft anbietet? Und trotzdem sage ich dir, obwohl ich den Kampf mit Michael und seinen Engeln verloren habe, bleibt meine Aufgabe auf Erden, die große Verführung der Menschheit, bis zum Ende der Zeit bestehen. Ich bin mit meinem Markenzeichen, der magischen Zahl 666, immerhin der zweitgrößte Mitspieler um die Frage nach der Wahrheit. Vergiss nie, was wir übers Jenseits vorher besprochen haben. Es sind eben nur Halluzinationen, logisch erklärbare, neurologische Zustände oder auch Bewusstseinserweiterungen, die sich ausschließlich durch übermäßiges Fasten bedingen. Du kannst es bei den afrikanischen Urvölkern erleben, wenn sie sich in Trance tanzen, auch bei den amerikanischen Indianern, dann den Schamanen der Neuzeit und den vielen Weissagern. Sie alle versetzen sich in einen ekstatischen Zustand und glauben ernsthaft, sowohl die Zukunft als auch ein übernatürliches Göttliches vorhersagen zu können. Aber ist dem wirklich so? Wir werden es erst nach dem Tod erfahren, denn keiner ist bis jetzt zurückgekommen und hat berichtet, wie es war, ist oder sein wird.

Bedenke außerdem, dein Allah ist im Gegensatz zum Christengott weder ein Vaterwesen, noch sind beide ein menschlich vorstellbarer Gott. Obwohl beide laut Koran und Altem Testament zu Beginn den Menschen aus dem Lehm der Ackerscholle und nach Gottes Ebenbild erschaffen haben, bleiben sie selber ein unbildhaftes Mysterium, weder göttlicher noch menschlicher Gestalt. Ich zitiere die Sure 55, 14–15/32, 9 und Genesis 1, 27 und 2, 7: ,Erschaffen hat Er den Menschen aus Lehm wie ein Tongefäß. Und erschaffen hat Er die Dschänn (Teufel) aus rauchlosem Feuer. – Alsdann formte Er ihn und blies in ihn von Seinem Geiste und gab euch Gehör, Gesicht und Herzen. Wenig Dank stattet ihr Ihm ab.‘ Und: ‚So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, nach Gottes Bild schuf er ihn, als Mann und Frau erschuf er sie. – Da bildete Gott, der Herr, den Menschen aus dem Staub der Ackerscholle und blies in seine Nase den Odem des Lebens; so ward der Mensch zu einem lebendigen Wesen.‘

Beide stellen das irdische Leben von Anfang an unter Gewalt, und beide sehen die Erlösung nur im Jenseits, im Paradies. Allah verspricht es als Belohnung für die absolute Unterwerfung und den Gehorsam im Glauben, Jesus dagegen vor allem durch seinen Kreuzestod und die Einhaltung der zehn Gebote. Aber auch, indem der Mensch sich nicht wider den göttlichen Geist versündigen darf. Da gibt es aber noch ein Problem bei Gott, egal ob es nun Allah oder Jahwe oder aber Jesus ist. Nämlich das uralte, überaus heikle Thema ‚Frauen‘.

Im Islam ist Sarah, Abrahams erste Frau, die Urmutter der Araber und des Islams, und Hagar die Magd von Muhammads erster Frau Chadidscha. Bei Gal 4, 22 steht: ‚In der Schrift wird gesagt, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Sklavin, den anderen von der Freien. Der Sohn der Sklavin wurde auf natürliche Weise gezeugt, der Sohn der Freien aufgrund der Verheißung. Diese Frauen bedeuten die beiden Testamente. Das erste Testament stammt vom Berg Sinai und bringt Sklaven zur Welt. – Das himmlische Jerusalem aber ist frei, und dieses Jerusalem ist unsere Mutter. Denn es steht in der Schrift: Freu dich, du Unfruchtbare, die nie geboren hat ... ‘.

Bei den Christen sind es die biblische Urmutter Eva im Alten Testament und die Gottesmutter Maria wie auch die Gefährtin Jesu, Maria von Magdala, im Neuen Testament. Ihnen erschien Gott; somit sind sie eigentlich die Gründerinnen beider Religionen. Hagar sah Gott, nachdem sie ihren Sohn Ismael (Gott hört) unter einem Busch abgelegt hatte und ohne ihn zurückkehren wollte. Maria von Magdala konnte nach Jesu Kreuzestod als einzige Jüngerin, Geliebte und wahrscheinlich auch als seine Ehefrau Jesu seine Auferstehung bezeugen. Falls du jetzt irritiert bist, glaube mir, Bilal, alle Propheten der damaligen Zeit heirateten, daran gibt es aus rein kultureller Sicht überhaupt keinen Zweifel. Ich muss es wissen! Außerdem erschien Jesus noch seinem Bruder Jakobus, dem ersten Bischof von Rom.“

„Dann sage mir mal, warum die monotheistischen Religionen über Jahrtausende hinweg so extrem frauenfeindlich waren und sind? Diese überaus negative Einstellung ergibt keinen logischen Sinn.“

„Bilal, hast du denn noch nie was vom Logos und Mythos gehört? Der Logos weist in der Geschichte der Schöpfung ausdrücklich auf die Gleichstellung von Mann und Frau hin. Doch gleichzeitig hielt sich dieses zwar schlaue, aber auch von machtvollen Männern dominierte System geschickt ein Hintertürchen offen: Die Frau soll, schon von Gott gewollt, dem Mann absolut untertänig und ergeben, demzufolge minderwertig sein. Hierin liegt das Übel. Und so haben beide Religionen Frauen über 2000 Jahre hinweg schlicht und einfach nicht in dem Maße anerkannt und wertgeschätzt, wie es ihnen eigentlich zusteht.

Im Islam sind sie Besitz des Mannes, müssen sich verhüllen, dürfen weder zur Schule noch alleine aus dem Haus gehen und keine klappernden Schuhe tragen, weil sie sich bereits damit begehrlich machen und muslimische Männer herausfordern, die sie dann rechtmäßig ‚bespringen‘ dürfen. Fürchtet sich der Islam wie auch das Christentum vor einer Dominanz der Frauen in ihren Religionen? Dem liegt eindeutig die Angst des Mannes vor der kolossalen Macht der Frauen zugrunde.

Die Bibel sieht Frauen schon zu Zeiten Abrahams wegen ihrer monatlichen Blutung als unrein an. Später machten Kirchenmänner aus der Jüngerin Maria von Magdala, die den Herrn Jesu finanziell unterstützte, da sie wahrscheinlich eine reiche Witwe war, bereits zu Lebzeiten eine verabscheuungswürdige Prostituierte. Daher verheimlichten diese Kleriker schlicht und einfach ihr bedeutsames Evangelium, das wahrscheinlich heute eine völlig andere, zumindest aber differenziertere Sicht auf den christlichen Glauben werfen würde.

Gebrauche also deinen Verstand, lieber Bilal. So funktioniert eben maßgeschneiderte Religion über Jahrtausende hinweg. Vielleicht verstehst du jetzt, warum es mich geben muss. Iblis, der Aufklärer, der Augenöffner, der Zweifel Streuende, der den Logos liebt und den Mythos belächelt. Und weil ich nicht nur als übler Verführer, sondern auch als Aufklärer weiterhin bei dir sein möchte, gebe ich dir zwei weitere Beispiele, was Glauben eigentlich heißt und auch bis in alle Ewigkeit will.

Im Neuen Testament steht bei Hebr. 11, 1: ‚Glaube aber ist: Festhalten in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.‘ – Und weiter in 11, 6: ,Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen, denn wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn suchen, ihren Lohn geben wird.‘ Auch hier erkennst du den Glaubenszwang. Dein Glaube an Allah sagt laut Koran in Sure 10, 99/100: ,Und wenn dein Herr gewollt hätte, so würden alle auf der Erden insgesamt gläubig werden. Willst du etwa die Leute zwingen, gläubig zu werden?‘“

„Zwischenfrage: Warum zwingen dann der IS oder andere radikale Islamisten Andersgläubige, unter Drohung, sie zu morden und zu enthaupten, zum Übertritt in den Islam? Ist das nicht ein Widerspruch zu ihrer eigenen Lehre?“

„Ja, das ist es! Das ist eben blinder Glaube! – Es geht noch weiter: ,Und keine Seele kann gläubig werden ohne Allahs Erlaubnis; und Seinen Zorn wird Er über die senden, welche nicht begreifen.‘ Und in Sure 49, 15 steht: ,Gläubige sind nur die, welche an Allah und Seinen Gesandten glauben und hernach nicht zweifeln und die mit Gut und Blut in Allahs Weg eifern. Das sind die Wahrhaftigen.‘ Bilal, sag mir eins, soll das ein und derselbe Gott sein, an den ihr Menschen doch gerne und fest glauben möchtet? Verrückt, oder was sagst du dazu?“

„Darum habe ich ja auch so gravierende Zweifel an dem ganzen Gerede vom Glauben an einen Gott. Die christliche Auslegung sagt zwar auch, du musst glauben, gibt dem Menschen aber ohne direkte Strafandrohung die Möglichkeit der Glaubenswahl. Mein Glaube, der Islam, erhebt den Anspruch auf die einzig wahre Religion, die in den Suren fast immer beginnt mit: Und wer nicht … – Ungläubige sind … – Oh, ihr … – oder: Wahrlich die … Hier klingt es beinahe immer wie eine Drohung. Ich weiß nicht mehr, was ich davon halten soll. Iblis, bevor ich es vergesse, was geschieht mit uns nach dem Tod? Eine Antwort darauf bist du mir schuldig.“

„Natürlich werden wir wiedergeboren! Aber nicht so, wie es uns die Religionen weismachen. Logisch ist, dass der menschliche Körper zerfällt und zu Asche wird. Das ist klar! Aber die winzigen Atome, aus denen er besteht, bleiben auf jeden Fall weiterhin als Masse erhalten. Und da laut Physik im Universum nichts verloren geht, erlangen diese in irgendeiner anderen Form wieder ein berechtigtes, neues und dienliches Dasein. So einfach ist das!“

„Eine letzte Frage habe ich noch. Iblis, sag mir, gibt es dich wenigstens, wenn du schon behauptest, dass es keinen Gott gibt?“

„Bilal, hast du es immer noch nicht kapiert? Würdest du ein wenig mehr deinen Verstand anstrengen, könntest du dir diese Frage sparen. Natürlich gibt es mich auch nicht! Ich bin in deiner Vorstellung als Person lediglich dein Logos, dein Verstand!“

„Und warum sagst du mir im Traum, du bist Iblis?“

„Na, weil du es so willst! Weil man es dich genauso gelehrt hat und dein Glaube es gar nicht anders zulässt. Für ihn bin ich deine Strafe im Tode. Eben das Höllenfeuer, in dem die Dschinn in deiner Vorstellung existieren. Noch nie was vom dualen System gehört? Demzufolge muss es mich geben. Wo ein Gut ist, muss auch ein Böse sein. Wo ein Gott ist, muss auch der Teufel sein. So einfach ist das. Somit habe ich dich doch nicht angelogen, als ich dir sagte, dass ich deine innere Stimme bin.“

„Dann ist das ganze Gerede vom Glauben an einen Gott, vom Paradies, vom Teufel und von einem ewigen Leben nach dem Tod also wirklich nur Schwindel!“

„Das sag ich doch die ganze Zeit. Vertrau auf deinen Verstand, alles andere macht dich unruhig, sorgenvoll und befriedigt unsere Freude, euch Menschen bis in den Tod zu quälen und unwissend zu belassen.“

„Und warum gibt es dann überhaupt so viele verschiedene Religionen?“

„Nun, Bilal, weil viele schlaue Propheten für ihr eigenes Ego mal sehen wollten, wie weit sie mit ihren tollen Wahnvorstellungen bei den Menschen gehen konnten und für wen die Menschen sich letztlich entscheiden würden. Eben wie bei einer Umfrage oder in der alltäglichen Politik. Ein beeinflussbares Stimmungsbarometer, das uns imaginären Geistwesen so großen Spaß macht. Was ist daran verwerflich oder verkehrt?“

„Na hör mal, das ist doch abartig!“

„Nein, es kann auf Erden doch nicht ewig Frieden herrschen, das wäre ja langweilig, oder? Wir sogenannten Engel sorgen dafür, dass euer irdisches Leben interessant, glücklich, streitsüchtig, neidvoll, manchmal auch ein bisschen blutig ist und letztlich unbegreiflich bleibt – ausgewogen eben.“

„Dann spreche ich dich ab sofort nicht mehr mit deinem verfluchten Namen an, sondern befrage nur noch mein Gewissen oder meinen Verstand. Basta!“

„Gut, Bilal, damit habe ich wirklich kein Problem. Meine Aufgabe ist damit erfüllt. Lebe dein Leben, so gut du kannst, alles andere wird sich schon finden. Jetzt brauchst du dir noch keine allzu großen Gedanken darüber machen. Dieser Tag kommt noch früh genug. Denn was glaubst du, warum wir euch Menschen das Verdrängen und vor allen Dingen die Hoffnung mitgegeben haben?“

„Wieso jetzt schon wieder ‚wir‘?“

„Entschuldige, mein Freund, natürlich meine ich damit ausschließlich den Logos, den Verstand!“

„Eins muss ich an dieser Stelle doch noch loswerden: Je mehr ich verstehe, desto mehr leide ich. Aber das muss wahrscheinlich so sein!“

Für heute Morgen reicht es Bilal. Er schlägt das Bettlaken zur Seite, steht mit Schwung aus dem Bett auf, zieht sich zügig an und macht sich ein ausgiebiges Frühstück, bei dem er ausreichend Zeit findet, über all das, was ihn in der Nacht und am Morgen beschäftigt hat, noch einmal gründlich nachzudenken. Seine Zweifel sind zwar noch vorhanden, aber momentan kann er damit besser umgehen und auch leben.

RÜCKBLICK IN DIE GESCHICHTE DES MENSCHEN – VOM ANBEGINN BIS ZUM 19. JAHRHUNDERT

In langen Gesprächen halten Simon und Bilal Rückschau auf die Geschichte der Menschen und die Entwicklung der Religionen. Bilal ist stets aufs Neue beeindruckt von dem umfassenden Wissen seines Freundes.

Fossilien aus Kenia, die Louis Seymour Bazett Leakey 1926 fand, zeigten, dass ein kulturelles menschliches Verhalten bereits vor zwei Millionen Jahren begann, als der Mensch in kleineren Gemeinschaften zusammenlebte. Der Australopithecus africanus war klein und doch sehr schlank, und der Australopithecus robustus war eher größer und deshalb, wie der Name sagt, robuster. Der ostafrikanische Senkungsgraben und seine nähere Umgebung wurden damals zur Fundgrube der Erforschung menschlicher Entwicklungsgeschichte über acht Millionen Jahre.

In den späten 1970er Jahren fand Mary Leakey im Afar-Dreieck in Äthiopien und Laetoli in Tansania die Überreste von Hominiden, die mindestens 3,5 Millionen Jahre alt waren. Der spätere Homo habilis, dessen Fundort die Olduvai-Schlucht in Tansania war, arbeitete bereits mit Werkzeugen aus Steinsplittern und -spänen. Vor etwa 300.000 Jahren bildete sich allmählich der Homo sapiens aus dem Homo erectus. Diese Menschen waren gute Jäger. Der im anatomischen Sinne moderne Mensch begann erst vor ungefähr 40.000 Jahren von Afrika aus die Erde zu besiedeln. Die Menschen dieser Zeit erschufen die fast naturalistisch anmutende Kunst der Höhlenmalerei.

Die jüngere Altsteinzeit folgte, und die Zähmung des Hundes durch den Menschen fand in der mittleren Steinzeit vor spätestens etwa 15.000 Jahren statt. Danach kamen die Jungsteinzeit von 11.500 bis 2200 Jahren und die Bronzezeit von 2200 bis 800 Jahren vor Christus, es folgten die Eisenzeit, die Hallstattzeit und schließlich die Latènezeit, die etwa von 450 bis zur Zeit um Christi Geburt reichte.

Die Geschichte des Altertums beginnt ungefähr 3000 vor Christus und reicht bis ins Jahr 375 nach Christus. Im Alten Testament wurde Gottes Plan mit dem Menschen bereits durch die Erbsünde der allerersten Menschen Adam und Eva vernichtet. Aber ihr Gott Jahwe gab den Menschen Hoffnung durch die Verheißung eines künftigen Erlösers. Die Abwendung Gottes vom Menschen spiegelte sich in der Vertreibung aus dem Paradies wider. Der Mensch erhielt von Gott den freien Willen, die freie Wahl zwischen Gut und Böse. Erst mit Abraham als Stammvater, im Lande Ur in Babylonien, errichtete Gott sein neues Reich und den göttlichen Bund mit den Menschen. Aber wegen fleischlicher und sinnlicher Gelüste, einer total sittlichen Verwilderung, zerschlug Gott diesen Bund schon bald wieder.

Der Abrahamismus war eine frühe Zeit des Monotheismus. Der Prophet Muhammad beruft sich darauf und benennt Adam wie Abraham als wahre Muslime. Es werden anfangs nicht viele Götter angebetet, sondern eben nur ein Gott. Viel später kam das Heidentum, das in seinem Sittenverfall zur Vielgötterei, dem Polytheismus, überging. Bezeichnungen für damalige Gottheiten als Doppelwesen im sumerisch-babylonischen Raum waren: Anu und Sinn, die der Nanna entsprechen, Bel oder Belit in Nippur, Marduk oder auch Zarpanit in Babylon und schließlich Lilith, laut dem Talmud die erste Frau Adams und späterer Dämon. Sie widersprach als erste Frau Gottes Gebot, sich dem Mann zu unterwerfen. Sie wurde in den Himmel erhoben und kam als Dämon zurück zur Erde. Sehr wahrscheinlich rührt daher die bis heute anhaltende Frauenfeindlichkeit in den drei monotheistischen Religionen und den weltweit meisten menschlichen Gesellschaften.

Die früheste Form von Religion gab es bei den Chaldäern. Ganze 5000 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung bestand der Monotheismus bereits im Alten Ägypten. Nach ihm müsste der Satz „Er hat alles gemacht, und Er alleine ist nicht gemacht“ doch richtig sein. Gott ist demnach einzig, dazu unsterblich, unerschaffen, auch nicht sichtbar und verborgen in den unsichtbaren Tiefen seines Wesens. Gott ist daher im Christentum Vater und Sohn zugleich (Dualismus). Bei den Griechen erkannte nur Sokrates den einen Gott an, dafür musste er später sterben. Die Chaldäer und Assyrer hält man für die Erfinder des Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele, was aber nicht stimmt. Sie haben sie als Uroffenbarung von Anfang an besessen. Es ist auffindbar im „Totenbuch“ der Ägypter. In ihm führt Anubis die Menschen vor das Gericht des Osiris-Re. Es ist die Geschichte mit der Feder und dem menschlichen Herz, die beide in die Waagschale gelegt werden. Waren sie gleich schwer, dann hatte der Tote zu Lebzeiten ein reines Herz und konnte nun im Jenseits weiterleben. Der Grieche Pythagoras bildete diese Lehre aus und machte sie bei den Völkern Europas bekannt. Jeder Mensch hat laut Apostel Paulus ein angeborenes Gottesbewusstsein, so wie er auch das Gefühl seiner Verantwortlichkeit und Abhängigkeit ihm gegenüber in sich trägt.

Simon persönlich bezweifelt das aber, denn woher sollte ein Kleinkind Gott kennen, und warum wird es erst durch die Taufe zu einem Gotteskind?

Gott überlässt es erneut allein dem Verstand des Menschen, ihn zu erkennen. Sein Glaube an ihn sollte selbstverständlich allseits sichtbar in seiner Schöpfung sein. Ja, man könnte es glauben, weil die Natur so wunderbar und einzigartig ist. Der syrische Hadad, der ammonitische Moloch, der Philistergott Marnas waren nur Namen der einen Gottheit Baal. Zuerst ein Gott, dann viele Götter, anschließend zu viele Götter und letztlich die Umkehr zurück zu einem Gott. Daraus entstand das Christentum. Bei den Römern hat sich der damalige Polytheismus im Bau des Pantheons ausgelebt. Es wurde später eine der ersten großen Kirchen, in der nur ein Gott angebetet wurde, und dieser Glaube entstand aus dem Heidentum, und die Erlöserhoffnung kam durch Gottes Wirkungskraft. Mehrere Völker dieser Zeit glaubten fest an die messianische Verheißung, dass der Messias bereits in früherer Zeit erschienen sei, aber den eigentlichen Heiland erwarteten sie erst in weiter Zukunft.

Die Jungfrau wurde als wiederkehrende erste Frau aufgefasst, nicht als sündiges Weib, sondern als gerechte, umgekehrte Eva.

„Warum werden die meisten Frauen immer noch diskriminiert und kämpfen für ihre Gleichstellung und Gleichberechtigung in unserer aufgeklärten Welt?“ Für Simon ist das unverständlich.

Vor Jesus wurden schon Alexander der Große (356–323 v. Chr., König seit 336), Marcus Antonius (86–30 v. Chr., seit 44 einer der mächtigsten Männer Roms) und Kleopatra (69–30 v. Chr., Königin seit 51) in die messianische Zeit eingeordnet. Auch die Perser mit Ahriman als ersten Menschen kannten bereits die messianische Verheißung. Ihr Messias hieß Sosiosch, der auch von einer Jungfrau geboren wurde. Die Inder sahen den Messias in Buddha, der die Sünde der Menschen auf Erden wegzunehmen vermag, und in Wischnu, in neun verschiedenen Menschwerdungen. Ebenso warteten die Chinesen auf ihren Gott Tien, der aus dem Westen, sprich Morgenland kommen sollte. Konfuzius hingegen lehnte es ab, ein Messias zu sein. Um ein Haar wären die Chinesen Christen geworden, wenn sie nicht durch Indien hätten reisen müssen. Da sie von Jesus gehört hatten, sollten sie nach dem Heiligen im Morgenland suchen. In Indien angekommen, glaubten sie dann, die Religion des Buddha sei die wahre, und so brachten sie diese zurück nach China. In der griechischen Mythologie wiederum sollte die Ahnfrau Io eine Verheißung erhalten haben, dass sie als Jungfrau durch die Berührung Gottes einen Sohn empfangen werde. Und der von Zeus mit einer Jungfrau geborene Sohn Prometheus wurde mächtiger als sein Vater. Sollte das eine Verbindung zu Jehova oder Jahwe, dem Gott des Alten Testaments, und dem späteren Jesus sein? Herkules schließlich war ebenfalls ein mythischer Messias der Urzeit.

„Es ist auffallend und sonderbar zugleich, wie sich die Geschichten gleichen. Also alles doch nur konstruiert?“ Simon und Bilal sind sich früh einig.

Ausgerechnet der Islam macht hierin eine extreme Ausnahme. Die Jungfrauengeburt erkennt der Koran hinwiederum an, doch in der Sure 23, 91 heißt es: „Allah hat keine Kinder erzeugt, und es ist kein Gott bei Ihm; sonst würde jeder Gott an sich genommen haben, was er erschaffen, und einer hätte sich über den andern erhöht.“ Im Islam ist Jesus gleich Adam. Sure 3, 59: „Siehe, Jesus ist vor Allah gleich Adam“; (keiner der beiden hatte einen menschlichen Vater), „Er erschuf ihn aus Erde, alsdann sprach Er zu ihm ,Sei!‘ und er ward.“ Abraham ist der Urvater und Hagar die Urmutter des Islams und der Muslime.

„Wenn all die Glaubensversionen auf der Erkenntnis nur eines einzigen Gottes durch die Jahrtausende vorherrschen und als Offenbarungen zu deuten sind, sind dann – aus Sicht der Christenheit – der Islam genauso wie die anderen Glaubensrichtungen, die ebenfalls an einen Gott glauben und den Anspruch auf die einzig wahre Religion erheben, der in der Offenbarung des Johannes vorausgesagte falsche Prophet, der uns Menschen vom wahren Glauben abbringen soll?“, fragt sich Simon.

Im Judentum waren die Juden das auserwählte Volk Gottes, aus dem der Erlöser hervorgehen sollte. Sie glaubten fest an eine unmittelbare Offenbarung und Mitteilung Gottes an sein Volk. Ihr religiöses und bürgerliches Gesetz war der Wille Gottes, das es zu befolgen galt. Der Tempel war Gottes Bestimmungsstätte. Das Judentum war und ist eine Vorbereitung, Hinweisung und Hinführung zu dem, was im christlichen Glauben der christliche Tempel sein wird. Also Gott in uns. Das allerhöchste Heiligtum in jedem Menschenherz.

Von Abraham an bis zum Christentum führte Gott die Menschheit Stufe für Stufe mehr und mehr hin zum Erlöser. Das Judentum zeigt außerdem die starke Bindung zwischen Gott und den Menschen an, die sie zum Heil führen und erretten soll. In der ersten Offenbarung Gottes, dem Paradies, sah Gott selbst das frühe Menschengeschlecht als ein Ganzes, eine Familie, eben ein Reich Gottes ohne Unterschiede. Durch den Sündenfall musste er sich ein Volk auswählen, aus dem der künftige Messias hervorging. Gott schuf laut Bibel den Menschen nach seinem Ebenbild, das heißt eine unsterbliche Seele, mit Verstand und mit dem freien Willen sowie übernatürlichen Gaben und Gnaden – heiligmachende Gnade, Kindschaft Gottes, Erbrecht auf den Himmel, Unsterblichkeit.

Die Beschneidung der Knaben war die Folge des Sündenfalls oder die Strafe für ihn. Die Frau sollte dafür bei der Geburt Schmerzen erleiden, und der Mann sollte die Schmerzen bei der Beschneidung am achten Tag nach seiner Geburt ertragen. Damit war die erneute Wiederaufnahme in den Gottesbund endlich hergestellt. Auch der heutige Schmerz, das Leid, Morde, Katastrophen und die Todesangst sind das Resultat des Sündenfalls als lebenslange Strafe und Ermahnung. Aber die Hoffnung kommt bereits aus dem Urevangelium. Es ist die sehr harte Trennung zwischen dem Teufel (Schaitan, Schlange) und dem Menschen, aus dessen Stamm eines Tages der Erlöser hervorgehen sollte. In den alten sumerischen Texten ist zu lesen, dass die Schlange im Garten Eden ein anderer Gott war, Tiamat, ein heiliges Symbol. Im Alten Testament, in der Genesis, wird Satan als Schlange erwähnt.

Hier beginnt bereits das Wirken Gottes an unserer menschlichen Rettung. Der heute noch zu sehende, mehrfarbige Regenbogen ist seit damals Gottes Friedensdenkmal für alle Zeiten nach der großen Sintflut. Der erste Sündenfall war die