Der Weg des Kriegers - Erwin Raphael McManus - E-Book

Der Weg des Kriegers E-Book

Erwin Raphael McManus

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Beschreibung

"Der Krieger ist für den Kampf erst dann bereit, wenn er den Frieden kennt. Dies ist der Weg des Kriegers." Diese plötzliche Erkenntnis an einem sonnigen Tag in Los Angeles trifft Erwin Raphael McManus mit voller Wucht und seitdem lässt ihn "der Weg des Kriegers" nicht mehr los. Der Pastor und Lehrer ist sich sicher, dass nur der innere Frieden zu gesellschaftlichem und zum Weltfrieden führen kann. Friede ist dabei nicht gleichzusetzen mit Harmoniesucht, Heiterkeit und eitel Sonnenschein. Sondern Frieden ist das Resultat eines lebenslangen geistlichen Kampfes mit sich selbst. Er wählt die Sprache des Weges des Kriegers, nicht weil er den Krieg verklären möchte, sondern in der Hoffnung, den Weg zum Frieden zu finden. Dieser Krieg muss Mensch um Mensch gewonnen werden, Herz um Herz, Leben um Leben. So wie es der Weg von Jesus vormachte. Jesus hat nie eine Waffe berührt und lehrte seine Jünger, die zweite Wange hinzuhalten. Warum nennt ihn McManus trotzdem den "Krieger par excellence"? Weil er nicht einfach auf den Frieden hoffte, sondern für ihn kämpfte. "Friede ereignet sich nie einfach nur so. Wenn du dich für den Weg des Friedens entscheidest, musst du aktiv werden, unablässig ringen und ohne Ende kämpfen. Denn der Frieden, nach dem wir streben, kommt aus uns selbst, und das ist die größte aller Schlachten." Und welche Rolle spielt Gott in dieser Welt, die gezeichnet und gekennzeichnet scheint von sinnloser Gewalt? McManus gibt zur Antwort, dass Gott die Menschen nicht schuf, damit sie in Gewalt leben, sondern dass sich die Menschheit für die Gewalt entschieden hat. "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Gott besser als jeder Einzelne von uns begreift, welcher Krieg in und um uns tobt, und sich danach sehnt, uns zum Ende dieser Gewalt zu führen." Wie Jesus seine Angst besiegt hat und am Kreuz der Welt den Frieden brachte, so sollen seine Jünger in seiner Nachfolge für den Frieden kämpfen – im eigenen Herzen. Gegen Stolz, Neid und Ängste, gegen alles, was unfrei macht. McManus führt seine Leser zu einem entschiedenen, unerschrockenen und starken Glauben – nach dem Vorbild des Kriegers Jesus. Er vermittelt tiefe spirituelle Weisheit, entfacht Leidenschaft und zeigt in acht Regeln, wie es gelingt, ein Krieger im besten Sinn zu werden.

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Erwin Raphael McManus

Der Weg des Kriegers

 

 

This Translation published by arrangement with WaterBrook, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Deutsche Erstausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibeltexte sind entnommen aus:

Die Bibel. Die Heilige SchriftDes Alten und Neuen Bundes.

Vollständige deutsche Ausgabe© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005

E-Book-Herstellung: Newgen Publishing Europe

Herstellung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book: 978-3-451-81965-0

ISBN Print: 978-3-451-38921-4

Die Regeln des Kriegers

Es ist nie gut, wenn ein Autor seinen Lesern verrät, woher er seine Ideen genommen hat, aber in meinem Fall mache ich eine Ausnahme. Ich könnte alle Umstände aufführen, aber ich zweifle daran, dass ich so richtig erklären kann, wie mir das alles einfiel – oder genauer: wie das alles auf mich einfiel. Es war jedenfalls ein ganz normaler Tag, und ich fuhr durch Los Angeles.

Vielleicht sollte ich, bevor ich weiterzähle, erst anmerken, dass ich eine lebhafte Vorstellungskraft habe, die Frucht eines langen Lebens mit Tagträumereien. Häufig genug bin ich an mir unbekannten Orten und spreche mit Menschen, denen ich ganz sicher noch nie begegnet bin, die sich aber ganz real anfühlen. Manchmal bin ich in der ungewöhnlichen Lage, dass meine Vorstellungskraft übernimmt und ich daneben stehe wie ein Zuschauer.

An diesem Tag fuhr ich also durch Los Angeles und hörte urplötzlich eine Stimme in meinem Kopf, die mir einen Gedanken zuflüsterte, der mir nie zuvor gekommen war. Ich schreibe ihn so hin, wie er mir zuflog: Der Krieger ist für den Kampf erst dann bereit, wenn er den Frieden kennt. Dies ist der Weg des Kriegers. Was ich da hörte, kam mir größer vor als eine simple Erkenntnis. Es klang wie eine Einladung. Und das, so seltsam es auch klingt, war der Startschuss zu diesem Buch.

Die Worte schienen eine Persönlichkeit zu haben. Als wäre ich in graue Vorzeit gefallen. Ich konnte das Gesicht des Kriegers sehen, jede seiner Falten kündete von einem Leben voller Kampf und Weisheit. Ich war in diesem Augenblick im Japan des sechzehnten Jahrhunderts und lauschte den Ratschlägen eines alten Samurai, der seinen jungen Schüler den Unterschied zwischen dem Weg der Gewalt und dem Weg des Kriegers lehrt.

Natürlich kenne ich einige der Erfahrungen, die in diesem Augenblick meine Fantasie befeuerten. Mein Lieblingsfilm ist Die Sieben Samurai des Regisseurs Akira Kurosawa. Die Handlung spielt im Japan des sechzehnten Jahrhunderts. Die Bauern eines kleinen Dorfes werden immer wieder von umherstreifenden Räubern überfallen. Es ist die Geschichte eines Samurai, der sich zur Ruhe gesetzt hat und der auch schon angeschlagen ist, und der sechs weitere Samurai um sich schart, um den Menschen des Dorfes beizustehen. Der Film kam vier Jahre vor meiner Geburt in die Kinos. Ich wuchs auf mit den Heldengeschichten der Bibel, aber erst Geschichten wie diese brachten mir Heldenerzählungen wirklich nahe. Mein Leben lang habe ich den Mut und die Redlichkeit von Kambei Shimada bewundert.

Jahre später saß ich wie hypnotisiert im Kino und schaute zum vierten oder fünften Mal den chinesischen Film Hero. Es war nicht nur die atemberaubende Art und Weise, wie der Film gedreht war – ich tauchte bei jedem neuen Betrachten wieder in die Welt eines Helden ein, der nur der Namenlose heißt. Ähnlich gefangen nahm mich ein Jahr später die Premiere des Filmes Tiger and Dragon mit. Ich war der Einzige im Kino, der kein Chinesisch sprach. Und ich gebe zu, dass mich im Jahr danach die Eleganz und Tiefgründigkeit von Ken Watanabes Darstellung des Katsumoto in Last Samurai völlig mitriss.

Jede dieser Geschichten brachte meiner Seele eine neue heroische Erzählung und erinnerte mich daran, dass es zwischen Gewalt und Ehre, zwischen Rache und Mut, zwischen dem Weg des Krieges und dem Weg des Kriegers bedeutende Unterschiede gibt.

Vielleicht waren es diese Filme und die schier endlose Zahl ihrer Erzählungen, die meine Vorstellungskraft förderten und es möglich machten, dass ich die erste Zeile dieses Buchs hören konnte wie einen Ruf aus grauer Vorzeit, und doch war es mehr als nur das. Meine Gedanken wurden auch von den Realitäten geprägt, denen wir uns gegenwärtig jeden Tag zu stellen haben. Wir leben in einer Welt, die gezeichnet und gekennzeichnet scheint von sinnloser Gewalt. Es lebt gerade eine Generation, deren Haupteindruck von der Geschichte der Menschheit das Zeitalter des globalen Terrorismus ist. Unsere Kinder können nicht mehr mit einem Gefühl der Sicherheit zur Schule gehen, denn es kann jeden Tag zu einem weiteren sinnlosen Massaker kommen. Jeder scheint nur noch hassen zu wollen, ob es sich um islamische Extremisten oder Neonazis handelt. Ich versuche immer noch das Ausmaß an Wut, Hass und Gewalt zu verstehen, das jemanden dazu treibt, eine Schule bis an die Zähne bewaffnet zu betreten, um dann wahllos Unschuldige umzubringen.

Ganz gleich, welche Schlüsse sich sonst noch daraus ziehen lassen, eines ist sicher: Etwas in unserer Welt läuft schrecklich falsch. Ich sehne mich – wie so viele andere – nach Frieden. Was würde ich alles dafür geben, dass diese Gewalt aufhört. Kriege waren früher hauptsächlich das Geschäft der Soldaten, heute liegen uns die Probleme viel näher als nur an Orten irgendwo auf Landkarten und „weit weg“.

Man hat mich immer wieder gefragt, warum die Bibel Gott als einen Gott der Kriege darstellt. Es stimmt ja auch, dass die Heilige Schrift zahllose Kriege schildert. In der Antike war die Sprache des Krieges geläufig, für viele Völker war sie eng verwoben mit der Sprache des Glaubens. Immer wieder erinnere ich mich daran, dass Gott die Menschen nicht schuf, damit sie in Gewalt lebten, sondern dass sich die Menschheit für die Gewalt entscheidet. So läuft unsere Geschichte. So sieht unsere Gegenwart aus, sowohl für die Menschheit als Ganzes wie für jedes Individuum. Gäbe es Gott nicht, hätten wir noch viel mehr Kriege erlebt. Unsere Geschichte besteht aus Streit, Trennung, aus Gier und Macht. Sie ist ein ständiger Kampf, bei dem sich Volk gegen Volk und Bruder gegen Bruder erhebt.

Das ist nicht die Geschichte Gottes. Es ist unsere Geschichte, sie besudelt Gott, weil er Teil unserer Geschichte ist. Denn die Geschichte Gottes ist die Geschichte des Friedens. Aber wie sieht die Geschichte des Friedens aus, wenn man sie mitten in eine Menschheit wirft, die nur Kampf und Gewalt kennt? Die Sprache von Gott als Krieger kam nur deshalb auf, weil Gott für die Wehrlosen eingriff. Gott hörte das Flehen eines Volkes, das gegen seine Versklavung kämpfte, und befreite es. Es stimmt also, er erklärte den Krieg – gegen Ungerechtigkeit, gegen Unterdrückung, gegen Unmenschlichkeit.

Es war Kain, der Abel erschlug. Aber es war Gott, der Rechenschaft von ihm einforderte und der ihn dennoch vor weiterer Gewalt behütete. Es ist leicht, Gott die Schuld für das zu geben, was wir selbst geschaffen haben, um dann seinen Charakter infrage zu stellen, weil er Frieden in unsere Geschichte bringen will, anstatt jedes einzelne Ereignis dieser Geschichte von außen zu manipulieren. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Gott besser als jeder Einzelne von uns begreift, welcher Krieg in und um uns tobt, und sich danach sehnt, uns zum Ende dieser Gewalt zu führen. Wir sind Menschen des Krieges, weil wir Menschen im Krieg sind. All die Gewalt, die wir in der Welt sehen, bieten uns nur einen flüchtigen Blick auf die Gewalt, die uns innerlich aufwühlt. Der Krieg, der in uns tobt, kocht über und setzt die Welt in Brand.

Auf diesen Krieg in uns richte ich meine Aufmerksamkeit in Der Weg des Kriegers. Ich arbeite mit diesem Begriff, weil ich überzeugt bin, dass nur der innere Frieden zum Frieden in der Welt führt. Und auch während ich dieses Buch schreibe, bin ich umgeben von unzähligen Menschen, die ich liebe, von Menschen, um die ich mich sorge, die mit ihren inneren Dämonen kämpfen, die sie täglich bedrohen. Selbstmord ist zu einer weltweiten Seuche geworden, die auch die Vermögenden und gut Ausgebildeten trifft. All jenen, die die besten Gründe für ihr Leben haben, fällt kein einziger ein.

Depressionen sind epidemisch geworden. Wir können nicht schnell genug Medikamente erfinden, die uns davor bewahren, in dem Abgrund zu ertrinken, der in uns ist. Talentierte, begabte und ganz außergewöhnliche Menschen sind gelähmt von Ängsten und vom Stress völlig überfordert. Und eine stetig wachsende Zahl junger Männer und Frauen, die nie in den Krieg gezogen sind, müssen mit Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung kämpfen.

Der plötzliche Ausbruch von Gewalt, der die Geschichte unserer Kinder prägt, kann nicht mehr länger als Anomalie betrachtet, sondern muss als kultureller Notfall gesehen werden. Ich bin es so leid, die zu verlieren, die ich liebe. Wir können doch nicht still dasitzen und darauf warten, dass alles von selbst wieder gut wird. Ich werde der Welt mit diesem Buch wohl kaum den Frieden bringen, aber wenn ich nur einem einzigen Menschen den Frieden bringe, dann ist mir meine Aufgabe gelungen.

Unsere alleinige Hoffnung auf gesellschaftlichen Frieden ist der innere Frieden, und diesen inneren Frieden erreichen wir nicht kampflos. Es braucht echte Anstrengung. Die Fronten sind klar, im Kampf geht es um deine Seele. Ich habe die Sprache des Weges des Kriegers nicht deshalb gewählt, weil ich den Krieg verklären will, sondern weil ich hoffe, den Weg zum Frieden zu finden. Dieser Krieg muss Mensch um Mensch gewonnen werden, Herz um Herz, Leben um Leben.

Das ist übrigens der Weg von Jesus. So brachte er den Frieden in die Welt. Viele hofften, er würde ein Heer anführen, eine Rebellion anzetteln oder seine Macht gebrauchen, um ein Imperium zu stürzen, er aber entschied sich anders. Er ergab sich nicht dem Status quo, noch gab er der unvermeidlichen Herrschaft der Unterdrücker nach. Er war sich völlig sicher, dass sich seine Revolution bewähren würde. Er kannte den Weg zum Frieden. Er wusste um die Ursache aller Kriege. Er wusste, dass all das im Herzen des Menschen beginnt.

Dieser Weg Jesu ist der uralte Pfad zum inneren Frieden. Indem ich mich dafür entscheide, ihm zu folgen, entscheide ich mich für den Weg des Kriegers. Jeden Tag bin ich im Krieg. Selbst nach vielen Jahren toben noch Schlachten in mir. Aber ich gebe keinen Schritt nach, sondern mache von Tag zu Tag weitere Geländegewinne. Ich bin noch im Kampf, und ich kämpfe hinter den feindlichen Linien. Ich bin allen Feinden des menschlichen Geistes begegnet. Ich habe Angst und Zweifel kennengelernt, Verbitterung und Wut, Eifersucht und Gier. Sie alle sind mir allzu sehr vertraut. Und nach viel zu langen Jahren, in denen ich auf diesem alten Pfad voranschreite, bin ich mir nur einer Wahrheit ganz gewiss – die Welt in dir erzeugt die Welt um dich.

Den inneren Frieden erreicht man nicht zufällig oder durch Wunschdenken. Der innere Frieden bedeutet eine Reise zur Selbstbeherrschung. Der Weg des Kriegers ist eine Angelegenheit der Seele. Er ist eine Reise auf die Erleuchtung zu. Und er ist letztendlich ein Ergebnis unserer Beziehung zum Schöpfer des Universums. Die Welt, in der Jesus lebte, kannte keinen Frieden, und doch konnten die Mächtigen auch mit aller Kraft Jesus den Frieden nicht rauben. Es überrascht nicht, dass ein Akt der rohen Gewalt zu unserem Weg zum Frieden wird. Das Kreuz weist uns den Weg, den Pfad wählen wir selbst. Die Schrift spricht von Finsternis und Licht, und was immer sonst das noch bedeuten mag, erinnert es uns doch daran, dass in uns allen ein Krieg tobt.

Hast du dich der Finsternis ergeben? Hast du das Licht aus dem Blick verloren? Bist du ausgelaugt vom Kampf, kannst aber immer noch nicht aufgeben? Dann bist du nicht allein. Den Kampf, der in dir wütet, musst du nicht alleine fechten. Und bist du gerade eine Haaresbreite davon entfernt, dich aufzugeben, dann hoffe ich, dass ich dich irgendwie davon überzeugen kann, dass der Gott, der dich schuf, für dich kämpfen wird.

Du kannst dich nicht aufgeben, wenn Gott selbst den Kampf für wert hält. Das Kreuz, an dem Jesus starb, wird nie ein Zeichen der Niederlage und des Aufgebens sein. An das Kreuz wird man sich selbst noch nach dem Ende aller Zeiten als das Zeichen nicht nur dessen erinnern, der siegreich war, sondern auch als Verheißung, dass letztlich der Krieg dem Frieden weichen muss. Es ist der Weg Jesu, der uralte Weg zum inneren Frieden. Sein Leben ist der Weg des Kriegers.

REGEL 1: Der Krieger kämpftausschließlich für den Frieden

Der Krieger ist für den Kampf erst dann bereit, wenn er den Frieden kennt. Denn alle Kriege, die seit Urbeginn der Zeit geführt wurden, entstanden zunächst im Herzen der Menschen. Unsere Geschichte ist voller Kriege, weil sich unsere Seelen im Krieg befinden. Wir erleben Streit, weil unsere Herzen im Streit sind. Jeden Krieg, jeden Streit, jeden Gewaltakt gibt es bloß deshalb, weil unsere Seelen wüten. Unsere Seelen wüten. Unsere einzige Hoffnung auf Frieden liegt darin, unsere innere Schlacht zu gewinnen. Jeder Krieg gegen andere ist ein Krieg, der nie gefochten werden dürfte. Der längst schon entscheiden sein sollte. Der längst schon im Inneren gewonnen sein müsste. Das ist unser allererstes Gefecht. Der Krieg, der alle Kriege beenden könnte, ist der Kampf um das Herz des Menschen. Diesen Krieg musst du gewinnen. Der Weg des Kriegers besteht darin, den Frieden zu kennen.

Man kann unmöglich darüber hinwegsehen, wie oft Gott und Krieg verknüpft werden. Gerade das Volk Israel kennt ebenso eine Geschichte des Krieges wie eine Geschichte des Glaubens. Wir könnten daraus schließen, dass der Gott der Heiligen Schrift ein Gott des Krieges sei, und doch trifft genau das Gegenteil zu. Gott ist der Gott des Friedens. Wir haben den Krieg in die Geschichte der Menschheit gebracht. Seitdem kämpft Gott dafür, dass wir unseren Weg zurück in den Frieden finden.

Salomo sagt uns, dass es eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden gibt (Kohelet 3,8). Wir werden also von unserer Geschichte verraten. Unsere Vergangenheit ist vom Krieg geprägt, auf den Frieden warten wir schon von jeher vergebens. Man kann die Geschichte der Menschheit anhand der Waffen schildern, die wir erfanden. Vom Stein zum Pfeil zum Schwert zur Kugel und Rakete verraten unsere Erfindungen unsere wahren Pläne. Ein Beobachter von außen würde wohl sagen, dass wir gewalttätige Wesen seien, für die „Frieden“ nur ein Wort der Dichter und Philosophen ist. Und doch geht es beim Weg des Kriegers nicht darum, unsere Kampfeskünste für den Krieg zu verfeinern. Beim Weg des Kriegers geht es darum, sich für den Pfad des Friedens zu entscheiden.

Ich habe mich bewusst für dieses Vokabular entschieden, auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als unterlaufe das die Absichten meines Buches. Denn der Frieden kommt erst dann, wenn für ihn gekämpft wird. Das trifft auf jede Art des Friedens zu, ob es sich nun um den Frieden auf Erden handelt, den zwischenmenschlichen Frieden oder den inneren Frieden. Friede ereignet sich nie einfach nur so. Wenn du dich für den Weg des Friedens entscheidest, musst du aktiv werden, unablässig ringen und ohne Ende kämpfen. Denn der Frieden, nach dem wir streben, kommt aus uns selbst, und das – das wirst du noch herausfinden – ist die größte aller Schlachten. Ijob sprach diese Worte: „Wovor mir bangte, das kam über mich, was ich befürchtet, traf mich auch. Ich finde keinen Frieden, keine Rast. Noch war ich nicht zur Ruh gekommen, schon kam neues Unheil.“ (Ijob 3,25–26)

Diese Worte, da bin ich mir sicher, hallen in jedem Herz nach. Ich finde keinen Frieden, keine Rast. Noch war ich nicht zur Ruh gekommen, schon kam neues Unheil. Davon kann jeder von uns seine eigene Geschichte erzählen. Diesen Kampf haben wir alle schon gefochten. Einige natürlich viel intensiver als andere.

Wenn wir ganz ehrlich sind, ist es schon etwas seltsam, an den Frieden zu glauben. Schließen wir aus der Vergangenheit auf die Zukunft, dann können wir kaum erwarten, dass es einmal eine vom Frieden geprägte Welt geben wird. Es verblüfft mich, wenn ich Menschen kennenlerne, die zwar nicht an Gott glauben, aber an den Frieden. Schließlich ist der Friede nur ein Ideal, das in der Welt noch nie verwirklicht wurde. Die Geschichte der Menschheit prägen Neid, Eiersucht, Gier, Gewalt und Blutvergießen. Es wird keinen Frieden auf Erden geben, wenn in uns kein Frieden herrscht. Deswegen muss Der Weg des Kriegers hier beginnen. Damit du deine Kraft findest, musst du deinen Frieden finden, denn der innere Friede ist unser Weg zu innerer Kraft.

An diesem Punkt also beginnen wir unsere Reise. Der Weg des Kriegers beginnt damit, das zu finden, was fehlt. Dabei strahlen manche Namen der Menschheitsgeschichte wie Leuchtfeuer des Friedens. Und es ist seltsam: Entscheidet man sich in einer Welt der Gewalt und der Aggression für den Weg des Friedens, dann überdauert die Erinnerung oft in einem einzigen Namen – Gandhi, Mandela, Mutter Teresa, Desmond Tutu, Buddha und natürlich Jesus. Jeder von ihnen war inmitten der Gewalt ein Anwalt des Friedens, aber nur Jesus nimmt für sich in Anspruch, der Frieden zu sein, nach dem sich unsere Seelen so sehnen.

Jesus lebte in einer Zeit von Aufruhr und Kampf. Er wurde in eine Welt geboren, in der eine fremde Macht sein Volk unterjochte. Wir stellen uns Jesus als einen frei geborenen Menschen vor, tatsächlich aber wurde er als Sklave geboren. Jesus überlebte einen Kindsmord, den ein König befahl, der um seine Herrschaft fürchtete. Ganz Israel wurde vom Römischen Reich versklavt. Israel war Besitz von Rom. Rom besaß die Hebräer. Er kam in einer Zeit des Aufruhrs, des Umbruchs und der Rebellion zur Welt. Als Mann galt er als Untertan eines Caesars, der sich zum Gott erklärte mit dem Recht, über das Leben der gesamten Menschheit zu herrschen. Erlebte Jesus Freiheit, dann gewiss nicht aufgrund seiner Lebensumstände. Erlebte Jesus Frieden, dann in Gegensatz zu dem Chaos, das alles um ihn herum bestimmte. Und in diesem Zusammenhang sagt er seinen Jüngern: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Johannes 14,27)

Diese Worte Jesu müssen auf seine Zuhörer ebenso tief wie widersprüchlich gewirkt haben. Sie erwarteten natürlich, dass er den Frieden brachte. Viele, die ihn für den Messias hielten, erwarteten, dass er sie vom römischen Joch befreite. Der Herrschertitel Messias hatte für das jüdische Volk damals eine ganz bestimmte Bedeutung: Sie erwarteten, dass der Messias ähnlich wirken würde wie ihr König David. Der Messias würde sein Volk anführen und das größte Reich der Erde zerschlagen. Der Messias würde danach ihr König, die Verheißung würde sich dann durch ihre Freiheit erfüllen. Der Ankunft des Messias bedeutete das Ende der Unterdrückung.

Seit Generationen waren diese Worte des Jesaja überliefert worden: „Groß ist die Herrschaft und endlos der Friede für Davids Thron und sein Königreich, das er aufrichtet und festigt in Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“ (Jesaja 9,6)

Für den Messias gab es einen einfachen Lackmustest: Stellte er keinen Frieden her, war er auch kein Messias. Es lag in seiner Verantwortung, den Frieden zu bringen, er galt als Verkörperung des wahren Friedens, und doch kam der Frieden von der Art, auf die sie gehofft hatten, nie. Seine Worte müssen bittersüß auf sie gewirkt haben. Er sprach mit einer solchen Sicherheit inmitten des Chaos vom Frieden, dass sich so mancher Zuhörer vermutlich dachte, Jesus sei eigentlich ein bisschen naiv. Sicher gab es Leute, die am liebsten zu Jesus gesagt hätten: So hoffnungsvoll und lyrisch das auch klingt, was du sagst, es geht an der Realität vorbei. Wir haben keinen Frieden. Wenn du gekommen bist, um uns zu befreien, um ein Königreich des Friedens zu errichten, dann hast du absolut versagt und all die zutiefst enttäuscht, die schon so lange auf den Messias warten, der endlich den Wandel bringt.

Niemand hatte den Mut, so unverblümt zu Jesus zu sprechen – das können wir nachlesen, aber es muss entmutigend und verwirrend gewesen sein, solche Friedenserklärungen zu hören, während die ganze Welt in Stücke ging.

Und trotz all dieser augenscheinlichen Widersprüche schnitten die Worte Jesu tief in das Herz seiner Zuhörer – und schneiden noch heute in unsere Seelen. Er kennt, so scheint es, unsere Gedanken, unseren Zweifel und unser Staunen, während er Frieden in unser Leben spricht. „Meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ Es ist so, als würde er in einem schnellen Satz die Geschichte der menschlichen Gewalttätigkeit und die Arten des falschen, brüchigen Friedens aufzeigen. Der Friede, den er bringt, erreicht uns nicht auf die Art und Weise, die wir erhoffen oder erwarten, nicht aufgrund von Macht oder Gewalt. Das wäre nicht der Weg des Kriegers, sondern der Weg der Gewalt.

Es wird dich verwundern, dass ich Jesus als Krieger beschreibe. Schließlich kennt man Jesus eigentlich als Mann des Friedens. Man kann Jesus nur dann richtig verstehen, wenn man begreift, dass sein ganzes Leben den Zweck hatte, die größte Schlacht im größten Krieg zu gewinnen, der je getobt hat. Du musst aber auch begreifen, dass seine Mittel, seine Methoden, sein Modus Operandi sich enorm von dem unterschied, was sich die Menschen erhofften.

Durch Jesus trat Gott in die Geschichte des Menschen, um für uns zu kämpfen. Er hoffte nicht auf Frieden, er kämpfte um den Frieden – aktiv, so wie er lebte und liebte, so wie er blutete und starb, so wie er letztendlich den Tod überwand. Manchmal wird die wahre Mission Jesu nicht verstanden, weil er sein Leben lang keine physische Waffe bei sich trug. Willst du jedoch die wahren Kennzeichen des Kriegers sehen, musst du dir die Wunden seiner Hände betrachten. In seinem Tod und in seiner Auferstehung nahm Jesus die gesamte Gewalt der Welt auf sich, damit er der ganzen Welt seinen Frieden bringen konnte. Deshalb ist Jesus auf tiefgründige und einzigartige Weise der Krieger des Friedens. Deshalb folgen wir seinem Weg.

Der innere Krieg

An anderer Stelle sagt Jesus: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Johannes 14,27) Ganz einfach und weise benennt er die beiden Sachen, die uns um unseren Frieden bringen. Denn die größten Feinde des inneren Friedens sind Sorgen und Ängste.

Ich bin umgeben von gequälten Herzen, von Frauen und Männern, die in ihren Sorgen ertrinken. Wir sind solche Meister im Sorgenmachen geworden, dass wir eine unendliche Zahl an Wörtern kennen, um jede Nuance zu umschreiben. Ob wir nun von Stress oder von Ängsten reden oder mitten in Depressionen oder in der Verzweiflung feststecken, das Sorgenmachen ist die Ursache von viel Leid in unserem Herzen. Sorgen lassen die ganze Umwelt in trübem Licht erscheinen. Sorgen lassen die Zukunft in trübem Licht erscheinen. Dabei ist die Sorge ein Glaubensakt: Sie ist die tiefe Überzeugung, dass immer der schlimmste Fall eintreten wird. Sorgen sind nicht in der Wirklichkeit begründet, sie wirken sich aber auf unsere Wirklichkeit aus.

Für mich steckt Ironie in dem Pauluswort: „Um nichts macht euch Sorgen.“ (Philipper 4,6) Ich weiß schon, was er eigentlich sagen will: Wir sollen nicht zulassen, dass uns etwas ängstigt, aber tatsächlich ist es gewöhnlich nichts, was uns Angst macht. Unsere Ängste, unsere Bedrückung haben – wenn man sie auf ihr reines Wesen reduziert – keine Ursache, zumindest keine, die wir kontrollieren könnten. Die Lösung von Paulus liegt natürlich darin, vor gar nichts Angst zu haben, vielmehr in jeder Lage jedes Anliegen durch Gebete mit Dank vor Gott zu bringen (Philipper 4,6). Es scheint so, als wolle er uns sagen, dass Ängste dann entstehen, wenn wir alles kontrollieren wollen, was wir nicht kontrollieren können. Wir sind ängstlich, weil wir kein Vertrauen haben.

Interessanterweise spricht Jesus an anderer Stelle, an der er vom Frieden redet, erneut vom Leiden. Er sagt zu seinen Jüngern: „Das habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis.“ (Johannes 16,33)

Das ist ein wichtiger Unterschied. Zuerst sagt er uns: „Habt keine Sorgen.“ Aber dann sagt er uns: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis.“ Wir haben keine Kontrolle über die Realität – in dieser Welt sind wir in Bedrängnis. Wir kontrollieren jedoch unsere Entscheidung, ob wir unser Herz Sorgen machen lassen. Er verspricht uns, dass wir uns trotz der Bedrängnis in dieser Welt ein Herz fassen sollen, denn er hat die Welt überwunden. Unsere Ängste rauben uns den Frieden, und ohne Frieden stellen wir fest, dass wir in den Ängsten untergehen und unter der Last der Welt zusammenbrechen.

Er sagte aber auch: „Habt keine Angst.“ Wenn schon die Sorgen unseren Frieden angreifen, dann ist die Furcht ein noch größerer Feind. Leben wir in Furcht, erzeugt das in uns Chaos und Aufruhr. Die Furcht ist der Feind des Friedens. Die Ängste nehmen dir die Lebensfreude, die Furcht raubt dir deine Freiheit. Das, was du fürchtest, setzt deiner Freiheit Grenzen. Das, wovor du dich fürchtest, beherrscht deine Seele. Hast du Ängste, verlierst du deine Kraft. Hast du Furcht, verlierst du deinen Mut. Hast du den Frieden gefunden, hast du die Kraft und den Mut, das Leben zu leben, für das du geschaffen bist.

Auch in meinem eigenen Leben sehe ich die Beziehung von Sorgen und Ängsten zu der Unfähigkeit, meine Umwelt zu kontrollieren. In meinen ganzen Leben fürchtete ich mich ganz schrecklich vor Hunden. Auch heute noch springe ich auf, wenn ein Hund nur zu mir hersieht, obwohl ich Hunde liebe. Warum das so ist, weiß ich längst.

Als ich etwa fünf Jahre alt war, sah ich, wie ein Hund meinen Bruder biss. Es hätte jeden von uns treffen können, aber es ergab sich nun einmal, dass der Hund auf ihn losging. Seltsamerweise entwickelte mein Bruder, der ja gebissen wurde, nie irgendeine Furcht vor Hunden. Meine Furcht und meine Angst wurzelten in dem, was hätte passieren können, nicht in dem, was wirklich geschehen war. Es war so, als wartete ich mein Leben lang auf das, vor dem ich mich fürchtete, auch wenn bis heute noch kein Hund nach mir geschnappt hat.

Jahrelang hatte ich Angst vor Achterbahnen. Sie war nicht ganz irrational. Als ich etwa zehn Jahre alt war, riss ein Sicherheitsgurt, während ich Achterbahn fuhr. Ich krallte mich fest, um nicht herauszufallen. Es ging um mein Überleben. Ich erinnere mich, wie ich lauthals schrie, um den Betreiber aufmerksam zu machen, aber er stand nur rauchend da und bemerkte nichts. Ich fiel natürlich nicht aus der Achterbahn, ich schaffte es, mich festzuhalten, bis wir wieder standen. Aber diese negative Erfahrung wuchs sich zu einer irrationalen Angst aus. Seit Jahren sehe ich nur noch zu, wenn andere Achterbahn fahren – und genau das machen Furcht und Ängste mit dir: Sie lassen dich außen vor, bis du das Leben nur noch betrachtest. Wäre ich in die Achterbahn gestiegen, hätte ich keine Kontrolle über alle Einzelheiten gehabt, also blieb ich am Boden und hatte das Gefühl der Kontrolle.

Erst Jahre später entschloss ich mich, diese Furcht zu überwinden. Ich begriff die komplexe Natur von Furcht und Ängsten zwar nicht, ahnte aber, dass ich mich einfach nur in die Achterbahn zu setzen hatte. Ich musste der irrationalen Überzeugung den Boden entziehen, dass eine Fahrt mit der Achterbahn meinen Tod bedeutete. Seit dieser Zeit genieße ich, so oft es geht, die steilen Anstiege und verrückten freien Fälle! Ich liebe Achterbahnen. Ich liebe das Gefühl, wenn der Magen sinkt. Ich liebe die Illusion des freien Falls direkt in meinen Tod.

Ironischerweise trugen diese beiden Phobien in meinem Leben dazu bei, dass ich in vielen Bereichen meine Furcht zu überwinden lernte. Jede Furcht scheint zu Recht zu bestehen. Ein Grund dafür ist, dass jede Furcht auf einer Erfahrung beruht, ganz gleich, um welche Furcht es sich handelt. Aber eigentlich hast du letztendlich keine Kontrolle über dein Leben. Der Friede kommt nicht dann, wenn du endlich Kontrolle über dein Leben erlangst, der Friede kommt dann, wenn du sie nicht länger brauchst.

Furcht bezieht sich unmittelbar auf ein Objekt, Ängste sind ohne einen solchen Gegenstand. Wir erleben Ängste, wenn uns das Leben überfordert. Um unsere Ängste zu lindern, erschaffen wir uns zunehmend engere Grenzen, innerhalb derer wir noch die Kontrolle über unser Leben haben.

Die Kraft des Friedens

Die Kraft der Krieger liegt in ihrem Frieden. Jesus kam nicht, um Königreiche oder Länder zu erobern, sondern die Herzen. Willst du den Weg Jesu gehen, musst du wissen, dass du die Finsternis betrittst, die dringend des Lichtes bedarf. Als er den Weg beschrieb, den Johannes der Täufer für Jesus von Nazareth bereiten würde, sprach sein Vater Zacharias diese Worte bei seiner Geburt: „… denn du wirst dem Herrn vorangehen, zu bereiten seine Wege, um seinem Volk Erkenntnis des Heiles zu geben in der Vergebung seiner Sünden, durch das innige Erbarmen unseres Gottes, mit dem er uns besuchen wird als Aufgang aus der Höhe, zu leuchten denen, die in Finsternis und in Todesschatten sitzen, und unsere Füße zu lenken auf den Weg des Friedens.“ (Lukas 1,76–79)

Der Weg des Friedens wird nur dann deutlich, wenn wir bereit sind, in unsere eigene Finsternis zu gehen und uns unseren Schatten zu stellen. Wir müssen genau den Dingen in die Augen sehen, die uns den Frieden rauben, ob sie nun unsere Furcht oder unseren Zweifel als Ursache haben. Die Idee des Friedens, so wie wir ihn heute verstehen, ist tief in der Geschichte verankert und lässt sich auf das Leben Jesu zurückführen und die Kultur, von der er ein lebendiger Teil war. Das hebräische Wort für Frieden lautet Schalom. Es ist ein vielschichtiges, komplexes und elegantes Wort mit vielen Nuancen. Auf der oberflächlichsten Ebene wird Schalom einfach als Grußformel gebraucht. Man kann das vielleicht mit unserem Wort Adieu vergleichen, dass einfach nur „Auf Wiedersehen“ heißt, aber eigentlich auf die Worte „zu Gott“ zurückgeht.

Schalom ist ein Grußwort mit tief greifenden Implikationen. Gemeinhin wird es mit „Frieden“ übersetzt und auch so aufgefasst, der Friede des Schalom ist jedoch reich an Bedeutungen. Das Wort reicht weit über „Frieden“ hinaus, es umfasst zusätzlich Ideen wie Einklang, Ganzheit, Wohlstand, Gesundheit, Gefasstheit und Vollständigkeit. Erfährt man Schalom, erlebt man Ganzheit. Finden wir den Frieden, werden wir ein Ganzes. Das ist das letztendliche Ziel des Friedens: Wir werden nicht nur in uns ganz, wir werden zu einem Teil des die gesamte Schöpfung umfassenden Ganzen. Das Konzept des Schalom geht davon aus, dass Gott von Anfang an alles miteinander vernetzt erschuf, dass der Friede Beziehung und Einklang zwischen allen Dingen mit sich bringt.

Der eindeutigste Beleg für unseren Mangel an Frieden besteht in dem Riss, den wir zwischen uns spüren, eine Trennung, die uns teilt, eine fehlende Verbindung zu Gott, zu unserem wahren Selbst, zu den anderen – und ja, zur Schöpfung. Wir spüren doch von Natur aus, dass uns der Frieden fehlt, weil da der Bruch ist zwischen Gott und uns, diese Gewalt zwischen Bruder und Bruder, weil wir die uns anvertraute Schöpfung zerstören und wir unverantwortlich mit ihr umgehen. Haben wir den Frieden, dann werden all diese Beziehungen in Ordnung sein. Haben wir den Frieden, dann wird alles heil. Sind wir gebrochen, dann sind auch unsere Beziehungen gebrochen, und alles, was uns bleibt, sind die Scherben unseres wahren Selbst.

So viele Hinweise wir auch um uns herum entdecken, dass wir verzweifelt unseren Frieden finden müssen, so gibt es noch einen viel tiefer gehenden Beweis dafür in uns selbst, wie uns der Frieden entweicht. Haben unsere Herzen keinen Frieden gefunden, dann sind wir die schlechteste Version unserer selbst. Wir sind nicht nur voller Furcht und voller Zweifel, wir sind voll Gier und Neid, voller Wut und Bitterkeit, einsam und ohne Verbindung, verzweifelt und hoffnungslos. Das alles sind externe Kräfte, die Krieg gegen unsere innere Welt führen.

Wir kämpfen mit dem Neid, weil wir ein Leben wollen, das nicht das unsere ist.

Wir kämpfen mit der Gier, weil wir das haben wollen, was nicht uns gehört.

Wir kämpfen mit der Bedeutungslosigkeit, weil wir unseren Selbstwert abhängig gemacht haben von der Meinung anderer.

Wir kämpfen mit unserer Identität, weil wir nicht wissen, wer wir sind, nur, was wir tun.

Wir kämpfen mit der Einsamkeit, weil wir nach Liebe suchen, statt sie zu geben.

Wir werden den Frieden nicht kennenlernen, solange wir Sklaven dieser externen Kräfte der Welt sind und uns von außen eine Identität überstülpen lassen. Wir werden den Frieden nie kennenlernen, wenn wir die Gegenwart verlieren, weil wir in der Vergangenheit gefangen sind und uns die Zukunft lähmt. Die Unfähigkeit, ganz in der Gegenwart zu leben, hat zu einer Kultur geführt, die durch Depressionen und Ängste verkrüppelt ist.

Depressionen wurzeln in deiner Vergangenheit; Ängste in deiner Zukunft.

Depressionen sind die Art und Weise, wie deine Seele Bedauern verarbeitet; Ängste sind die Art und Weise, wie deine Seele Furcht verarbeitet.

Depressionen verstricken dich in deine schlimmsten und schmerzhaftesten Erinnerungen; Ängste stellen sich deine schlimmste und schmerzhafteste Zukunft vor.

Du verlierst deine Gegenwart, wenn du dich vor deiner Vergangenheit versteckst und vor deiner Zukunft flüchtest. Depressionen und Ängste machen dir vor, dass deine Vergangenheit auch deine Zukunft ist, deshalb willst du die Zukunft mit aller Kraft meiden. Die Heilige Schrift sagt uns: „Um nichts macht euch Sorgen, bringt vielmehr in jeder Lage euere Anliegen durch Bitten und Flehen mit Dank vor Gott.“ (Philipper 4,6)

Wir sollen in jedem Augenblick ganz gegenwärtig sein. Das zeigen die vorangehenden vier Worte: „Der Herr ist nahe.“ Nur die Gegenwart befreit dich von der Vergangenheit, und nur die Gegenwart befreit dich für deine Zukunft. Der Weg zur Freiheit von deiner Vergangenheit und zur Freiheit in deiner Zukunft entsteht durch die Verbindungen, die du erschaffst, wenn du diesen Augenblick voll und ganz in der Gegenwart lebst. Es klingt zwar eigenartig, aber du verbindest dich nur dann mit dem Transzendenten, wenn du zur Gänze gegenwärtig bist. Erlebst du die Gegenwart Gottes im Augenblick, dann währt dieser Augenblick ewig.

Sei im Hier und Jetzt.

Der Weg des Friedens kommt nicht von außen und dringt nach innen, er kommt von innen heraus. Jesaja beschreibt den Weg des Friedens des Landes Juda: „Sein Sinn ist fest; es bewahrt den Frieden, weil es auf dich vertraut.“ (Jesaja 26,3)

Es ist der Pfad zur Achtsamkeit. Es ist der Weg zur Gemütsruhe. Es ist keine Reise ins Nichts, sondern eine Reise zur Fülle. Gott verleiht uns den vollkommenen Frieden. Genauer gesagt: Jesus ist es, der uns den Frieden bringt, nach dem sich unsere Seelen sehnen.

Kraftvoller Frieden

Johannes der Täufer wurde erwählt, um den Weg für die Ankunft Jesu zu bereiten. Seine Mission war es, „zu leuchten denen, die in Finsternis und in Todesschatten sitzen, und unsere Füße zu lenken auf den Weg des Friedens.“ (Lukas 1,79)

Ich denke, niemand wird sagen können, dass Johannes der Täufer je nachgiebig oder entgegenkommend war. Johannes war rundum ein Nonkonformist. Seine Botschaft provozierte, er war von Natur aus kraftvoll und energisch. Und doch, so erfahren wir, war sein harscher und brutaler Tonfall nur zu unserem Besten. Er sollte jene wecken, die in der Finsternis und im Schatten des Todes lebten und uns zeigen, dass wir alle zum Licht und zum Leben gelangen können. Man könnte Johannes leicht für einen Mann des Krieges halten, und doch war sein einziger Daseinszweck, unsere Füße auf den Weg zum Frieden zu geleiten.

Vor Kurzem hörte ich mit, wie mein Sohn Aaron erklärte, dass Gott nur zum Erreichen des Friedens in den Krieg zöge. Denk daran, dass Johannes kam, um uns auf Jesus vorzubereiten. Wer Jesus nachfolgt, entscheidet sich für den Pfad des Friedens. Wo immer Jesus herrscht, da bricht der Frieden aus. Als Jesus geboren wurde, jubelten die Engel die einmaligen Worte: „Herrlichkeit in den Höhen für Gott und auf der Erde Friede den Menschen seines Wohlgefallens!“ (Lukas 2,14) Durch das brutalste Instrument des Todes ist Jesus zu unserem Frieden geworden. Ja, er brachte uns nicht einfach den Frieden, er wurde zu unserem Frieden.

Als Aaron die Highschool besuchte, rief man mich an – er war knapp davor, von der Schule zu fliegen, weil er in einen Kampf verwickelt gewesen war. Ich hatte Aaron noch nie gewalttätig erlebt, also war ich schon ein bisschen überrascht. Als ich dann aber erfuhr, was passiert war, wurde mir alles klar. Es gab da wohl eine Clique von Jungs, die ein paar Außenseiter körperlich quälte – und ihre Feindseligkeit war an Aarons Schule bereits ganz alltäglich geworden. Im vorliegenden Fall mobbte eine Gruppe von vermögenden weißen Schülern unterprivilegierte hispanische Schüler.

Und da merkte Aaron, dass er eingreifen musste. Er ging in einen Kampf, um einen Klassenkameraden zu schützen, der einer Übermacht an stärkeren Gegnern gegenüberstand. Wie so oft wurde der, der Frieden stiften wollte, selbst zur Zielscheibe. Nach diesem Tag richtete sich die Gewalt und Wut gegen Aaron.

Die Haltung der Schulbehörde half wenig. Sie riet Aaron, sich zu wehren und zurückzuschlagen, weil er zur Zielscheibe der Aggression geworden sei. Als ich aber nachhakte, welche Folgen ein solches Verhalten haben könnte, sagte man mir, mein Sohn würde von der Schule fliegen, wenn man ihn dabei erwischte. Man kann sich vorstellen, wie verwirrt und frustriert ich war.