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Das Kultbuch des renommierten Nationalökonomen und intellektuellen Gegenspielers von John Maynard Keynes. "Selten schafft es einmal ein Ökonom, mit einem Buch das breite Publikum aufzurütteln. Eine große Ausnahme bildet ›Der Weg zur Knechtschaft‹, jenes legendäre Buch des späteren Nobelpreisträgers Friedrich A. v. Hayek […]. Ein Jahr vor Kriegsende popularisierte Hayek damit im Londoner Exil seine in den zwanziger und dreißiger Jahren gewonnenen Überzeugungen, vor allem die These, dass jeder Planwirtschaft eine Tendenz zum Totalitarismus innewohnt und dass es keinen Mittelweg zwischen Sozialismus und Marktwirtschaft geben kann. ›Der Weg zur Knechtschaft‹ hat zentrale Bedeutung für jene Ideen, die man heute, leicht missverständlich, als ›Neoliberalismus‹ bezeichnet; die Überzeugung, dass ökonomische Probleme am besten über freie Märkte gelöst werden sollen und der Anteil des Staates zurückgeführt werden sollte. Einprägsam besonders Hayeks Begründung, warum Planwirtschaft und Demokratie nicht zusammenpassen."
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Seitenzahl: 448
Friedrich A. Hayek
Bibliografische Informationder Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-95768-127-0
1. Neuauflage 2014 als OLZOG editionzum 70-jährigen Erscheinender englischen OriginalausgabeThe road to serfdom im Jahr 1944.
© 2014 Lau-Verlag & Handel KG, Reinbek/MünchenInternet: www.lau-verlag.de
Frühere Ausgaben sind erschienen im Verlagmoderne Industrie München/Landsbergund im OLZOG Verlag, München
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Umschlagentwurf: Atelier Versen, Bad AiblingSatz: Fotosatz Huber, Germering
Die Herausgabe dieses Buches wurde gefördert durch die
Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft
Den Sozialisten inallen Parteien
Vorwort zur Neuauflage 2014von Prof. Dr. Gerd Habermann
Einführung zur Neuauflage 1990von Dr. Otto Graf Lambsdorff
Vorbemerkung des Verfassers zur Neu-Herausgabe 1971
Einleitung
Erstes Kapitel: Der verlassene Weg
Der menschliche Wille hat die gegenwärtige Welt geformt – Die individuelle Grundlage der modernen Kultur – Der Liberalismus als eine entwicklungsfähige Überzeugung – Aber er wurde in seiner Entwicklung unterbrochen und voreilig aufgegeben – Deutschland als Führer auf dem neuen Wege
Zweites Kapitel: Die große Illusion
Das sozialistische Versprechen einer neuen Freiheit – Der Bedeutungswandel des Wortes Freiheit – Die neue Gefahr – Die Utopie des demokratischen Sozialismus
Drittes Kapitel: Individualismus und Kollektivismus
Der Begriff des Sozialismus – Der Begriff der „Planung“ – Der Planwirtschaft ist nicht eine Laisser-faire-Politik, sondern eine rationelle Wettbewerbsordnung entgegenzustellen – Mischungen von Planwirtschaft und Wettbewerbswirtschaft sind schlechter als jede für sich
Viertes Kapitel: Die angebliche Zwangsläufigkeit der Planwirtschaft
Der Wettbewerb wird durch technische Umwälzungen nicht unmöglich gemacht – Die Ursachen des Monopolismus – Neue Probleme, zu denen die technischen Umwälzungen führen – Technische Möglichkeiten, die in einem Wettbewerbssystem nicht verwirklicht werden können – Das Verlangen nach Planwirtschaft ist weitgehend das Ergebnis engen Spezialistentums
Fünftes Kapitel: Planwirtschaft und Demokratie
Die zentrale Leitung des Wirtschaftslebens setzt einen umfassenden Wertkodex voraus – Individuelle und soziale Ziele – Einigkeit in bezug auf die Mittel und Uneinigkeit in bezug auf die Ziele – Mit wachsender Staatstätigkeit verringert sich die Möglichkeit der Übereinstimmung – Die Illusion der demokratischen Überwachung – Das höchste Ziel ist die Freiheit und nicht die Demokratie
Sechstes Kapitel: Planwirtschaft und Rechtsstaat
Der Rechtsstaat – Formale und materielle Normen – Der Sinn des Rechtsstaates – Der Widerspruch zwischen formaler und materieller Gleichheit – Die neue Gefährdung des Rechtsstaates – Rechtsstaat und Menschenrechte
Siebentes Kapitel: Planwirtschaft und Totalitarismus
Politische und wirtschaftliche Freiheit – Die Verachtung für das bloß Ökonomische – Die Herrschaft über die Produktion verschafft die Herrschaft über die Konsumtion – Planwirtschaft und freie Berufswahl – Marktwirtschaft oder Kommandowirtschaft – Der Mythos von der Güterfülle – Die unerhörte Ausdehnung der totalitären Überwachung
Achtes Kapitel: Wer regiert wen?
Freiheit und Eigentum – Planwirtschaft und Einkommensverteilung – Gerechtigkeit in der Verteilung – „Gleichheit“ – „Gerechter“ Preis und „gerechter“ Lohn – Die widersprechenden Vorstellungen über die angemessene Stellung in der Gesellschaft – Der Sozialismus schmiedete die Instrumente des Totalitarismus – „Mittelstands“-Sozialismus – Die einander bekämpfenden Formen des Sozialismus
Neuntes Kapitel: Sicherheit und Freiheit
Die beiden Arten der Sicherheit – In einer freien Gesellschaft sind unverdiente Einkommensschwankungen unvermeidlich – Garantie einer bestimmten wirtschaftlichen Stellung ist nur in einer militärisch organisierten Gesellschaft möglich – Garantie der wirtschaftlichen Sicherheit der einen vermehrt die Unsicherheit der andern – Was das wachsende Verlangen nach Sicherheit bedeutet
Zehntes Kapitel: Der Triumph der menschlichen Gemeinheit
Die moralischen Wirkungen des Kollektivismus – Der niedrigste Generalnenner als Grundlage einer größtmöglichen homogenen Masse – Die partikularistischen Tendenzen des Sozialismus – Die Anbetung der Macht – Die sozialen Ziele rechtfertigen jedes Mittel – Drill des Bürgers durch den totalitären Staat – Die Führerauswahl
Elftes Kapitel: Das Ende der Wahrheit
Die Rolle der Propaganda – Das Volk muß dahin gebracht werden, sich nicht nur die der Planwirtschaft zugrunde liegenden Wertvorstellungen, sondern auch die Interpretation der darauf bezüglichen Tatsachen zu eigen zu machen – Einschmuggelung der neuen Werte unter dem Namen der alten – Totalität der Propaganda – Wahrheit und Denkfreiheit
Zwölftes Kapitel: Die sozialistische Wurzel des Nationalsozialismus
Die Sozialisten vollenden den Sieg des Antiliberalismus in Deutschland – Sombart – Plenge – Lensch – Spengler und Moeller van den Bruck – Der Sozialismus als Waffe gegen den liberalen Westen
Dreizehntes Kapitel: Die Totalitären mitten unter uns
Die Ausbreitung der deutschen Ideale – Historischer Realismus more teutonico – Totalitarismus und Szientismus – Monopole der Unternehmer – Monopole der Arbeiter
Vierzehntes Kapitel: Ideale und ihre materiellen Voraussetzungen
Die Ökonomophobie unserer Zeit – In einer freien Gesellschaft darf kein Alleinzweck dauernd alle andern verdrängen – Nicht einmal die Beseitigung der Arbeitslosigkeit – Die meisten unserer Hoffnungen sind nur bei schnellem wirtschaftlichen Fortschritt zu verwirklichen – Der Niedergang der politischen Ideale Englands
Fünfzehntes Kapitel: Ausblick auf die internationale Ordnung
Der Konflikt zwischen nationaler Planwirtschaft und internationaler Ordnung – Internationale Planwirtschaft ist politisch noch schwieriger als nationale – Sie führt zu geistigen Konflikten, die nur durch Gewalt zu entscheiden sind – Eine internationale Oberaufsicht kann nicht auf die wirtschaftliche Sphäre beschränkt bleiben – Notwendigkeit einer starken, aber in ihren Befugnissen begrenzten politischen Autorität über den wirtschaftspolitischen Instanzen – Die Vorteile des föderativen Prinzips – Der Gedanke des Rechtsstaates im internationalen Bereich – Die Gefahr, zu viel auf einmal zu wollen
Schluß
Literaturhinweise
Quellenangaben für die Mottos
Nachwort zur Neuauflage 2003von Prof. Dr. Peter Steinbach
Anmerkungen
Register
Von Prof. Dr. Gerd Habermann
Dieses „politische“ Buch Friedrich August von Hayeks – 1940–1943 konzipiert, 1944 in England mit sofortigem überraschenden Erfolg (bis Mai 1945 60.000 verkaufte Exemplare) publiziert, ist, von Hayek kaum erwartet, zum zeitlosen liberalen Klassiker avanciert, obwohl der „heiße“ Sozialismus, gegen den Hayek sich im Besonderen wendet, sowohl in seiner rechten als auch (seit 1989) in seiner linken Variante untergegangen ist. Im nationalsozialistischen Fall militärisch überwunden, im anderen ohne großes Blutvergießen aus innerer Untauglichkeit implodiert (wie von Mises und Hayek schon Jahrzehnte vorher vorausgesagt). Das Buch war ursprünglich England und dort den „Sozialisten in allen Parteien“ gewidmet. Es ist erstaunlich, dass diese Botschaft eines emigrierten deutschsprachigen Ausländers bei den Engländern dermaßen zünden konnte. Dies lag wahrscheinlich daran, dass seine ökonomisch-strukturellen Analysen den Kern dessen ansprachen, was auch das reformerisch-interventionistische Projekt des bis heute überlebenden Wohlfahrtsstaates ausmacht, den Hayek (1971) mit einem berühmten Zitat Tocquevilles charakterisierte:
„Nachdem der Souverän auf diese Weise den einen nach dem anderen in seine mächtigen Hände genommen und nach seinem Gutdünken zurechtgeknetet hat, breitet er seine Arme über die Gesellschaft als Ganzes aus; er bedeckt ihre Oberfläche mit einem Netz verwickelter, äußerst genauer und einheitlicher kleiner Vorschriften, die die ursprünglichsten Geister und kräftigsten Seelen nicht zu durchbrechen vermögen, um sich über die Menge hinaus zu schwingen; er bricht ihren Willen nicht, aber er weicht ihn auf und beugt und lenkt ihn; er zwingt selten zu einem Tun, aber er wendet sich fortwährend dagegen, daß man etwas tue; er zerstört nicht, er hindert, daß etwas entstehe; er tyrannisiert nicht, er hemmt, er drückt nieder, er zermürbt, er löscht aus, er stumpft ab und schließlich bringt er jedes Volk so weit herunter, dass es nur noch eine Herde ängstlicher und arbeitsamer Tiere bildet, deren Hirte die Regierung ist.“
Es steht nach Hayek zu befürchten, dass der wohlfahrtsstaatliche Weg am Ende die individualistische Freiheit überwinden wird, vermutlich als nicht gewolltes Resultat vieler Einzelinterventionen, auch ohne großen zusammenhängenden Gesamtplan. In dieser Diagnose folgt er seinem großen Lehrer Ludwig von Mises. Die herrschenden Ideale des „inkonsequenten“ Wohlfahrtsstaates sind ja im Grunde dieselben wie in den untergegangenen Totalitarismen: Das Ideal der „sozialen Gerechtigkeit“ etwa oder auch der „Gleichheit der Anfangsbedingungen“ und jener „Freiheit von Not“, das, durch den Staat garantiert, alle Bürger in die Knechtschaft führen muss. Man kann eben „arm“ und doch „frei“ sein und umgekehrt gut versorgt, aber unfrei. So ist der kümmerlich dahinlebende Almbauer gleichwohl „frei“, denn er hat niemanden über sich, der ihn willkürlich herumkommandieren kann. Ein gutversorgter Soldat oder Plantagenarbeiter kann gleichwohl „unfrei“, dem willkürlichen Kommando anderer unterworfen sein.
„Der Weg zur Knechtschaft“ zeigt die Sackgassen zeitgenössischen wirtschafts- und sozialpolitischen Denkens und die Illusionen eines demokratischen oder „freiheitlichen“ Sozialismus auf. Wie Hayek schreibt, „bedeutet die Herrschaft über die Mittel auch die Herrschaft über alle unsere (auch nicht-ökonomischen) Ziele.“ Das Buch ist das Präludium zu jenem Weg aus der Knechtschaft, den Hayek dann in seiner fundamentalen „Verfassung der Freiheit“ (zuerst 1960) und schließlich in seiner großen liberalen Utopie „Recht, Gesetz und Freiheit“ (zuerst 1982) beschrieben hat, zwei Werken, die bis heute nicht annähernd die Popularität von „Der Weg zur Knechtschaft“ erreicht haben.
Damals fand diese Publikation auch Beifall bei jenen, die in wichtigen Punkten seiner Philosophie nicht folgen konnten. Der Sozialist George Orwell etwa, der sich zweifellos von Hayek zu seinem berühmten „1984“ inspirieren ließ, aber vor einer Rückkehr zum freien Wettbewerb warnte. Dann auch sein großer Gegenspieler John Maynard Keynes, dessen interventionistische Ideale auch in der gegenwärtigen Schuldenkrise wieder triumphieren, wenigstens vorläufig. Keynes schrieb damals an Hayek: „Sie werden nicht von mir erwarten, dass ich alle ökonomischen dicta akzeptiere. Aber moralisch und philosophisch befinde ich mich in Übereinstimmung mit praktisch allem darin; und nicht nur in Übereinstimmung damit, sondern in einer tief bewegten Übereinstimmung.“
Joseph A. Schumpeter, mehr als Theoretiker der wirtschaftlichen Entwicklung denn als Prognostiker des Kapitalismus anzuerkennen, hielt unter souveräner Ignorierung der Argumente von Mises und Hayek zwar den Triumph des „sozialistischen Gesamtplanes“ für unvermeidlich, fand aber gleichwohl anerkennende Worte für den „Weg zur Knechtschaft“: „… ein mutiges Buch: Offenheit, die Verschleierung verachtet und niemals ein Blatt vor den Mund nimmt, ist sein hervorstechendes Merkmal von Anfang bis zum Schluss. Schließlich ist es auch ein faires Buch, das den Gegnern so gut wie nie etwas zuschreibt, das über intellektuellen Irrtum hinausgeht.“
„Der Weg zur Knechtschaft“ fand den Beifall von Ordoliberalen wie Walter Eucken und Wilhelm Röpke, dessen Frau Eva die deutsche Übersetzung besorgte. Im besiegten und besetzten Deutschland selbst durfte das Buch – mit Rücksicht auf die verbündeten Sowjets – zunächst nicht erscheinen. Es nahm so den Umweg über die liberale Schweiz, die derzeit in mancher Hinsicht wieder einer belagerten Festung gleicht.
In den USA machte besonders eine popularisierende Kurzfassung des Buches im „Reader’s Digest“ Furore. Hier erschien es sogar als eine Folge von Cartoons. Hayek inspirierte den Wahlkampf des britischen Kriegspremiers Winston Churchill (1945). Aber dieser unterlag mit Hayeks Argumenten gegen die Wucht des Linkspopulisten Clement Attlee, der dann mit seinen sozialistischen Experimenten den Grund zum Abstieg Großbritanniens legte (während der Hayek-Freund Ludwig Erhard den ökonomischen Wiederaufstieg (West-)Deutschlands möglich machte).
Hayek inspirierte in den 1970er- und 1980er-Jahren auch neoliberale Reformer wie Ronald Reagan oder Margaret Thatcher. Der Empfang des Nobelpreises 1974, ironischerweise zusammen mit Gunnar Myrdal, belebte das Interesse an ihm auch in Deutschland wieder. Entsprechend wurde sein Buch wieder und wieder aufgelegt (1971, 1976, 1981 und öfter). Auf der Liste des amerikanischen Internetbuchvertriebs Amazon steht das Buch bis heute an der Spitze der Sachbuchtitel. Es ist bisher in zehn Sprachen übersetzt worden.
Das annus mirabilis 1989 schien den endgültigen Triumph der Ideen und Analysen der „Wiener Schule“ der Ökonomie von Mises und Hayek zu bringen. Indessen zeigte sich, dass zwar der „heiße“ Sozialismus am Ende war, aber der creeping socialism des wohlfahrtsstaatlichen Leviathans dessen Katastrophe überdauern konnte. Die Konsequenzen dieses unglückseligen Experiments wurden allenfalls von den Austrian Economists in den USA gezogen, wo Hayek und Mises bis heute bekannter und anerkannter sind als in Deutschland (Mises-Institut in Auburn/Alabama). Dagegen griffen im befreiten Osteuropa viele Intellektuelle und auch einige Politiker wie Vaclav Klaus gern und dankbar nach Hayeks Schriften, beginnend mit dem „Weg zur Knechtschaft“, ja, das Buch avancierte dort zu einem Kultbuch.
Derzeit ist die individualistische Freiheit überall wieder in der Defensive. Aber die durch ein falsches Geldsystem (staatliches Papiergeldmonopol) verursachte weltweite Schuldenkrise rüttelt doch zunehmend an den Festen wohlfahrtsstaatlichen Denkens. Nur eine Besinnung auf die Lehren der österreichischen Schule zeigt Auswege, die mit dem Ideal der Freiheit vereinbar sind. Schon 1977 schrieb Hayek vorausahnend sein Buch „Die Entnationalisierung des Geldes“, wo er sich für Freihandel auch in den Währungen einsetzte, um Krisen dieser Art in Zukunft zu erschweren. Aber dieses Buch blieb bis heute wenig rezipiert. Immerhin bediente sich eine kleine Gruppe um den MdB Frank Schäffler im deutschen Bundestag seiner Argumente. Freilich ist die FDP im September 2013 aus dem Bundestag ausgeschieden und wohlfahrtsstaatliche Ideale dominieren den Zeitgeist mehr denn je zuvor, von den egalitären Idealen der sogenannten Antidiskriminierungsgesetzgebung bis hin zur lebensfeindlichen Utopie einer „inklusiven Gesellschaft“.
So bleibt zu hoffen, dass mit der Wiederauflage von Hayeks Klassiker diese Gedanken in Deutschland erneut kraftvoll Fuß fassen, dabei unterstützt von der deutschen Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft, die mit Veranstaltungen in über 50 überregionalen Clubs und mit diversen Weiterbildungsangeboten, Publikationen und Fachtagungen ihren Beitrag zur Reliberalisierung des freiheitsadversen Zeitgeistes leistet.
Berlin, im Frühjahr 2014
Prof. Dr. Gerd Habermann
Sekretär der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft e.V.
Vorsitzender der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung
für eine freie Gesellschaft
Von Dr. Otto Graf Lambsdorff
Der Weg aus der Knechtschaft in die Freiheit, den die Menschen in Mittel- und Osteuropa seit ihrer friedlichen Revolution gegen den realen Sozialismus gehen, kann der Anfang für eine Weltordnung der Freiheit und des Friedens werden. Die Neuauflage dieses Buches erscheint im Jahr nach der deutschen Einheit, die uns diesem Ziel nähergebracht hat. Noch allerdings sind Freiheit und Frieden nicht gewonnen, geschweige denn gesichert. Die unmittelbare Bedrohung ist leicht zu erkennen, wenn eine totalitäre Diktatur im Nahen Osten zynisch das Gewaltprinzip anwendet. Einer so erkannten Gefahr können wir entschieden und mit Geschlossenheit erfolgreich begegnen. Bedrohlicher sind aber die nicht spektakulären Gefährdungen von Freiheit und Frieden, die weitgehend unbemerkt wirken. Davor sind wir kaum geschützt, wenn wir nicht mehr auf die Freiheit, Initiative und Leistungsfähigkeit des einzelnen setzen, sondern eine politische Strategie verfolgen, die den Bürger der vollständigen staatlichen Fürsorge anvertraut, ihm die Eigenentscheidung und Verantwortung abnimmt und ihn letztlich entmündigt. Wenn sich so die Gesellschaft schließlich in ihr Schicksal fügt, dann ist dies der „Weg zur Knechtschaft“.
Die Warnung vor dieser schleichenden Gefährdung der Freiheit ist das Thema dieses Buches. Hayeks Warnung hatte Erfolg, wo dieses Buch für die Freiheit des einzelnen und gegen sozialistischen Kollektivismus gelesen werden durfte: der Weg zur Knechtschaft blieb Westeuropa erspart. Wie wenig selbstverständlich dieser Erfolg nach der Befreiung von Hitlers Nationalsozialismus war, bezeugen vor allem diejenigen, die mit daran gearbeitet haben, vor über 40 Jahren gegen vorherrschende, kollektivistische Strömungen eine Verfassung der Freiheit durchzusetzen – allen voran Friedrich A. Hayek, Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Franz Böhm und Alexander Rüstow. Hayek hat bei der Demaskierung des kollektivistischen Geistes in Großbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten Roß und Reiter genannt. Das war damals und ist auch heute für viele unbequem, erleichtert aber die Auseinandersetzung mit den Früchten des Sozialismus.
Gegen den totalitären Terror des Kommunismus, der von Stalin und seinen in Moskau geschulten Helfershelfern mit Gewalt gegen demokratische Mehrheiten auf Mittel- und Osteuropa ausgedehnt wurde, blieben Hayeks verbotene Worte machtlos. Weder „Der Weg zur Knechtschaft“ des Liberalen Hayek noch das von Hayek entscheidend inspirierte Buch „1984“ des Sozialisten Orwell konnten verhindern, daß Orwells Vision des totalen Kontrollstaates mit Informationsmonopol für Hunderte Millionen von Menschen nahezu Wirklichkeit werden konnte. Für die Menschen in Mittelund Ostdeutschland bedeutete dies fast zwei Generationen Unterdrückung und Meinungsterror. Das hat auch heute noch wichtige Folgen für die Einheit Deutschlands: Von einer „Union des Bewußtseins“ sind wir in Deutschland noch weit entfernt.
„Der Weg zur Knechtschaft“ vermittelt anschaulich und wirklichkeitsnah die geistigen und moralischen Grundlagen einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Dieses Buch möge helfen, in Ost und West unsere gemeinsame Verfassung der Freiheit zu verstehen: den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Demokratie und freiheitlicher Wirtschaftsordnung, zwischen Demokratie und Marktwirtschaft. Die Menschen werden die freiheitliche Ordnung nur dann verteidigen, wenn sie ihre Grundlagen begreifen und bejahen. Dann werden sie auch die Gefährdung der Freiheit rechtzeitig erkennen und den Anfängen wehren. Darum ging es Hayek ebenso wie den anderen liberalen Vorkämpfern für Freiheit und Marktwirtschaft. Sie haben mit der Überzeugungskraft ihrer Ordnungsidee der Freiheit und der Marktwirtschaft zum Durchbruch verholfen. Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack haben für die Bundesrepublik Deutschland auf ihren Grundlagen unsere liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung politisch durchgesetzt. Ähnliches ist im 19. Jahrhundert für die Welt nicht gelungen. Ein zweiter Dreißigjähriger Krieg, wie Ralf Dahrendorf ihn treffend charakterisiert, und roter und brauner totalitärer Kollektivismus waren die Folgen im 20. Jahrhundert. Hayeks Buch will den Leser zu einem neuen Versuch bewegen. Mit diesem Aufruf schließt sein Buch: „Wenn unser erster Versuch der Schaffung einer Welt freier Menschen fehlgeschlagen ist, so müssen wir einen neuen Anlauf nehmen. Der leitende Grundsatz, daß eine Politik der Freiheit für den Einzelmenschen die einzige echte Politik des Fortschritts ist, bleibt heute so wahr, wie er es im 19. Jahrhundert gewesen ist.“
Schon mit dem Titel „Der Weg zur Knechtschaft“ hat Hayek bei jeder Auflage zu selbstkritischem Bewußtsein und Auseinandersetzung mit seinen Gedanken provoziert: Mit der Erstauflage 1944, gegen Kriegsende, als sich abzeichnete, daß die Völker Europas das Joch der nationalsozialistischen Knechtschaft abwerfen würden; mit der deutschsprachigen Erstauflage 1945, nach der Befreiung vom Nationalsozialismus; mit den deutschen Neuauflagen 1971 und 1976 gegen die Illusion einer Wirtschaftsordnung des freiheitlichen Sozialismus. Damals konnte man es allerorten hören: Europa könne nur dann weiter zusammenwachsen, wenn es sozialistischen Vorstellungen folgte. Verbreitet war auch die Illusion einer Wirtschaftspolitik, die vom Machbarkeitsglauben und Anspruchsdenken geprägt war: Den Herausforderungen der Zeit – Arbeitslosigkeit und Inflation – könne man nur mit wirtschaftslenkenden Mitteln, mit gigantischen Staatsdefiziten, Investitionslenkung und Verstaatlichung begegnen. Wenn sich gegen diese Tendenzen die marktwirtschaftliche Ordnungspolitik in Westeuropa wieder durchgesetzt hat, dann ist das auch ein Erfolg dieses Buches, das 1981 und 1982 noch zweimal vor der Wende zur marktwirtschaftlichen Erneuerung in der Bundesrepublik Deutschland aufgelegt wurde. Der Erfolg einer Rückbesinnung auf die marktwirtschaftlichen Grundlagen in der Bundesrepublik Deutschland hat ansteckend auf Europa gewirkt.
Hayeks Provokation macht deutlich, daß er mehr sein will als ein mahnender Till Eulenspiegel, der den mühseligen Weg nach oben schon vor Augen hat, wenn seine Weggenossen noch den bequemen Weg ins Tal genießen: Den „Weg zur Knechtschaft“ hat Hayek „Den Sozialisten in allen Parteien“ als eine ständige Mahnung gewidmet. Die totalitären Sozialisten verschiedenster Färbung, von Mussolini über Hitler und Stalin bis hin zu Honecker, haben sich fast jedes Etikett erschwindelt, um Macht zu gewinnen und zu erhalten; der Liberalismus jedoch blieb für Nationalsozialisten und andere totalitäre Sozialisten die bestgehaßte Idee.
Heute kann sich der Sozialismus nur noch auf „dritten Wegen“ Eingang verschaffen. Der tschechoslowakische Finanzminister Klaus, der in besonderem Maße von den Gedanken Hayeks geprägt ist, hat dies in aller Klarheit erkannt: Auf dem Weg zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung hält er die Reformsozialisten von 1968 für seine schwierigsten Gegner, nicht etwa die kommunistischen Befürworter einer totalitären Zwangswirtschaft. Auch die demokratischen Sozialisten von 1990 glauben fest an das Freiheitsideal – wie die englischen Sozialisten von 1944, an die sich Hayek zunächst gewandt hatte. Sozialismus und Liberalismus scheinen ihnen miteinander vereinbar. Mit Unverständnis und Empörung der „Sozialisten in allen Parteien“ muß also rechnen, wer wie Hayek warnt: „Verwirklichung des demokratischen Sozialismus vernichtet die Freiheit, auch die Freiheit, die der demokratische Sozialismus will.“
„Es ist selten, daß eine Freiheit irgendwelcher Art mit einem Schlage verlorengeht.“ Diese über 200 Jahre alte Erkenntnis von David Hume stellt Hayek seinem Buch voran. Fast immer geht Freiheit in fast unmerklichen Schritten verloren. Das macht die Verteidigung der Freiheit so schwer und verlangt gerade heute die Auseinandersetzung mit Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“. Denn keine der vielen Meinungsbefragungen läßt erkennen, daß die Mehrzahl der Bürger die Freiheit gefährdet sieht. Es fehlt gewiß nicht an wortreichen Bekenntnissen zu freiheitlichen und ökonomischen Maßstäben an die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Aber im Bewußtsein ist der schwierige Anpassungsprozeß zur deutschen Einheit, die Gefährdung von Arbeitsplätzen, sozialer Sicherheit und Umwelt. Entsprechend stark ist die Neigung, schnelle Hilfe vom Staat zu erwarten, der Arbeitsplätze durch Recht auf Arbeit und dirigistische Strukturpolitik sichern soll. Zugleich wird eine schnellere Angleichung der Lebensbedingungen durch verstärkte staatliche Umverteilungspolitik erwartet. „Die Teilung durch Teilen überwinden“ bleibt in diesem Zusammenhang ein verführerisches Schlagwort, solange nicht der Weg zu gemeinsamer wirtschaftlicher Dynamik, zum Teilen bei Wachstum aufgezeigt wird.
Gerade dies sollte hellhörig machen. Denn der Grad der Ungewißheit über die zukünftige Entwicklung der Struktur von Angebot und Nachfrage auf den Güter- und Faktormärkten ist während der Umstellung von sozialistischer Planwirtschaft auf dezentrale marktwirtschaftliche Lenkung besonders groß. Ausgerechnet in dieser Phase fehlt es offenbar an Vertrauen in die produktive Kraft der Freiheit des einzelnen und des Wettbewerbs. Bei Hayek ist Wettbewerb das „Entdeckungsverfahren“, das Findigkeit und Leistungswillen des einzelnen zum Wohle der Gemeinschaft nützt. In „Der Weg zur Knechtschaft“ zeigt Hayek, daß nur Wettbewerb auf offenen Märkten diese unverzichtbare soziale Funktion erfüllen kann. Je komplexer das für den einzelnen und für den Staat unübersehbare Geflecht wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen wird, desto mehr brauchen wir den Wettbewerb, um so gewisser ist jeder Versuch einer staatlichen Wirtschaftsplanung zum Scheitern verurteilt. Die staatliche Anmaßung von Wissen führt dann schon bei einer harmlos anmutenden Industriepolitik zu Fehllenkungen von knapper Arbeit, knappem Kapital und knappen Gütern. Auf die Fehllenkungen wird regelmäßig mit weiteren staatlichen Interventionen reagiert: Subventionen, Protektion und zunehmende Umverteilung von Einkommen, die nicht sozialen Kriterien folgt, sondern der Lautstärke und politischen Durchsetzungsfähigkeit der Interessenten. Das ist die Interventionsspirale des kollektivistischen Wohlfahrtsstaats, vor deren Anfängen Hayek warnt.
Ebenso wie Freiheit nicht auf einmal verlorengeht, wird sie auch nicht auf einen Schlag zurückgewonnen. Mit der politischen Einheit Deutschlands ist zwar die politische Freiheit für die Menschen in der ehemaligen DDR wiedergewonnen. Nach fast zwei Generationen wettbewerbsfeindlicher Beeinflussung in totalitären Regimen stellen sich aber der vollen wirtschaftlichen Freiheit des einzelnen große Hindernisse in den Weg. Das macht Hayeks Überzeugungsarbeit für eine Wettbewerbsordnung heute besonders wichtig: Liberalismus, Marktwirtschaft, soziale Verpflichtung, politische Freiheit und Frieden gehören unauflöslich zusammen. Das ganze Gebäude einer freiheitlichen Verfassung wird gefährdet, wenn auch nur eines dieser Fundamente gefährdet ist.
Aufklärung über die soziale Funktion einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung tut aber auch dort not, wo die Marktwirtschaft ihre Leistungsfähigkeit in besonderem Maße bewiesen hat: wie keine andere Wirtschaftsordnung hat die Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland zugleich Freiheit für den einzelnen und soziale Sicherheit geschaffen. Von beidem – so würde Hayek einwenden – hätten wir in Deutschland mehr, wenn wir mehr Marktwirtschaft hätten, sei es auf dem Agrarmarkt, im Energiebereich, in der Werftindustrie, bei vielen Dienstleistungen, auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen oder in der Alterssicherung. Knappe Mittel würden dann nicht mehr durch staatliche Fehllenkung vergeudet. Bei mehr Marktwirtschaft hätten wir mehr mündige Bürger, weniger Trittbrettfahrer auf dem Wohlfahrtszug und mehr Arbeit in zumutbaren Beschäftigungen. Dann wäre auch mehr Hilfe für die wirklich sozial Schwachen möglich.
Diese Mängel unserer Wirtschaftsordnung haben die Kritiker der deutschen Marktwirtschaft aber nicht im Auge, wenn sie behaupten, daß die marktwirtschaftliche Steuerung allein nicht funktioniere. Sie behaupten Marktversagen, um weniger Markt und noch mehr staatliche Intervention zu rechtfertigen. Hayek dagegen zeigt die Voraussetzungen für funktionsfähige marktwirtschaftliche Steuerung auf: stabiles, frei tauschbares Geld, Wettbewerb und Gewerbefreiheit auf offenen Märkten, Rechtssicherheit für das Eigentum der Bürger. Diese Rahmenbedingungen herzustellen sei erste Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Für Hayek ist die Wettbewerbsordnung nicht nur vereinbar mit einem System der Sozialfürsorge; er fordert mehr: „Es steht außer Frage, daß es eines der Hauptziele der Politik sein muß, Sicherheit gegen bittere Not zu gewähren und die vermeidbaren Fehlleitungen von Leistungen mit ihren Enttäuschungen zu verringern. Sollen diese Bemühungen aber von Erfolg gekrönt sein, ohne die Freiheit zu vernichten, so muß außerhalb des Marktes für die Sicherheit gesorgt werden, und dem Funktionieren des Wettbewerbs dürfen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden.“ Dieses umfangreiche Zitat aus „Der Weg zur Knechtschaft“ ist wichtig. Denn Hayek ist wie kaum ein anderer stellvertretend für alle liberalen Marktwirtschaftler fortgesetzten Denunziationen ausgesetzt, wenn es um den moralischen und sozialen Gehalt der Marktwirtschaft geht.
Wenn es gelingt, in ganz Deutschland bei den Bürgern das Verständnis für die moralische und soziale Funktion einer Wettbewerbsordnung zu wecken, dann wäre für die innere Einheit Deutschlands, für Europa und für gutnachbarschaftliche Beziehungen mit allen Menschen der Welt viel erreicht. „Der Weg zur Knechtschaft“ schafft für den wirtschaftswissenschaftlichen Laien dazu weiterhin die meiste Klarheit. Man kann also sehr wohl auch einfach zu dem Leser sprechen, wenn man wie Hayek Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften und durch strenge Analysen zu allen wichtigen wirtschaftspolitischen Problemen ausgewiesen ist. Nicht vom Wettbewerb allein, sondern von der Wettbewerbsordnung, die der Staat setzen muß, erwartet Hayek, daß der einzelne in Freiheit seine ganze Kraft und seinen Erfindungsreichtum einsetzen wird. Damit dient er der Gemeinschaft, auch wenn er dies gar nicht beabsichtigt hat. Wettbewerb auf offenen Märkten sorgt dafür, daß die Leistungsgewinne des einzelnen auch der Gemeinschaft zugute kommen. Hier steht Hayek ganz in der Tradition des Moralphilosophen Adam Smith, der zugleich seit gut 200 Jahren als liberaler Vater der Wirtschaftswissenschaften gilt.
Hayek überzeugt durch die strenge Analyse der Erfahrungen mit der kollektivistischen Alternative zur Marktwirtschaft, dem planenden und allzuständigen Staat. Die Deutschen seien durch die Erfahrungen mit dem Staatssozialismus klüger geworden – heute würde Hayek dabei in erster Linie an die Deutschen in der ehemaligen DDR denken: „Wir haben gelernt, daß trotz guter Absichten und einer gut funktionierenden Organisation sich moralische Anständigkeit unter einem System nicht halten kann, das die persönliche Freiheit und die Verantwortung des einzelnen vernichtet.“ Wenn die Organisation so schlecht funktioniert hat wie im realen Sozialismus, dann hat dies immerhin Nischen geschaffen, die Reste von persönlicher Freiheit und Verantwortung des einzelnen vor dem Zugriff des Sozialismus sichern konnten.
Der weltweite Wettbewerb der Wirtschaftsordnungen ist seit der friedlichen Revolution in Mittel- und Osteuropa entschieden. Das läßt für Freiheit und Frieden in der Welt hoffen. „Internationale Solidarität“ war ein verständlicher Traum der frühen Sozialisten; heute ist er längst durch Erfahrung entlarvt. Die sozialistische Wirklichkeit auf internationaler Ebene heißt bei Hayek ungeschminkt: Forderung nach „Schutz vor Schundlohnkonkurrenz“, angeblich im Interesse der Arbeiter in den ärmeren Ländern. Deswegen kann ein wirklich geeintes Europa der Bürger, das weltoffen sein will und seiner internationalen Verantwortung gerecht wird, nur ein liberales Europa sein. Bisher hat der Weg zum Europäischen Binnenmarkt mehr Märkte geöffnet und mit dem intensiveren Standortwettbewerb zugleich für mehr Wettbewerb bei den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaftsordnung gesorgt.
Wenn wir im offenen Wettbewerb der Wirtschaftsordnungen die Menschen für die Marktwirtschaft gewinnen, dann kann der von Hayek geforderte zweite Versuch einer Weltordnung freier Menschen gelingen. Das wäre vor allem für die ärmeren Völker wichtig. Für sie klingt heute Hayeks biblisch einfacher Rat von 1944 nach so vielen sozialistischen Irrtümern in der Entwicklungspolitik wie die modernste Erkenntnis der Entwicklungshilfe: „Wir sollten die ärmeren Völker, soweit es in unserer Macht steht, in ihren eigenen Bemühungen, sich ihr Leben aufzubauen und ihren Lebensstandard zu heben, unterstützen. Eine internationale Instanz kann sehr gerecht sein und viel zur wirtschaftlichen Prosperität beitragen, wenn sie sich darauf beschränkt, die Ordnung aufrechtzuerhalten und die Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen sich ihr eigenes Leben zurechtzimmern können.“
Der unveränderte Neudruck eines vor mehr als fünfundzwanzig Jahren erschienenen Buches, das sich mit wieder höchst aktuellen Problemen befaßt, mag ein paar Worte der Rechtfertigung verlangen. Die Gründe, die es mir unangemessen erscheinen ließen, die Gelegenheit zu einer Revision des Textes zu benützen, sind, daß sich ein Buch, das aus einem bestimmten Anlaß und für einen bestimmten Leserkreis geschrieben wurde, nicht ändern läßt, ohne dabei die Einheitlichkeit der Argumentation zu zerstören, und daß heute seine Bedeutung nicht zuletzt auf der Rolle beruht, die es in den Auseinandersetzungen über die in ihm aufgeworfenen Probleme gespielt hat. Es wäre deshalb irreführend, in seinem Rahmen und unter dem gleichen Titel auf Fragen einzugehen, die erst seit seinem Erscheinen aufgetaucht sind oder die ich zumindest damals noch nicht klar gesehen habe. Um aber Mißverständnissen vorzubeugen, ist es angezeigt, hier kurz die Situation zu schildern, in der es entstanden ist, sowie den Leserkreis, an den es ursprünglich gerichtet war.
In seiner ursprünglichen englischen Fassung ist das Buch während des Zweiten Weltkrieges in England entstanden und zunächst dort zu Anfang des Jahres 1944 erschienen. Es war in erster Linie an jene Kreise der sozialistischen Intelligenz Englands gerichtet, die im Nationalsozialismus eine „kapitalistische“ Reaktion gegen die sozialen Tendenzen der Weimarer-Republik sahen, und sollte ihnen verständlich machen, daß es sich im Gegenteil um eine Fortentwicklung des Sozialismus handelte, die eintritt, wenn er sich jenes demokratischen und liberalen Gedankenguts entledigt, das mit seinen Bestrebungen nach einer vollkommenen Beherrschung des Produktionsapparates unvereinbar ist. Daß eine zentrale Leitung der gesamten Wirtschaft, wie sie zumindest der ältere Sozialismus anstrebte, zu einer totalitären politischen Herrschaft führen muß, ist heute ziemlich allgemein anerkannt. Zur Zeit, als ich dieses Buch schrieb, wurde jedoch die grundsätzliche Ähnlichkeit der verschiedenen totalitären Systeme, des Nationalsozialismus, des Faschismus und des Kommunismus, noch keineswegs allgemein gesehen. Meine Absicht war es zu zeigen, daß es nicht die besonderen Ziele waren, denen die verschiedenen totalitären Systeme zu dienen vorgaben, die ihre Brutalität hervorriefen, sondern daß diese eine notwendige Folge jedes Versuches sein müssen, eine ganze Gesellschaft völlig den von den Herrschern bestimmten Zielen dienstbar zu machen. Der Gegensatz zwischen einer freiheitlichen Ordnung, in der der einzelne innerhalb der Schranken der Regeln des gerechten Verhaltens sein Wissen in der Verfolgung seiner selbst gewählten Ziele verwenden darf, und einem System, unter dem alle den von der Obrigkeit festgesetzten Zielen dienen müssen, scheint mir immer noch grundsätzlich und unüberbrückbar.
Besonders erwähnt sei, daß, wenn ich in dem Buch von Sozialismus spreche, ich stets im Sinne der Zeit nur jenen älteren Sozialismus im Auge habe, der eine Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und damit notwendig eine zentrale Planwirtschaft anstrebte. Diese Form des Sozialismus ist von den meisten sozialistischen Parteien des Westens aufgegeben worden. Inwieweit die Argumentation des Buches auch für jene neueren Formen des Sozialismus gilt, die das Ziel sozialer Gerechtigkeit durch eine Vielzahl von Eingriffen in eine grundsätzlich zu erhaltende Marktwirtschaft zu erreichen suchen, hängt davon ab, ob diese Versuche nicht doch, wie ich glaube, früher oder später, zu einer Zentralverwaltungswirtschaft führen oder nicht. Das ist das Zentralproblem, das eine Neubearbeitung des ganzen Fragenkomplexes zu untersuchen hätte, was aber ein neues, ganz anders aufgebautes Buch erfordern würde.
Nach einer liberalen Periode, die Deutschland einen Aufstieg seines Wohlstandes ermöglicht hat, den kaum jemand vorauszusagen gewagt hätte, und während derer auch die sozialistische Partei sich zur Marktwirtschaft bekannte, sind nun unter der Jugend die alten Ideen des Sozialismus wieder auferstanden. Ein Teil der Jugend glaubt wieder der Freiheit zu dienen, indem sie eine Wirtschaftsordnung befürwortet, die tatsächlich die Freiheit des einzelnen auf das engste beschränken würde. Sie wissen nicht mehr aus eigener Erfahrung, was eine Regierungsform bedeutet, in der die Herrschenden unbeschränkte Macht über alle Mittel ausüben, die der einzelne zur Verfolgung seiner Ziele braucht. Vor fünfundzwanzig Jahren war es gerade die deutsche Jugend gewesen, deren verständnisvolle Aufnahme dieses Buches mir die größte Genugtuung bereitet hatte. Der heutigen Jugend scheinen seine Ideen vollkommen fremd geworden zu sein. Wenn die Wiederherausgabe des Buches sie veranlassen kann, sich mit den darin aufgeworfenen Problemen auseinanderzusetzen, so wird sie damit ihren Zweck erreicht haben.
Salzburg, im Juni 1971
F. A. Hayek
Wenige Enthüllungen sind peinlicher als die über den Ursprung geistiger Strömungen.
Lord Acton
Die Ereignisse der Gegenwart unterscheiden sich von denen, die bereits Geschichte geworden sind, dadurch, daß wir über ihre Auswirkungen im ungewissen sind. Blicken wir auf die Vergangenheit zurück, so können wir uns über die Bedeutung früherer Geschehnisse ein Urteil bilden und die von ihnen hervorgerufenen Wirkungen verfolgen. Aber während die Geschichte ihren Lauf nimmt, ist sie für uns noch nicht Geschichte. Sie führt uns in ein unbekanntes Land, und nur selten können wir einen Blick in die Zukunft werfen. Anders wäre es, wenn wir dieselben Ereignisse ein zweites Mal erleben und dabei über die vorher gemachten Erfahrungen verfügen könnten. In welch andersartiger Beleuchtung würden wir die Dinge dann sehen! Wie wichtig, ja, wie beunruhigend würden uns Vorgänge erscheinen, die wir jetzt kaum beachten! Es ist vielleicht ein wahres Glück, daß uns diese Erfahrung erspart bleibt und daß wir keine Gesetze kennen, nach denen die Geschichte verlaufen müßte.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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