Der Weg nach Eutopia - Ingrid Manogg - E-Book

Der Weg nach Eutopia E-Book

Ingrid Manogg

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Beschreibung

Die Reihe 'Der Weg nach Eutopia' Zehn Planeten, zehn unterschiedliche Stämme: Alles scheint friedlich und geordnet. Bis der Stamm der technisch versierten Katter die Macht ergreift. Eine rasante Entwicklung nimmt ihren Lauf, die Katter setzen ihre Vorstellungen von einem 'Wir' rücksichtlos durch. Bald herrschen sie nicht nur über das Versum, sondern auch über den 'Anderen Raum'. Doch es gibt Außenseiter, die ihre Träume und Freundschaften bewahren wollen, sie suchen nach einem anderen Weg. Können sie bestehen? Und gibt es ein Entkommen aus dem schwarzen Ring? Band 1 Luno Luno, ein junger Novani, wurde auf den Planeten der Trejaner verschleppt. Dort muss er seine Identität verbergen, denn Novanis werden geächtet. Kaum hat er sich aus seiner Verzweiflung herausgekämpft, gerät er unter den Einfluss eines manipulativen Katter ... Tiefgründig. Diese feingesponnene Fantasy-Epos entführt in eine Welt, die auch die unsrige sanft hinterfragt.

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Seitenzahl: 214

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Reihe Der Weg nach Eutopia

Zehn Planeten, zehn unterschiedliche Stämme: Alles scheint friedlich und geordnet. Bis der Stamm der technisch versierten Katter die Macht ergreift. Eine rasante Entwicklung nimmt ihren Lauf, die Katter setzen ihre Vorstellungen von einem ‚Wir‘ rücksichtlos durch. Bald herrschen sie nicht nur über das Versum, sondern auch über den ‚Anderen Raum‘. Doch es gibt Außenseiter, die ihre Träume und Freundschaften bewahren wollen, sie suchen nach einem anderen Weg. Können sie bestehen? Und gibt es ein Entkommen aus dem schwarzen Ring?

Band 1 Luno

Luno, ein junger Novani, wurde auf den Planeten der Trejaner verschleppt. Dort muss er seine Identität verbergen, denn Novanis werden geächtet. Kaum hat er sich aus seiner Verzweiflung herausgekämpft, gerät er unter den Einfluss eines manipulativen Katter …

Inhalt

Einführung

Hoffnungslos

Geschenke

Der weiße Katter

Die Frequenz der Unglücklichen

Fendri

Zusammen

Zuordnungen

Triumvir-Rat

Das Geheimnis des weißen Katter

Frevel

Die Sieche

Florinas Komkatt

Ars Ka-Tan-Di

Viele Vollmonde später

Explosionen

Funkstille

Die Novanis treffen ein

Willkommen?

Der Ring schließt sich

Erster Schnee

Namen

Solaria

Die Zeronier

Wirre Träume

Kloris

Die Reise auf den Gemeinschaftsplaneten

Lunis

Unser aller Anfang

Tausch und Tala

Klurinal

Der Schafsprozess

Digitt

Medizin

Packt das Pack

Nachmachverbot und Ideenbesitz

Unter-Nehmen und Steuerungen

Einflüsterungen

Mondgestalter

Er-Ziehung

Retter des Versum

Das Fazit der Fedrigen

Die Verschollenen

Luno erzählt

Das große Fest

Eine neue Zeit

Schlaflos

Flora

Sinnlos

Lunaflora

Lunfoiras Erinnerungen

Vom Wünschen

Einführung

In einem weit entfernten Versum kreisen zehn Planeten um eine Sonne. Nicht alle dieser Planeten sind rund, doch alle sind umhüllt von einer fast durchsichtigen kugelförmigen Schutzblase, die sich um ihre Atmosferen schmiegt. Die Bewohner dieses Versums nennen sich Versaner. Es gibt zehn Stämme, jeder Stamm lebt auf einem eigenen Planeten. Die Namen der Planeten entsprechen den von den Stämmen verehrten ‚Großheiten‘ oder einem ihnen wichtigen Prinzip.

Versaner sind den Menschen ähnlich. Ihre Sinnessysteme sind jedoch teils spezialisierter, teils ‚gesamtleiblicher‘. Ihre körperliche Substanz ist für andere Elementarteilchen durchlässig als für Menschen. Daher können sie auf andere Weise Energie gewinnen und Nachwuchs erwünschen. Manche der Stämme unterscheiden zwischen männlichen und weiblichen Wesen, andere nicht.

Auf jedem Planeten herrschen spezifische Lebensbedingungen. Die jeweiligen Bewohner weisen typische Merkmale auf, wenngleich natürlich in individueller Ausprägung. Nachfolgend eine Kurzübersicht.

Der Planet Solaria steht der Sonne am nächsten. Er dreht sich nicht um sich selbst. Auf der einen Hälfte ist immer Sommer, auf der anderen Seite ist immer Winter. In einem schmalen Übergang liegen Frühling und Herbst. Auf Solaria lebt der Stamm der Novanis. Novanis sind dünn, dunkel, eine Feder wächst aus ihrem Kopf. Sie nähren sich von Sonnenlicht und lieben Pferde. Gerne spielen sie Ball, lesen oder schreiben. Lügen mögen sie nicht.

Lemniskate rotiert in wechselnder Geschwindigkeit in alle Richtungen um sich selbst. Es ist immer warm. Das Wetter ist unbeständig, nur Kakteen und zähe Gräser gedeihen. Zwei Monde kreisen unregelmäßig, es gibt keinen festen Tag-Nacht-Rhythmus. Auf Lemniskate leben die Okter. Sie sind hellbraun und rundlich und gewinnen Energie, indem sie ihre innere Lemniskate in Schwingung versetzen. Sie haben Hunde und widmen sich am liebsten dem Naturwissenschaffen.

O-Ton ist klimatisch und landschaftlich am abwechslungsreichsten. Es gibt grüne Hügel, Wälder und Seen, Berge und eine Wüste. Auf O-Ton leben die Septemer. Sie sind schlank, ihre Haare sind voll. Sie haben sieben Finger an jeder Hand und sieben Zehen an jedem Fuß. Ihr Leib ist ein Klangkörper. Sie nähren sich durch Töne und Klänge, sie singen und machen Musik.

Lignum ist rundum bewaldet. Es regnet häufig und ist kühl. Auf Lignum leben die Seisonen. Sie sind sehr groß, untersetzt und kräftig. Ihre Haare sind dicht, die Farbe variiert wie bei ihren Augen. Sie nähren sich vom Saft der Bäume, dem Lakrum. Bäume fällen und Kämpfen sind ihre Hauptbeschäftigungen.

Radix kreist im Windschatten von Lignum. Er ist durchlöchert und durchzogen von Wurzeln. Er ist der Planet der Gräser und Sträucher. Auf Radix leben Schafe und die Faiwer. Ihre langen Haare sind wirr, ihre Finger und Zehen gewunden. Sie laufen gebeugt, geradeaus gehen ist ihnen nicht möglich. Sie nähren sich von Beeren, flechten, weben und verehren ihre Großheit, die ebenfalls Radix heißt.

Mosaika besteht aus Kuben und Quadern. Hier leben die Katter. Sie sind blass, kantig, haarlos und stabil gebaut. Mund und Gliedmaßen sind dünn. Sie sind technisch sehr versiert und können aus vielerlei Energie ziehen. Ihre Lieblingsfarbe ist rot, viel mehr geben sie offiziell nicht bekannt.

Lunaflor ist der kleinste Planet und der einzige mit einem selbstleuchtenden Mond. Er ist flach, an den äußeren Enden leicht nach unten gewölbt, und übersät von Blumen. Seine dunkle Atmosfera schirmt ihn von der Sonne ab. Auf Lunaflor leben die Trejaner. Sie sind klein, bleich und rundlich. Ihr Äußeres wechselt mit den Mondphasen. Ihre Haare sind staubfein, die Augen groß und rund, ohne Weiß. Sie trinken Mondlicht und den Duft der Blumen. Ihre Katzen sind schwarz.

Ludofluid ist geformt wie eine langgezogene Schale. Der Planet schaukelt und schwankt, Wassa schwappt hin und her. Verschiedenartige Inseln tauchen auf und verschwinden wieder. Auf Ludofluid leben die Twajis. Sie sind schlank, lockig, eher hell und extrem beweglich. Jeder von ihnen trägt einen Luden (eine Schlange) mit sich herum. Für die Energiegewinnung lassen sie Wassa durch sich fließen. Spiel, Spaß, Tanzen und Schönsein bestimmen ihr Dasein.

Formicula ist eine Scheibe, grau und kalt. Außer einigen Bäumen und kurzem Gras wächst nichts. Auf Formicula leben die Unis. Unis sind groß, schlank und zäh. Augen und Haare sind tiefschwarz, zwei feine Fühler ragen aus dem Kopf. Unis gewinnen Energie, indem sie sich als Einheit zusammenschließen, oder sich vom Saft ihrer Emsen (Ameisen) nähren. Sie bauen, transportieren und dienen dem Prinzip der großen Emse.

Furio kreist am äußersten Rand des Versum und ist daher nicht auf der Karte verzeichnet. Der Planet besteht nur aus Vulkanen, die Atmosfera ist schweflig. Auf Furio leben die Zeronier. Sie sind kompakt und kräftig, die Farben von Haaren, Leib und Augen wechseln zwischen dunkel- und flammenfarbig. Sie nähren sich von flüssiger Lava. Jeder von ihnen ist mit einem Drachen verbunden. Wenn die Zeronier nicht kämpfen, langweilen sie sich. Die anderen Versaner fürchten sich vor ihnen.

Die Bewohner des Versum können nicht auf andere Planeten reisen. Sie begegnen sich auf dem sogenannten Gemeinschaftsplaneten. Dieser ist jedoch kein Planet, sondern ein mehr oder weniger substantieller, geistig verdichteter Raum. Er wird auch als der ‚Andere Raum‘ bezeichnet. In diesen gelangen die verschiedenen Stämme mit ihren ‚Flugobjekten‘.

In der Reihe ‚Der Weg nach Eutopia‘ begleiten wir einige liebenswerte Außenseiter durch die Herrschaftszeit der Katter, das Verum.

In diesem Band erzählen wir die Geschichte von Luno, einem jungen Novani, der auf den Trejaner-Planeten verschleppt wurde.

Hoffnungslos

»Du heißt fortan Luno«, hatte Lunis ihm eingeschärft. »Rühr dich nicht vom Fleck und verbirg dein Gesicht unter der Kapuze. Schau niemanden an, das Weiß in deinen Augen ist auffällig. Es macht uns Angst, wir haben so etwas nicht. Und sprich nicht. Niemand darf erfahren, dass du ein Novani bist.«

Der Planet der Trejaner war flach. Es gab nur wenige Erhebungen, kleine Hügel mit sanft gerundeten Kuppen. Die Trejaner empfanden sie als Störung und nannten sie ‚Beulen‘. Sie blendeten sie in ihrer Wahrnehmung aus und schlugen einen weiten Bogen um sie. Niemand wäre auf die Idee gekommen, eine Beule hinaufzusteigen. Es galt als vermessen, sich zu erhöhen. Zudem kannten die Trejaner es nicht, eine sogenannte Aussicht zu genießen. Am liebsten schauten sie auf, zu ihrem selbstleuchtenden Mond Lunaflor, dem Namensgeber des Planeten.

Es war zwei Mondzyklen her, dass Luno auf eine Beule gebracht worden war. Seitdem saß er da, alleine und weit weg von seinem Heimatplaneten Solaria. Der schwarze Kapuzenumhang, den Lunis ihm gegeben hatte, kam ihm vor wie eine leere Hülle, wie ein fremder Kokon, den er niemals ausfüllen würde. Das Mondlicht nährte ihn nicht gut, vermutlich würde er hier weder wachsen noch zu Kräften kommen. Es war ihm gleichgültig. Schwer drückte ihn die dunkle Atmosfera nieder, drang in jede Zelle seines Leibes, lähmte alle Gedanken und Bewegungsimpulse. Keine Sonne, nirgends und nie.

Schon wieder verloren seine Hände den Halt und glitten von den Knien. Sie bleichten aus. Auch seine inneren Bilder von Solaria verblassten, verloren sich in dem düsteren Gewölbe, das die dichte Hülle des Planeten bildete. Oben, an der höchsten Stelle, klebte der Mond. Er war immer rund. In gleichmäßigem Rhythmus nahm er von außen ab, verschwand, und nahm von innen wieder zu.

Heute hatte er seine volle Größe erreicht. Silberweißes Licht ergoss sich über die weite Ebene, auf der unzählige Gestalten in Dreiergruppen wandelten und tanzten, als folgten sie einer unhörbaren Melodie.

Für Luno sahen alle Trejaner gleich aus. Sie trugen sämtlich schwarze Kapuzenumhänge. Ihre Gesichter glänzten hell bei Vollmond, schimmerten matt bei Halbmond und waren fast unsichtbar bei Leermond. Auch die Augen veränderten sich mit dem Licht, und sogar die Stimmen passten sich an, je nach Mondphase klangen sie höher oder tiefer. Nur Lunis, Lunar und Lunix konnte er bisher wiedererkennen. Sie strahlten Autorität aus und waren die einzigen, die sich um ihn kümmerten.

Lunos Blick verlor sich im Dämmerlicht, strich über die tanzenden Gestalten, über weiches Gras und über Blumenwiesen …

Blumen, Blumen, Blumen. Hohe und niedrige, breite und schmale, zarte und kräftige, einfarbige und mehrfarbige, blaue, rote, orangene, gelbe, lila- und rosafarbene … Nur weiße gab es nicht.

Ein leichter Wind lief in Wellen über sie hinweg, die weit geöffneten Blüten flimmerten und fluoreszierten. Die fast transparenten Blütenkelche, in denen die Trejaner in den Anderen Raum flogen, waren hingegen kaum zu erkennen. Kreisförmig angeordnet lagen sie auf einer runden Fläche kurzen Grases. Sie hoben immer seltener ab, ohne Erlaubnis der Katter war der Gemeinschaftsplanet niemandem mehr zugänglich.

Nein, er würde es niemals schaffen, in einem der Kelche zu fliehen. Zumal nur Trejaner ihre Flugobjekte aktivieren konnten, und dies nur zu dritt. Luno wusste nicht, wie sie es machten, obwohl er es schon einige Male gesehen hatte. Vielleicht war es ein spezieller Gesang oder eine bestimmte Bewegung, vielleicht war es Wille und Vorstellung. Jedenfalls ging es schnell. Die kleinen Blütenblätter, noch flach auf dem Boden liegend, wuchsen in die Länge, die Reisewilligen begaben sich in deren Mitte. Dann klappten die Blätter hoch, der Kelch färbte sich ein und schwebte leuchtend auf.

Wenn ihn doch jemand mitnehmen würde. Aber er hatte die Drohungen noch im Ohr. Sie würden ihn als Novani erkennen und ihn irgendwo im Versum aussetzen, auf ewig würde er in unendlicher Leere umhertreiben … Und selbst, wenn die Trejaner sich seiner erbarmten, wie sollte er den Weg nach Solaria finden? Es war hoffnungslos.

Das Flimmern der Blumen intensivierte sich, Luno schloss die Augen. Erst in der Neumondzeit erlosch jegliches Licht. Dann schliefen die Trejaner, nur die schwarzen Katzen streiften umher mit funkelnden Augen. Auch Luno konnte gut im Dunkeln sehen. Aber nicht einmal die tiefste Finsternis auf Lunaflor bot ihm Trost. Nichts an ihr erinnerte an die Dauernacht von Immerwinter, an die Geborgenheit im Rieseln des Schnees.

Zwei weitere Mondzyklen verstrichen, alles verschwamm in ereignislosem Nebel. Lunis hatte ihn irgendwann an einen anderen Platz getragen. Hier ragten hohe Blumen auf wie ein Wald, nur von einer Seite aus war das Versteck einsehbar.

Einige Armlängen hinter ihm saß jemand, regungslos wie er selbst. Umso lebhafter sprang eine Katze umher. Sie war winzig und schwarz und schnurrte laut.

»Bleib immer in Floras Nähe«, mahnte Lunis ihn stets, wenn er vorbeikam. »Aber lass sie unbedingt in Ruhe. Sie ist stumm und sehr scheu.«

Luno wäre es ohnehin nie eingefallen, sich zu ihr umzudrehen. Floras Anwesenheit war wie die Schatten, die das Mondlicht warf, und wie die Schatten in seinem Inneren. Diese wuchsen und wuchsen, umschlangen ihn, krochen in ihn hinein … Geduldig wartete er, dass er sich in ihnen auflösen würde.

Doch noch vor dem nächsten Vollmond geschah etwas, das das Leben auf Lunaflor von Grund auf veränderte. Etwas Fremdes durchdrang den Schutzschild des Planeten.

Geschenke

Ein leises Summen schwoll an. Unzählige weiße, im Mondlicht erglänzende Kästen schwebten herab. Kurz über dem Boden öffneten sich an ihrer Unterseite große Klappen, tausend kleine und große Gegenstände prasselten auf den Boden. Dann stiegen die Kästen wieder auf und verschwanden.

»Es sind die Geschenke der Katter!«, riefen die Trejaner, denen vor kurzem Zugang zum Gemeinschaftsplaneten gewährt worden war. »Die neuen Kommunikationsgeräte, Komkatts! Greift zu!«

Die Trejaner, die entsetzt die Hände vor die Augen geschlagen hatten oder panisch umhergerannt waren, hielten inne. Bald begannen sie zu untersuchen, was vom Himmel gefallen war.

In Lunos Umkreis waren keine Geschenke gelandet. Teilnahmslos nahm er durch die Lücken im Blumenwald wahr, wie die Trejaner sich immer gieriger auf die Geräte stürzten und sie sich gegenseitig aus den Händen rissen. Lunis, Lunar und Lunix versuchten zu beschwichtigen. »Streitet euch nicht, es sind genug für alle da …«

Hier und da wurden rechteckige Gebilde hochkant aufgestellt. Sie waren so groß und breit wie ein ausgewachsener Trejaner, die obere Hälfte spiegelte matt. »All-Komkatts, jedermann zugänglich«, schnappte Luno auf. Komkatts … Irgendwann hatte er schon einmal davon gehört. Bloß nicht daran denken.

Allmählich kehrte Ruhe ein. Die meisten Trejaner hatten sich gesetzt und tippten unter staunenden Ohs! und Ahs! auf ihren Geräten herum.

Lunis stapfte an Luno vorbei. »Komkatts laden sich während des Gebrauchs von selbst auf«, erzählte er, während er Flora ein armlanges, aufklappbares Exemplar überreichte. »Sie funktionieren auch unter Extrembedingungen, ermöglichen planetenübergreifende Kommunikation in Ton und Bild und übersetzen dabei in alle Sprachen.« Er beugte sich herab und flüsterte Flora etwas ins Ohr, einmal, zweimal, dreimal. Dann wandte er sich an Luno. »Dir kann ich leider kein Gerät geben. Und die All-Komkatts sind für dich tabu.«

Die Hoffnung, die jäh in Luno aufgeflammt war, erlosch. Doch gleich darauf blitzte sie wieder auf. Noch während Lunis davonschritt, huschte eine kleine, dunkelgekleidete Gestalt zu ihm hin, ließ etwas fallen und verschwand wieder. Flora …

Luno atmete tief durch. Energie durchflutete ihn, als hätte er sich endlich für den Empfang des Mondlichts geöffnet. Seine Finger vibrierten. Langsam zog er das Komkatt zu sich heran und klappte es auf. Es gab Tasten und eine handtellergroße Schaltfläche, er fand sie einfach zu bedienen. Intuitiv steuerte er einen Pfeil auf eine blaue Blumenknospe, das größte der zahlreichen Symbole. Sie öffnete sich wie eine Blüte bei Vollmond und gab ein Lernprogramm frei: Das trejanische Alphabet, trejanische Begriffe und Redewendungen, mitsamt Bebilderung, Aussprachehilfen, Übersetzungen und Erläuterungen in mehreren Sprachen. Sogar Novanisch war dabei.

Das war nicht das, wonach er suchte. Nachdrücklich schloss er die Blüte wieder. Welches der anderen Symbole mochte wohl für die planetenübergreifende Kommunikation stehen?

Er fand es nicht heraus. Es geschah immer das Gleiche. Egal, was er anklickte, ein leeres Feld legte sich darüber und blinkte. Er kam einfach nicht weiter. Flora zu fragen war ausgeschlossen. Genauso wenig, sich heimlich zu einem All-Komkatt zu schleichen.

Die vertraute Lähmung stieg in ihm auf. Gleichzeitig leuchtete ihn die blaue Knospe an, als würde sie ihn auffordern, sie erneut zum Blühen zu bringen.

Gequält wandte er den Blick ab. Damals, vor seiner Novizen-Prüfung, hatte er sich auf alles Trejanische gestürzt und stets ein Wörterbuch mit sich herumgetragen. Er hatte von Lunaflor geträumt und fantasiert, das Unmögliche wahrzumachen und seinen Sehnsuchtsort zu besuchen. Aber das war lange her, eine fahle Erinnerung aus einem vergangenen Leben.

Er rang mit sich. Zum ersten Mal war er aus seiner Betäubung erwacht und in der Lage, eine Wahl zu treffen. Wenn er sich erneut den Schatten überließe, wäre es unwiderruflich. Er hätte sich bewusst entschieden, niemals nach Solaria zurückzukehren, niemals mehr seinen Freund zu sehen und keinen einzigen seiner Stammesgenossen. Verzichtete er aber auf den Schutz der Schatten, drohten Schmerz und Sehnsucht ihn zu verzehren. Es sei denn, er könnte sich davon ablenken und durchhalten, bis sich ihm eine neue Chance bot …

Anfangs brauchte er nach jeder Vokabel eine Pause. Dann nach jedem Satz. Er vergaß alles, verbissen begann er immer wieder von neuem. Nach und nach fand er den Zugang zu seiner Konzentrationsfähigkeit. Von da an lernte er wie ein Besessener, bei Vollmond, bei Halbmond, bei Neumond. Lunis schien nichts zu bemerken.

Der weiße Katter

Floras Katze umstrich ihn schnurrend, als wollte sie ihn beruhigen. Luno starrte auf das leere Display. Das Trejanisch-Programm war wie von Zauberhand verschwunden. Stattdessen blickte ihn ein Gesicht an. Es sah aus wie das seines besten Freundes.

Wie er ihn vermisste …

Sicher war es eine Illusion. Luno kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. Das Gesicht war immer noch da. Irgendetwas stimmte damit nicht. Er veränderte den Blickwinkel. Da! Kurz vermeinte er, hinter dem Trugbild eine weiße Kapuze zu erkennen, tief hinuntergezogen über einem fast farblosen, kantigen Gesicht. Ein Katter! Oder doch nicht? Trugen sie nicht alle Rot?

»Ich fühle mich schrecklich einsam«, begann es sanft zu sprechen, in fließendem Novanisch. »Und ich habe solches Heimweh.«

Die Stimme klang so vertraut, das Gesicht seines Freundes lächelte ihn so freundlich an. Luno wurde ganz weich zumute. Wo bist du?, wollte er fragen. Wie geht es dir? Doch als seine Zunge sich löste, erzählte er nur von seinem Leid und seiner Sehnsucht, er kam einfach nicht dagegen an. Ab und zu gelang es ihm, die Lippen fest aufeinanderzupressen, dann sagte sein Gegenüber etwas Einfühlsames. Luno wurde immer panischer. Schließlich fuhren seine zitternden Hände unter die schwarze Kapuze und strichen wieder und wieder über seinen Kopf.

»Lass das«, sagte die Stimme, nun in kaltem Ton. »Es ist doch alles längst verheilt. Höher entwickelte Wesen brauchen weder Federn noch Haare. Steh auf. Du hast eine Aufgabe zu erfüllen.«

Luno machte eine abwehrende Geste und rutschte auf seinem Platz herum, um Flora abzuschirmen.

»Ich passe gut auf sie auf«, versicherte die Stimme. Die weiße Kapuze war nun deutlich zu erkennen. »Nun steh schon auf. Sieh dich um. Ich möchte wahrnehmen, was du durch deine Augen empfängst. Stell sie schärfer! Was guckst du so verschwommen?«

Etwas zog an ihm, bis er sich erhob. Luno wurde ganz steif. Ein fremder Wille flutete ihn, und er fühlte sich völlig machtlos.

»Gewöhn dich daran«, meinte die Stimme. »Alle Wesen sind nützliche Verlängerungen unserer Gliedmaßen und Sinnesorgane, wie Werkzeuge. Eines Tages werden sie alle von jedem für jeden jederzeit nutzbar sein. Dann bilden wir eine Einheit und gestalten die beste aller Welten. Bis dahin weisen wir euch den richtigen Weg.«

Langsam bewegte Luno sich auf Lunis, Lunix und Lunar zu. Mit jedem Schritt wurden seine Beine schwerer und zittriger. Mehrmals geriet er ins Taumeln und stieß gegen dicke Blumenstängel, manche waren so hart und rau wie Baumstämme. ›Kopf hoch, nimm den Kopf hoch!‹, tönte es in ihm. ›Und öffne deine Ohren … Was planen die drei, was wünschen sie sich, womit sind sie unzufrieden?‹

Lunis erkannte das Flehen in seinen Augen. Kurz schöpfte Luno Hoffnung, doch dann sagte Lunar: »Solltest du nicht bei Flora bleiben? Hast du Schmerzen? Na gut, setz dich eine Weile zu uns.«

Der weiße Katter blendete sich von nun an täglich ein. Er ließ Luno erzählen und ein wenig herumlaufen, schickte ihn allerdings nicht mehr zu Lunis und dessen Freunde. Mehr und mehr schimmerte sein eigentliches Gesicht durch, immer häufiger sprach er dünnlippig in seiner eigenen Stimme, die ein wenig blechern klang. Er schob seine Kapuze höher, sodass Luno seine Augen erkennen konnte. Die Farbe war jedes Mal eine andere.

Die Frequenz der Unglücklichen

Trotz der Unterbrechungen durch den Katter kam Luno in seinem Trejanisch-Programm zügig voran. Sogar die Lektionen für Fortgeschrittene hatte er schon durchgearbeitet, es blieben nur noch die Übungen auf höchstem Niveau. Sie fielen ihm schwer, denn es gab keine Übersetzungen dazu. Doch noch schwerer fiel es ihm, nicht laut zu sprechen. Sicher würde sein Akzent ihn verraten … Ob Flora ihn hörte, wenn er versehentlich vor sich hinmurmelte?

Er zuckte zurück. Ein neues Symbol ploppte auf dem Komkatt auf, ein quadratisches Mosaik, bestehend aus rot-weißen Feldern. Es war reiner Zufall, dass er herausfand, wie er es öffnen konnte. Viermal antippen, jeweils auf ein anderes Feld …

Unleserliche Zeichen tanzten über den Bildschirm, sie schienen ständig die Schrift zu ändern. Jetzt stoppte das Programm, Luno erkannte trejanische Buchstaben. Sie flimmerten, wechselten ins novanische Alphabet und sprangen wieder zurück. Schließlich standen beide Versionen untereinander.

‚Kattarisch – Sprache und Schrift der Katter‘, las Luno. Dankbar nahm er das Angebot an. Alles war besser, als wieder in Untätigkeit zu versinken.

Kaum hatte er sich eingearbeitet, fragte der Katter ihn schon ab. »Und, was bedeutet Kakatara?«

»Ka-ka-ta-ra?«, stotterte Luno. »Es bedeutet: Ich bin ein Katter.«

»Sehr gut«, lobte der Katter. »Weiter so. Sobald du die fünfte Lektion beherrschst, schalte ich dir die Frequenz der Freundschaft frei. Manche nennen sie auch die Frequenz der Unglücklichen. Denn auf dieser Frequenz kannst du alle Versaner erreichen, die unglücklich sind und sich nach Freundschaft sehnen, auf allen Planeten. Ein automatisches Übersetzungsprogramm ist integriert, wenngleich in vereinfachter Form. Seisonen kennen unzählige Begriffe für Holz, Zeronier haben 80 Begriffe für Feuer … Alles überflüssiger Schnickschnack.

Du kannst auf der Frequenz sowohl geistig als auch laut sprechen, so wie mit mir. Du musst dich nur in eine Frage oder in einen Wunsch hineinvertiefen und warten. Je präziser deine Vorstellung, deine Frage oder dein Wunsch ist, desto wahrscheinlicher kommt eine Antwort. Hast du einen gewünschten Kontakt hergestellt, speicherst du ihn ab. Hast du dich verwählt, wehrst du dein Gegenüber mit einer entschiedenen geistigen Geste ab oder schaltest das Komkatt aus.«

Luno bebte vor Aufregung. Endlich eröffnete sich ihm eine Möglichkeit, seinen Freund zu erreichen. Er sog die Kattarisch-Lektionen auf wie ein Schwamm. Nach vier Tagen konnte er sie auswendig.

Fendri

›Wo bist du? Geht es dir gut?‹

Luno füllte alle Fasern seines Seins mit der Sehnsucht nach seinem Freund, seine sorgenvolle Frage leuchtete wie in goldener Schrift. Er lauschte, bis es ihm in den Ohren brauste.

Plötzlich schien sein Gerät zu rauchen, zu zischen und zu brodeln. Erschrocken wich er zurück. War die Frequenz gestört? Augenblicke später wurde das Bild klar und er erkannte einen jungen Zeronier, der in flüssiger Lava badete und ein kleines Komkatt in der Hand hielt. Feurige Blasen umschwebten ihn.

»Sieh an, ein Trejaner!«, meinte der Zeronier lässig. »Oder doch nicht? Du ähnelst eher einem Novani. Aber das kann ja nicht sein. Die Verbindungen zu Solaria sind alle gekappt.«

»Sieh an, ein Zeronier«, erwiderte Luno perplex. »Wie ist das möglich? Und woher hast du ein Komkatt?«

»Wir haben Berge davon!«, prahlte der Zeronier. »Natürlich alle geklaut.«

Sie musterten sich eine Weile.

»Du bist unglücklich«, stellte Luno fest.

Die Feuerblasen des Zeroniers platzten. »Falsch«, erwiderte er. »Ich bin sehr zufrieden. Ich kann auf meinem Drachen fliegen und ich kann Feuerblasen machen.«

»Du lügst«, sagte Luno streng. »Zeronier lügen immer. Du magst einen Drachen haben, aber du bist allein und traurig.«

»Du bist hier der Lügner, denn du gibst dich als Trejaner aus, bist aber keiner.«

Luno schlug die schwarze Kapuze zurück, neigte den kahlen Kopf und hielt seine Narbe ins Bild. »Du hast recht. Ich bin ein Novani. Die Katter haben mich vor einiger Zeit gefangen genommen. Sie haben mir meine Haare entfernt, meine Feder herausgeschnitten und mich auf den Trejaner-Planeten verbannt.«

»Die verdammten Katter! Sie sind an allem schuld. Ich bin auf deiner Seite. Was willst du von mir?«

»Ich vermisse meinen besten Freund. Wir sind zusammen auf den Gemeinschaftsplaneten gereist, aber ich weiß nicht, ob er es nach Solaria zurückgeschafft hat. Das war kurz vor dem großen Fest. So sieht er aus.« Luno stellte die schärfste geistige Vorstellung von seinem Freund in den Vordergrund.

»Das große Fest«, murmelte der Zeronier. »Da ging es los. Seitdem sind alle komplett durchgedreht. Die großen Zeronier liefern den Katter unser Gestein und bauen an einem schwarzen Ring, der Ur-Null. Furio bläht sich auf … Alles wird hineingehen, alle Planeten, alles.«

»Hilf mir«, drängte Luno. »Mein Wunsch hat mich sicherlich nicht zufällig zu dir geführt. Was weißt du von meinem Freund?«

»Hm. Was habe ich davon, wenn ich es dir verrate?«

»Meine tiefste Dankbarkeit und Verbundenheit.«

Der Zeronier lachte auf. »Diese Novanis, immer edel und ehrlich. Was hast du noch zu bieten?«

»Ich kann für dich da sein, auf dieser Frequenz, wann immer du willst. Und dir sagen, dass du sehr schöne Feuerblasen machst. Das kann keiner außer dir, nicht wahr?«

Der Zeronier schien unschlüssig. »Ruf mich morgen wieder an«, sagte er und schaltete das Komkatt aus.

Es war so lang hin bis morgen. Wann war das überhaupt? Er konnte nur die groben, nicht aber die subtilen Veränderungen von Mond und Blüten erfassen. Morgen …

Luno starrte auf die vier winzigen Ziffern im unteren Eck des Displays. Eine davon zählte hoch, bis die nebenstehende umsprang, dann begann sie von vorne. Das musste die kattarische Uhr-Zeit sein. Er klickte sie an, und tatsächlich ploppte eine Erklärung auf. Der Tag begann morgens mit vier Einsen … Jetzt gerade zeigte die Uhr folgende Ziffern an … Luno rechnete, verzählte sich, schweifte ab.

Schließlich hatte er es raus und wechselte zum Wörterbuch, um die Zeit zu überbrücken. Die Katter kannten kein Wort für Warten, stellte er verwundert fest. Sie nannten Warten Ka-Do-Tan-Di, was so viel bedeutete wie: Kann ich das eine nicht tun, tue ich etwas anderes Sinnvolles.

Eins, eins, eins, eins. Es war so weit. Luno tippte auf die abgespeicherte Verbindung. Nichts. Nicht am Vormittag, nicht am Mittag, nicht am Nachmittag. Vor Erschöpfung schlief er fast ein. Endlich knisterte es im Komkatt und eine blaue Feuerblase schwebte ihm entgegen.

Der Zeronier wirkte ausgesprochen gut gelaunt. »Den ganzen Tag hat mein Komkatt Rauchzeichen gemeldet! Und jetzt sag das mit den schönen Feuerblasen.«

Luno rang sich ein Lächeln ab. »Du bist der einzige Zeronier, der Feuerblasen machen kann. Du machst sehr schöne Feuerblasen. Du verstehst etwas vom Feuer.«

Der Zeronier schnurrte jetzt wie Floras Katze. »Du sprichst die Wahrheit, denn du bist ein Novani und Novanis lügen nicht. Morgen erzähl ich dir, was ich weiß.«