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Frauen meditieren anders? "Moment mal!", werden jetzt gleich die Meditationsexperten rufen: In unserem Zentrum sind wir weder Frau noch Mann. Dort sind wir pures Bewusstsein – neutral. Stimmt. In Momenten innerer Stille und Nichtidentifikation mit dem "Ich" fällt die Unterscheidung männlich und weiblich tatsächlich weg. Da ist nur "Sein". Aber am Beginn der Reise sind Frauen (und auch Männer) nicht erleuchtet und somit nur gelegentlich "neutral". Denn Frauen erfahren das Meditieren durch den Filter ihres Selbstbildes, ihres Körperbewusstseins und ihrer Sexualität. Und diese Aspekte bestimmen mit, "ob wir uns im Inneren berühren lassen oder nicht", sagt Katrin Jonas. Die Autorin stellt in ihrem Buch Meditationsansätze vor, die nicht nur das Feminine im Inneren zum Fließen bringen, sondern Bewegung und Kreativität in die Meditationspraxis schleusen. In der Rezepte-Bar findet die Leserin Meditationsressourcen, und auf den Seiten der "Me-Time-Lounge" kann sie ihre persönlichen Erfahrungen mit den praktischen Impulsen des Buches gleich festhalten.
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Seitenzahl: 291
Haftungsausschluss:
Die im Buch veröffentlichten Ratschläge und Übungen wurden von der Verfasserin und dem Verlag mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Eine Garantie und Haftung kann jedoch nicht übernommen werden. Die Durchführung der im Buch enthaltenen Übungen erfolgt in Selbstverantwortung.
Ebook-Ausgabe 2018
Umschlaggestaltung: Silke Bunda Watermeier, www.watermeier.net
Coverbild: https://stocksnap.io/photo/QCCEZ16Q6Y, Aleksei Bakulin
Copyright© 2018 Innenwelt Verlag GmbH, Köln
www.innenwelt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.
eISBN 978-3-947508-13-6
KATRIN JONAS
FRAUENMEDITIERENANDERS
FÜR LISA
Einleitung
1. Kapitel: Der Körper der Frau ist feminin
Feminin-maskulin
Der weibliche Körper fließt
Die Kraft des Passivseins
Von Empfänglichkeit und Hingabe
Das Sensorium der Frau ist grenzenlos
2. Kapitel: Wenn das Weibliche in der Krise steckt
Die verlorene Femininität
„Nischensymptome“ und der Rückzug der Frau
Die Powerfrau in der Falle
Kopflastigkeit ist der Käfig der Frau
3. Kapitel: Meditieren im Fluss
Die Befreiung der Weiblichkeit
Von der Magie der körperorientierten Meditation
Bewegungsbezogenes Meditieren ist intelligent
Aktiv meditieren?
4. Kapitel: Der Weg des Wassers im Hier und Jetzt
Kreatives Meditieren mit Free-Style-Techniken
Stille und Balance finden durch Espresso-Explorationen
Sich entspannt zentrieren
Flüssig leben
Literaturverzeichnis
Das weiß ich, weil ich eine Frau bin.
Doch Frauen meditieren nur dann anders, wenn sie das Feminine in sich umarmen. Je selbstverständlicher das für sie ist, desto organischer und tiefer erfahren sie auch die Meditation. Und andersherum: Wenn Frauen ihre feminine Energie blockieren, landen sie schnell auf dem maskulinen Weg der Kontemplation. Das konzentrative Bezwingen von Gedanken und Emotionen wird für sie attraktiv.
„Moment mal!”, werden jetzt die Meditationsexperten unter Ihnen rufen. „Die Erfahrung von Meditation ist weder männlich noch weiblich.“ Den Aussagen Erleuchteter zufolge sind wir in unserem Zentrum weder Frau noch Mann. Dort sind wir pures Bewusstsein. Dort sind wir neutral.
Wir als Neutrum?
Stimmt. In den Momenten der inneren Stille und Nichtidentifikation mit dem „Ich” fällt das Unterscheiden zwischen dem Femininen und dem Maskulinen tatsächlich weg. Da bleibt nur „Sein” übrig, das ungeschlechtlich ist. Dennoch wird es nicht überflüssig, dass eine Frau ihre femininen Qualitäten lebt. Während wir die Reise in das Zentrum unseres Organismus antreten, sind wir nämlich nicht erleuchtet und nur gelegentlich „neutral”. Da stecken wir Frauen in einem weiblichen Körper und benutzen unseren geschlechtlich konditionierten Verstand. Wir erfahren das Meditieren durch den Filter unseres Rollenbildes, unseres Körperbewusstseins und unserer Sexualität. Und diese Aspekte bestimmen mit, ob wir das „Zentrum“ unseres Organismus berühren oder nicht.
„Moment mal!”, mögen die Experten jetzt erneut den Finger heben. „Vom Körper und vom Verstand wollen wir uns beim Meditieren doch distanzieren! Eben weil wir den inneren und äußeren Turbulenzen entsagen wollen, nehmen wir diese vielen Stunden des Sitzens doch auf uns! Den Körper lassen wir hinter uns zurück, sodass er keine Rolle mehr spielt.“
Stimmt auch. Meditation beginnt mit unserem Körper und geht irgendwann über diesen hinaus. Doch hier halten wir erst einmal an.
Wenn es um den femininen Ansatz zum Meditieren geht, komme ich nicht an der Tatsache vorbei, dass die gegenwärtige Meditationswelt eine maskulin geprägte ist und deshalb Scharen von Frauen an ihren femininen Bedürfnissen vorbeimeditieren. In dem Glauben, dass das Nonplusultra des Meditierens in dem buddhagleichen Vor-sich-hin-Sitzen besteht, fragen sie kaum danach, ob die Meditationspraxis mit ihnen und ihrem Körper harmoniert. Die Erfahrung zeigt es immer wieder: Der feminine Weg der Innenschau wurde bisher noch nicht einmal ansatzweise beschritten. Wir werden ihn erst noch finden müssen. Und dafür hisse ich in diesem Buch die Segel.
Bevor ich mit Ihnen gemeinsam in die Meditationspraxis eintauche, werfen wir einen Blick darauf, wie sich feminine Qualitäten aus der Biologie des weiblichen Körpers ergeben. Weil das Bedürfnis nach Ganzheit und innerem Flüssigsein dessen Funktionsweise entspricht, muss dieses zum Antrieb weiblichen Handelns werden. Eines vorweg: Während die Rolle, die eine Frau in ihrem Leben spielt, der Beziehung zu ihrem Körper entspricht und umgekehrt, schwappt dieser Zusammenhang auch in die Meditationspraxis hinein. Meditation wirkt wie eine Lupe: Lehnt die Frau das Feminine in sich ab, zeigt sich das auch beim Meditieren. Sie verpasst ihre Chance auf Erfüllung und innere Transformation.
Weil das sehr häufig passiert, gebe ich Ihnen außerdem einen Überblick über die körperlichen und emotionalen Folgen, die entstehen, wenn eine Frau ihre Femininität verlässt. Indem sie sich mit dem Maskulinen identifiziert, ihr Verstand zum Zentrum ihrer Selbstwahrnehmung wird und sie verkehrte Werte zu den ihren macht, findet sie sich in innerer Dysbalance wieder, die sogar mit massiven Symptomen verbunden sein kann.
Um diese Schieflage schnellstens auszugleichen, öffne ich im Praxiskapitel die „Rezepte-Bar” der Meditationsressourcen. Ich stelle Ihnen bewährte Methoden vor, die nicht nur die femininen Qualitäten in Ihnen aktivieren, sondern Bewegung erlauben und Kreativität in Ihre Meditationspraxis schleusen. Immer wieder lade ich Sie in die „ME-TIME-LOUNGE“ ein, wo Sie Ihre Erfahrungen mit den praktischen Impulsen des Buches notieren können. Anhand Ihrer Reflexionen zeigt sich schnell, welche Meditationsformen für Ihre persönliche Konstitution die richtigen sind.*
Schließlich holen wir die Meditation ins Leben, weil das für Frauen am natürlichsten ist. Meditative Free-Style-Techniken und knackige Espresso-Explorationen vermitteln Ihnen ein Gefühl dafür, auf welche Weise sich das innere Zentrieren wie ein roter Faden durch Ihren persönlichen Alltag ziehen kann.
Meditatives Erleben bleibt nicht mehr als etwas Separates stehen. Es gibt Ihrem Dasein als Frau genau die flüssige Note, die dem Leben von Moment zu Moment, dem Weg des Wassers entspricht.
* Der Ebook-Leserin empfehle ich, ein Heft (ohne Linien) für Ihre Notizen anzulegen, in dem Sie ihre Erfahrungen (mit er linken Hand!) notieren können.
Dieses Buch ist weder ein feministisches Buch noch richtet es sich gegen den Mann. Ich möchte die Frau weder als den besseren Menschen aufs Podest heben noch ihr Ego bauchpinseln. Aber es liegt in der Natur der Sache: Da ich das Schwächeln des Femininen und das Fehlen einer weiblichen Spiritualität kaum erklären kann, ohne dass ich die Hintergründe der maskulinen Übermacht berühre, entsteht schnell der Eindruck einer Gegen-den-Mann-Polemik. Ich riskiere, dass mir ein Anheizen des Geschlechterkampfs angekreidet wird.
Doch wissen Sie was? Dieses Risiko gehe ich gern ein. Wenn dabei herauskommt, dass Sie als Frau Ihren echten Bedürfnissen eine innere Stimme geben, Ihre versteckten spirituellen Begabungen aus Ihrem Safe holen und all das auch in Ihre Meditationspraxis hineintragen, lehne ich mich vollkommen entspannt zurück.
Auf den ersten Blick könnten wir das gesamte Thema Femininität natürlich auch als Privatsache jeder einzelnen Frau stehen lassen und abwinken. Ach was! Wenn Frau und Mann sich mit ihrer Lage arrangieren, egal ob diese eine Schieflage, eine Ungerechtigkeit oder sonst was ist, scheint doch alles in Butter zu sein.
Wie sagt man? Wenn beide Seiten zustimmen, ist alles okay.
Doch genau das ist es eben nicht.
Wenn wir uns einmal unsere gegenwärtige Welt ansehen, stehen wir vor dem Ergebnis dessen, was passiert, wenn eine extrem maskulinisierte Vorgehensweise das zwischenmenschliche Zusammenleben regiert. Gewalt, Umweltzerstörung, Kriege, Konkurrenzkampf, Leistungsobsession, Ausbeutung und Hiobsbotschaften von Terrorattacken sind das Ergebnis maskulinen Handelns im Extrem.
Viel zu viele Menschen leiden. Und in den hochentwickelten Industrienationen leiden insbesondere die Frauen. Sie leiden an ihrer Unzufriedenheit, an ihren Minderwertigkeitsgefühlen, an ihren stöhnenden Körpern, an ihren emotionalen Abstürzen und an ihren Depressionen, an ihrer sexuellen Unzufriedenheit oder an ihrem niemals zur Ruhe kommenden Verstand. Darüber hinaus hat die Me-too-Debatte auf Facebook so deutlich wie noch nie ans Licht gebracht, wo die moderne Frau in Beziehung zum machtgewohnten Mann steht. Was den Verfechterinnen der Frauenbewegung vor ein paar Jahrzehnten als Hirngespinst angekreidet wurde, haben wir nun real vor uns auf unseren Facebook-Timelines stehen: Die Frau ist für viel zu viele Männer ein Objekt, mit dem man so ziemlich alles machen kann, was „Mann” denkt.
Deshalb nein! Es ist alles andere als eine private Ansichtssache, dass wir uns mit der Entwicklung der femininen Kräfte in uns befassen. Die einseitig maskulinen Wertmaßstäbe haben unsere Welt in eine Kampfarena verwandelt, obwohl diese, wenn sich feminine und maskuline Elemente die Waage hielten, ein Platz der Kreativität, der Freude und des Überflusses sein könnte.
Protestieren Sie jetzt? Sagen Sie, dass das alles ja vollkommen übertrieben, viel zu polemisch und unproportional dargestellt ist?
Nein, das ist es nicht.
In meinem Berufsfeld als Körper-Mind-Trainerin und Meditationsmentorin begegne ich hauptsächlich Frauen, die unter massiven physischen und emotionalen Symptomen leiden. Viele von ihnen stecken ihre Energie nahezu hundertprozentig in die Anstrengung, sich bestmöglich mit den Regeln der männlich geprägten Welt zu arrangieren. Zumeist suchen sie den Fehler bei sich und fühlen sich schuldig, wenn sie dem maskulinen Status Quo nicht genügen. Und: Gar nicht so wenige Frauen lassen ihre Lebensjahre verstreichen, ohne sich ihrer ureigenen femininen Potenziale je bewusst geworden zu sein.
Ich übertreibe bei weitem nicht, wenn ich sage, dass unsere Welt eine durch und durch maskulin funktionierende ist, an der sich Frauen in den entwickelten Nationen ein wenig beteiligen dürfen. Ihnen wird gestattet, sich ein kleines Scheibchen von dem Kuchen abzuschneiden, den sie für den Mann gebacken haben. Und da sehen wir einmal ganz von den Ländern ab, in denen die Frau immer noch vollkommen unterprivilegiert ist, in überholten patriarchalischen Strukturen steckt und als Besitz, Konkubine, Dienende oder Dekoration des Mannes lebt. Ganz nebenbei gesagt, schwappt deren Lage durch die Immigrationswelle nun auch in unser Bewusstsein hinein. Bei näherem Hinsehen ist es ein Fakt, dass die Frau auf unserem Globus immer noch als Mensch zweiter Klasse gilt.
Die Sache ist die: Leider haben sich die gesellschaftlichen Strukturen, die das einseitig maskuline Funktionieren des Lebens aufrechterhalten, nicht erst seit gestern, sondern über die Jahrhunderte hinweg formiert. Das Feminine war, einmal abgesehen von den frühen matriarchalischen Gesellschaften, schon immer unterrepräsentiert, weil die Frau nie eine wirkliche Stimme in der Öffentlichkeit besaß. Noch bis ins letzte Jahrhundert war sie in ihren hormonellen Blütejahren vorwiegend damit befasst, Kinder in die Welt zu setzen, sie großzuziehen und der Familie ein Zuhause zu bereiten. Im öffentlichen Leben hatte die Frau mit ihrer Femininität kaum eine Stimme, selbst dann nicht, wenn sie berufstätig war.
Und da liegt der Hund begraben: Da diese Strukturen so immens verfestigt sind und sich trotz Wahlrecht, Pille und Frauenquote nur sehr langsam aufweichen, hat sich die Frau in ihrem konkreten Handeln immer noch überwiegend in einem maskulin geprägten, vom männlichen Verstand entworfenen Aktionsfeld einzurichten. Nicht selten muss sie ihre femininen Qualitäten genau dort, wo sie dringend einsetzbar wären, hinter Schloss und Riegel verbannen. Sie hat sich einer Funktionsweise anzupassen, die ihrem Wissen und Können widerspricht. Selbst wenn eine Frau im Berufsleben erfolgreich ist, sagt man nicht umsonst, dass sie „ihren Mann steht”. Gewissermaßen lebt die Frau wie ein Fisch ohne Wasser. Und ohne Wasser schwimmt sich‘s im Fluss des Lebens nun mal nicht gut.
Worum geht es? Ich sehe hier drei Faktoren.
Ein neues Bewusstsein muss her!
Weil das gesellschaftliche Leben maskuline Regeln favorisiert und feminine Qualitäten in unserer Welt immer noch vollkommen unterrepräsentiert sind, geht es erst einmal darum, dass sich Frauen dieses Umstandes überhaupt bewusst werden und sich mit ihrer Femininität befassen. Jede einzelne Frau sollte herausfinden, was es denn im Einzelnen heißt, im Einklang mit ihren femininen Qualitäten zu sein – und dies auch beim Meditieren zu nutzen.
Die Essenz des Femininen liegt im „inneren Wissen”
Da gerade das fehlende Bewusstsein und das daraus hervorgehende Nicht-Reflektieren der Situation vielen Frauen physische und emotionale Probleme bereitet, ist es essenziell, dass sie Ressourcen kennenlernen, durch die sie ihre Situation wenden können. Die Entwicklung von Körperbewusstsein und „innerem Wissen” durch Meditation hilft, der Frauenfalle zu entkommen.
Das volle Potenzial entwickeln durch Meditation
Weil sich die Maskulinisierung auch in der Welt der Meditation durchgesetzt hat, muss eine Frau besonders ihren eigenen femininen Weg finden. Das betone ich, weil eine Frau den Zugriff auf ihre weiblichen Eigenschaften beim Meditieren dringend braucht. Erst durch diesen erhält sie eine echte Chance, sich in sich wohlzufühlen und ihre Potenziale zu entfalten.
Diese drei Punkte sollten Sie sehr gut verinnerlichen. Da wir mittlerweile im 21. Jahrhundert leben, sind diese inzwischen nicht nur mir, sondern immer mehr Frauen und Männern bewusst, die ihre Augen und Herzen offenhalten. Nicht umsonst spricht man seit dem Millennium vom Jahrhundert der Frau.
Auch wenn ich das Feminine, also weibliche Eigenschaften, der Frau zuordne und das Maskuline dem Mann, ist das nicht hundertprozentig korrekt, weil sowohl Frauen als auch Männer beide Anteile, feminine und maskuline, in sich tragen. Das ist den meisten Menschen nicht bekannt, weil es weder in unserem Kulturkreis noch in unserer Medizin eine Rolle spielt.
Wenn wir beispielsweise einen kurzen Blick auf das System der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werfen, finden wir das Konzept von Yin und Yang, das in seinem Symbol, dem Taijitu, mit den schwarzen und weißen Anteilen zwei gleichwertige Energien repräsentiert. Diese ergänzen einander, wobei Yin das Weibliche, das Weiche, Nachgiebige und passive Element repräsentiert, während Yang für das Männliche, das Aktive, nach außen Gerichtete steht.
Obwohl sich beide Elemente die Waage halten, hat eine Frau dennoch mehr feminine Qualitäten als ein Mann, weil sie in einem weiblichen Körper steckt. Selbst dann, wenn sich eine Frau als sehr männlich erlebt, ist sie von ihrer Konstitution her femininer als der femininste Mann. Und umgekehrt. Ein Mann hat mehr maskuline Qualitäten als eine Frau. Es gibt sehr feminine Männer, die dennoch maskuliner als die maskulinste Frau sind, genau, weil sie in einem männlichen Körper stecken. Ohne hier auf die gegenwärtigen „Genderdebatten” einzugehen, sind diejenigen Frauen, die in einem weiblichen Körper geboren wurden, mehr Frau als Mann. Und das geht rein auf ihre Physiologie zurück, die an die weibliche Anatomie gebunden ist.
Im großen Bild gesehen geht es sowohl im Inneren als auch im Äußeren um den angemessenen und fließenden Ausgleich beider Anteile. Und damit berühren wir bereits die Grundlage des Feminin-Maskulin-Konflikts. Nämlich genau an dieser Stelle, wo die femininen und die maskulinen Elemente einander bedingen, bereichern oder ergänzen können, hapert es gewaltig. Das liegt zum einen daran, dass sehr viele Frauen ihre femininen Qualitäten nie vollständig entwickeln, weil sie keine Bühne dafür haben. Oder sie vernachlässigen diese, weil sie nicht gefragt sind. Sie richten sich gewissermaßen in der „Nische” ein und halten ihre wahren Potenziale hinter dem Berg. Ich habe einige Frauen kennengelernt, die sich abkapseln und für den Rückzug in ihre eigene Welt entscheiden, weil ihre Erfahrungen mit dem Ausgleich der femininen und maskulinen Anteile zu unbefriedigend geblieben sind.
Andere Frauen wiederum verlieren sich in dem Bestreben, mit dem Mann zu konkurrieren, und richten sich als selbst ernannte „Powerfrauen” nicht nur in ihrem Selbstausdruck, sondern unglücklicherweise auch in ihrem Empfinden maskulin aus.
Deshalb kommt in den Lebensbereichen, in denen das Feminine gebraucht wird, nicht selten eine gähnende Leere auf, die dann auch der Grund dafür ist, warum die soft klingende Theorie von der Balance zwischen dem Femininen und dem Maskulinen oftmals eine Illusion bleiben muss. Wenn die femininen Eigenschaften einer Frau entweder nicht ausgebildet worden sind, missinterpretiert werden oder aber nur im Untergrund existieren, stehen sie folglich auch nicht zum Abruf bereit. Dann brauchen wir weder über ein Gleichgewicht noch über das gegenseitige Ergänzen zu reden. Jede Fachsimpelei darüber bleibt gegenstandslos und hohl.
Lassen Sie uns hier eine grundlegende Begriffserklärung vornehmen. Wenn ich im Folgenden vom Femininen spreche, berufe ich mich auf innere Qualitäten, welche sowohl die fließenden, empfänglichen wie passiven Elemente als auch die schöpferischen, ganzheitlich orientierten und balancebezogenen Potenziale der Frau umfassen. Sie können diese als Energie, als Antriebs- oder Ausdruckskraft oder schlichtweg als eine Vorgehens-, Reaktions- und Lebensweise verstehen, mit der sich Frauen durchs Leben bewegen.
Beim Hineinfühlen in deren innewohnende Kräfte gleichen sie tatsächlich dem, wie sich Wasser bewegt: Es kann sprudeln, quellen, fließen, rauschen, gurgeln oder strömen. Es kann überlaufen, versickern, hochkochen, rinnen, verdampfen oder herabregnen. Es kann wie eine Fontäne springen, wie ein Wasserfall donnern, Stromschnellen erzeugen, Strudel bilden oder still bleiben wie ein See. Tatsächlich vereint das Feminine enorm viele Elemente, die, so viel kann ich Ihnen schon vorweg sagen, unsagbar viele Lebensbereiche berühren. Und sie sind dann am wirkungsvollsten, je gebündelter und unzerstückelter, und je flüssiger sie sich zeigen können.
Schließlich ergibt sich daraus die Frage, wohin wir denn segeln, wenn wir in dieses feminine Boot einsteigen.
Indem Sie hier dem Weg des Wassers folgen, weil dieser dem inneren weiblichen Prinzip entspricht, werden Sie als Frau mit Ihren persönlichen und typisch femininen Potenzialen im Mittelpunkt stehen. Ich werde Sie so eindringlich wie ich nur kann an Ihre ureigenen weiblichen Qualitäten erinnern, damit Sie diese zum Leben erwecken und maximal entfalten. In diesem Zuge werden Sie sich eine wundersame Wechselwirkung zunutze machen: Wenn Sie unter Berücksichtigung Ihrer Femininität meditieren, vertiefen Sie automatisch Ihre Meditationserfahrungen.
Und anders herum: Mit zunehmendem Vertrauen in Ihre Innenwelt und einem immer wacher werdenden „inneren Auge” kommen Ihre femininen Qualitäten zum Blühen. Schließlich meditieren Frauen tatsächlich anders, wenn sie mit ihrer Femininität verbunden sind. Und dieses Wechselspiel transferiert sich schließlich in Ihren Alltag, sodass Meditation gewissermaßen zu Ihrem Lebensstil wird.
Jetzt genug der Theorie! Schauen Sie sich Ihre feminine Seite einmal ganz aus der Nähe, nämlich mit Ihrer ersten persönlichen Bestandsaufnahme an.
Dazu lade ich Sie jetzt in die ME-TIME-LOUNGE ein, für die ich einen besonderen Platz geschaffen habe. Dorthinein dürfen Sie sich immer dann begeben, wenn ich Ihnen Fragen zur Selbsterforschung stelle oder Aufgaben zum Reflektieren vorschlage. Bei einer Tasse Tee, einem Glas Rotwein, einem Chococcino, einem Detoxsmoothie oder was auch immer Sie mögen, machen Sie sich Ihre Notizen und reflektieren Sie schriftlich, was für Sie persönlich wichtig ist.
Wann immer Sie schreiben, tun Sie das in einer angenehmen Atmosphäre! Entspannen Sie sich, lassen Sie die Schultern nach unten sinken und kommen Sie bei sich an. Sie können das sogar ganz bewusst organisieren, indem Sie sich fürs Lesen und Schreiben einen schönen Platz in Ihrer Wohnung, Ihrem Garten oder Ihrem Zimmer suchen, an dem Sie ungestört sind, Zeit mit sich verbringen und ganz und gar „Sie“ sein können. Die Aufenthalte in der Lounge helfen Ihnen dabei, sich besonders gut mit Ihren femininen Qualitäten kurzzuschließen.
Darüber hinaus können Sie die ME-TIME-LOUNGE aber auch unabhängig von den im Buch angesprochenen Stellen aufsuchen, wenn Sie etwas schreibend reflektieren möchten. Das kann sein, wenn Sie überraschende Erfahrungen gemacht haben, etwas Sie besonders berührt hat oder Sie einen Aha-Moment hatten, der Ihre Erfahrungswelt bereichert.
Falls Sie nicht klassisch schreiben, sondern tippen, können Sie sich gern eine Datei im Smartphone, Tablet oder im Notebook vorbereiten. Doch ich möchte Ihnen beim Benutzen der Technik eines ans Herz legen: Stellen Sie alle Töne ab, die Sie ablenken und vom Beantworten der Fragen weglotsen könnten. Lassen Sie nicht zu, dass Ihre digitalen Gewohnheiten Ihre Selbstreflexionsmomente diktieren.
Linksverkehr!
Und hier gibt es eine Besonderheit: Schreiben Sie unbedingt mit Ihrer linken Hand! Ja genau! Diese repräsentiert und aktiviert Ihre femininen Qualitäten insofern als Sie ihre Informationen aus Ihrer rechten Gehirnhälfte bezieht, welche sowohl in unserer Bildungslandschaft als auch in unserem allgemeinen Leben viel zu wenig Beachtung findet. Schreiben Sie also mit Ihrer linken Hand!
Linke Hand-aufs-Herz-Frage:
Worin sehen Sie Ihre Femininität?
Gehen Sie etwas in sich, wobei Sie gern Ihre Augen schließen können, und spüren Sie in sich hinein. Legen Sie Ihre linke Hand aufs Herz.
Und hier ist meine Frage an Sie: Worin besteht Ihre Femininität? Notieren Sie jetzt mit Ihrer linken Hand alles, was Ihnen spontan in den Sinn kommt. Es müssen weder vollständige Sätze sein noch müssen Ihre Notizen einen Sinn ergeben. Selbst wenn es nur Stichworte sind, ist das vollkommen okay.
Für den Fall, dass Ihr Blatt leer bleibt, lassen Sie die Frage offen und tragen Sie diese einfach mit sich herum. Ich bin sicher, dass sich nach und nach Antworten zeigen werden.
Noch einmal: Worin besteht Ihre Femininität?
Wenn wir das Feminine in der Frau besser verstehen wollen, ist das im Grunde genommen gar keine komplizierte Sache. Das ist es nicht, weil sich die femininen Qualitäten einer Frau aus ihrer Biologie, ja, aus der Funktionsweise ihres Körpers ergeben.
Tatsächlich ist es ganz simpel: Die Femininität der Frau ist an ihren Körper gebunden. Und dieser ist von der Natur ursprünglich dafür ausgestattet worden, dass er das menschliche Leben erhält. Indem die Frau hauptsächlich dafür sorgt, oder sorgen kann, dass ein neuer Mensch ins Leben tritt, braucht sie einerseits die entsprechende Anatomie und andererseits auch die entsprechenden inneren Voraussetzungen, die für das Ausfüllen der Fortpflanzungsfunktion das optimale Klima schaffen. Tatsächlich ist ein Hauptteil der femininen Qualitäten einer Frau mit der biologischen Funktion der Fortpflanzung verbunden.
Die Ausbildung dieser Funktionen beginnt bereits sehr früh in ihrem Leben, nämlich nach durchschnittlich einem Dutzend Lebensjahren, wenn ein Mädchen geschlechtsreif wird und der Menstruationszyklus einsetzt. Dieser prägt dann das Leben einer Frau über etwa vier Jahrzehnte, indem die Gebärmutterschleimhaut alle vier Wochen für den Zweck der Befruchtung aufgebaut wird. Wenn die Befruchtung der Eizelle nicht stattgefunden hat, wird das aufgebaute Szenario wieder eingerissen, geweblich ausgeschieden und erneut in Gang gesetzt.
Kommt es hingegen zur Befruchtung der Eizelle, ermöglicht es dieselbe Physiologie, dass aus einem kleinen Zellbündel ein vollständiges Lebewesen im Körper der Frau wächst. Dieser gleicht in der Schwangerschaft einem Phänomen: Indem der Stoffwechsel der Frau mit dem des Kindes über die Plazenta verbunden ist, gibt die Frau dem Kind alle Zutaten, die es zum Wachsen und Ausbilden seiner körperlichen Strukturen braucht. Exakt in dem Rhythmus und in der Menge, wie es verlangt wird, steht dem Fötus alles zur Verfügung.
Schließlich kommt es zur Geburt, mit der die Frau das Kind in die Welt entlässt. Ihr Körper leistet dabei Heroisches. Mit den Kontraktionen der Gebärmutter versetzt sie dem Kind den notwendigen Kick ins Leben. Und des Wunders immer noch nicht genug: Auch nachdem sie ihr Kind in die Außenwelt entlassen hat, kann sie es mit ihrem bloßen Körper vollständig ernähren. Die in ihr produzierte Muttermilch gibt dem Kind die nötigen Stoffe, die es für sein Reifen und Wachsen in den ersten Lebensmonaten braucht.
Diese Kurzreise in die weibliche Biologie habe ich bewusst aus zwei Gründen unternommen: Wenn Sie sich diese nämlich im Detail ansehen, fällt Ihnen vielleicht schon ganz von selbst auf, wo der Ursprung der femininen Qualitäten liegt und mit welchen Funktionen und Ausdrucksweisen diese verbunden sind. Und das gilt unabhängig davon, ob eine Frau ein Kind gebärt oder nicht.
Darüber hinaus habe ich Ihnen die Begabungen des weiblichen Körpers auch deshalb ins Gedächtnis gerufen, weil die Art und Weise, in der er funktioniert oder funktionieren kann, einem wahren Wunder gleicht. Auch wenn wir all diese Entwicklungsschritte von der Eizelle bis zum neugeborenen Baby medizinisch erklären können und der Vorgang der Geburt aufgrund der sage und schreibe 137 Millionen Kinder, die jährlich geboren werden, wie etwas Selbstverständliches scheint, bleibt er für mich dennoch ein inneres Geheimnis: Eine Frau kann, einmal abgesehen vom Sperma, das der Mann zur Befruchtung beisteuert, ein vollständiges Leben in sich erzeugen. Sie kann Leben schöpfen. Ja, sie kann eine Schöpferin sein. Und bereits dieses „Kann” reicht aus, dass wir das Feminine in uns Frauen verstehen: Das Feminine ist multidimensional, elastisch und unendlich reich.
Eben weil das Feminine so vielgestaltig ist, erhebe ich, wenn ich jetzt auf verschiedene feminine Eigenschaften eingehe, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das feminine Reich der Frau ist ein Kosmos, der weder vollständig erklärbar noch in ein einziges Buch verfrachtbar ist. Ich musste also eine Auswahl treffen.
Wie Sie gleich sehen werden, habe ich mich für das Herausstellen derjenigen femininen Qualitäten entschieden, die essenziell sind, weil sie andere hervorrufen oder für die besonders delikaten femininen Gaben die Hebamme spielen. Außerdem möchte ich diejenigen hervorheben, die eher in versteckter Form auftreten und deshalb am wenigsten gelebt werden oder aber zu den missverstandenen oder am meisten diffamierten Qualitäten zählen.
Okay. Fangen wir an!
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine erste, aus meiner Sicht die essenziellste feminine Qualität herauskehren: die Eigenschaft der Frau, ein ganzheitlich „funktionierendes” und sich in ihrer Vollkommenheit wahrnehmendes Wesen zu sein. Ausnahmslos alle Aspekte ihres Lebens wie das Fühlen, Wahrnehmen, Denken, Kommunizieren und Agieren verschmelzen miteinander und vereinen sich zu einem gemeinsamen Strom. Wenn eine Frau mit ihrer Femininität verbunden ist, existiert in ihr keine Idee davon, diese Bereiche selektiv zu trennen, eine Entscheidung beispielsweise ganz ohne Gefühle zu fällen, den Kopf vom Herz abzukoppeln oder sich wohlzufühlen, ohne dass der Körper dabei involviert ist. Im Gegenteil: Eine Frau funktioniert ganz und gar.
Und ja. Wie sollte es auch anders herum gehen, wenn wir ihre Physiologie verstehen? Wie sollte sie die verschiedenen Aspekte des Lebens bei der Austragung, Geburt, Begleitung und beim Aufwachsen eines Kindes auseinanderhalten? Indem die Frau diejenige ist, die das Leben hütet und erzeugt, muss sie vollkommen im Fluss mit ihren inneren Anteilen und den verschiedenartigen Facetten des Lebens sein. Vorausgesetzt dass eine Frau ihre femininen Potenziale lebt, ist es für sie das Selbstverständlichste der Welt, als komplexes Wesen mit dem Strom des Daseins zu schwimmen.
Und es verhält sich hier ja nicht anders als ein echter Fluss. Auch ein solcher ist dann am stärksten und freisten, wenn er ungehindert fließen kann. Das ist dann der Fall, wenn er keinen Widerstand, keine Barriere, kein Hindernis zu überwältigen hat. Dann ist er reines Fließen. Nicht-Tun. Ein einziger „Flow”. Genauso ist es bei einer Frau: Auch eine Frau ist umso mehr in ihrem Fluss, je kompletter und ungespaltener sie sich ihm anvertrauen kann.
Und da kommen wir bereits zu einem der Grundsätze der Femininität: Eine Frau ist dann im wirklichen Vollbesitz ihrer Kräfte, je vollkommener, ungehinderter und freier sie mit dem Strom des Lebens fließen kann. Das schließt ein, dass sie ihre weiblichen Potenziale und Möglichkeiten ohne Einschränkung in sich vereinen kann und ungespalten zum Ausdruck bringt.
Tatsächlich reicht es nicht aus, wenn ihre Hingabe an das Fließen halbherzig bleibt und sie mit dem Fluss des Lebens ein bisschen vor sich hin „fließelt“. Weibliche Rinnsale, seichte Pfützchen, trübe Tümpel und „umgekippte” Teiche gibt es zu viele. Doch ein ungebremster klarer Flusslauf hat eine ganz andere Kraft! Wenn das Wasser ungehindert in eine Richtung fließt, ist es klar und ungetrübt. Und so ist es auch mit der Frau. Erst wenn ihre femininen Qualitäten voll und ganz zum Einsatz kommen, fühlt sie ein vollmundiges inneres Ja zum Leben. Und dieses Ja ist verbunden mit ihrem Ja zu sich selbst.
Während ich dieses Kapitel schreibe, kommt mir immerfort ein Hochwasser in den Sinn, das ich einmal miterlebt habe und das sich tief in meine Erinnerung eingegraben hat. Tatsächlich verstand ich damals erst wirklich, welch riesige Kraft im Wasser liegt.
Ohne dass ich über ein großartiges hydrologisches Wissen verfüge, meine ich zu wissen, dass sich das Fließen der Flüsse aus der Entwicklungsgeschichte der Erde heraus vollkommen natürlich ergeben hat. Ganz simpel gesagt, hat sich das gequellte Wasser seine Flussbetten durch die Landschaften gebahnt und seinen Weg zum Meer gesucht. Die Bewegung des Wassers, sein Fluss, entstand auf natürliche Weise und das tut er gewissermaßen immer noch.
Wäre da nicht der – maskulin – denkende Mensch mit seiner Überheblichkeit, der sich permanent in die Natur einzumischen versucht. Und das bringt mich zurück zum Hochwasser. Damals waren vermehrte Regenfälle und eine ungewöhnlich große, aus der Schneeschmelze in den Bergen anfallende Wassermenge zusammengekommen. Diese konnte der Fluss, der einst künstlich begradigt und umgeleitet worden war, nicht mehr kanalisieren. Den Beobachtungen von Hochwasserexperten und Umweltforschern zufolge entstand die Flutwelle genau dort, wo der Mensch eingegriffen und den Lauf des Flusses begradigt oder eingedämmt hatte, weil Häuser und Firmengebäude in der Flussaue gebaut werden sollten. Die Verfechter der Flussbegradigungen hatten argumentiert, dass es seit etwa einem halben Jahrhundert kein Hochwasser mehr gegeben habe und deshalb alles unter Kontrolle sei.
Doch warum erzähle ich Ihnen das so genau? Ich erzähle Ihnen davon, weil ich damals, als ich die Wassermassen und die vielen Schäden sah, eines begriff: Wasser muss frei fließen können. Und genau so ist es mit dem Femininen in uns Frauen. Wenn wir sinnbildlich vom weiblichen Weg des Wassers sprechen, hat dieser eine umso größere Chance, je freier und unverbauter, je kompromissloser und uneingeschränkter er ist.
Und noch eine weitere Parallele zum Femininen fiel mir auf: Genauso, wie ein großer Fluss in der Begradigung oder in seiner Verengung über lange Zeiten unauffällig dahinfließen kann, schaffen es auch die Frauen, ihre weiblichen Fähigkeiten ziemlich lange in Schach zu halten und in dieser Beengung sogar über lange Phasen und ohne größere Zwischenfälle zu funktionieren. Doch in dem Moment, wenn es zu herausfordernden Lebenssituationen oder unerwarteten Wendungen kommt, wie die plötzlich anfallenden massiveren Wassermengen für den Fluss, läuft das ganze Fass über. Es entstehen Probleme, die mitunter irreparabel sind.
Nicht wenige Menschen sahen beim Hochwasser ihre Häuser wegschwimmen und ganze Firmenteile wurden zu Schwemmholz. Ähnliches kann einer Frau passieren, wenn sie den Fluss ihrer femininen Qualitäten auf Dauer einengt oder ausbremst. Nicht nur, dass sie plötzlich „überläuft”, scheinbar aus dem Nichts heraus einen hysterischen Anfall bekommt und aus den Fugen gerät. Und mehr noch: Sowohl das Ausbremsen und Einengen des Femininen als auch das weibliche Hochwasser können zu dauerhaften physischen und seelischen Problemen führen, die mitunter sehr, sehr schwer zu reparieren sind.
Deshalb: Geben Sie sich nicht mit den vielen größeren oder kleinen Einengungen, Halbwahrheiten, Zugeständnissen, den attraktiven Kompromissen und hübschen Kompromisschen zufrieden! Mogeln Sie keine Abschwächungen oder Abkürzungen hinein, sondern überprüfen Sie den Flusslauf Ihrer femininen Qualitäten auf Durchlässigkeit. Kompromisse rächen sich. Und wenn sie sich rächen, wird es hart.
Deshalb: Bleiben oder werden Sie in Ihrem femininen Fluss so klar, wie es nur geht. Stehen Sie zu der flüssigen/fließenden Natur, die zu Ihrem Körper gehört!
Kommen wir jetzt zu einer weiteren Hand-aufs-Herz-Frage, zu der zweiten aus der Vierundzwanzig-Antworten-Reihe.
Zum Beantworten lade ich Sie wieder in die ME-TIME-LOUNGE ein.
„Vierundzwanzig Antworten?”
Nora, eine Klientin, blieb fast die Sprache weg, als ich ihr diese Selbstreflexion mit nach Hause gab. Wenn es Ihnen ähnlich geht und Sie nicht sofort vierundzwanzig Antworten aus dem Ärmel schütteln können, geben Sie nicht auf! Selbst auf die Gefahr hin, dass Sie sich unbewandert oder einfallslos fühlen, versuchen Sie sich einmal auf die Essenz der Frage einzulassen.
Aus der 24-Antworten-Reihe:
Worin besteht Ihr innerer Fluss?
Erster Schritt: Reines Fließen
Schreiben Sie alle Bereiche Ihres Lebens auf, in denen Sie Ihr „inneres Fließen” zum Ausdruck bringen und Sie sich „flüssig/ im Fluss” fühlen.
Zweiter Schritt: Noch flüssiger?
Tragen Sie jetzt mindestens 24 Punkte zusammen, durch die Sie noch flüssiger werden und sich, bildlich gesprochen, noch mehr mit dem Fluss des Lebens verbinden könnten. Das kann heißen, dass es vielleicht Bereiche in Ihrem Leben gibt, in denen Sie „Dinge” fließen lassen oder dem Strom des Lebens übergeben könnten, anstatt sie zu kontrollieren oder krampfhaft festzuhalten.
Auch hier können Sie sich Zeit zum Beantworten der Fragen lassen. Zumeist arbeiten sich die tiefer liegenden Antworten erst dann ins Bewusstsein vor, wenn die Frage so richtig in Sie eingesickert ist. Und: Seien Sie dort großzügig mit Ihrer Zeit. Ein entsprechend großes Textfeld ist präpariert.
Fassen wir die beiden femininen Qualitäten kurz zusammen, die wir bisher kennengelernt haben und die sich aus der Physiologie der Frau ergeben: Zum einen ist eine Frau dann am engsten mit sich und ihren Potenzialen verbunden, wenn sie als Ganzes, in der Vereinigung all ihrer inneren Aspekte, also vollkommen und ungespalten agieren und leben kann. Und darüber hinaus ist das Wesen einer Frau „flüssig”, so flüssig wie Wasser in all seinen Formen und Konsistenzen. Da ihr Körper das Leben schöpft, muss er anpassungsfähig, flexibel und, ja, bereit zum Fließen mit dem Strom des Lebens sein.
Wenn diese beiden Wesensmerkmale, das Ganz- und das Flüssigsein, ineinander übergreifen, ist die Frau in ihrem Agieren, Entscheiden und Fühlen sicher, in sich ruhend und von innen heraus kraftvoll. Genau in dieser ureigenen Sicherheit fühlt sie sich wohl und bringt noch weitere feminine Qualitäten hervor.
Aus der Tatsache, dass die Frau hauptsächlich das Leben erhält und deshalb auf das Engste mit dessen Fluss verbunden sein muss, ergibt sich noch eine weitere typische feminine Qualität: die Fähigkeit, passiv sein zu können. Aus meiner Sicht ist die weibliche Form der Passivität eine der wundervollsten Eigenschaften, die ich kenne, aber leider auch die am meisten missverstandene und schlimmer: eine, die der Frau sogar zum Nachteil werden kann.
Wenn eine Frau gerade das Passivsein in ihrem Leben umsetzen möchte, ist das je nach Lebensgewohnheiten, sozialem Umfeld und nicht zuletzt je nach ihrer eigenen Wertvorstellung keine spielend leichte Sache. Die Fähigkeit zur Passivität wird wie kaum eine andere innere Kraft verpönt, und zwar so umfassend, dass sie sogar in bestimmten Berufsfeldern, Branchen bis hin zum Privatleben für ein persönliches Defizit steht. Wenn wir diesem Vorgang einmal auf den Zahn fühlen, stoßen wir auf den Fakt, dass viele Menschen Passivität oder ein Passivsein damit assoziieren, das Leben zu verschlafen, den Anschluss zu verpassen oder die Kontrolle über etwas zu verlieren. Das Passive, so glauben sie, ist wertlos und wird eher dem Loser zugeordnet als einer lebenstüchtigen Person. Viel wichtiger ist das Machen und Schaffen, das konstante Busy-Sein, das 24/7-Leben auf Hochtouren, welches Anerkennung und Erfolg verspricht oder zumindest genügend Geld einbringt. Während das konstante Aktivsein ganz oben auf der Liste persönlicher Stärken steht, kommt Passivität in dieser nicht einmal vor.
Und ja: Wenn Sie Ihr Leben rechnerisch und kalkulierend, also maskulinisiert gestalten, mag tatsächlich der Eindruck entstehen, dass Passivität etwas Nutzloses ist. Doch wenn wir hier zur natürlichen Physiologie der Frau zurückkehren und aus einer weiblichen Perspektive schauen, gelangen wir zu einer anderen Sichtweise. Erstens würde, wenn eine Frau nicht passiv sein könnte, kein einziges Kind das Licht der Welt erblicken. Zweitens wäre die Welt das komplette Desaster, wenn sich nicht ab und zu eine Frau mit ihrer Fähigkeit zur Passivität in diese einbringen würde. Und drittens wäre die Sexualität zwischen Mann und Frau ein Albtraum, der keine Chance auf nur einen Funken Erfüllung hätte. Schauen wir uns jetzt etwas genauer an, was es mit dem Passivsein-Können der Frau auf sich hat.
Kommen wir zum ersten Punkt, der die Rolle der Passivität im Hinblick auf die Erhaltung des Lebens beschreibt. Wenn eine Frau schwanger wird, liegt eine lange Periode des Wartens vor ihr. Sie kann weder etwas dazu tun, dass das Kind flotter in ihrem Körper wächst, noch kann sie bestimmen, wie zügig es ihren Körper verlässt. Ob es Letzteres bereits nach acht Monaten oder erst nach neuneinhalb Monaten tut, liegt abgesehen von terminierten Geburten nicht in ihrer Hand. Eine schwangere Frau übt sich also über lange Zeitabschnitte in ein und derselben Qualität: im Warten und im Passivsein.